Die Bedeutung der Jagiellonen für Kunst und Kultur Mitteleuropas (1450-1550)

Die Bedeutung der Jagiellonen für Kunst und Kultur Mitteleuropas (1450-1550)

Organisatoren
W. Eberhard, Geisteswissenschaftliches Zentrum für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V. Leipzig; R. Suckale, Fachgebiet Kulturwissenschaft der TU Berlin; G. U. Großmann, Germanisches Nationalmuseum
Ort
Nürnberg
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.01.1999 - 01.02.1999
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Von
Evelin Wetter; Dietmar Popp

Zur Vorbereitung eines langfristig angelegten Forschungsprojekts der DFG lud das Geisteswissenschaftliche Zentrum für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V. Leipzig (W. Eberhard) in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Kunstwissenschaft der TU Berlin (R. Suckale) und dem Germanischen Nationalmuseum (Generaldirektor G. U. Großmann) zu einem interdisziplinären Colloquium nach Nürnberg. Ziel war die Sichtung des Forschungsstandes zur Bedeutung der Jagiellonendynastie für Kunst und Kultur in Mitteleuropa. Das seit 1386 die polnische Krone führende litauische Geschlecht hatte durch die Hochzeit König Kazimierz' IV. Jagiellonczyk mit Elisabeth von Habsburg im Jahr 1454 auch Anspruch auf den böhmischen und den ungarischen Thron erworben. Mit deren Besteigung in den Jahren 1471 bzw. 1490 durch Wladyslaw Jagiellonczyk, als böhmischer König Wladislaw II., waren die Jagiellonen bis in das 16. Jahrhundert hinein diejenige Macht, welche das gesamte östliche Mitteleuropa umspannte, zumal sie ihren Einfluß durch eine wohlkalkulierte Heiratspolitik auch auf die angrenzenden Territorien ausdehnen konnten. Diese europäische Dimension des Themas und gleichsam seine politische Aktualität im Hinblick auf ein geeintes Europa zeigte Robert Suckale (Berlin) in seiner Eröffnungsrede zum Colloquium eindrücklich auf.

Bei der viertägigen Veranstaltung mit insgesamt 45 Vorträgen in vier Sektionen und zahlreichen internationalen Teilnehmern handelte es sich um die erste dieser Art seit 1978 ("Die Parler und der Schöne Stil" in Köln) bzw. 1981 ("Veit Stoß" in Nürnberg). Seitdem sei von der deutschen Kunstgeschichte, so wurde es von einigen Kollegen aus Ostmitteleuropa beklagt, kaum mehr ein relevantes Ostthema aufgegriffen worden. Dagegen bezeugten die zahlreichen polnischen Beiträge das in Polen ungebrochene Interesse an der Jagiellonenära, das dort über eine lange Tradition verfügt, wenngleich man sich in der Regel weitgehend innerhalb der nationalen Grenzen aufhielt (vgl. "Polen im Zeitalter der Jagiellonen", Ausst.-Kat. Schallaburg 1986). Die Vorträge der tschechischen, slowakischen, ungarischen, amerikanischen und deutschen Teilnehmer widmeten sich schließlich vor allem den Desideraten sowohl in resümierender als auch projektierender Absicht. Grund für den unterschiedlichen Grad der Erforschung der Jagiellonenzeit ist die historiographische Bewertung des Geschlechts in den einzelnen Ländern. Die ältere tschechische Geschichtsschreibung war geprägt von einer Abneigung gegen die Jagiellonenära als Fremdherrschaft, und erst in jüngerer Zeit bemühte man sich um eine Neubewertung (vgl. Josef Macek, "Jagellonsky vek v ceskych zemich", Prag 1992 und 1994), wobei die erste kunsthistorische Gesamtdarstellung von J. Homolka, J. Krása, V. Mencl u. a. in dem 1978 erschienenen Sammelband "Pozdne goticke umeni v Cechach, 1471-1526" [Spätgotische Kunst in Böhmen, 1471-1526] noch sehr auf die Kernlande der böhmischen Krone, d. h. auf das Gebiet des heutigen Tschechiens konzentriert ist. Für Ungarn zeichnet sich der Ansatz einer Beschäftigung mit der jagiellonischen Herrschaft überhaupt erst in den Ausstellungskatalogen "Matthias Corvinus", Schallaburg 1982, und "Pannonia regia", Budapest 1995, ab. Die jeweiligen politischen Determinationen, die der von Thomas Da Costa Kaufmann (Princeton) skizzierte Forschungsstand deutlich widerspiegelt und die im Rahmen der ostmitteleuropäischen Kunsthistoriographie sicherlich einer eingehenden Untersuchung bedürften, exemplifizierte Adam Labuda (Berlin) als Einführung in den Themenkreis der Tagung anhand verschiedener Forschungsmodelle zum Künstler im spätmittelalterlichen Osten: Hier kontrastiert das Bild vom Schöpfer einer nationalen Kunst, wie es den Künstler für den politischen Kampf instrumentalisierte, mit dem vom Schöpfer autonomer Normen, das neben seiner Glorifizierung gleichsam zu seiner Isolierung von gesellschaftspolitischen Prozessen führte. Demgegenüber scheint erst das Konzept vom Künstler als Teilnehmer eines Marktes den historischen Gegebenheiten und künstlerischen Veränderungen Rechnung zu tragen.

Die erste Sektion "Die Jagiellonen - Geschichte, Hof und Kultur allgemein" wurde mit Vorträgen zum propagandistischen Selbstverständnis der jagiellonischen Dynastie eröffnet: Wojciech Goleman (Lublin) referierte über die Vorstellung vom Königtum im politischen Denken der späteren Jagiellonenzeit und Zenon Piech (Krakau) erläuterte die Darstellungen der Jagiellonen in ikonographischen Quellen und damit die Ausbildung einer spezifischen Staatsikonographie. Die unterschiedliche Haltung zur Kunst bei Sigismund I. und dessen Sohn Sigismund August - beim ersten Werkzeug zu Selbstdarstellung und politischer Propaganda mit einer Vorliebe für monumentale Architekturstiftungen, beim zweiten mehr persönliches Sammeln, was den Strukturwandel der Repräsentationskultur verdeutlicht - führte Adam Malkiewicz (Krakau) vor Augen. Aber nicht nur das Herrschergeschlecht selbst stand im Mittelpunkt des Interesses, sondern auch die Stiftungen der neuen Machteliten im Umkreis des Hofes, d. h. des hohen Klerus und Adels, so in den Vorträgen von Przemyslaw Mrozowski (Warschau) und Jaroslaw Jarzewicz (Posen). Desweiteren beleuchtete Arnold Bartetzki (Leipzig) das Selbstverständnis der polnischen Städte und ihre Selbsteinordnung in das Staatsgefüge anhand der Rathausdekorationen von Krakau, Warschau, Danzig, Thorn und Posen - zumeist aus nachjagiellonischer Zeit -, wobei das Spektrum von der Thematisierung eines dezidierten Untertänigkeitsverhältnisses, wie in Krakau und Warschau, bis zur Abgrenzung und Verherrlichung der städtischen Res publica im Rechtsstädtischen Rathaus zu Danzig reicht. Von höfischen wie bürgerlichen Auftraggebern gestiftete Werke der Goldschmiedekunst, insbesondere figürliche Reliquiare in ihrer Beziehung zur zeitgenössischen Skulptur untersuchte Kinga Szczepkowska-Naliwajek (Warschau). Die Sektion beschließend präsentierte Andrea Langer (Leipzig) ihr Projekt zur Rolle der weiblichen Mitglieder des Jagiellonenhauses als Trägerinnen und Vermittlerinnen von kulturellen Strömungen an ostmitteleuropäische und mitteleuropäische Residenzen. Die innovative Fragestellung zur höfischen Kultur führte gleichzeitig den Blick aus den Kernlanden der jagiellonischen Herrschaft auf andere europäische Zentren.

Die zweite Sektion "Die Jagiellonen (einschließlich Nachbarn) und die Kirche", in die Franz Machilek (Bamberg) einführte, umfaßte ein weites Spektrum verschiedenster Aspekte, zeigte aber auch einige Desiderate insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der Dynastie für die Frömmigkeitsgeschichte auf, so z. B. bei der Rolle bestimmter Orden, wie der Bernhardiner (Franziskanerobservanten) und deren Förderung durch das Jagiellonenhaus. Dagegen berichtete Urszula Borkowska (Lublin) über die Stiftungstätigkeit der Jagiellonen und die Begründung eines kirchlichen Netzwerks in Polen und Litauen sowie von Pawel Kras (Lublin) über die von den katholischen Herrschern praktizierte Politik der religiösen Toleranz. Im Anschluß daran widmete sich Marek Walczak (Krakau) der Politisierung der polnischen Landesheiligen und ihrer Bedeutung im jagiellonischen Staat, so beispielweise der allegorischen Deutung des Martyriums des hl. Stanislaus, des Hauptpatrons Polens, auf die Teilung Polens im 12. und Wiedervereinigung unter den Jagiellonen im 14. Jahrhundert. Mit dem privaten Aspekt christlicher Ikonographie im Gebetbuch König Wladyslaws II. aus dem Prag der 1470er Jahre beschäftigte sich Alicja Karlowska-Kamzowa (Posen). Ivan Gerat (Preßburg) interpretierte das Votivbild eines Höflings Wladyslaws II., des jagiellonischen Diplomaten in Preßburg, Emmericus I. Czobor, mit seiner charakteristischen Darstellung der Madonna im Strahlenkranz als Hinweis auf die konservativ-katholische Haltung der Jagiellonen und stellte es in Zusammenhang mit antihussitischen Bestrebungen der franziskanischen Observanten unter der Führung von Johannes Capestranus. Über die Ausstattung der Kirche des von König Wladyslaw II. geförderten Franziskanerobservantenklosters St. Anna in Kamenz in der Oberlausitz referierte Katja Mieth (Dresden), wobei sie die um 1500 geschaffenen Flügelretabel im Spannungsfeld von östlichen und westlichen Einflüssen untersuchte. Agnieszka Madej-Anderson (Tübingen) erläuterte am Beispiel der Dominikanerkirche in Krakau, welche Rolle die Bettelorden bei der Vermittlung künstlerischer Formen und Motive hatten, speziell des ordensspezifischen und aus Italien stammenden Bildgutes. Besonderen künstlerischen Aufwand und innovative Gestaltung mit bemerkenswerten Darstellungen der Arbeitswirklichkeit in den Illustrationen von Gradualhandschriften für die Pfarrkirchen der bedeutenden königlichen Bergbaustadt Kuttenberg führte Jörg Richter (Brandenburg) vor Augen. Christopher Herrmann (Allenstein) deutete an, welche kulturellen und künstlerischen Beziehungen zwischen dem Deutschordensland Preußen und der polnischlitauischen Union bestanden, und wies damit auf das Desiderat der weiteren Erforschung der Regionen in der Peripherie des Jagiellonenreichs hin, die für den europaweiten Kulturtransfer wichtige Gelenkstellen sind. Als Beispiel für eine solche kulturelle Vermittlung hinterfragte schließlich Lars Olof Larsson (Kiel) die Rolle der Katharina Jagiellonika als Königin von Schweden, die traditionell als Garantin für die Renaissancebaukunst unter König Johann angesehen wurde. Jedoch zeige das einzige Objekt, das mit der 1583 verstorbenen Herrscherin in Verbindung gebracht werden könne, die Grabkapelle im Dom von Uppsala mit der Grabanlage, kaum direkte Italienbezüge. Es weise zuallererst auf eine herrschaftslegitimierende Funktion des betriebenen Aufwands hin.

"Die Länder der böhmischen Krone und Ungarn unter den Jagiellonen" waren das Thema der dritten Sektion, die Thomas DaCosta Kaufmann (Princeton) mit dem bereits erwähnten Bericht des Forschungsstands eröffnete. Der größte Teil der über 50 Jahre währenden Regierung der Jagiellonen in Böhmen fällt auf Wladyslaw Jagiellonczyk (1471-1516), dessen Herrschaftsinstallation als Wladyslaw II. Jan Royt (Prag) unter dem Stichwort Renovatio regni darlegte: die Bemühungen um die Prager Residenz, d. h. deren Ausbau durch Benedikt Ried, die Erneuerung des Kults der böhmischen Landesheiligen, für die Wladyslaw neue Reliquiare anfertigen ließ, und die zweite Ausmalung der Wenzelskapelle durch den sog. Meister des Leitmeritzer Altars. Unter dem Titel "Sub serenissimo principe et domino Wladislao rege ungarie bohemie... vita regularis inducta est", ein Satz aus dem Kolophon des Teplaer Abtes Sigmund in einem dortigen Antiphonar aus dem Jahr 1500, stellte Milada Studnickova (Prag) als Früchte der hier angesprochenen Konsolidierung des klösterlichen Lebens neuerschlossene Buchmalereien aus dem Prämonstratenserstift Tepla und dem Observantenkloster Kadan vor. Neben dem Hinweis auf die Prager Herkunft einiger Illuminatoren formulierte sie das Desiderat, die stilistischen Anknüpfungspunkte an die süddeutsche Buchmalerei zu präzisieren. Vor dem Hintergrund neuer Forschungen hob Milena Bartlova (Prag) für die böhmische Tafelmalerei entgegen der Schulmeinung die Kontinuität in der künstlerischen Produktion hervor, mit charakteristischen retrospektiven Tendenzen im zweiten Jahrhundertdrittel. Ähnlich den Bereichen der Buchmalerei (s. o.) und der spätgotischen Skulptur Böhmens, wie er hinsichtlich Wissensstand und Forschungsperspektiven von Jiri Fajt (Prag) vorgestellt wurde, ist auch für die Tafelmalerei ein Weiterkommen lediglich in der Zusammenschau mit den Zeugnissen Frankens, Thüringens, Schwabens etc. möglich. Ist die gegenseitige Befruchtung zwar evident, so offenbart der Stand der Erforschung der jeweiligen Einflußbereiche schwerwiegende Defizite. In ähnlicher Weise berichtete Jiri Kuthan (Prag) von internationalen Stilbezügen in der umfangreichen Bautätigkeit Peters IV. von Rosenberg - einer der drei Hauptmänner, die in Abwesenheit Wladyslaws II. seit 1490 das Königreich Böhmen regierten. So wurden auf dem rosenbergischen Dominium in Südböhmen nahezu 30 Kirchen und Kapellen umgebaut oder neu errichtet, für die eine Stilsynthese aus retrospektiven Elementen (Luxemburger Epoche), Einflüssen aus Oberösterreich sowie des angrenzenden bayerischen Donaugebiets und ebenso des königlichen Baumeisters Benedikt Ried charakteristisch ist. Als regelrechten Architekturfund konnten Petr Chotebor und Tomas Durdik (Prag) den Umbau des Lustschlosses im Prager Tiergarten (Stromovka) unter Wladyslaw II. vorstellen. Ausgeführt durch die gleichzeitig an der Burg tätige Bauhütte des Benedikt Ried, handelte es sich nach der Umgestaltung um einen länglichen Palast mit umlaufenden Arkadengängen und seitlichem Treppenturm. Nur unter Einbeziehung der archäologischen Forschung, wie Istvan Feld (Budapest) sie vorstellte, sind schließlich Bauten für Wladyslaw in Ungarn zu erfassen, darunter zwei Palastbauten in den Ofener Bergen, die jüngsten Ausgrabungen zufolge die ersten reinen Renaissancearchitekturen in Ungarn zu sein scheinen. Im Anschluß daran zeigte Gyöngyi Török (Budapest) die Ursprünge der jagiellonischen Renaissance in Ungarn und die Verbreitung der italienischen Formen von dort z. B. durch Werke der Buchmalerei noch vor 1500 auf, und Peter Farbaky (Budapest) führte mit dem Kleriker und Politiker György Szatmari einen Kunstmäzen der Renaissance par excellence vor, der an der Wende zum 16. Jahrhundert eine Vielzahl von bedeutenden Werken der verschiedensten Gattungen u. a. in Kaschau, Pecs und Esztergom in Auftrag gab. Ähnlich besprach Ivo Hlobil (Prag) das kulturelle Wirken des Olmützer Bischofs Stanislav Thurzo am Beispiel von Werken in Mähren: zwei dem Stil des Veit Stoß verwandten Kruzifixen und der Ausgestaltung der Fassade des Bischofsschlosses in Kremsier (Kromeriz) im Renaissancesstil. Hinsichtlich der Renaissancearchitektur in Schlesien lenkte Tomasz Torbus (Warschau/Marburg) die Aufmerksamkeit auf die wechselseitige Beanspruchung der Vorbilder: Zitierte die ältere deutsche Literatur vor allem die sächsische und böhmische Schloßbaukunst und unterschlug sie einen möglichen Einfluß via Krakau, hat die allzu starke Betonung des Vorbildcharakters des Wawelschlosses seitens einiger polnischer Kunsthistoriker nach 1945 mit der hypothetischen Rekonstruktion des Schlosses in Brieg (Brzeg) in den 60er Jahren konkrete Gestalt angenommen. Andererseits belegt die Tätigkeit schlesischer Bauleute an der Krakauer Wawelresidenz die offensichtlich wechselseitige Befruchtung im Schloßbau der Renaissance. Deshalb gelte es, die festgefügten Konstrukte einer schlesischen, mährischen etc. Renaissance aufzugeben und nach den nachweislichen Berührungspunkten zu fragen. Ein direkte Übernahme aus Krakau in Schlesien zeigte abschließend Janusz Keblowski (Tübingen) mit dem sog. "Sansovino-Grabmaltypus", der in Rom kurz nach 1500 entwickelt alsbald auf dem Wawel auftauchte und seit dem Grabmal des Breslauer Bischofs Johannes V. Thurzo von 1537 in Schlesien weite Verbreitung fand.

Die vierte Sektion war schließlich speziell den "Fragen des internationalen Austauschs" gewidmet, wenngleich dieser Aspekt schon in den vorangegangenen Vorträgen vielfach zur Sprache kam. Zur Einführung stellte Klaus Herbers (Erlangen) methodische Überlegungen zum Kulturtransfer durch Reisende an, die er an den Berichten des Schlesiers Nikolaus von Poplau von seinen Reisen in südwesteuropäische Länder unter dem Aspekt Kulturvergleich exemplifizierte. Daran anknüpfend trugen Janusz Smolucha und Marek Ferenc (Krakau) die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu den Ausländern am Hof Sigismunds I. bzw. am Hof Sigismund Augusts vor, mit denen eine der Grundlagen für die Internationalität der jagiellonischen Hofkultur deutlich wurde. Die kulturgeschichtlichen Anregungen aus dem italienischen Bereich wurden dann an ganz verschiedenen Objektgruppen vorgeführt: Gregory Harwell (Princeton) stellte die Kuppel der Sigismundkapelle am Wawel als erste, mit Hilfe in Italien wiederentdeckter antiker Geometrie exakt konstruierte Ellipse dar. Joseph Imorde (Zürich) erschloß den Traum als Bezugs- und Bedeutungsebene des auf Andrea Sansovino zurückgehenden und in Polen in Anlehnung an die königliche Grablege in der Sigismundkapelle weit verbreiteten Grabmaltypus mit kopfgestützter Liegefigur. Und Marina Dmitrieva (Leipzig) erläuterte an der Idealstadt Zamosc, einer der wenigen realisierten Planstädte der Renaissance und gleichzeitig Festung sowie Handels- und Bildungszentrum, die Ansprüche und patriotischen Ideale von Jan Zamoyski, Großhetman im Dienste Stephan Bathorys und Anna Jagiellonkas. Als einen besonderen Aspekt von internationalem Austausch nannte Pal Lövei (Budapest) die weite Verbreitung des sog. ungarischen Rotmarmors, eines überaus gefragten Materials für Baudekor und insbesondere figürliche Grabmäler, das von florierenden Werkstätten in Ungarn bearbeitet und in weite Teile Mitteleuropas vertrieben wurde. Im Anschluß daran wurden die kulturellen Verknüpfungen der ostmitteleuropäischen mit den westlichen Kulturregionen und vor allem mit Süddeutschland dargelegt. Den dauerhaften und mannigfaltigen Transfer etwa zwischen den süddeutschen Reichsstädten und östlichen Metropolen zeigte Jan Harasimowicz (Breslau/Thorn) sowohl an künstlerischen Objekten wie Ölbergkapellen und großen narrativen Bildepitaphien zur Ausstattung von Stadtpfarrkirchen als auch an Übernahmen von Brauchtum, etwa des Nürnberger Faschings in Breslau auf. Kaliopi Chamonikolasova (Brünn) referierte über die Skulptur in Mähren Ende des 15. Jahrhunderts mit Zentrum in Brünn. Sie hob die zunehmende Qualität hervor und stellte den Konnex mit der Kunst in Wien unter Niclaus Gerhaert und Nachfolgern heraus, wobei Importe und selbständige Schöpfungen nicht immer zu unterscheiden seien. Ähnliches konstatierte Wojciech Marcinkowski (Krakau) für die spätgotische Skulptur in Kleinpolen und zeigte eine Fülle von motivischen und stilistischen Verwandtschaften zu Bildhauerarbeiten in Süddeutschland. Er äußerte abschließend die Hoffnung, daß das Desiderat weiterer komparativer Forschungen in diesem Bereich in zukünftiger nationenübergreifender Zusammenarbeit behoben werden könne. Ein Ziel, das von der deutschen Kunstgeschichte mit der Nürnberger Tagung neu aufgenommen wurde und mit dem geplanten DFG-Forschungsprojekt in Leipzig intensiv verfolgt werden soll. - Die Veröffentlichung der Tagungsbeiträge in der Reihe "Wissenschafliche Beibände zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums" ist in Vorbereitung.


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