Das „Nie wieder“ ist in Deutschland brüchig geworden. Die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland ist seit dem menschenverachtenden Massaker der Hamas am 7. Oktober und der israelischen militärischen Antwort an die Terrororganisation stark gestiegen.1 Dabei war es erst 2021, dass das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ eingeleitet wurde, begleitet von zahlreichen Publikationen und Ausstellungen, die auf Jahrhunderte jüdisch-nichtjüdische Beziehung hinwiesen, mit ihren friedlichen Phasen, aber auch mit ihren tiefsten Abgründen. Übereinstimmend betonten von Alexander Lorz (Hessischer Kultusminister), Enrico Schleiff (Präsident der Goethe Universität) und Salomon Korn (Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt) in ihren Grußworten zur Jahreskonferenz des Projekts Synagogengedenkbuch Hessen die Notwendigkeit, der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung mit einer gezielten Vermittlung der langen jüdischen Geschichte in Deutschland entgegenzuwirken.
Der Fokus der Tagung auf „Dimensionen sozialer, politischer, kultureller und wirtschaftlicher Interaktion“ und kulturelle Verflechtung stellte angesichts einer gut etablierten Forschung zur christlich-jüdischen Beziehungsgeschichte keinesfalls Neuland dar.2 Die Tagung rückte in diesem Kontext das Konzept von Nachbarschaft in den Fokus. Dieses hatte zuletzt etwa in dem Sammelband „Juden und ihre Nachbarn. Die Wissenschaft des Judentums im Kontext von Diaspora und Migration“ als erkenntnisleitende Fragestellung Aufmerksamkeit gefunden und „die vielfältigen Elemente einer gemeinsamen, verflochtenen Geschichte der jüdischen und nicht-jüdischen Kulturen Europas erkennbar“ gemacht.3
CHRISTIAN WIESE (Frankfurt am Main) begründete diese Fokussierung der Tagung damit, dass Nachbarschaft immer eine soziale Konfrontation schaffe. Die Reaktionen auf diese Konfrontation, wie auch die verschiedenen Vorträge der Tagung zeigen sollten, rufe unterschiedliche Reaktionen hervor in einem Spektrum zwischen Aneignungen, Transformationen, Wechselspielen, Austauschprozessen, Zusammenleben, Toleranz, aber auch Konflikt und Gewalt, die es im Rahmen des Projektes Synagogengedenkbuch Hessen zu untersuchen gelte.4 Nachbarschaft(en) seien darüber hinaus an der Selbstwahrnehmung und Identitätsbeschreibung einer Gruppe ablesbar.
Die Reaktion der Abgrenzung vom Nachbarn thematisierte ISRAEL YUVAL (Jerusalem). Am Beispiel der Entwicklung der frühmittelalterlichen Pessach-Liturgie griff er eine seiner bekanntesten Untersuchungen neu auf.5 Yuval argumentierte, dass die spätantike nachbarschaftliche Konkurrenz zwischen Juden und Christen die Motivation dafür war, in der Haggada die Herausbildung einer eigenen jüdischen Identität zu befördern, ohne die christlichen Nachbarn und deren Osterliturgie explizit erwähnen zu müssen. Zugleich verdeutlichte er, dass Konkurrenz und Abgrenzung in einem „Raum“ stattfanden, in dem Juden und Christen tatsächlich Tür an Tür wohnten.
Den ambivalenten Charakter von Nachbarschaft hob auch YOSSEF SCHWARTZ (Tel Aviv) in seinem Vortrag zu intellektueller Nachbarschaft und Convicencia im Spätmittelalter hervor. Er stellte den Austausch zwischen muslimischen und jüdischen Intellektuellen in Spanien der sich in mitteleuropäischen Städten entwickelnden Debattenkultur der hochmittelalterlichen „Aufklärung“ des frühen 13. Jahrhunderts entgegen. Die Gleichzeitigkeit von intellektuellem Austausch philosophischer Schriften einerseits und Talmuddisputationen und schließlich Talmudverbrennungen in Paris andererseits zeige, dass die Frage nach friedlicher oder feindschaftlicher Nachbarschaft sowohl auf verschiedenen Ebenen als auch regional gestellt werden müsse und parallel stattfindende gegensätzliche Prozesse berücksichtigt werden müssten.
Die Ambivalenz von Nachbarschaft wurde besonders deutlich in den Vorträgen zur jüdisch-christlichen Nachbarschaft in mittelalterlichen Städten. DAVID SCHNUR (Saarbrücken) zeigte am Beispiel von Frankfurt am Main, dass ein räumlich-nachbarschaftliches und geschäftliches Zusammenleben stets den städtischen Alltag prägte. Die Reaktion auf enge Nachbarschaft war, so Schnurs Beispiele, sichtbar etwa in der Übernahme von hebräischen Begrifflichkeiten auf Zinszetteln oder, in abgrenzender Form, in der Übersetzung von Datierungen, etwa von „Maria Lichtmess“ als „Tag der großen Dunkelheit“ im Hebräischen. Zugleich betonte Schnur, was auch in anderen Vorträgen deutlich werden sollte: Vor allem die Zugehörigkeit zur oberen ökonomischen Schicht stellte ein Bindeglied zwischen wohlhabenden jüdischen und christlichen Nachbarn dar, das religiöse Unterschiede gegenüber geschäftlich Interessen zurücktreten ließ.
EVELINE BRUGGER (St. Pölten) bestätigte, dass zu differenzieren sei zwischen alltäglichen Begegnungen auf der Straße, der Ausgestaltung der rechtlichen Bedingungen für Juden und Christen und dem obrigkeitlichen Willen, von der Ansiedlung von Juden – und damit auch der Schaffung von Nachbarschaft mit Juden – zu profitieren. Nachbarschaft war, so stellte sie an verschiedenen Beispielen direkter baulicher Nachbarschaft in mittelalterlichen österreichischen Städten heraus, gerade in der Enge der Stadt unausweichlich und die religiöse Nachbarschaft, etwa jüdischer Häuser zu einer christlichen Kirche, war nicht ungewöhnlich. Schnur und Brugger unterstrichen aber auch, dass Nachbarschaft letztendlich Pogrome nicht verhindern konnte, sondern stets einen fragilen Charakter hatte.
Das Zusammenleben von Juden und Christen Haus an Haus war im frühneuzeitlichen Frankfurt angesichts der ab 1460 dort eingerichteten Judengasse zwar nicht mehr gegeben. Dennoch konnte WOLFGANG TREUE (Duisburg) zeigen, dass solche topographische Grenzziehungen innerhalb einer Stadt dem Konzept Nachbarschaft keinen Abbruch taten. Treue stellte vielmehr die obrigkeitliche Absicht der räumlichen Ab- und Ausgrenzung von Juden der Vielschichtigkeit alltäglicher Begegnungen, der schlechten baulichen Qualität der Gassenmauern sowie einzelnen Phasen der baulichen Erweiterung der Judengasse gegenüber. Damit demontierte er den in der Aufklärung beförderten Mythos der Judengasse als eines abgeschlossenen „Ghettos“ und der Vortrag regte an, die angebliche Geschlossenheit jüdischer Viertel in der Frühen Neuzeit generell zu hinterfragen und nachbarschaftliche Beziehungen im Alltag von obrigkeitlichen Willensbekundungen zu unterscheiden.
FRIEDRICH BATTENBERG (Darmstadt) bezog sich ebenfalls auf das Beispiel der Frankfurter Judengasse und korrigierte seinerseits die verbreitete Annahme, dass mit dem Umzug der Frankfurter Juden in die Judengasse eine rechtliche Verschlechterung einhergegangen sei. Er zeigte vielmehr auf, dass die Einrichtung der Judengasse lediglich die letzte in einer Reihe von Entwicklungen war.
Auch CORNELIA BERGER-DITTSCHEID (Frankfurt am Main) setzte zunächst im frühneuzeitlichen Frankfurt an, indem sie die deutliche Sichtbarkeit der Synagoge innerhalb der Judengasse sowohl dem Beispiel des bis heute nicht lokalisierten und optisch unauffälligen Betraumes im Dorf Angerode gegenüberstellte als auch der Absicht der Judenordnung des Darmstädter Landgrafen von 1694, die jüdische Religion und die Beträume zu verbieten oder zumindest unsichtbar zu halten. Die Sichtbarkeit und die Topographie von Synagogen in einer Stadt stellten demnach einen Indikator für die Qualität christlich-jüdischer Beziehungen dar, und die Debatte über die Sichtbarkeit einer Synagoge sei durchaus noch aktuell, wie Berger-Dittscheid am Beispiel der angedachten Wiedererrichtung der Synagoge im Hamburger Grindel-Viertel zeigte.
STEFAN WENDEHORST (Wien) dagegen untersuchte mit den frühneuzeitlichen Heilbädern als Raum christlich-jüdischer Nachbarschaft ein Zusammenkommen. Er argumentierte, dass Heilbäder, basierend auf dem Römischen Recht, das Heilwasser als Allgemeingut betrachtete, rechtliche Ausnahmeräume darstellten. Die Separierung der Badekultur war demnach ein Phänomen, das sich erst vom Ende des 18. Jahrhunderts an verstärkte und nicht nur religiöse Gruppen, sondern vor allem soziale Schichten betraf. Die temporäre Koexistenz in den Badeorten war demnach also nicht durchgehend gegeben und diese Form der Nachbarschaft wurde im Laufe der Jahrhunderte zunehmend fragil, während sich zugleich die rechtlichen und politischen Bedingungen für Juden langsam verbesserten.
Die Emanzipationszeit mit ihrer Diskrepanz zwischen Hoffnungen und Enttäuschungen erarbeitete MICHELLE STOFFEL (Trier) am wenig bekannten Beispiel des jüdischen Publizisten Eduard Reis (1805-1881). Mit Reis wählte Stoffel einen Protagonisten aus dem heutigen Hessen und schuf so eine Verbindung zwischen dem lokalen Fokus des Projektes Synagogengedenkbuch Hessen und den übergreifenden Entwicklungen der Emanzipationszeit. Sie argumentierte, dass die Publizisten dieser Jahrzehnte nach verschiedenen Generationen unterteilt werden müssten, die unter jeweils anderen Voraussetzungen aufgewachsen waren und aus dieser Position heraus ihre Vorstellung notwendiger Veränderungen anstrebten.
CLEMENS SCHMIDT (Frankfurt am Main) führte den Blick weiter und untersuchte jüdische Hoffnungen, Engagement und Enttäuschung während der 1848er Revolution. Am Beispiel des Politikers Maximilian Reinganum, des Straßendemonstranten Adolf Zunz, der Journalistin Fanny Lewald und des Rabbiners Leopold Stein, bei dem das Revolutionsgeschehen eine nahezu messianische Erwartung auslöste, zeigte Schmidt auf, wie diese Personen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von Integration ausgeschlossen wurden, aber auch, wie Konversion ihre Möglichkeiten einer Partizipation im Revolutionsgeschehen veränderte und dass Konvertiten zu Pionieren der Emanzipationsbewegung werden ließ.
Politische Partizipation war der Anschlusspunkt für JONATHAN VOGES (Gießen), der am Beispiel des Braunschweiger Landtagsabgeordneten Norbert Regensburger Nachbarschaft zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik aus jüdischer Perspektive und auf politischer Ebene beschrieb. Für Regensburger bedeutete dies, so Voges, neben seiner politischen Karriere im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens gegen einen zunehmenden Antisemitismus anzukämpfen und an die Zeitgenossen zu appellieren, zwischen Religion und Staatsbürgerschaft zu unterscheiden.
Jenseits der politischen Bühne warfen SUSANNE KORBEL (Graz) und MARION KAPLAN (New York) einen Blick auf Nachbarschaft und Privatheit in denselben Jahrzehnten. Korbel nahm Lebenserzählungen der unteren sozialen Schichten aus Budapest und Wien in den Blick und zeigte auf, dass die Notwendigkeit des engen Zusammenlebens in der Großstadt um 1900 keine Verweigerung der Nachbarschaft zwischen jüdischen und christlichen Mitbewohnern zuließ. Differenzen wurden, wenn überhaupt, dann marginal wahrgenommen. Kaplan beschrieb, ebenfalls basierend auf diversen Lebenserinnerungen, die aus Nachbarschaft heraus entstehenden Optionen der Freundschaft, der guten Nachbarschaft oder der höflichen Distanz. Dabei stellte sie vor allem eine mit zunehmendem Lebensalter wachsende Abgrenzung von Nachbarn anderer Religionszugehörigkeit fest.
SHACHAR PINSKER (Ann Arbor) dagegen untersuchte die Öffentlichkeit als Ort der Begegnung, mit einem Fokus auf die Kaffeehauskultur. Im Unterschied zu zugangsbeschränkten Clubs oder privaten Salons stand der Besuch des Kaffeehauses Juden stets offen. Pinsker hob vor allem die Bedeutung des Kaffeehauses als Ort der Begegnungen und Kommunikation in der Anonymität der Stadt hervor, der familiär und fremd zugleich sein konnte.
Während somit ein Großteil der Vorträge Reaktionen auf eine weitgehend friedliche Nachbarschaft in den Blick nahm, konnte die Tagung aber problematische Momente und vor allem die NS-Zeit nicht ausblenden. AXEL TÖLLNER (Neuendettelsau) thematisierte das Zusammenbrechen nachbarschaftlichen Miteinanders im und durch den Nationalsozialismus. Er warf Schlaglichter auf die Geschehnisse des Novembers 1938 in einer ländlichen Region Frankens, indem er Reaktionen vom Hinschauen und der Billigung des Pogromgeschehens bis hin zur Beteiligung und dem nur seltenen Einschreiten aufzeigte. Letztere galten vor allem dem Schutz des eigenen, nicht des jüdischen Eigentums. Als besondere Reaktion auf die Zerstörung von Nachbarschaft beschrieb Töllner die Predigten eines evangelischen Pfarrers, der zwar versuchte, auf seine Umwelt einzuwirken, doch letztendlich als Philanthrop agierte, weniger als expliziter „Judenfreund“.
STEFANIE FISCHER (Berlin) wechselte mit ihrem Vortrag in die Nachkriegsgeschichte. Sie zeigte am Beispiel des hessischen Ortes Oberbrechen die Bemühungen einer Gemeindeverwaltung auf, Kontakte zu ehemaligen jüdischen Bürgern aufzubauen und hinterfragte kritisch die Motivation und die Rolle der Beteiligten, die Herausbildung von Kontakten und Freundschaften. Indem Fischer persönliche Verbindungen ihres Projektteams zum Ort Oberbrechen thematisierte, gab sie außerdem den wichtigen Anstoß, dass Forschende sich selbst kritisch mit ihrer nationalen und möglicherweise auch familiären Vergangenheit auseinandersetzen und regte dazu an, die „Brillen“, durch die Forschung stets betrieben wird, zu reflektieren.
ANNA JUNGE (Berlin) ergänzte Ergebnisse einer ihrer Mikrostudie zum – seltenen – Wiederaufbau von Nachbarschaft zwischen Juden und Nichtjuden, Opfern und teilweise auch Tätern durch rückkehrende Shoah-Überlebende in ihre Heimatorte im ländlichen Raum. Jung skizzierte die Schritte der Wiedereingliederung von der Milderung erster Existenznot, der Enteignung von Dorfbewohnern durch Bürgermeister und der Einleitung von Gerichtsverfahren bis hin zur Rückerstattung oder zur Bestrafung von Tätern. Dabei konnte sie zeigen, dass Rückkehrer häufig belastende Zeugnisse verweigerten, durch positive Aussagen über belastete Personen ihre prekäre Position im Ort zu stabilisieren versuchten und ein friedliches Miteinander der juristischen Gerechtigkeit vorzogen. Im Vordergrund stand demnach die Anstrengung, von den Nachbarn akzeptiert zu werden und sich schnell wieder an die dörflichen Gepflogenheiten anzupassen.
TOBIAS FREIMÜLLER (Frankfurt am Main) lenkte zum Abschluss der Tagung den Blick weg von der konkreten, dörflich-nachbarschaftlichen Ebene auf die politische. Er untersuchte die Positionierung von Nachkriegspolitikern gegenüber dem sich langsam wieder etablierenden jüdischen Leben in Deutschland einerseits und der Shoah andererseits. Freimüller argumentierte, dass eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in den Hintergrund trat gegenüber der Wahrnehmung des eigenen Leides in der deutschen Bevölkerung oder gegenüber einer Politik, die den jungen Staat Israel unterstützte. Dabei hob er hervor, dass die Nachkriegspolitiker, entgegen von Umfrageergebnissen, ein Fortbestehen und fast schon eine Intensivierung des Antisemitismus ausblendeten. Demnach wünschten 1946 nur 15 Prozent der Deutschen einen Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland, währen die überwältigende Mehrheit der Befragten es noch immer für besser hielt, keine Juden im Land zu haben.
Die Ablehnung der Rückkehr jüdischen Lebens nach Deutschland thematisierte auch ANDREAS BRÄMER (Hamburg) in seinem Vortrag zur Debatte über das Schächten im Nachkriegsdeutschland. Besonders die Kritik am Schächten zeige, dass und wie Antisemitismus sich über den Krieg und den Holocaust hinweg in die Nachkriegsjahre weiterentwickelt hatte. Die Frage nach der Einhaltung von Tierschutzmaßnahmen in den koscheren Schlachtbetrieben bot eine Plattform der Distanzierung und Ablehnung des Judentums und der jüdischen Religion bis hin zu tätlichen Übergriffen. Schließlich, so argumentierte Brämer, stellte die Shoah im Weltbild vieler nicht etwa ein Argument für mehr religiöse Toleranz dar, sondern diene vielmehr dazu, eine Anpassung der „Diaspora-Juden“ zu fordern.
Die Vorträge der Tagung boten im Ganzen eine epochenübergreifende Übersicht auf die Anwendbarkeit des Konzeptes Nachbarschaft in der historischen und lokalhistorischen Forschung. Zugleich blieb die Problematik der Quellen nicht verborgen, die naturgemäß vor allem bis zum Beginn der Neuzeit kaum friedliche Nachbarschaft, sondern naturbedingt weitgehend Konfliktmomente dokumentierten. Die Vorträge umfassten ein breites Spektrum ambivalenter Reaktionen auf jüdisch-nichtjüdische Nachbarschaft von Konkurrenz, Abgrenzung, Übernahme und Integrationswillen bis hin zur Ablehnung von Nachbarschaft auf alltäglicher, religiöser und politischer Ebene. Vor allem hat die Auswahl vieler lokaler hessischer Beispiele gezeigt, dass das Konzept Nachbarschaft(en) gerade in der heutigen Situation und für ein regional ausgerichtetes Projekt wie das Synagogengedenkbuch Hessen mit seiner starken pädagogischen Gewichtung durchaus gewinnbringend ist.
Konferenzübersicht:
Begrüßung und Grußworte
Keynote
Israel Yuval (Jerusalem): Jüdische-christliche Nachbarschaft in der Gestaltung der heiligen Zeit
Moderation: Yossef Schwartz (Tel Aviv)
Panel: Nachbarschaft als Konzept
Moderation: Stefan Vogt (Frankfurt am Main)
Christian Wiese (Frankfurt am Main): Ambivalente Nachbarschaften: Religiös-kulturelle und gesellschaftlich-politische Aspekte eines Theoriekonzepts
Yossef Schwartz (Tel Aviv): Ambivalente Momente intellektueller Nachbarschaft: eine mittelalterliche Perspektive
Stefanie Fischer (Berlin): Juden und Nichtjuden im ländlichen Deutschland nach der Shoah
Panel: Alltagsbeziehungen im Mittelalter
Moderation: Guty Schneider-Ludorff (Neuendettelsau)
David Schnur (Saarbrücken): Alltägliches aus den christlich-jüdischen Beziehungen in den Reichsstädten der spätmittelalterlichen Wetterau
Eveline Brugger (St. Pölten): Das Fenster zum Nachbarn. Jüdisch christliche Alltagskontakte im mittelalterlichen Österreich
Panel: Städtische Begegnungsräume 1: Frankfurt, Budapest und Wien
Moderation: Stefan Vogt (Frankfurt am Main)
Wolfgang Treue (Duisburg-Essen): Mythos Judengasse – christlich-jüdische Nachbarschaft im frühneuzeitlichen Frankfurt am Main
Susanne Korbel (Graz): Intimität(en) in den Metropolen der Jahrhundertwende: Formen jüdisch-nichtjüdischen Zusammenlebens in Budapest und Wien
Panel: Verweigerung und Aufkündigung von Nachbarschaft
Moderation: Imanuel Clemens Schmidt (Frankfurt am Main)
Friedrich Battenberg (Darmstadt): Die Ausgrenzung der Frankfurter Juden aus der städtischen Gesellschaft. Rechtliche Aspekte ihrer Ghettoisierung im 15. Jahrhundert
Michelle Stoffel (Trier): „… bey unsrer vieljährigen Nachbarschaft“ – der jüdische Publizist Eduard Reis (1805-1881) als Vorkämpfer der Emanzipation
Andreas Brämer (Hamburg): Nachbarn? Gäste? Juden und jüdische Ritualpraxis im Nachkriegsdeutschland
Keynote
Marion Kaplan (New York): The Complexities of Friendship: Jews and non-Jews in the Kaiserreich
Moderation: Stefan Vogt (Frankfurt am Main)
Panel: Städtische Begegnungsräume 2: Synagoge, Kaffeehaus und Heilbad
Moderation: Fani Gargova (Frankfurt am Main)
Cornelia Berger-Dittscheid (Frankfurt am Main): Synagoge in nichtjüdischen Räumen – Hoffnung auf Eintracht und Toleranz im 19. und 20. Jahrhundert
Shachar Pinsker (Ann Arbor): Coffee and Conversation: The Kaffeehaus as a Modern Space of Jewish Friendship and Sociability
Stephan Wendehorst (Wien): Das Heilbad als jüdischer Ort: Rechtliche Rahmenbedingungen und Fallbeispiele unter besonderer Berücksichtigung Hessens
Panel: Politische Interaktionen
Moderation: Tilmann Gempp-Friedrich (Frankfurt am Main)
Imanuel Clemens Schmidt (Frankfurt am Main): Geteilte Räume: Über jüdische Erfahrungen von 1848/49 in Frankfurt
Jonathan Voges (Gießen): Politische Nachbarschaftspflege. Norbert Regensburger im braunschweigischen Landtag und im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens
Panel: Nationalsozialismus und Nachkriegszeit
Moderation: Stefanie Nathow (Frankfurt am Main)
Axel Töllner (Neuendettelsau): Zwischen Solidarität und Eigennutz. Jüdisch-christliche Nachbarschaften im ländlichen Franken unter nationalsozialistischen Vorzeichen
Anna Junge (Berlin): Wiedersehen nach der Shoah: jüdisch-nicht-jüdische Nachbarschaft im ländlichen Hessen in der Nachkriegszeit
Tobias Freimüller (Frankfurt am Main): Fremdheit und Versöhnung. Zum deutsch-jüdischen Gespräch nach 1945
Anmerkungen:
1https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bka-antisemitische-straftaten-anstieg-100.html, letzter Zugriff 28.11.2023.
2 Siehe unter vielen anderen Elisheva Carlebach, New perspectives on Jewish-Christian relations, Leiden 2012; Micha Perry / Rebekka Voß, Approaching Shared Heroes: Cultural Transfer and Transnational Jewish History, in: Jewish History 30 (2016), S. 1-13; Katrin Kogman-Appel, Kulturaustausch und jüdische Kunst in der Spatantike und im Mittelalter, in: Chilufim – Zeitschrift für jüdische Kulturgeschichte, Bd. 4 (2008), S. 79-118; Ivan Marcus, Rituals of childhood. Jewish acculturation in medieval Europe, New Haven 1996.
3 Kerstin Schoor / Werner Tress (Hrsg.), Juden und ihre Nachbarn. Die Wissenschaft des Judentums im Kontext von Diaspora und Migration (Europäisch-jüdische Studien – Beiträge, Bd. 60), Berlin/Boston 2022 https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110772388/html?lang=de#contents, letzter Zugriff 2.11.2023.
4 Siehe dazu https://buber-rosenzweig-institut.de/projekte/forschungsprojekt-synagogen-gedenkband-hessen/, letzter Zugriff 8.1.2024.
5 Israel Yuval, Pessach und Ostern. Dialog und Polemik in Spätantike und Mittelalter, Trier 1999.