Gegeneinander, Nebeneinander, Miteinander. Konfessioneller Alltag am Oberrhein (16.–20. Jahrhundert)

Gegeneinander, Nebeneinander, Miteinander. Konfessioneller Alltag am Oberrhein (16.–20. Jahrhundert)

Organisatoren
Konrad Krimm, Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein e.V.; Christoph Schmider, Kirchengeschichtlicher Verein für das Erzbistum Freiburg; Udo Wennemuth, Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden (Domhof Ladenburg)
Ausrichter
Domhof Ladenburg
Veranstaltungsort
Hauptstraße 9
PLZ
68526
Ort
Ladenburg
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
13.10.2023 - 14.10.2023
Von
Lupold von Lehsten, Institut für Personengeschichte, Bensheim

Im südwestdeutschen Raum finden sich seit jeher viele Konfessionen. Am Oberrhein selbst waren noch im 20. Jahrhundert 60 Prozent der Bevölkerung Katholiken – allerdings erst nach Jahrhunderten der Umschichtungen. Zugleich war und ist die Landschaft durch viele historisch gewachsene konfessionelle Gruppen, die vielfach als Diaspora existierten, geprägt. Zudem fanden sich in der Region viele Gemeinden der Juden. Dies bedingte, dass noch bis in die 1970er-Jahre die Konfession zum wichtigsten Thema bei der Identität der Bevölkerung gehörte. Neunzehn Referate einer Tagung am 13. und 14. Oktober 2023 im Domhof von Ladenburg legten die vielseitigen Aspekte der Spannungen, aber auch des ökumenischen Miteinanders der Konfessionen vor allem im Alltag über fünf Jahrhunderte dar.

Die Pluralität der Konfessionen und die vielfältigen – meist vergeblichen – Versuche, sie wieder einzudämmen, stellte IRENE DINGEL (Mainz) in ihrem Einführungsvortrag eindrücklich vor. Stets brachen Diskussionen mit häretischen Strömungen, Religionskriege und Ketzerprozesse wieder auf. Mit der Reformation sei der Prozess der Pluralisierung der Konfessionen unumkehrbar geworden. Da die Konfessionsfrage stets mit der Machtpolitik verknüpft war, bedurfte es rechtlicher Übereinkünfte. Das konfessionelle Zusammenleben sei das Grundproblem der Gesellschaft im Mitteleuropa der Frühen Neuzeit gewesen. Rasche Wechsel der Konfession bei den Herrschenden schuf bei den ohnehin zerklüfteten Herrschaftsverhältnissen eine unübersichtliche Gemengelage. Umso wichtiger war die Gestaltung der konfessionellen Koexistenz. Dies zeigte die Referentin am Beispiel der Städte Straßburg und Colmar und der dissimulativen Koexistenz der Konfessionen in der Kurpfalz, die erst mit der oktroyierten Koexistenz unter Bevorzugung der Katholiken Anfang des 18. Jahrhunderts endete. Bei jedem Konfessionswechsel der Herrschaft stellte sich für die Untertanen die Frage, ihn entweder mit zu vollziehen oder zu emigrieren. Räte und Professoren der Universität konnten ausgetauscht werden, für die Bevölkerung ergab sich eine konfessionelle Diversität und Indifferenz. Auf diese Weise eröffneten sich sogar Überlebensmöglichkeiten für Täufer, die zwar bedrängt, aber unbelehrbar blieben. Spezifisches Kennzeichen der dissimulativen Koexistenz der Konfessionen waren die Simultaneen.

Die Bikonfessionalität der badischen Verhältnisse im 19. Jahrhundert, die sich aus dem Zusammenschluss des katholischen Landesteils Baden-Baden mit dem lutherischen Landesteil Baden-Durlach und dem Anfall des katholischen Vorderösterreich 1805 ergeben hatte, war das Thema von JOHANNES EHMANN (Heidelberg/Bruchsal). Auch hier ergab sich der Befund: Je kleinräumig-kommunaler die Ebene, umso abgeschlossener zeigen sich die konfessionellen Milieus. Durch die Vereinigung der konfessionsverschiedenen Linien der Markgrafschaft Baden lagen dann ab 1771 gemischte Verhältnisse vor. Diese änderten sich auf protestantischer Seite durch die Diskussion um die Union in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und das Entstehen verschiedener Erweckungsbewegungen, die erneut zu Spannungen zwischen der evangelischen Kirchenadministration und dem Generalvikariat des Erzbistums Freiburg führten.

WILHELM KREUTZ (Mannheim) referierte die historischen Vorgänge, die dazu führten, dass die Kurpfalz zum Ende des Alten Reichs jenes Territorium mit den schärfsten konfessionellen Gegensätzen blieb. Auch er erläuterte das Instrumentarium, mit dem die Rekatholisierung vonseiten der Obrigkeit konsequent gefördert wurde. Erst 1789 gelang zusammen mit dem kurfürstlichen Minister Montgelas eine weitere Religionsdeklaration. Die Reformierten blieben bis zum Ende des Alten Reichs eine speziell von den Hof- und Verwaltungsstellen diskriminierte Mehrheit im Land.

Das Verhältnis der Konfessionen in Straßburg im 17. und 18. Jahrhundert war das Thema von MONIQUE FUCHS (Straßburg). 1681 eroberten französische Heere Straßburg und der französische König ließ das Münster restituieren. Die Simultaneen unter anderem in Alt- und Jung-St. Peter blieben bestehen, die Katholiken wurden gefördert, der Katholizismus trat auch in der neuen Stadtarchitektur hervor. Die Referentin führte das subtile und grobe Instrumentarium der Rekatholisierung vor. Nach dem Tod des Kriegsministers Louvois 1691 schwächte sich der Druck der Rekatholisierung ab, allerdings mussten alle Protestanten französische Untertanen werden. Die Verhältnisse zwischen evangelischen und katholischen Handwerkern normalisierten sich, aber die Lage der Reformierten blieb weiterhin prekär.

Das Miteinander, die Abgrenzung, aber auch Durchmischung der Konfessionen auf der Baar im 18. und 19. Jahrhundert, vor allem zwischen den Orten Villingen und Schwenningen, beleuchtete MICHAEL TOCHA (Villingen-Schwenningen). Während in der Frühen Neuzeit Obrigkeit und Konfession vielfach zusammengingen, ist für das 19. Jahrhundert eine Kommunalisierung und Privatisierung der Konfession zu beobachten, die zu zunehmend reaktionär-radikalen Verhaltensweisen führte. Die konfessionelle Identität erwies sich meist, so Tocha, als wirkmächtiger als die objektiven Interessen und Vorteile – und dies blieb erstaunlich lange so.

Viele der Befunde vor Ort entsprachen den Konflikten, die das Erzbistum Freiburg und der Erzbischof mit dem Großherzogtum Baden hatten, wie CHRISTINE SCHMITT (Freiburg im Breisgau) darlegte. Obrigkeitshörigkeit und Romtreue ließen sich für Katholiken immer weniger miteinander vereinbaren. Es entstand eine Reihe von altkatholischen Gemeinden. Die Gesellschaft wurde in oft unversöhnliche Milieus gespalten. Während der Staat schrittweise modernisierte, verharrte die römisch-katholische Kirche im Ultramontanismus und mobilisierte Massen in Frömmigkeitsvereinen sowie Volksmission. Die Fronten des Kulturkampfs lockerten sich erst gegen Ende des Jahrhunderts, unter anderem durch die Förderung der Bernhard-Memoria seitens des großherzoglichen Hauses.

Den Umgang mit der Reformation und die konfessionell geprägten Lebenswelten beschrieb SABINE HOLTZ (Stuttgart) jeweils für Württemberg, Baden-Durlach, Baden-Baden und Kurpfalz mit einer Reformation und Gegenreformation durch die Fürsten. Je eigene Entwicklungen zeigten die Reichsstädte, welche die Referentin differenziert an Beispielen vortrug. Überall konnten sich Täufer still halten. In den Quellen werden die konfessionellen Lebenswelten stets durch Konflikte dargestellt, was noch heute in vielen Fällen die Untersuchungen beeinflusst. Während auf dem Land die Verhältnisse meist über Jahrhunderte gleich blieben, zeigten sich in den Städten mehr und mehr Veränderung durch Bevorzugungen. Hier entwickelte sich das Zusammenleben der Konfessionen nach pragmatischen Nützlichkeitserwägungen und aus ökonomischen Gründen. Die interkonfessionelle Offenheit trat in der von Konflikten geprägten Pfalz früher ein als im homogenen Württemberg, wo die Konfessionsräume stabil sowie dauerhaft blieben und erst durch Flucht sowie Vertreibung nach 1945 endgültig aufgebrochen wurden.

Eindrucksvoll präzise erläuterte EIKE WOLGAST (Heidelberg) die Simultaneen in der Kurpfalz und an der Bergstraße in sieben Thesen: Zunächst führte Karl Ludwig 1650 nach Rückgewinnung der südlichen Bergstraße in drei Dörfern Simultaneen ein. Gitter, die Chor und Hauptschiff trennten, sowie die paritätische Besetzung der Ämter wurden in einzelnen Dörfern eingeführt. Ab 1681 sind die Ämter vom Ministerium bis zum Dorf nur noch durch Katholiken besetzt worden. Der flankierende Oberste Kirchenrat blieb trotz permanenter Gravamina an das Corpus Evangelicorum machtlos. Der Frieden von Rijswijk legte 1697 fest, dass es keine Änderungen mehr gäbe. Kurfürst Johann Wilhelm verlangte eine gleichberechtigte Nutzung der Kirchen sowie Teilung der Einkünfte und Friedhofsnutzung aller drei Konfessionen. Später erfolgte eine faktische Verstaatlichung des Kirchenguts. Das Toleranzedikt von 1701 brachte nur wenige Milderungen an der Spitze der Beschwerden der Reformierten. Die Religionsdeklaration von 1705 hob in einem vierten Schritt die Simultaneen wieder auf und erwies sich in der Folge als das für das 18. Jahrhundert in der Pfalz gültige Religionsgesetz. Es schrieb die Teilung des Kirchenvermögens in die Teile 5 zu 2 sowie die Teilungen der Kirchen mit Mauern vor und enthielt Sonderregelungen unter anderem in Heidelberg und Mannheim. Nunmehr gab es 212 reformierte Kirchen, 113 katholische Kirchen und 130 Simultankirchen. Diese Regelung wurde jedoch vom Corpus Evangelicorum nie anerkannt. Die fünfte These umfasste die nun folgende systematische Benachteiligung der Reformierten in der Pfalz. Insbesondere die Simultaneen führten zu einer Radikalisierung der religiösen Glaubensformen und Identitäten statt zu Koexistenz und gegenseitigem Respekt. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts trat in einem sechsten Schritt eine Beruhigung ein, weil unter anderem sich die Reformierten mit der Situation abfanden und der Kurfürst allmählich trachtete, die strittigen Felder zu minimieren. Aber nirgendwo wurden untere Behörden zur Rechenschaft gezogen. Daher hielten die Streitigkeiten bis Ende des 18. Jahrhunderts an. Das Ende der Simultaneen, so der Referent in seiner siebten These, kam jeweils erst, wenn eine der beiden Konfessionen auszog.

ALBRECHT ERNST (Stuttgart) referierte über die Mosbacher Stiftskirche (katholisch: St. Juliana) als einem Beispiel für gelebte Zwietracht. Nach 1698 wurden im Amt konsequent Simultaneen eingeführt und die Stiftskirche geteilt. Diese Teilung war besonders strittig. Der Bau der Mauer wurde lange boykottiert. 1707 wurde die Trennung angeordnet und 1708 die Mauer errichtet. Aus einem Gegeneinander wurde ein Nebeneinander mit immer noch genug Konfliktstoff. 1810/1811 wurde der Chor renoviert und ein erneutes Simultaneum nötig, die Trennmauer blieb jedoch. Auch 1868 und 1913 – nach Planungen eines katholischen Neubaus – blieb die Mauer erhalten. Selbst der kirchlich engagierte NS-Bürgermeister der Stadt Mosbach, Theophil Lang, regte vergeblich die Niederlegung der Mauer an. Erst 2007 wurde die Wand mit Türen durchbrochen. Heute seien, so der Referent, die Inhalte der Differenzen nicht mehr nachvollziehbar.

ULRICH BAYER (Freiburg im Breisgau) berichtete anschaulich und farbenreich von dem ökumenischen Gemeindezentrum Maria-Magdalena-Kirche in Freiburg- Rieselfeld, welches seit Anfang der 1990er-Jahre dort in einer neuen Siedlung errichtet wurde. Zu beobachten sei nach Bayer das stärkere Engagement der evangelischen Bevölkerungsgruppe: Heute überwiegen die ökumenischen die konfessionell festgelegten Gottesdienste. Das konfessionelle Profil werde durch das Leben unter dem gemeinsamen Dach eher geschärft. Für die Zukunft bleibe das ökumenische Gemeindezentrum Maria-Magdalena-Kirche in Freiburg-Rieselfeld ein wichtiges Symbol.

Die Rekatholisierung von Staats wegen konnte ANSGAR HENSE (Bonn) auch für die „Geistliche Güteradministration“ der Pfalz nachweisen, die er in ihrer spezifischen Genese und Entwicklung als ein Wandel von der kirchlichen Vermögensverwaltung zur Staatsleistungsproblematik detailliert nachzeichnete. Kirchenvermögen – eine Vielzahl von Kirchengütern und -einkünften – sei grundsätzlich zweckgebunden. Immer wieder griff der Staat auf diese Ressource zurück. Die „Geistliche Güteradministration“ schuf für diesen Zugriff in der Pfalz eine Verwaltung, die der (Finanz-)Kammer nachempfunden war. Sie unterstand unmittelbar dem Kurfürsten und wurde vom Oberkirchenrat beaufsichtigt. 1565 erhielt sie eine provisorische Dienstinstruktion. 1576 wurde sie als Zentralbehörde in Heidelberg mit Stellenplan in der kurfürstlichen Kirchenordnung verankert. Unterverwaltungen befanden sich im ganzen Land. In der Folge der Konfessionswechsel wandelte sich die „Geistliche Güteradministration“ zu einer gemischt konfessionellen Behörde. Doch seit 1698 erfolgte eine staatliche Übermächtigung als ein katholisch dominiertes Gremium. Die Quotenregelungen waren stets Ausgang von Querelen, insbesondere bei der Rechnungslegung. Auch die Erträgnisse wurden quotiert, die Zentralkasse dreigeteilt, aber den Einnehmern vor Ort fehlte jeweils eine Vollstreckungsbefugnis. Beim Austarieren des Verhältnisses von Kirche und Staat nahm die staatliche Einflussnahme auf die innerreligiösen Vorgänge im Gegensatz zur schon zeitgenössisch behaupteten Reduktion durch eine Säkularisation stets zu.

Mischehen gab es eher in der Stadt als auf dem Land. Sie nutzte UDO WENNEMUTH (Karlsruhe) als Datenmaterial für eine Untersuchung der konfessionellen Spannungen, aber auch der Entwicklung der Kommunikation der Konfessionen untereinander. Bei den Evangelischen kommen die Mischehen eher bei Frauen als bei Männern vor. Sie betrafen die Evangelischen in größerem Umfang als die Katholiken, aber die kirchlichen Trauungen waren mehrheitlich katholisch. Die Taufe wurde in Baden in den Mischehen mehr von den evangelischen Teilen betrieben, wobei in der Region um Freiburg im Breisgau die Verhältnisse umgekehrt waren. Immer hatten die Evangelischen den Eindruck, dass die Katholiken sie zurückdrängen wollten. Allgemein war ein großes Misstrauen der Geistlichkeit gegeneinander zu beklagen. Während in katholischen Gemeinden stets eine gute Kommunikation herrschte, waren die Evangelischen über Kirchenaustritte und Übertritte oft schlecht unterrichtet. Durch Gemeinden, vor allem aber die Verwandten, wurde Druck auf beide Eheteile ausgeübt – eher von der katholischen Seite. Daraus ergab sich aus evangelischer Sicht eine „Gemischtehennot“. Beide Seiten versuchten mit mancherlei Methoden, die Eheleute von einer Mischehe abzubringen beziehungsweise in der Ehe zu beeinflussen. Bis weit in das 20. Jahrhundert herrschte auf diesem Gebiet ein „Kirchenkampf“, der, je mehr Verluste durch die Mischehe in der katholischen Kirche virulent wurden, an Schärfe zunahm. Eine Wende trat hier erst mit dem Vaticanum II ein. Seit damals gilt es nun, für die Beteiligten mehr Klarheit zu schaffen.

In der vierten Sektion der Tagung zum Thema der Verhältnisse der Konfessionen im Spiegel von Kultur und Frömmigkeit zeigte ANNIKA STELLO (Karlsruhe) am Beispiel der beiden Verlage Moritz Schauenburg (Lahr) und Herder (Freiburg im Breisgau), wie Verlage seit der Reformation nicht nur wesentliche Motoren der Verbreitung von Ideen und Gedanken waren, sondern gezielt zu diesem Zweck gegründet wurden.

Rückbesinnung und Neuaufbrüche waren für CHRISTOPH SCHMIDER (Freiburg im Breisgau) die bestimmenden Tendenzen der Kirchenmusik im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ihrer wesentlichen Bedeutung für den christlichen Gottesdienst entsprechend musste sie stets den Wünschen der Verkündigung in gleicher Weise wie den künstlerischen Ansprüchen gerecht werden. „Wahre Kirchenmusik“ war dementsprechend auch im 19. Jahrhundert mit musikalischen wie theologischen Argumenten umstritten. Eine weitere prägende Kraft war die verstärkte Pflege älterer Musik durch den Historismus. Doch konnte der Referent zeigen, dass selbst solche Rückbesinnungen in Verbindung mit den politisch-gesellschaftlichen, geistesgeschichtlichen und theologischen Strömungen der Zeit zu Neuaufbrüchen auch in der Kirchenmusik führten.

Dagegen untersuchte HEIKE WENNEMUTH (Karlsruhe), wie kirchliche Gesangbücher einerseits die Norm darstellen und andererseits normierend wirken sowie inwieweit Gesangbücher konfessionell gebunden oder konfessionsübergreifend sein müssen beziehungsweise können. Sie konnte dabei die evangelischen und katholischen Gesangbücher Straßburgs des 17. und 18. Jahrhunderts, die lutherischen, reformierten und katholischen Gesangbücher der Kurpfalz des 18. Jahrhunderts und die katholischen Gesangbücher und das Unionsgesangbuch im Großherzogtum Baden im 19. Jahrhundert als Untersuchungsmaterial präsentieren. In ihnen spiegeln sich gleichermaßen sowohl die Einflussnahme der Kirchen- und Gemeindeleitungen als auch spezielle theologie-, frömmigkeits- und geistesgeschichtliche Entwicklungen.

In der abschließenden Sektion wurde das Verhältnis von Politik und Ökumene im 20. Jahrhundert thematisiert, wobei es nun weniger um das Gegen- als um das Miteinander ging: aus der Erfahrung des gemeinsamen Widerstandes gegen die Diktatur heraus, in der gemeinsamen Verantwortung für die neue freiheitliche Demokratie, durch das Wirken einzelner Engagierter vor Ort wie dem Heidelberger Studentenpfarrer und Theologen Richard Hauser (1903–1980). Die Begegnungen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus fanden in vielen Fällen vor Ort auf den Ebenen der Seelsorge und der Caritas, bei der Betreuung der Gefangenen – darunter der Widerstandskämpfer – und nicht zuletzt bei der Hilfe für die verfolgten Juden, die Grundlage für ein dauerhaftes persönliches Verhältnis der Beteiligten zueinander war, statt, wie ANGELA BORGSTEDT (Mannheim) anschaulich darlegte.

Wie sehr die christliche Bewegung in Fragen der Politik in Südbaden nach 1945 gespalten war, untersuchte MICHAEL KITZING (Chemnitz/Singen). Sowohl das Zurück zur Zentrumspartei wurde propagiert wie zugleich die Gründung einer überkonfessionellen christlichen Volkspartei. Kitzing beleuchtet als Beispielfälle Albert Maria Lehr und Ernst Föhr. Um eine möglichst breite Wählerschaft anzusprechen, setzte sich die Forderung nach einem konfessionellen Proporz in den Parteigremien durch. Diese Entscheidung bestätigte sich, als man nach erneut umfassenden Diskussionen im April 1947 den Parteinamen „CDU Baden“ wählte.

Die Ökumene erhielt von katholischer Seite mit dem Dekret „Unitatis Redintegratio“ des II. Vatikanischen Konzils eine neue Basis. Diesem gingen auf lokaler und regionaler Ebene Entwicklungen voraus, was JOACHIM BÜRKLE (Würzburg) für zahlreiche Fälle erläuterte. Reichlich Material bietet hier die Biographie und die Theologie von Richard Hauser, der seit 1929 als katholischer Studentenpfarrer in Heidelberg, dann seit 1943 als Pfarrer an der Heidelberger Jesuitenkirche und ab 1949 als Honorarprofessor für katholische Theologie an der Universität wirkte. Schon in seiner Dissertation (1942 bei Theodor Münker in Freiburg i. Br.) analysierte er die neuere protestantische Ethik vor der Folie der katholischen Gesellschaftslehre. In den kurpfälzisch-Heidelberger Herausforderungen der Ökumene entwickelte Hauser neue theologische Konzepte sowie neue Formen der Gemeindeseelsorge und der religiösen Bildungsarbeit.

Eine Schlussdiskussion, in der die Fülle der Aspekte des konfessionellen Miteinanders im 16. Jahrhundert, des konfessionellen Gegeneinanders im 17. und 18. Jahrhunderts, des Nebeneinanders im 19. und 20. Jahrhundert und schließlich des Miteinanders, wie es sich vor allem in jüngster Zeit entwickelt hat, noch einmal präsent wurden, war selbst ein bemerkenswertes Zeugnis für die Hoffnung auf eine harmonische Zukunft.

Konferenzübersicht:

Konrad Krimm / Stefan Hildebrandt / Heide Reinhard: Begrüßung, Einführung

Irene Dingel (Mainz): Grundprobleme konfessionellen Zusammenlebens in der Frühen Neuzeit

Sektion 1: Zusammenleben in den bikonfessionellen Territorien
Moderation: Christoph Schmider (Freiburg im Breisgau)

Johannes Ehmann (Heidelberg/Bruchsal): Zur Problematik des interkonfessionellen Verhältnisses in Baden im 19. Jahrhundert

Wilhelm Kreutz (Mannheim): Konfessionelles Zusammenleben und konfessioneller Streit in der Kurpfalz des 18. Jahrhunderts

Monique Fuchs (Straßburg): Konfessionen im Straßburg des 17. und 18. Jahrhunderts

Helmut Neumaier (Osterburken): Eubigheim und Rosenberg. Zwei Konfessionen in einem Dorf – ein gestörtes Verhältnis

Michael Tocha (Villingen-Schwenningen): „Lutherisches Wasser wollen wir nicht trinken!“ Konfessionelle Abgrenzung und Durchmischung auf der Baar im 18. und 19. Jahrhundert

Christine Schmitt (Freiburg im Breisgau): Das Verhältnis der katholischen Kirche zum Großherzogtum Baden

Abendvortrag
Moderation: Udo Wennemuth (Karlsruhe)

Sabine Holtz (Stuttgart): Konfession und Alltag. Das Herzogtum Württemberg im Vergleich mit der Pfalz und dem Oberrheingebiet

Sektion 2: Simultaneen
Moderation: Markus Mall (Kieselbronn)

Eike Wolgast (Heidelberg): Simultaneen in Heidelberg und an der Bergstraße

Albrecht Ernst (Stuttgart): Gelebte Zwietracht. Reformierte und Katholiken in der kurpfälzischen Oberamtsstadt Mosbach

Ulrich Bayer (Freiburg im Breisgau): Ökumenisches Gemeindezentrum statt Simultankirche. Zur Geschichte der Maria-Magdalena-Kirche in Freiburg-Rieselfeld

Sektion 3: Ökonomie, Kirchenrecht, Soziales
Moderation: Jörg Kreutz (Ladenburg)

Ansgar Hense (Bonn): Die Geistliche Güteradministration in Kurpfalz

Udo Wennemuth (Karlsruhe): Aspekte interkonfessioneller Eheschließungen in Baden (katholisch-evangelisch, lutherisch-reformiert)

Sektion 4: Kultur & Frömmigkeit
Moderation: Adelheid von Hauff (Schwetzingen)

Annika Stello (Karlsruhe): Andachtsliteratur und Volksbildung. Die Verlage Moritz Schauenburg (Lahr) und Herder (Freiburg)

Christoph Schmider (Freiburg im Breisgau): Tendenzen der Kirchenmusik im 19. und 20. Jahrhundert: Rückbesinnung und Neuaufbrüche

Heike Wennemuth (Karlsruhe): Konfessionelles und konfessionsübergreifendes Liedgut in Gesangbüchern des Oberrheins

Sektion 5: Politik und Ökumene
Moderation: Hans-Jürgen Holzmann (Heidelberg)

Angela Borgstedt (Mannheim): Begegnung im Widerstand gegen den Nationalsozialismus? Die Bedeutung der Diktaturerfahrung für die ökumenische Bewegung in Deutschland nach 1945

Michael Kitzing (Chemnitz/Singen): Zurück zur Zentrumspartei oder Gründung einer überkonfessionellen Volkspartei? Die Anfänge der christlichen Demokratie in (Süd-) Baden nach dem Zweiten Weltkrieg

Joachim Bürkle (Würzburg): Richard Hauser und die Ökumene in Heidelberg

Schlussdiskussion
Moderation: Karl Heinz Braun (Freiburg im Breisgau)