The Gender of Authority. Celibate and Childless Men in Power: Ruling Bishops and Ruling Eunuchs, 400–1800

The Gender of Authority. Celibate and Childless Men in Power: Ruling Bishops and Ruling Eunuchs, 400–1800

Organisatoren
Almut Höfert, Universität Zürich
Ort
Zürich
Land
Switzerland
Vom - Bis
28.08.2013 - 30.08.2013
Url der Konferenzwebsite
Von
Juliane Schiel, Historisches Seminar, Universität Zürich

Aus allen Teilen der Welt (von Nordamerika bis Australien) waren Ende August Referentinnen und Referenten nach Zürich geladen, um das Verhältnis von Geschlecht und Herrschaft in globalgeschichtlicher Perspektive zu diskutieren. Im Fokus standen dabei "mächtige Männer", die kultur- und epochenübergreifend eines gemeinsam hatten: Es waren Männer, die vom dominanten Gesellschaftsmodell der ehelichen bzw. biologischen Reproduktion ausgeschlossen waren – sei es, weil sie es durch ein Zölibatsgelübde selbst so gewählt hatten oder weil sie aufgrund einer im Rahmen von Verschleppung und Sklaverei erlittenen Kastration keine eigenen Nachkommen zeugen konnten. "Bischöfe" und "Eunuchen" waren das Thema – und dies vom Altertum bis in die Moderne, vom lateinischen Westen über Byzanz und den Nahen Osten bis nach Indien und China.

Ausgehend von der Beobachtung, dass in fast allen Gesellschaften der Vormoderne häufig gerade diese zölibatär bzw. kinderlos lebenden Männer mit hohen Ämtern, herausragenden Positionen und besonders vertrauensvollen Aufgaben betraut wurden, sollten "Bischöfe" und "Eunuchen" – so die Veranstalterin ALMUT HÖFERT (Zürich) zu Beginn der Tagung – auf drei Aspekte hin untersucht werden: erstens auf ihr besonderes Verhältnis zu Sakralität und sakralen Räumen, zweitens auf ihre Verortung innerhalb der jeweils vorherrschenden Geschlechterordnungen und drittens auf die materiellen Grundlagen ihrer Macht.

Im Verlauf der dreitägigen Tagung wurde dabei zunächst vor allem eines schnell klar: "Bischöfe" und "Eunuchen" lassen sich kaum als zwei idealtypisch voneinander abgegrenzte "Einheiten" vergleichend gegenüber stellen, da beide "Gruppen" in sich zu heterogen sind. Kleriker konnten – wie etwa im frühen Christentum – als Zeichen ihres Glaubens und ihres Opferbereitschaft gegenüber Gott eine Selbstkastration vornehmen (MATHEW KUEFLER, San Diego). Ebenso konnten Eunuchenknaben nicht nur aus der Fremde als Beutesklaven importiert, sondern auch aus der eigenen Gesellschaft rekrutiert und unter (zumindest formaler) Einwilligung der Betroffenen oder auf Wunsch der Familie hin kastriert werden (SHAUN TOUGHER, Cardiff, sowie EZGI DIKICI, Istanbul). Bischöfe konnten uneheliche Söhne oder Neffen protegieren und beerben ebenso wie Eunuchen zuweilen heirateten und Kinder adoptierten (MICHAEL HÖCKELMANN, Münster). Bischöfe entstammten häufig dem hohen Adel, hatten aber selten aus eigenem Antrieb die klerikale Laufbahn eingeschlagen (JULIA BARROW, Leeds), und Eunuchen waren ihrem Status nach rechtlose Sklaven, konnten aber sehr wohl einen eigenen Haushalt mit eigenen Sklavinnen und Sklaven führen und andere Eunuchen beerben (METIN KUNT, Istanbul).

Als entsprechend heterogen erwiesen sich folglich auch die Männlichkeitsbilder, die in den verschiedenen Gesellschaften von Bischöfen und Eunuchen entworfen wurden und eine Zusammenfassung dieser Männer unter einer distinkten Kategorie des "third gender" stark in Frage gestellt haben. So wurden Eunuchen einerseits in die Nähe weiblicher Stereotype gerückt und gegenüber nicht kastrierten Männern als moralisch wenig integer und intellektuell weniger leistungsfähig oder als für häusliche Tätigkeiten besonders geeignet charakterisiert. Gleichzeitig galten sie in ihrer Funktion als Beschützer von Herrschern, Harem und heiligen Kultstätten, als Lehrer und Überbringer vertraulicher Informationen als besonders loyal und verlässlich (NADIA EL-CHEIKH, Beirut). Ihre Entmannung verschaffte ihnen freien Zutritt zu den Welten der Frauen und gleichzeitig außergewöhnliche Karrierechancen innerhalb der männlich dominierten Sphären von Politik, Verwaltung und Militär (SERENA TOLINO, Zürich), wobei das Fehlen der männlichen Geschlechtsteile in der gesellschaftlichen Wahrnehmung offenbar häufig auch ganz in den Hintergrund rückte, insbesondere bei Eunuchen in hohen militärischen Positionen (HUGH KENNEDY, London). Auch für die (Selbst-)Wahrnehmung von Bischöfen im lateinischen Westen war möglicherweise "gender" aufgrund der Unabgeschlossenheit gegenüber dominanten Konzepten von Männlichkeit häufig keine handlungsleitende Kategorie, wie MATTHEW MESLEY (Zürich) bemerkte.

Dennoch – und vielleicht gerade deshalb – brachte die Tagung, die im Rahmen der SNF-Förderprofessur für transkulturelle Geschichte des lateinischen und arabischen Mittelalters von Almut Höfert, Serena Tolino und Matthew Mesley in Kooperation mit dem Zürcher Universitären Forschungsschwerpunkt "Asien und Europa" veranstaltet wurde, für die in den letzten Jahren lebhaft geführte Diskussion um transkulturelle Vergleiche und die Frage der Vergleichbarkeit ebenso wichtige Erkenntnisse wie für die aktuelle Geschlechterforschung.

Denn das während der Tagung praktizierte fortwährende Vergleichen erwies sich nicht nur als Schlüssel für einen intellektuell anspruchsvollen, aber ausgesprochen gewinnbringenden Dialog der Disziplinen über historiographiegeschichtliche Grenzen hinweg. Die ungewöhnliche Konfrontation der klerikalen Welt der Bischöfe mit dem höfischen Milieu der Eunuchen ermöglichte auch unerwartete Einsichten und neue Perspektiven auf überkommene Vorstellungen etwa von Verwandtschaft oder Sklaverei – und zwar immer dann, wenn die konkreten Praktiken in ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit in den Fokus rückten.

So hat die Gegenüberstellung von Testamentsverfügungen, Güterlisten oder Grabinschriften von Bischöfen bzw. Eunuchen deutlich gemacht, dass Blutsverwandtschaft in vormodernen Gesellschaften meist nur eine Möglichkeit der Genealogie- und Erbfolgebildung neben anderen war. Andere soziale Beziehungsformen wie Patenschaft (RACHEL STONE, London), Pflegschaft und Adoption (vor allem Metin Kunt und Julia Barrow) oder Lehrer-Schüler-Verhältnisse (JESSICA HINCHY, Canberra) standen rechtlich ebenso wie in ihrer gesellschaftlichen Wertschätzung häufig gleichwertig neben der Vater-Sohn-Relation. Bischöfe und Eunuchen konnten die materielle Grundlage ihrer Macht also über alternative Genealogiemodelle sicherstellen.

Ebenso vermag der interkulturelle Vergleich zwischen den verschiedenen Existenzbedingungen für Eunuchen herkömmliche Vorstellungen von Sklaverei zu korrigieren, wenn Sklavinnen und Sklaven nicht vorschnell als Opfer einer totalen sozialen Institution für gesellschaftlich "tot"1 erklärt, sondern in ihrem jeweiligen Handlungsraum innerhalb bestehender gesellschaftlicher Strukturen verortet werden (wie etwa besonders in den Vorträgen von Serena Tolino und Metin Kunt).

Die Diskussionen um Geschlechterrollen und Männlichkeitsbilder ihrerseits wurden immer dort besonders produktiv, wo jenseits der Frage danach, ob "Bischöfe" oder "Eunuchen" ein "third gender" darstellten, über Machtverhältnisse zwischen verschiedenen Formen von Männlichkeit gesprochen wurde. Robert Cornells Konzept von hegemonialen und untergeordneten Formen von Männlichkeit2 erhielt so besonders dann neue Tiefenschärfe, wenn etwa gesellschaftliche Zuschreibungen, Namengebungspraktiken oder Selbstdarstellungen von Eunuchen untersucht wurden und Marginalisierungsstrategien bzw. umgekehrt Abgrenzungsmechanismen zum dominanten Männlichkeitsbild sichtbar wurden (insbesondere JENNIFER JAY, Alberta, aber auch Michael Höckelmann, Münster, und Nadia El-Cheikh, Beirut). Die Sensibilisierung für die Konstruktion und Aushandlung von Männlichkeiten, das "doing masculinity", wie ANTJE FLÜCHTER, Heidelberg/Oslo, in ihrem Schlusswort formulierte, ist genau das, was künftige Geschlechterstudien weiter voranbringen wird.

Dass die kurzfristige Absage zweier Referate die Bischöfe in der Gegenüberstellung zölibatärer und entmannter Männer an der Macht insgesamt zu kurz kommen ließ, ist bedauerlich, tut dem intellektuellen Ertrag der Tagung aber keinen Abbruch. Etwas schmerzlicher ist vielleicht die Tatsache, dass der Aspekt der Sakralität in der Reihe der Vorträge zu kurz kam. Möglicherweise hätte die vergleichende Diskussion des Verhältnisses von Bischöfen und Eunuchen zu sakralen Räumen ebenso unerwartete und neue Einsichten in die Sakralität von Herrschaft ermöglicht, wie dies im Bereich der Verwandtschafts- und der Sklavereiforschung gelungen ist.

Weiterhin wäre für künftige Forschungen auf diesem Gebiet anzuregen, dass der hier vorgenommene Fokus auf marginale Männlichkeiten an der Macht in einem zweiten Schritt den Blick öffnet für diejenigen Männer, die sich ebenfalls jenseits dominanter Männlichkeitsbilder bewegten, sich aber nicht durch eine außergewöhnliche Kirchen-, Beamten- oder Militärlaufbahn bzw. Aufsehen erregende Selbstzeugnisse und einschlägige Schriften einen festen Platz in der historischen Überlieferung gesichert haben, sondern in der Praktizierung anderer Männlichkeitsmodelle relativ unauffällig lebten oder in Konfrontation mit dominanten Geschlechterkonzeptionen gerieten und scheiterten. Wie viele Eunuchen gab es außerhalb der Herrscherhöfe? Was wissen wir über die Selbstwahrnehmung zölibatär lebender Kleriker jenseits der leicht zugänglichen Schriften gut bekannter Mönche und Kirchenleute? Diese und ähnliche Fragen wurden während der ausgesprochen lebhaften und anregenden Diskussionen immer wieder gestreift, referierten letztlich aber auf eine "black box", die wohl mithilfe aufwändiger Archivrecherchen erst eigens zum Forschungsthema gemacht werden müsste.

Konferenzübersicht:

Eunuchs in Late Antiquity and Byzantium

MATHEW KUEFLER (San Diego): Eunuchs by Will, not Necessity: Symbolic Castration in Late Antiquity

SHAUN TOUGHER (Cardiff): Eunuchs of the Byzantine Court: Family, Gender and Power

Eunuchs in the Middle East (1)

NADIA EL-CHEIKH (Beirut): Guarding the Harem, Protecting the State: The Roles of Eunuchs in a Fourth/Tenth Century Abbasid Court

SERENA TOLINO (Zürich): Eunuchs in the Fatimid Empire: an Account of their Role and the Construction of their Masculinities

Eunuchs in the Middle East (2)

HUGH KENNEDY (London): Eunuchs as Military and Political Actors in the Islamic Middle East c. 800-1000 CE: “the case of Mu’nis al-Muzaffar”

Ottoman Eunuchs

METIN KUNT (Istanbul): Households of Ottoman Palace Eunuchs

EZGI DIKICI (Istanbul): Shades of Gender: The Construction of White Eunuch and Black Eunuch Identities at the Ottoman Court

Bishops in Medieval Europe: Family and Networks

MATTHEW MESLEY (Zürich): Between Tradition and Novelty: Bishops, Celibacy and the Boundaries of Clerical Masculinity in Medieval Europe

JULIA BARROW (Leeds): The Bishop as Uncle, 600-1100

RACHEL STONE (London): Spiritual Heirs and Families: Episcopal Relatives in Early Medieval Francia

Eunuchs in Premodern China

JENNIFER JAY (Alberta): Competing Masculinities and Gender Shift: Eunuchs Against Officials in Confucian China

MICHAEL HÖCKELMANN (Münster): Celibate, but not Childless - Eunuch Dynasticism in Medieval China

Gender and Authority in Early Modern and Modern South Asia

RUBY LAL (Atlanta): Eunuchs and an Empress in Mughal India: Liminality and Networks of Authority

JESSICA HINCHY (Canberra): Masculinity, Kinship-Making and Slavery: Explaining the Political Power of the Khwajasarai of North India

SHANE GANNON (Calgary): Sliding from Authority to Marginality: Tracking the Transition from Pre-Modern ‘Eunuchs’ to Modern Hijras in South Asia

Conclusion

ANTJE FLÜCHTER (Heidelberg/Oslo): Concluding Remarks and Final Discussion

Anmerkungen:
1 Orlando Patterson, Slavery and Social Death. A Comparative Study, Cambridge, Mass. 1982.
2 Robert W. Cornell, Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten, Opladen 1999.


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