Droit à la résistance: La place du 20 juillet dans la mémoire allemande et française

Droit à la résistance: La place du 20 juillet dans la mémoire allemande et française

Organisatoren
Maison Heinrich Heine; Deutsches Historisches Institut, Paris; Mémorial du Maréchal Leclerc de Hauteclocque et de la Libération de Paris – Musée Jean Moulin; Deutscher Akademischer Austauschdienst
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
17.03.2014 - 18.03.2014
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Von
Marius Golgath / Luisa Steinbach, Deutsches Historisches Institut, Paris

Im Mittelpunkt des deutsch-französischen Kolloquiums, das am 17. und 18. März 2014 in Paris aus Anlass des 70. Jahrestages des Attentats auf Hitler stattfand, stand die Frage nach dem Recht auf Widerstand. Eröffnet wurde die Tagung mit einem Abendvortrag von WIBKE BRUHNS (Berlin), die nach der Begrüßung durch CHRISTIANE DEUSSEN (Paris), Direktorin der Maison Heinrich Heine und GILBERT MERLIO (Paris) ihr Buch „Meines Vaters Land“ vorstellte1, das seit seinem Erscheinen 2004 in 18 Sprachen, darunter auch ins Französische, übersetzt wurde. Der Vater von Wibke Bruhns, Hans Georg Klamroth, wurde im Zusammenhang mit dem 20. Juli Opfer der Nationalsozialisten. Der Versuch, seinem Handeln nachzuspüren, zwang die Tochter, sich nicht nur intensiv mit seinem Leben, sondern auch mit dem ihrer Vorfahren im 19. Jahrhundert auseinander zu setzen. Ihre Nachforschungen führten Bruhns in Dimensionen der deutschen Geschichte, in Haltungen und Zusammenhänge, die einige der Probleme und Fragen bereits ansprachen, die im Zentrum der sieben Vorträge standen, die am nächsten Tag die Entwicklung der Forschung zur Widerstandsproblematik in Deutschland und Frankreich sowie mögliche Aspekte aufzeigten, bei denen der Widerstand gegen den Nationalsozialismus heute im Hinblick auf Fragen von Zivilcourage und Anpassungsdruck von Bedeutung sein kann.

Am nächsten Tag gab nach der Begrüßung und Einleitung von CHRISTIANE DEUSSEN (Paris), STEFAN MARTENS (Paris) und GILBERT MERLIO (Paris), JOACHIM SCHOLTYSECK (Bonn) zunächst einen Überblick über die aktuellen Tendenzen der Widerstandsforschung in Deutschland. Während der Verlauf und die Entwicklung der Forschung bis in die 1990er-Jahre die jeweiligen politischen und historiographischen Debatten widerspiegelte, habe sich heute ein integraler Widerstandsbegriff durchgesetzt, der alle politischen Ausrichtungen und auch Alltagsformen berücksichtige. Außerdem stellte Scholtyseck in Europa eine zunehmende Tendenz fest, auf ähnliche Weise auch die Kollaboration in den Blick zu nehmen. Besonderen Wert legte er darauf, ein Verständnis von Widerstand zu berücksichtigen, das den Schwerpunkt auf den Charakter und die individuelle Entscheidung legt. Mit seiner Betonung der Umstände kritisierte er implizit, dass die heutige Generation die Bedingungen in totalitären Systemen oft unterschätze.

Anschließend an diese allgemeine Darstellung der Tendenzen der Widerstandsforschung nahm PETER STEINBACH (Mannheim/Berlin) die Rezeption des 20. Juli in seinem Beitrag genauer in den Blick. Einleitend erläuterte er die Bedingungen der Widerstandsrezeption Ende der 1940er-Jahre. Nicht nur große Teile der Deutschen, für die der 20. Juli nach wie vor als Verrat galt, haben keine positive Darstellung unterstützt. Auch die Alliierten, die im 20. Juli den Versuch sehen konnten, die bedingungslose Kapitulation abzuwenden oder einen deutschen Machtfaktor zu bewahren, erschwerten die Rezeption des Widerstandes. Auf die sich dann anschließende Phase einer positiven Wahrnehmung folgte Ende der 1960er-Jahre eine kritischere Hinterfragung der Gesinnung der Gruppe um Stauffenberg. Doch betonte Steinbach im Einklang mit Scholtyseck die Zivilcourage und die Ablehnung des strikten Gehorsams, die man den Angehörigen des militärischen Widerstandes attestieren müsse.

WINFRIED HEINEMANN (Potsdam) thematisierte den Umgang der Bundeswehr mit dem 20 Juli. Er ging dabei auf die Integration der Geschichte des Widerstandes um Stauffenberg in das Konzept der 1955 gegründeten Bundeswehr am Beispiel der Namensgebung einer Reihe von Kasernen ein. Ein Großteil der Maßnahmen, die eine Tradition mit Blick auf das Attentat des 20. Juli etablieren sollten, ging von der Politik aus, während innere Impulse in den ersten Jahren weniger deutlich waren. Die starke Betonung der traditionellen Verbindung zum Widerstand, wie sie heute existiere und zum Verzicht bei der Namensgebung auf ehemalige Weltkriegsgenerale geführt habe, werde in der Bundeswehr weiterhin als wichtig empfunden.

HÉLÈNE CAMARADE (Bordeaux) zeigte in ihrem Vortrag, wie die Tendenzen der Widerstandsbetrachtung in der populären Kultur verarbeitet wurden. In ihren Augen war der Film „Der 20. Juli“ (1955) von Falck Harnack eine Reaktion auf den Verräterdiskurs um Stauffenberg und strebte eine Rehabilitierung der militärischen Widerstandsgruppe von 1944 an. Der Film „Stauffenberg“ (2004) von Jo Bayer konzentrierte sich dagegen auf dessen Person und deutete Widerstand als persönliche Entscheidung. Die anschließende Diskussion betrachtete die zunehmende Deutungshoheit von historischen Spielfilmen kritisch. Übereinstimmung bestand jedoch darin, dass der Wert der dadurch zustande kommenden öffentlichen Debatten nicht zu unterschätzen sei.

In ihrem Beitrag zur Wahrnehmung des 20. Juli in Frankreich schilderte CHRISTINE LEVISSE-TOUZÉ (Paris), den Wandel, der in den 1990er-Jahren einsetzte. Beschränkte sich die Kenntnis jenseits des Rheins bis dahin vor allem auf die „Weiße Rose“ und die „Rote Kapelle“, rückte durch eine Reihe von Kolloquien, Übersetzungen, Ausstellungen und französische Forschungsarbeiten nun zunehmend der Widerstand gegen Hitler in seiner ganzen Bandbreite in den Blick. Nach ihrer Meinung sei das Thema heute in Frankreich etabliert, weshalb sie anregte, sich in der Forschung künftig stärker mit dem Phänomen der Beteiligung von Deutschen an den Aktionen der französischen Résistance zu beschäftigen.

GILBERT MERLIO (Paris) verknüpfte die bisherigen Themen des Kolloquiums durch eine vergleichende Darstellung der Widerstandsforschung in Frankreich, der alten Bundesrepublik und der DDR seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Sowohl in Frankreich als auch in der Bundesrepublik wurde das Bild der ersten Nachkriegsjahre von Historikern als Zeitzeugen beeinflusst. Eine Historisierung und ein kritischeres Hinterfragen der eigenen Widerstandskonzeption, die bis dahin in Frankreich die Kollaboration, und in der Bundesrepublik die Verflechtungen mit dem Nationalsozialismus und dem Antisemitismus in den Reihen des konservativen Widerstandes weitgehend unberücksichtigt ließ, setzte erst in den 1970er-Jahren ein. Während sich die DDR als antifaschistisch verstand und den kommunistischen Widerstand hervorhob, betonte die Bundesrepublik zunächst vor allem die bürgerlichen Elemente des Widerstandes. In der Diskussion wurde deutlich, dass nach wie vor eine nationale Sichtweise in der Widerstandsforschung vorherrscht, was vor allem daran liegt, dass die Historiker auch ein identifikatorisches Interesse an ihrem Forschungsgegenstand haben.

Abschließend stellte MARC OLIVIER BARUCH (Paris) in einem politisch-philosophischen Diskurs die Frage nach dem Recht auf Widerstand in der heutigen Zeit. Mit aktuellen Bezügen zu Whistleblowern wie Edward Snowden und dem französischen Polizeikommandanten Philippe Pichon zeigte er einerseits, dass der Konflikt zwischen dem geschriebenen Gesetz und einer übergeordneten Moral auch diese Fälle prägt, und sich andererseits eine Tendenz zu einer milderen Rechtsprechung bei Vorliegen einer moralischen Begründung feststellen lasse. Durch seine Überlegungen wurde, wie die anschließende Diskussion zeigte, die Betrachtung von Widerstand als einem Phänomen des Charakters und der Zivilcourage nochmals unterstrichen.

Konferenzübersicht:

Wibke Bruhns (Berlin), Meines Vaters Land, Geschichte einer deutschen Familie / Le Pays de mon père. Histoire d'une famille dans la tourmente du nazisme

Christiane Deussen (Paris), Accueil

Stefan Martens / Gilbert Merlio (Paris), Introduction

Joachim Scholtyseck (Université Bonn), Neue Forschungen zum Widerstand in Deutschland (Nouvelles recherches sur la Résistance en Allemagne)

Peter Steinbach (Université Mannheim), Die Erinnerung an den 20 Juli in den ersten Jahren der Bundesrepublik (La mémoire du 20 juillet dans les premières années de la République fédérale)

Winfried Heinemann (Centre d’histoire militaire et des sciences sociales de la Bundeswehr, Potsdam), Le 20 juillet et la Bundeswehr

Hélène Camarade (Université Bordeaux 3), La représentation du 20 juillet 1944 au cinéma en République fédérale d’Allemagne

Christine Levisse-Touzé (Mémorial du Maréchal Leclerc de Hauteclocque et de la Libération de Paris – Musée Jean Moulin, Paris), La mémoire du 20 juillet 1944 en France

Gilbert Merlio (Université Paris-Sorbonne), La mémoire de la Résistance en France et des résistances à Hitler en Allemagne. Essai d’étude comparée

Marc Olivier Baruch (EHESS Paris), Le droit à la résistance aujourd’hui

Anmerkung:
1 Wibke Bruhns, Meines Vaters Land. Geschichte einer deutschen Familie, Berlin 2004.


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