Das Europa des ‚Dritten Reichs‘. Wirtschaft – Recht – Besatzung

Das Europa des ‚Dritten Reichs‘. Wirtschaft – Recht – Besatzung

Organisatoren
Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.05.2003 - 08.07.2003
Url der Konferenzwebsite
Von
Ralf Banken; Johannes Bähr

In den von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg besetzten Ländern verband sich ein diktatorisches System mit speziellen Regelwerken zur Beherrschung und Ausplünderung besiegter Gebiete. Bei den Methoden der Besatzung bestanden aber in der Anwendung rechtlicher Mittel für die Steuerung der Wirtschaft große Unterschiede, besonders zwischen dem Westen und dem Osten. Welche Herrschaftsmodelle und welche Formen der Wirtschaftssteuerung wurden hier erprobt? Wie unterschiedlich waren die Entwicklungen in den einzelnen Ländern? Welche Rolle spielte die Kollaboration? Eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen und dem Zusammenhang zwischen Recht und Wirtschaft fand in der historischen Forschung lange Zeit kaum statt, rechtliche Regelungen als Steuerungsmittel der Besatzungspolitik blieben unbeachtet, so dass das Wirtschaftsrecht in den während des Zweiten Weltkriegs besetzten Ländern bislang ein noch kaum untersuchtes Themenfeld darstellt. Die am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt/M., zwischen dem 5. Mai und dem 8. Juli 2003 durchgeführte Vortragsreihe "Das Europa des ‚Dritten Reichs'. Wirtschaft - Recht - Besatzung", die von der Forschungsgruppe "Wirtschaftskontrolle und Recht im Nationalsozialismus" im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes "Das Europa der Diktatur. Wirtschaftskontrolle und Recht" (http://www.europa-der-diktatur.de/) organisiert wurde, näherte sich erstmalig diesem Themenkomplex an. Die Reihe umfasste 14 Vorträge von Zeit-, Wirtschafts- und Rechtshistorikern aus mehreren Ländern. Im Vordergrund der einzelnen Beiträge stand jeweils die Frage, inwieweit rechtliche Regelungen von den deutschen Besatzungsinstitutionen zur Steuerung der besetzten Gebiete eingesetzt wurden, welche Bedeutung bzw. Folgen rechtliche Instrumente für die gesamte Besatzungspolitik und die Wirtschaft der besetzten Länder hatten und welche Funktion dem Recht in diesen fremdgesteuerten Gesellschaften zukam.

Die Vortragsreihe wurde von PD Dr. GÖTZ ALY (Berlin/ Washington) eröffnet, der am Beispiel der Ausplünderung Frankreichs einen neuen Ansatz zur Einordnung der Besatzungswirtschaft in die "Zustimmungsdiktatur" des "Dritten Reichs" skizzierte. Die Rolle des Rechts im besetzten Frankreich thematisierten auch Prof. Dr. MICHEL MARGAIRAZ (Paris), der Innovationen im Wirtschaftsrecht während des Vichy-Regimes analysierte, und Dr. HERVÉ JOLY (Lyon), der anhand von Vertragsverhandlungen zwischen der deutschen und französischen Farbenindustrie das Spannungsverhältnis zwischen Macht und Recht aufzeigte. Einen weiteren Schwerpunkt der Reihe bildete das besetzte Polen mit Vorträgen von Dr. BOGDAN MUSIAL (Warschau), Dr. ANDRZEJ WRZYSZCZ (Lublin) und Dr. THOMAS SANDKÜHLER (Bielefeld). Diese Vorträge und die anschließenden Diskussionen warfen besonders die Frage nach der Funktion des Rechts im Kontext des Vernichtungsregimes im "Generalgouvernement" auf. Im Gegensatz dazu betonten die Vorträge von PD Dr. ROBERT BOHN (Schleswig) über das Reichskommissariat Norwegen und von Dr. PETER ROMIJN (Amsterdam) über das Reichskommissariat Niederlande die Handlungsspielräume unter diesen Besatzungsregimes, die als "Aufsichtsverwaltung" mit den Behörden der betreffenden Länder zusammenarbeiteten. Der Fall Griechenland, über den Frau Dr. GABRIELA ETMEKTSOGLOU (Athen) vortrug, zeichnet sich durch Kontinuitätslinien zu Nachkriegsregimes aus. In Italien, das Frau Dr. MAXIMILIANE RIEDER (München) behandelte, wurde aufgrund der Etablierung einer neuen Regierung unter deutscher Aufsichtsverwaltung ab 1943 weitgehend an der vorhandenen Rechtsetzung festgehalten. Neben weiteren Vorträgen über die deutsche Besatzungspolitik in Südosteuropa von Prof. Dr. KARL-HEINZ SCHLARP (Dresden) und Prof. Dr. HOLM SUNDHAUSEN (Berlin) referierten abschließend Dr. MARTIN C. DEAN (Washington) und Dr. HANS-CHRISTOPH SEIDEL (Bochum) länderübergreifend zur Bedeutung des Rechts bei der Konfiskation jüdischen Eigentums bzw. bei der Rekrutierung und dem Einsatz von Zwangsarbeitern im besetzten Europa.

Ein ausführlicher Bericht über die einzelnen Beiträge der Vortragsreihe findet sich unter der URL: http://www.europa-der-diktatur.de/termine/wirtschaft.html. Die Beiträge der Vortragsreihe werden im nächsten Jahr in einem Sammelband in der Reihe "Das Europa der Diktatur" im Nomos-Verlag veröffentlicht.

Kontakt

Johannes Bähr, Ralf Banken

Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte
Hausener Weg 120
60489 Frankfurt/M.

Baehr@mpier.uni-frankfurt.de
Banken@mpier.uni-frankfurt.de

http://www.europa-der-diktatur.de/
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