La Commune et les étrangers

La Commune et les étrangers

Organisatoren
Sylvie Aprile (Université Lille 3); Mareike König (Deutsches Historisches Institut Paris); Quentin Dupuis (Génériques)
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
29.01.2010 - 29.01.2010
Url der Konferenzwebsite
Von
Katrin Rack, Universität Bielefeld/Université Paris 7

Die Präsenz von Ausländern während der Pariser Commune von 1871 ist bisher überwiegend in Form von Untersuchungen zu einzelnen Personen betrachtet worden. Eine eintägige Konferenz am Deutschen Historischen Institut Paris, entstanden in Zusammenarbeit mit Génériques, verfolgte daher das Ziel, die Beteiligung von Ausländern an der ‚Commune‘ unter sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten sowie die allgemeine Situation der Migranten in Paris zu dieser Zeit zu beleuchten. Ein zentrales Anliegen war es, die Geschichte der Commune mit Ansätzen aus der Migrationsgeschichte zu verbinden und dadurch zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.

Die erste Hälfte der Tagung beschäftigte sich dementsprechend mit der Historiographie der Commune in Hinblick auf die Migrationsgeschichte. In ihren einleitenden Bemerkungen zeigte SYLVIE APRILE (Lille) einige Ansätze der Forschung auf, die von der notwendigen zahlenmäßigen Erfassung der Ausländer über die Berücksichtigung von Beruf oder Wohnbezirk bis zur Frage von Geschichte und Erinnerung reichten.

Anschließend präsentierte JEAN-LOUIS ROBERT (Paris) seine Auswertung des ‚Maitron‘, einem biographischen Wörterbuch der französischen Arbeiterbewegung. Ihm gelang es, 650 Namen ausländischer ‚Communarden‘ zu ermitteln, wovon die Hälfte erwartungsgemäß Belgier und die Mehrheit Arbeiter gewesen seien. Er betonte, dass einige Nationen im ‚Maitron‘ aufgrund unterschiedlich intensiver Forschungen über- beziehungsweise unterrepräsentiert seien, was eine Neuauflage dieses so wertvollen Nachschlagewerkes wünschenswert mache. Diese Quellenbasis war auch Gegenstand der anschließenden Diskussion.

Im Mittelpunkt der Überlegungen von LAURENT DORNEL (Pau) stand der Begriff des ‚étranger‘ am Ende des Zweiten Kaiserreichs. Er betrachtete Frankreich als Einwanderungsland in einer Übergangszeit, in der ‚étrangers‘ bereits Gegenstand juristischer Bestimmungen, aber noch nicht eines Politisierungsprozesses gewesen seien. Vielmehr existierte noch keine einheitliche Vorstellung, sodass ein Pariser einen Bretonen genauso wie einen Deutschen als ‚étranger‘ wahrgenommen habe.

Im letzten Vortrag dieser Sektion beschäftigte sich ROBERT TOMBS (Cambridge) mit Ausländern in der Vorstellungswelt der französischen politischen Rechten. Dabei zeichnete er die Versailler Propaganda gegenüber den Ausländern in Paris nach und unterstrich, dass die ausländischen Aufständischen sich gleichsam doppelt schuldig machten. Die Commune, so der Hauptgedanke der französischen Rechten, sei ganz im Interesse der Preußen, Karl Marx arbeite in dieser Hinsicht als Sekretär Bismarcks.

Der zweite Teil der Tagung widmete sich spezifischen Gruppen. So untersuchte QUENTIN DUPUIS (Paris) die Communarden in Brüssel, die sich dorthin nach der blutigen Niederschlagung des Aufstandes geflüchtet hatten. Er ging damit auf die besondere Situation des Exils ein.

ERIC FOURNIER (Paris) analysierte das Verhalten englischer Touristen, die unmittelbar nach den Auseinandersetzungen in Paris die teilweise noch in Flammen stehenden Ruinen besichtigten. Von der britischen Presse gut unterrichtet, wo noch Barrikaden zu besichtigen seien, kamen sie in organisierten Reisegruppen in die französische Hauptstadt. Dieses Verhalten wurde von den Franzosen kaum missbilligt, da weniger zwischen nationalen Praktiken, als vielmehr zwischen zwei Typen – dem Touristen und dem Gelehrten – unterschieden wurde.

Die luxemburgische Migration zum Zeitpunkt der Commune, die eher in Richtung Frankreich und insbesondere nach Paris als in deutschsprachige Länder orientiert war, thematisierte HENRI WEHENKEL (Luxemburg). Er erklärte, dass während der Commune fast 200 Luxemburger in Paris verhaftet worden seien. Außerdem nannte er Merkmale der luxemburgischen Einwanderung in Paris wie die Bevorzugung bestimmter Stadtviertel, darunter La Villette und Belleville.

Der abschließende Vortrag von MAREIKE KÖNIG (Paris) untersuchte die Situation der Deutschen in Paris 1870/71. Zum einen konnte sie aufzeigen, in welchen Schritten sich deren Ausweisung aus Paris infolge des Krieges zwischen Frankreich und Preußen vollzog. Zum anderen ermittelte sie anhand von Naturalisierungsakten Fälle einzelner Deutscher, die – meist einer eher wohlhabenderen Schicht angehörend – sich selbst vollständig in das französische Umfeld integriert sahen und deshalb gerade zu dieser Zeit beabsichtigten, eingebürgert zu werden. Erstaunlicherweise standen auch Deutsche mit auf den Barrikaden, wobei es sich zumeist um Arbeiter und Tagelöhner handelte, die schon lange Jahre in Paris lebten und in der Garde nationale in Ermangelung anderer Arbeit als einfache Soldaten ihren Dienst taten.

Insgesamt gab die Konferenz nicht nur eine Idee über die Anzahl der Ausländer während der Commune, sondern auch einen Eindruck ihrer vielfältigen Lebensumstände. Die Einbindung migrationsgeschichtlicher Fragestellungen in eine Historiographie der Commune ermöglichte es, die verschiedenen Situationen der Ausländer – seien es der Luxemburger Communard, der die Einbürgerung beantragende Deutsche oder der englische Tourist – während dieser Zeit zu erfassen.

Es ist geplant, die Beiträge dieser Tagung in der Zeitschrift „Migrance“ im zweiten Halbjahr 2010 zu veröffentlichen.

Konferenzübersicht:

Sektion I. L’histoire de la Commune au regard de l’histoire de l’immigration
Moderation: Sylvie Aprile (Lille)

Sylvie Aprile (Lille): Arrêt sur l’historiographie

Jean-Louis Robert (Paris): Le Maitron des Communards étrangers

Laurent Dornel (Pau): Être étranger en France à la fin du Second Empire

Robert Tombs (Cambridge): Les étrangers dans l’imaginaire de la Droite

Sektion II. Communard et étranger
Moderation: Quentin Deluermoz (Paris)

Quentin Dupuis (Paris): Les Communards à Bruxelles

Eric Fournier (Paris): « Paris et ses ruines au XIXe siècle : destruction et contemplation » - Les Anglais et le tourisme de masse dans les ruines de Paris : une pratique discordante ?

Henri Wehenkel (Luxemburg): L’immigration luxembourgeoise à Paris au moment de la Commune

Mareike König (Paris): La découverte des immigrés allemands: Paris 1870/71