Liberalismus und Emanzipation. Inklusions- und Exklusionsmechanismen im deutschen Liberalismus

Liberalismus und Emanzipation. Inklusions- und Exklusionsmechanismen im deutschen Liberalismus

Organisatoren
Stiftung Bundespräsident Theodor-Heuss-Haus
Ort
Stuttgart
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.10.2008 - 08.10.2008
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Von
Stefanie Enders, Hamburg

Unter der Leitung von Angelika Schaser und Stefanie Schüler-Springorum sollte beim diesjährigen Theodor-Heuss-Kolloquium der Frage nach den Formen der Partizipation, mit Hilfe derer Individuen und Gruppen Einfluss auf die Gesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts nehmen konnten, nachgegangen werden. Ungleiche Partizipationschancen und unterschiedliche Integrationsangebote sollten an zwei Bevölkerungsgruppen stellvertretend für andere vom Kaiserreich bis zum Ende der Weimarer Republik analysiert werden. Im Zentrum des Interesses stand dabei das Verhältnis des Liberalismus zu Frauen und Juden. Angelika Schaser wies einleitend darauf hin, dass die liberalen Parteien offen gegen den Antisemitismus Stellung bezogen, die Emanzipation der Frauen jedoch aus ihrem Forderungskatalog bis zur Weimarer Republik ausgeschlossen hätten. Während Juden und Antisemitismus in der Liberalismus-Forschung in ersten Ansätzen erforscht sind, istdie Frage nach den Geschlechterverhältnissen bezogen auf den Liberalismus in Theorie und Praxis, deren Untersuchung Dieter Langewiesche bereits 1988 anregte, bis heute weitgehend unbeantwortet geblieben.1
In drei Sektionen wurde untersucht, wie einzelne Personen jüdischer Herkunft oder weiblichen Geschlechts versuchten, sich in liberale Parteien und Organisationen zu integrieren und wie diese wiederum auf lokaler, regionaler und auf Reichsebene mit den Emanzipationswünschen dieser beiden Bevölkerungsgruppen vom Kaiserreich bis zum Ende der Weimarer Republik umgingen. Am deutschen Beispiel sollte damit ein Beitrag zur Erforschung dieser europaweit zu beobachtenden In- und Exklusionen für die Geschichte des Liberalismus und der Demokratie geleistet werden.

Den Anfang machte eine Sektion, die die Auseinandersetzungen um die Emanzipation von Juden und Frauen näher betrachtete. In seinem Vortrag über Liberalismus und Judenemanzipation stellte REINHARD RÜRUP (Berlin) einige allgemeine Beobachtungen und Thesen vor. So unterschied er zwischen einem engeren und weiteren Emanzipationsbegriff, wobei der engere die rechtliche Gleichstellung von Juden meinte, die Geschichte der politischen Debatten und Entscheidungen. Arierparagraph und Berufsverbot im NS beendeten diesen rechtlichen Emanzipationsprozeß. Unter dem weiteren Emanzipationsbegriff wollte er die jüdisch-christliche Annäherung, unabhängig von der rechtlichen Emanzipation verstanden wissen. Des Weiteren wies Rürup auf die unterschiedlichen Blickwinkel auf die Judenemanzipation hin: für die jüdische Minderheit in Deutschland sei dies eine zentrale Frage gewesen, für die christliche Mehrheitsgesellschaft stellte die Judenemanzipation nur eines von vielen „Problemen“ dar. Schließlich fasste er mögliche Gründe für die zögerliche Judenemanzipation zusammen: Erstens waren Juden eine religiöse Minderheit, die einzigartig stigmatisiert wurde („Christusmörder“). Zweitens fühlten Christen Konkurrenz durch gleichgestellte Juden, deswegen war die Emanzipation von Juden unpopulär. Drittens stand die Mehrheit der christlichen Bevölkerung dem Kapitalismus kritisch gegenüber. Juden wurden hierbei als treibende Kraft einer unerwünschten Entwicklung wahrgenommen. Viertens sei das Verhalten der Liberalen durch den aufgeklärten Absolutismus geprägt gewesen – die Politik habe die Juden zu erziehen. Abschließend merkte Rürup an, dass es trotz aller Probleme die liberalen Mehrheiten gewesen seien, die die volle rechtliche und politische Gleichstellung der Juden durchsetzten. Hieraus sei ein neues jüdisches Selbstbewußtsein entstanden, eine „Selbstemanzipation“ und eine „soziale Erfolgsgeschichte“, die für die Juden in Kaiserreich und Weimarer Republik eine Zeit großer wirtschaftlicher Erfolge und sozialen Aufstiegs bedeutete.

KARIN HAUSEN (Berlin) stellte ihren Vortrag über Liberalismus und Frauenemanzipation unter die Leitfrage, ob diese überhaupt etwas miteinander zu tun hätten. Sie beantwortete diese Frage mit einem entschiedenen Jein. Einerseits fände der Begriff Liberalismus in den Konversationslexika des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit Frauen keine Erwähnung, andererseits habe die Ordnung der Geschlechter und Eheverhältnisse die Liberalen als Politikum beschäftigt. Abschließend stellte sie ebenfalls einige Thesen für die noch zögerliche Emanzipation von Frauen im Gegensatz zur Judenemanzipation vor: Erstens sei die Gruppe der Juden im Vergleich zur Gesellschaft verschwindend klein gewesen, Frauen stellten 50 Prozent der Gesellschaft, ihre Emanzipation stellte eine weit größere Veränderung der Gesellschaft dar. Zweitens blieben Frauen auch nach 1918 der männlichen Vormundschaft im privaten Bereich unterstellt. Drittens brauchte die ausdrückliche Exklusion eine Begründung: Bei den Juden wurde die Fremdheit betont, bei Frauen die Natur-Kultur-Differenzierung und die natürliche Arbeitsteilung, die wesentlich schwerer zu überwinden gewesen sei. Viertens wurden Forderungen der Frauenemanzipation wurden als naturwidrig betrachtet, Frauen, die diese Forderung erhoben, sei jegliche Weiblichkeit aberkannt worden.

In der anschließenden Diskussion wurden nochmals die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Emanzipationsbewegungen von Juden und Frauen thematisiert und auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede für die Exklusion beider Gruppen betont. Es wurde aber auch auf die Schwierigkeiten des Vergleiches beider Emanzipationsbewegungen hingewiesen, vor allem auf die unterschiedlichen Qualitäten für Exklusion. So wurde festgestellt, dass die Judenemanzipation ein Prozeß gewesen sei, der vor allem von Nichtjuden der sogenannten Mehrheitsgesellschaft angestoßen und betrieben worden war, die Frauenemanzipation wurde hingegen überwiegend von Frauen angestoßen. Die Untersuchung liberaler Aktionsfelder, also der Fokus auf Praxis und Handeln, könne hier neue Ansätze bieten und zu neuen Sichtweisen führen.

UFFA JENSEN (Göttingen) eröffnete die zweite Sektion und untersuchte in seinem Beitrag die Frage, ob die Liberalen und der Liberalismus des 19. Jahrhunderts antisemitisch waren. Gerade in den letzten Jahren seien kritische Anfragen an das liberale Projekt der Judenemanzipation und vor allem an den liberalen Umgang mit Juden gestellt worden. Exemplarisch stellte Jensen Theodor Mommsen als „Vorzeigeliberalen“ und Heinrich von Treitschke und deren Auseinandersetzungen mit dem Antisemitismus gegenüber. Er sprach von dem hieraus resultierenden Berliner Antisemitismusstreit als einem Scheitern einer Allianz zwischen Liberalen und Juden. Grundsätzlich könne es nicht darum gehen, die signifikanten politischen Unterschiede zwischen Liberalen und Antisemiten im 19. Jahrhundert einzuebnen; dennoch bleibe zu fragen, ob die liberalen Gegner der Antisemiten automatisch die „Judenfreunde“ waren, als die sie in den antisemitischen Schmähungen hingestellt wurden.

UTE PLANERT (Wuppertal) ging in ihrem Beitrag zum Thema Liberalismus und Antifeminismus der Frage nach, ob der Liberalismus ein „natürlicher Bündnispartner“ der bürgerlichen Frauenbewegung gewesen sei. Wie wenig diese Hypothese trage, zeige nicht nur ein Blick auf die nationalliberalen Mitglieder des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation. Planert warf einen vergleichenden Blick auf die Haltung der Liberalen in Frankreich, England und Deutschland auf die Forderungen der Frauenbewegung, wobei zwischen Antifeminismus, Mysogenie und Frauenfeindlichkeit unterschieden wurde. Zusammenfassend stellte sie fest, dass nicht wenige (National-) Liberale es in punkto weiblicher Mitbestimmung eher mit Heinrich von Treitschke gehalten haben dürften, der in seiner liberalen Frühphase die Forderung nach verbesserter Frauenbildung unterstützt habe, um dann, als die Frauenbewegung zu einem Machtfaktor des öffentlichen Lebens geworden war, ihren politischen Einfluß entschieden zu bekämpfen.

In seinem Kommentar wies DIETER LANGEWIESCHE (Tübingen) auf die methodisch-konzeptionell unterschiedlichen Herangehensweisen beider Referenten hin und warf die Frage auf, ob diese unterschiedlichen Herangehensweisen auch unterschiedliche Sichtweisen auf den Liberalismus bedingen. Er regte an, vermehrt über Kultur als Marker von Differenz nachzudenken, wobei die innerjüdische Diskussion über jüdische Differenz und Identität nicht miteinander gleichgesetzt werden dürften. Interessant wäre es, den Blick auf die unterschiedlichen Handlungsmuster bzw. Handlungsfelder zu lenken. Entstehen diese aus einer liberalen Vorstellungswelt oder aus allgemeinen politischen Ordnungen, beispielsweise einer republikanischen gegenüber einer monarchischen Ordnung? In der anschließenden Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass zwischen Antisemitismus, „weichem Antisemitismus“ und antijüdischen Vorurteilen schärfer unterschieden werden müsse.

Die dritte Sektion begann mit einem Vortrag von ULRICH BAUMANN (Berlin). Er betonte das enge Zusammenleben von Juden und Christen in Dörfern und Kleinstädten zahlreicher ländlicher Regionen in West- und Süddeutschland. Dieses interreligiöse Miteinander war Bestandteil des Alltagslebens, das sich in nachbarschaftlichen Kontakten, in Jungmännergruppen und Vereinen wie in den formalisierten Bereichen der Dorfpolitik, aber auch in der politischen Willensbildung in landes- und reichspolitischen Fragen äußerte. Der Beitrag warf Schlaglichter auf die Interdependenzen zwischen dem konfessionellen Zusammenleben und der lokalen Politik.

STEFANIE SCHÜLER SPRINGORUM (Hamburg) beleuchtete am Beispiel der Stadt Königsberg als dem neben Berlin bedeutendsten Zentrum der deutsch-jüdischen Aufklärung und des Kampfes um die politische Emanzipation der jüdischen Minderheit die Partizipation der jüdischen Einwohner an fast allen Bereichen des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Kontrastierend hierzu stellte sie den antisemitisch unterlegten "Fall Lichtenstein" in der Freisinnigen Volkspartei vor, bei dem es um die Nichtaufstellung eines jüdischen Kandidaten im Jahre 1913 ging.

Der Vortrag von ANGELIKA SCHASER (Hamburg) über „die Hauptstadt Berlin als Experimentierfeld der Moderne“ beendete diese Sektion. Berlin war das Zentrum des deutschen Nationalstaates, Drehscheibe zwischen Ost- und Westeuropa, Schauplatz von politischen Auseinandersetzungen, wirtschaftlichen Krisen, Skandalen und Bühne für künstlerische Experimente. Am Beispiel des Liberalismus, des Berliner Wissenschaftsbetriebs und der Kunstszene in Berlin wurden in dem Beitrag die Chancen und die Grenzen der politischen Integration von Frauen im Berlin der Jahrhundertwende und des frühen 20. Jahrhunderts erörtert.

PETER PULZER (Oxford) kommentierte diese Sektion, die er anhand von zwei Fragestellungen zusammen fasste. Zum einen die Frage, aus wem die politische Gesellschaft bestand und zum anderen die Frage nach den Rechten und Pflichten von Staatsbürgern. Er wies dabei darauf hin, dass das Kaiserreich weiterhin eine halbständische Gesellschaft gewesen sei, besonders auf regionaler Ebene. Dies habe beispielsweise Mommsen nicht bedacht, in dieser Hinsicht sei er naiv gewesen. Jude zu sein sei in Südbaden ein Politikum gewesen, was der Beitrag Baumanns gezeigt habe. Das interkonfessionelle Leben in Baden sei zwar frei von Pogromen gewesen, aber eher ein Nebenenander als ein Miteinander. Was in dieser Hinsicht auf Baden zutraf, gelte auch für Königsberg, der Hauptstadt liberaler Tradition.

In der anschließenden Diskussion wurde die Falltiefe des Liberalismus in der Weimarer Republik betont, aber auch die Sektion als Ganze kritisch betrachtet. Es handele sich hierbei eher um eine Veranstaltung über Integrationsbehinderung bzw. Integrationsverhinderungen, es sei zu wenig auf die positiven Entwicklungen eingegangen worden, der Fall Lichtenstein sei deshalb auch nicht relevant, weil hierdurch der Antisemitismus unter einem Vergrößerungsglas betrachtet würde, anderes -nämlich funktionierende Integration- nicht, was zu einer verzerrten Sichtweise führe. Darüber hinaus wurde auf die nicht vorhandene konfessionelle Harmonie auch in Gebieten, in denen keine Juden lebten, hingewiesen. Klare Trennlinien gebe es auch zwischen Katholiken und Protestanten, dies sei also kein Argument für das nicht Vorhandensein von Integrationsprozessen.

Den Beginn der vierten Sektion machte CHRISTIAN SCHÖLZEL (München) mit seinem Vortrag über Walter Rathenau. Er untersuchte zunächst Rathenaus Bild von Großbritannien, Deutschland und dem Ersten Weltkrieg, dessen Kontakt zu Künstlern und Intellektuellen des Kaiserreichs, Rathenaus Bild von Frauen und schließlich sein Agieren als liberaler Politiker. Die Entwicklung von Rathenaus Ansichten sei dabei nicht beliebig gewesen, sondern sei neben generellen Erwägungen und tagespolitischen Faktoren in hohem Maße seinen Selbstdiskursen als Jude gefolgt. Schölzel kam zu dem Schluß, dass liberale Weltsicht und konservative Haltungen die zwei Wege waren, auf denen sich das Versprechen der Gleichberechtigung für einen deutschen Juden scheinbar doch noch einlösen ließ.

KIRSTEN HEINSOHN (Hamburg) folgte mit einem Referat über Eva Gabriele Reichmann, die sich Zeit ihres Lebens mit den Fragen, wie der Aufstieg des Nationalsozialismus zu erklären und ob die Emanzipation der Juden zum Scheitern verurteilt gewesen sei, befasst hat. Eva Reichmann thematisierte in ihren Schriften zumindest indirekt auch ihre persönlichen Erfahrungen als Referentin des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens von 1924 bis 1938 und als Schriftleiterin der Zeitschrift „Der Morgen“. Gerade der Centralverein erlebte in den Weimarer Jahren eine „Enttäuschung“ am (parteipolitisch gebundenen) Liberalismus, der sich nur schwach gegen antisemitische Aktionen und Denkmuster wandte. Eva Reichmann und ihr Mann Hans (1900-1964) hätten sich daher wie viele andere Juden der Sozialdemokratie zugewandt, die die Errungenschaften der Emanzipation ausdrücklicher zu verteidigen schien.

Der letzte Vortrag, der mit einem biographischen Zugang arbeitete, war ein Vortrag über Hedwig Hintze, der Frau Otto Hintzes, Mitarbeiterin bei der Historischen Zeitschrift und Historikerin, gehalten von PETER-THOMAS WALTHER (Berlin). Ausgehend von der Frage, in welchen Konstellationen Hedwig Hintze als Liberale, als Radikale, als Sozialistin oder Marxistin wahrgenommen wurde und inwiefern dadurch ihre Handlungsspielräume erweitert oder behindert wurden, wurde zunächst ihre familiäre Herkunft näher beleuchtet, dann Lehrer, Kollegen und politisch-wissenschaftliche Vernetzungen ins Blickfeld gerückt und zum Schluß ihre Emigration und Leben im Exil vorgestellt.

Den abschließenden Vortrag hielt MANFRED HETTLING (Halle) zum Thema „Verbürgerlichung als Exklusionsprozeß“. Zunächst ging er auf den Begriff Verbürgerlichung näher ein und stellte unterschiedliche Konzepte von Verbürgerlichung vor: Vergesellschaftung von Mittelschichten, kulturelle Vergesellschaftung, Verbürgerlichung als Antwort auf die Auflösung der ständischen Gesellschaft, Nationalstaatsbildung. Daraufhin wandte er sich der Debatte über die Verbürgerlichung von Juden zu, um schließlich einen Blick auf Inklusions- und Exklusionskanäle zu werfen.

In ihrem Kommentar hob BARBARA VOGEL (Hamburg) hervor, dass es sich bei allen drei hier vorgestellten Biographien um bürgerliche, akademisch gebildete Personen handelte, die allerdings jeweils unterschiedliche jüdische Identitäten in Selbst- und Fremdwahrnehmung aufzuweisen hätten, unterschiedlichen Geschlechts waren und ebenfalls unterschiedlichen Generationen angehörten. Dies sei relevant, da sich in dem hier betrachteten Zeitraum sowohl der Liberalismus als auch die Emanzipationsgeschichte wandelte. Des Weiteren machte sie darauf aufmerksam, dass alle drei Referenten betonten, dass die hier betrachteten Personen eigentlich keine Liberale gewesen seien, so dass es notwendig erscheine, Liberalismus genauer zu definieren, wobei nicht allein die Zugehörigkeit zu einem politischen Lager maßgeblich sein sollte, sondern vielmehr Wertesystem und Habitus. Zum Vortrag von Hettling bemerkte sie, dass sich auf Juden konzentriert wurde und somit der Blick auf Exklusionsprozesse von Frauen fehle. Der von Hettling nach Karl Eibl eingebrachte Begriff des „Bewegungsraums“ sei hilfreich bei der Untersuchung von Inklusions- und Exklusionsprozessen, denn er mache deutlich, dass Integration ein wechselseitiger Prozeß sei.

Zusammenfassend wurden in den Diskussionen folgende Vorschläge bei der Erforschung des Verhältnisses von Liberalismus zu Frauen und Juden als lohnenswert erachtet: die Untersuchung von Differenzmarkern und den Umgang mit Differenz, ebenso die Untersuchung der Bedingungen, unter denen die Akzeptanz von Differenz möglich ist und unter welchen nicht. Des Weiteren sollte der Blick vermehrt auf mögliche Handlungsfelder gelenkt und der Frage nachgegangen werden, warum der Einschluß der besagten Gruppen in das politische Feld scheiterte. Es sollte die Ungleichzeitigkeit, mit der die unterschiedlichen Emanzipationsprozesse verliefen stärker berücksichtigt werden, ebenso wie die Verhinderungen und Grenzen von Integrationsbemühungen. Zuletzt wurde sowohl der Blick auf die Rechte von Institutionen und von strukturellen Defiziten als lohnenswert erachtet, als auch der Blick auf die persönliche Herkunft einzelner Individuen, zum Beispiel ein bürgerlich-liberales Elternhaus und die dort praktizierte Selbstbestimmung.

Konferenzübersicht:

Reinhard Rürup (Berlin): Liberalismus und Judenemanzipation

Karin Hausen (Berlin): Liberalismus und Frauenemanzipation

Jörn Leonhard (Freiburg): Labile Loyalitäten. Nationale Integrationsvorstellungen in Europa (öffentlicher Abendvortrag)

Uffa Jensen (Göttingen): Integrationalismus und jüdische Differenz. Antisemitismus im Liberalismus des 19. Jahrhunderts?

Ute Planert (Wuppertal): Antifeminismus und Liberalismus in Europa

Ulrich Baumann (Berlin): »Ob dieses Siegens waren die Liberalen ganz paff« Juden und Nichtjuden in der ländlichen Lokalpolitik Badens 1862 bis 1933

Stefanie Schüler-Springorum (Hamburg): Der "Fall Lichtenstein". Liberale Stadtkultur und die Grenzen der Integration

Angelika Schaser (Hamburg): Die Hauptstadt Berlin als Experimentierfeld der Moderne

Christian Schölzel (München): Walther Rathenau (1867-1922): ein Suchender! – ein Liberaler?

Kirsten Heinsohn (Hamburg): Eva Gabriele Reichmann

Peter-Thomas Walther (Berlin): „Hedwig Hintze und die Spinnweben des Liberalismus“

Manfred Hettling (Halle): "Verbürgerlichung". Inklusions- und Exklusionskanäle für die deutschen Juden im 19. Jahrhundert

Anmerkung:
1 Das deutsche Judentum und der Liberalismus – German Jewry and Liberalism. Dokumentation eines internationalen Seminars der Friedrich-Naumann-Stiftung in Zusammenarbeit mit Leo Baeck Institute London, 1. Aufl. Königswinter 1986.


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