Wiederaufbau der Städte: Europa seit 1945/ Rebuilding European Cities: Reconstruction-Policy since 1945

Wiederaufbau der Städte: Europa seit 1945/ Rebuilding European Cities: Reconstruction-Policy since 1945

Organisatoren
Georg Wagner-Kyora, Center for Metropolitan Studies, Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik, Technische Universität Berlin; Adelheid von Saldern, Leibniz-Universität Hannover; Axel Schildt, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH); Christiane Lemke, Jean Monnet European Center of Excellence, Leibniz-Universität Hannover
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
23.09.2009 - 25.09.2009
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Von
Katharina Bartels, Hannover

Die Stadtgeschichte des Wiederaufbaus transnational zu vernetzen, kann im besten Falle zur Folge haben, sie in doppeltem Sinne zu entgrenzen – sowohl die Erfahrungsperspektiven und deren Sinndeutungsgeschichten als auch die medialen Inszenierungen des Wiederaufbaus. Mit dem Neubau und vor allem mit dem rekonstruktiven Wiederaufbau kriegszerstörter Baudenkmäler war eine pointierte Erinnerungspolitik verknüpft. Diese war in einer spezifisch europäischen Traditionslinie von Neubauten und Rekonstruktionen im Wiederaufbau der Städte Europas eingelagert.

Die Hamburger Tagung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) und der Philosophischen Fakultät der Leibniz-Universität Hannover gefördert wurde, hatte den Wiederaufbau der Städte Europas seit 1945 zum Gegenstand. Die Teilnehmer/innen wurden dazu aufgefordert, anhand ihrer konkreten empirischen Fallstudien fünf Frageansätze zu berücksichtigen: erstens Narrationen, Gedächtnispolitik, visual history; zweitens Akteurskonstellationen; drittens Sinnstiftung, Imageproduktion, Stadtmarketing; viertens transnationale Einflüsse und fünftens die materielle Produktion des Wiederaufbaus und die alltagsweltliche Aneignung.

AXEL SCHILDT (Hamburg), Direktor der FZH, eröffnete die Tagung mit Bemerkungen über die mit dem Wiederaufbau verknüpften architektonischen Traditionsbrüche, die angesichts der Kriegszerstörungen zahllose späte Abrisse von Ruinen zur Folge hatten, etwa des Berliner oder auch des Braunschweiger Stadtschlosses. Gemeinsames Ziel aller Wiederaufbaustädte sei die Durchsetzung einer unkonventionellen Moderne gewesen, wobei lokale Medien und die Politik identifizierbare Gemeinsamkeiten traditionsstiftender Wiederaufbau-Projekte schufen. Ebenfalls spielten im Einleitungsvortrag solche Fragen, inwieweit die Vorbelastungen des faschistischen Regimes in die junge Bundesrepublik hinein ragten, wie sie aufgenommen wurden, in der Moderne der Nachkriegszeit verändert wurden und wann daraus die neue freiheitliche Demokratie entstand, eine prominente Rolle – fundamentale Fragestellungen, welche sich durch die gesamte Tagung zogen.

ADELHEID VON SALDERN (Hannover), zusammen mit Schildt Projektleiterin des an der Leibniz-Universität Hannover angesiedelten DFG-Projektes zur bundesdeutschen Wiederaufbaugeschichte, betonte die kulturgeschichtlichen Errungenschaften der vergangenen Dekade in der Stadtgeschichte. Die Periodisierung, damit schloss sie an Schildt an, sei auf drei Wellen zu orientieren: nach den 1950er-Jahren setzte zu Beginn der 1960er-Jahre das „Wellental“ des erhaltenden Wiederaufbaus ein, das bis 1975, dem Europäischen Jahr des Architekturerbes, anhielt. Erst dann begann die dritte, die postmoderne Phase. Im Rahmen einer kulturgeschichtlich akzentuierten Stadtgeschichtsforschung seien die politische Ebene, die vielfältigen Konnotation und Formen von „Wiederaufbau“, die selbstreferenzielle Mediengesellschaft, demokratische Traditionsbilder, die Stadtimagepflege und auch das bürgerliche Selbstverständnis der Akteure zu analysieren.

In seiner Keynote zog ROBERT MORRIS (Edinburgh) grundlegende Interpretationslinien über die gesellschaftsgeschichtliche Verortung der neueren Architekturrichtungen von 1918 bis 2008 und konstatierte eine Stadtplanungsgeschichte des gewollten Vergessens ungeliebter Traditionen. Der Traditionsbruch liege in den 1970er-Jahren, als weltweit der Glaube an die Regelungskompetenz der von städtischen Akteuren gestützten Sozialsysteme schwand. In den gebrochenen Zukunftsvorstellungen neoliberaler Stadtplaner habe sich die Konsumentenstadt neuer Formen der Aneignung von Stadtraum bedient und „event-locations“ in Quartieren und Hafenlagen entdeckt, die auf die Freizeitkultur der Besitzenden abzielte, aber nicht mehr auf das gemeinsame Stadterlebnis. Es überwiege das Phänomen eines Drangs nach Repliken und der Wiederherstellung einer idealisierten Vergangenheit, welche zunehmend auch die Erlebnisgesellschaft des Kaffeetrinkens an augenscheinlich historischen Orten erfasste. Die Megastruktur der Moderne wich demnach der weiten Varietät historischer Bauanmutungen.

Das erste Panel der Tagung befasste sich mit dem Gegenstand politisierter Sinndeutungen und präsentierte konkrete Beispiele rekonstruktiven Wiederaufbaus in den kriegszerstörten Städten Rotterdam, Warschau, Danzig und Tallinn. CHRISTOPH STRUPP (Hamburg) erörterte den rekonstruktiven Wiederaufbau der St. Laurenskerk in Rotterdam. Erst in den 1950er-Jahren wurde entschieden, keinen Neubau anstelle der Kriegsruine zu setzen, sondern diese als ein zum Kriegsdenkmal aufgewertetes Erinnerungsgebäude zu restaurieren. Aber aufgrund der völlig konträren Stadtentwicklung des kriegszerstörten Innenstadtgebiets zur modernen Geschäftsstadt habe die Kirche ihre ehemals dominante Funktion als (Höhen-)Wahrzeichen verloren.

Ganz anders wurde der Wiederaufbau Warschaus laut MARTIN KOHLRAUSCH (Warschau) unter dem doppelten Außendruck von gigantischen Bevölkerungsverlusten (900.000 von ursprünglich 1,5 Millionen Einwohnern) und stalinistischer Hauptstadt-Genese ausgestaltet. Während sich die Zwischenkriegsmoderne in der Verkehrsplanung und dem Massenwohnungsbau fortgesetzt habe und damit im Grunde überwog, habe der stalinistische Kulturpalast Identitätswirkungen beansprucht, die ihm in der Bevölkerung nicht zugebilligt worden seien. So habe die politischen Eliten mit dem Altstadt-Wiederaufbau bereits frühzeitig die Heterogenität von Traditionslagerungen gewährt.

MART KALM (Tallinn) betonte die eigentümlichen Wechselbeziehungen transnationaler Akteurskonstellationen in der Wiederaufbausituation des baltischen Hauptstadt-Neubaus durch estnische Architekten am Beispiel der Stadt Tallinn. Er periodisierte die Zeit des sowjetischen Einflusses in der Nachkriegs-Moderne Estlands zwischen 1944 und 1955 und deutete die sowjetische Bautradition als transnationalen Identitätsgenerator. Ferner hob er die Wichtigkeit der Einbeziehung menschlicher Faktoren hervor. Punktuell neu gebaute Repräsentationsbauten standen noch ganz in der mitteleuropäischen Tradition, als in den 1950er-Jahren ein neues stalinistisches Regierungsviertel inklusive Sowjetpalast die abrupte Stalinisierung des Wiederaufbaus bewirkt habe. Doch in den späten 1960er-Jahren wurde anstelle des geplanten Sowjetpalastes ein Hotel in den Formen der 1960er-Jahre-Moderne errichtet, so dass die Sowjetisierung der estnischen Hauptstadt-Architektur bereits im Ansatz scheiterte.

In seinem Kommentar stellte GREGOR THUM (Freiburg) einen analytischen Zusammenhang her zwischen den Potenzialen einer stabilen Wiederaufbau-Gesellschaft einerseits, die sich, wie etwa in Rotterdam, radikale Wiederaufbauentscheidungen leisten konnte, und Stadtgesellschaften im radikalen Umbruch andererseits, die sich, wie beispielsweise in Warschau, fester Traditionsorientierungen versichern mussten, um die Erfahrung einer fluiden Stadtgesellschaft identitätspolitisch überbrücken zu können.

Die zweite Sektion behandelte den Konflikt zwischen Staat und Kommunen. Zunächst zeigte SEBASTIAN HAUMANN (Darmstadt) anhand des Sanierungsviertels Society Hill in Philadelphia (USA) die soziale Dimension von Verdrängung durch Gentrifizierung auf. SYLVIA NECKER (Hamburg) skizzierte die Stadtentwicklungsphasen von 1943 bis in die 1980er-Jahre in einem Abriss der Planungsgeschichte Neu-Altonas und veranschaulichte so die Heterogenität der Hamburger Wiederaufbaustrategien. CHRISTIAN GROH (Pforzheim) entwickelte anschließend, die Perspektive der Architekten vertretend, die Spezifik eines „Trümmerstadt“-Erlebnisses in der Erinnerungskultur der Pforzheimer, wobei die lokale Identität als eine Opferidentität ausgebildet und dennoch radikal modern im Stadtgebiet wiederaufgebaut worden sei. PHILIPP SPRINGER (Berlin) konnte anschließend die Zerstörung der Schlossruine in Schwedt als einen persönlichen Akt der diktatorischen Willkür Ulbrichts bloßlegen, der sich gegen die Empfehlung der Deutschen Bauakademie stellte, das Schwedter Schloss wiederaufzubauen. Springer kontextualisierte diese Entscheidung in einer politisch aufgefächerten lokalen Herrschaftskultur unterschiedlicher Einflussnehmer. Damit zeigte er das Spektrum einer lokalen Aushandlungsebene in den DDR-Städten auf, über das noch immer viel zu wenig bekannt geworden ist.

Im dritten Themenfeld wurden durch einen Vergleich völlig unterschiedlicher Kirchenbauten Raum-Erfahrungen und Interessenpolitik akzentuiert. In seinem Vortrag zeichnete MALTE THIEßEN (Hamburg) den Prozess der Restaurierung der St. Mariens in Lübeck unter besonderer Berücksichtigung der Wiederaufbaufeier von 1951 nach. Es wurde aufgezeigt, wie die Marienkirche anhand einer spezifischen Wiederaufbaupolitik zu einer Symbolkirche des „verlorenen deutschen Ostens“ stilisiert wurde. CELINA KRESS (Berlin) kontrastierte dagegen den besonders erfolgreichen Wiederaufbau der Berliner Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche. Er sei einerseits von der Bevölkerung getragen und andererseits in einer genialen Formensprache umgesetzt worden – als eine Verschmelzung des Neubau-Wiederaufbaus mit einem Ruinenmahnmal.

GEORG WAGNER-KYORA (Berlin) entfaltete in einem Überblick auf neun bundesdeutsche Wiederaufbaustädte eigenlogische Interessenpolitiken des rekonstruktiven Wiederaufbaus und lieferte Einblicke in spezifische kommunale Verhaltensparadigmen im Umgang mit der eigenen Wiederaufbaugeschichte. Der Vergleich zeigt, dass unterschiedliche Wiederaufbau-Strategien in lokalen Machtbeziehungen verankert waren, welche immer auf der Sichtbarkeit und Wirkung rekonstruktiver Bauten an den konkreten Orten der städtischen Identitätserfahrung basierten. Er plädierte hierbei für eine Kombination von traditionellen politikwissenschaftlichen mit neuen kulturwissenschaftlichen Analysewegen und für das erkenntnisbringende Potential lokalgeschichtlicher Zugänge – obwohl eine wissenschaftliche Annäherung dieser Art nach wie vor schwierig ist. PAUL VAN DE LAAR (Rotterdam) ergänzte aus der Perspektive der Stadtplanung und der Stadtimagepolitik das Referat Strupps, indem er die Abkehr vom Hafenarbeiter-Image Rotterdams als eine gezielte Veränderung urbaner Erlebnisbereiche hin zum Label der amerikanischsten Stadt Europas betonte und darin dennoch die identitätspolitischen Wirkungen starker Bürgerbewegungen im Wiederaufbau der Stadt festmachte.

Der Abendvortrag wurde von FLORIAN MAUSBACH gehalten, der nach eigener Aussage, aus seiner Position als ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung heraus, als seine eigene Quelle auftrat. Auch über seinen Vortrag hinaus sorgte Mausbach mit Anekdoten aus erster Hand für Stimmung und verlieh dadurch der Tagung insgesamt einen lebendigen Touch. Aus seiner einmaligen Zeitzeugen-Perspektive heraus schilderte er die vielfältigen Kontroversen um die Ausgestaltung der Bundesbauten und den Wiederaufbau bauhistorischer Symbole in den Hauptstadtplanungen Berlins unter seiner Leitung. Darunter beispielsweise die nur durch das nachhaltige persönliche Lobbying des ehemaligen Bundesministers Oskar Schneider im Ältestenrat des Bundestages sehr knapp beschlossene Entscheidung zugunsten der Forster’schen Reichstagskuppel, die heute das nationale Symbol der Berliner Republik geworden ist. Aber auch die Abrissneigung zu Beginn der 1990er-Jahre, die das Ende zahlreicher baulicher Relikte in Berlin bedeutet hätte, wurde thematisiert. NS-Ministerien ebenso wie der DDR-Staatsrat wurden aber bewahrt und seien in das neue, reflexive Geschichtsverständnis der Bundesrepublik als „redende Bauten“ integriert worden – nicht jedoch (eine gewisse Inkonsistenz) der Palast der Republik.

Im vierten Vortragsblock wurde der Konflikt von Städtebau versus Denkmalpflege bzw. Neubau versus Geschichte aufgerollt. GIAN PAOLO TRECCANI (Brescia) referierte über die diskontinuierlichen Wiederaufbauplanungen der neben Mailand am schwersten kriegszerstörten norditalienischen Stadt Brescia. Vergleichbar mit den Konflikten in allen anderen europäischen Städten seien diese zwischen kompromisslosen Neubauern und den hier sehr erfolgreichen Denkmalpflegern der lokalen Behörde ausgefochten worden, die zwei Renaissance-Kirchen vor dem Abriss bewahrten. FLORIAN URBAN (Berlin) zeigte die Wirkung professioneller Architektendiskurse auf den neo-historischen Wiederaufbau des Ost-Berliner Nikolaiviertels auf. Dort wurde ein durchdesignter Idealtypus einer Altstadt errichtet – mit aus Fertigteilen bestehenden Neubauten mit historisierenden Fassaden, Boutiquen, Museen, Bars und Cafés – so dass das Viertel bald zu einem beliebten Treffpunkt und Aufenthaltsort wurde. Dies scheint die von Morris eingangs formulierte Beobachtung zu stützen, dass der Kaffee bzw. das Bier in einer historisch anmutenden Umgebung offenbar einfach besser schmeckt – egal ob diese Umgebung authentisch ist oder nicht. UWE ALTROCK (Kassel) stellte die diskontinuierliche Willensbildung im postmodernen rekonstruktiven Wiederaufbau als eine anwachsende Breitenbewegung disparater Koalitionäre und wenig greifbarer Stil- und Geschichtsaneignungen dar.

Das fünfte Themenfeld widmete sich dem Gegenstand der Medialisierung des Wiederaufbaus. SANDRA SCHÜRMANN (Hamburg) untersuchte die Imageproduktion am Beispiel des Mediums der Fotografie und ordnete die Medienpropagierung des Wiederaufbaus in Hamburg in einer darauf abgestellten Buchreihe einem Feld der Sinndeutungen zwischen disparaten Traditionslagerungen, vertrauten Mustern und Ähnlichkeitserwartungen von Städteleitbildern der Moderne zu. Hierbei identifizierte sie einige wiederkehrende Konventionen in der fotografischen Inszenierung, welche auf eine spezifische, visuelle Konstruktion der Nachkriegsmoderne Hamburgs hinausgelaufen sei, die auf Werten wie Sachlichkeit, Schlichtheit und Ordnung basiert habe.

DAVID CREW (Austin) veranschaulichte das ganze Panorama einer Sinndeutungsgeschichte des Opfer-Narrativs im Wiederaufbau zwischen verdrängter Holocaust-Zeitzeugenschaft und „Aufbau-Autobiographien“. ANDREW BERGERSON (Kansas City) vertrat die kontrovers diskutierte These einer Genese der deutschen Postmoderne bereits aus der gelenkten Traditionsstiftung von Wehrmachtsangehörigen noch während des Zweiten Weltkriegs. Gerade sie hätten das Stereotyp von Alt-Hildesheim als eines medial vermittelten, identifikationsstiftenden Gemeinschafts-Images ausgeprägt. Als ein spezifisches Image des Nationalen und des Traditionalen in der lokalen Baukultur sei es zum Markenzeichen „des Deutschen“ aufgewertet worden und habe so seinen ideologisch radikalisierten Platz im Marschgepäck des Ostfront-Soldaten eingenommen. Bergersons Ausführungen wurden als Beitrag zur Diskursgeschichte der NS-Traditionsaneignungen aufgefasst. Sie sei ihrerseits zu historisieren und zu kontextualisieren, um ihre gesellschaftsgeschichtliche Wirkung bestimmen zu können. Adelheid von Saldern charakterisierte diese und andere Strategien der Sinnbildung in ihrem Kommentar als eine „Entbindung“ von der NS-Geschichte im Wiederaufbau.

Die letzte Sektion stand unter dem Vorzeichen eines internationalen Vergleichs des Wiederaufbaus. So präsentierte ANNE-CECILE SIBOUT (Rouen) die Bilanzen einer komparativen Wanderausstellung über den Wiederaufbau in Hannover und Rouen und CORINNE BOUILLOT (Rouen), die ein binationales Tagungsprojekt über den Vergleich der Wiederaufbauregionen Niedersachsen und Haute-Normandie vorstellte, vertrat die Erweiterung des zukünftigen Forschungsradius auf die Region – eine Perspektive, die ganz neue Dimensionen der zukünftigen Stadtgeschichtsforschung ins Blickfeld rückte.

Im abschließenden Resümee betonte Georg Wagner-Kyora die komplizierten Aneignungspraxen bei den Bevölkerungen der Wiederaufbaustädte, die zu komplexen Wiederaufbauerfahrungen geführt haben. Rekonstruktive Wiederaufbauten fungierten als Anker der Symbolwirkung und besonders die Kirchen vereinigten sehr heterogene Sinnbezüge auf sich. Materiell schuf die Postmoderne seit den 1970er-Jahren neue Stadträume, welche konzeptionell aber an das Alte und an die Traditionen der Stadt anschlossen. Die Erinnerung sei erst in der Verkörperlichung von konkreten Raumbeziehungen der Wiederaufbauten entstanden, also mehr im Begehen und im Anschauen als in der medial vermittelten oder der wissenschaftlichen Reflexion darüber. Sie blieb oft ungreifbar, wenn nicht Publikationen eigenständige Narrative entwickelten, die wieder an die konkreten Erfahrungen der Bewohner anschlossen und damit die Sinndeutungen des Wiederaufbaus in der europäischen Stadt erschlossen.

Konferenzübersicht:

Eröffnung und Einführung:
Axel Schildt (Hamburg): Zeitgeschichte in Hamburg und Stadtgeschichte

Adelheid von Saldern (Hannover): Kulturgeschichte und Stadtgeschichte am Beispiel des Wiederaufbaus der Städte nach dem Zweiten Weltkrieg

Robert Morris (Edinburgh): Forgetting and the Rebuilding of Cities, 1918 to 2008

Sektion I: Politisierende Sinndeutungen und der rekonstruktive Wiederaufbau in kriegszerstörten Städten

Christoph Strupp (Hamburg): Traditionsreste in der Moderne: Der rekonstruktive Wiederaufbau der St. Laurenskerk in Rotterdam

Martin Kohlrausch (Warschau): Wiederaufbau Warschaus unter dem Einfluss der Zwischenkriegs-Moderne

Mart Kalm (Tallinn): The Spatial Sovietisation of Tallinn During the Stalin Period 1944-55. Sowjetische Bautradition als transnationaler Identitätsgenerator in der Nachkriegs-Moderne Estlands

Gregor Thum (Freiburg): Moderation und Kommentar

Sektion II: Staat versus Kommunen

Sebastian Haumann (Darmstadt): Historische Raum-Erfahrungen und die Konservierung von Baudenkmalen in der Altstadt Philadelphias/USA in den 1950er und 1960er Jahren

Sylvia Necker (Hamburg): Neu-Altona und Abriss als Gesamtplanung 1950-1980
Christian Groh (Pforzheim): Moderner Wiederaufbau und städtische Identität am Beispiel Pforzheims

Philipp Springer (Berlin): „Machen Sie das doch nicht so kompliziert...“ - Abriss und Zukunftseuphorie in einer Industriestadt der DDR (Schwedt)

Cornelia Rauh (Hannover): Moderation und Kommentar

Sektion III: Raum-Erfahrungen und Interessenpolitik

Malte Thießen (Hamburg): Wiederaufbau als Wiederauferstehungspolitik. Die Restaurierung St. Mariens als Symbolkirche des „verlorenen Ostens“

Celina Kress (Berlin): Der Wiederaufbau der Berliner Gedächtniskirche

Georg Wagner-Kyora (Berlin): Kommunale „Eigenlogik“ und Interessenpolitik im bundesdeutschen Wiederaufbau von Baudenkmalen

Paul van de Laar (Rotterdam): Modernism in European Reconstruction-Policy and Its Public Reception, 1945-1970

Axel Schildt (Hamburg): Moderation und Kommentar

Florian Mausbauch: Die Unfähigkeit zu erinnern – zum Streit um den Wiederaufbau bauhistorischer Symbole in den Hauptstadtplanungen von Berlin 1990-2009

Sektion IV: Städtebau versus Denkmalpflege, Neubau versus Geschichte

Gian Paolo Treccani (Brescia): The Historical Reconstruction in the City-Center of Brescia as a Project of Conservating History

Florian Urban (Berlin): Postmoderne als Konsens: Neo-historischer Wiederaufbau im Ost-Berliner Nikolaiviertel 1977-1989

Uwe Altrock (Kassel): Der Wiederaufbau als postmoderne Städtebauphilosophie in Deutschland seit 1970

Mark Schalenberg (Helsinki): Moderation und Kommentar

Sektion V: Die Medialisierung des Wiederaufbaus

Sandra Schürmann (Hamburg): Visuelle Konstruktion der Nachkriegs-Moderne: Fotografie als Medium des Wiederaufbaus in Hamburg

David Crew (Austin): Gelenkte Erinnerung. Wiederaufbau-Publikationen in Nachkriegsdeutschland

Andrew Stuart Bergerson (Kansas City): Eine deutsche Postmoderne? Die Erinnerungspolitik über Alt-Hildesheim nach der Zerstörung

Adelheid von Saldern (Hannover): Moderation und Kommentar

Sektion VI: Materialität und Geschichtskultur des Wiederaufbaus im internationalen Vergleich

Cecile-Anne Sibout (Rouen)/ Stephanie Springer (Celle): Die Ausstellung „Rouen et Hanovre. La reconstruction apres 1945“ – Ein transnationaler Städte-Vergleich der Wiederaufbau-Anstrengungen als medialer Lernort

Corinne Bouillot (Rouen): Wiederaufbau-Regionen in Europa: Normandie und Niedersachsen im Vergleich

Christoph Bernhardt (Darmstadt): Moderation und Kommentar