Der Produktivitätsdiskurs und seine Ausschlüsse

Der Produktivitätsdiskurs und seine Ausschlüsse

Organisatoren
Franziska Schößler, Sonderforschungsbereich „Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart“, Universität Trier; Nicole Colin, Duitsland Instituut, Universität Amsterdam
Ort
Amsterdam
Land
Netherlands
Vom - Bis
07.10.2010 - 09.10.2010
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Von
Joachim Umlauf, Goethe-Institut Paris

Die Entscheidung darüber, welche Tätigkeit als „produktiv“ gilt und was im Gegensatz dazu als „schmarotzerhaft“ oder „dekadent“ bewertet wird, kann als ein zentraler gesellschaftlicher Ausschlussfaktor bezeichnet werden, der nicht allein den Bereich der Arbeit, sondern auch den Geschlechter- und Ethnizitätsdiskurs nachhaltig organisiert. Die historisch variablen Grenzziehungen zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit waren Gegenstand einer internationalen und interdisziplinären Tagung, die unter dem Titel „Der Produktivitätsdiskurs und seine Ausschlüsse“ vom 7. bis 9. Oktober 2011 im Goethe-Institut Amsterdam stattfand. Organisiert von Franziska Schößler von der Universität Trier (im Kontext des Sonderforschungsbereichs „Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart“) sowie Nicole Colin vom Duitsland Instituut der Universität von Amsterdam, wurden auf der Tagung die unterschiedlichen Facetten dieses Phänomens aus historischer, soziologischer, wirtschaftswissenschaftlicher, kultur- und literaturwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Im Mittelpunkt standen die Ausgrenzungsmechanismen gegenüber den als „unproduktiv“ stigmatisierten Bevölkerungsgruppen, die in hohem Maße interessegeleitet sind und der Diskriminierung sowie Legitimierung von Herrschaftspositionen dienen. Behandelt wurde vornehmlich das Verhältnis von Produktivität und jüdischer, weiblicher und intellektueller Arbeit, wobei auch die Herrschaftsdiskurse über Sinti und Roma berücksichtigt wurden, um parallele Argumentationen freilegen zu können.

Ein erstes einleuchtendes Beispiel diskriminierender Zuschreibungen gab FRANZISKA SCHÖßLER (Trier) in ihrer Einleitung, indem sie vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Börsenkrise auf die kulturgeschichtlich verbürgte negative Konnotierung der Börse aufmerksam machte. Diese wurde dem „ehrlichen“, „männlichen“ Arbeitsethos durch ihr (scheinbares) Hasardspiel, ja ihre Aufheizung und „Hysterie“ entgegengestellt und forciert jüdischen Akteuren zugeordnet. In der massiven Börsenkritik um 1900, die antisemitische mit antikapitalistischen Motiven koppelt, erscheint die jüdisch markierte Börse als Ort des Wuchers und als Geldschöpfung aus dem Nichts, als magische Praxis, die aus dem hoch besetzten, national codierten Produktivitätsdiskurs ausgeschlossen wird.

In dem Vortrag „Die Börse als Grenzgebiet des Gesellschaftlichen? Finanzmarkt und Soziologie an der Wende zweier Jahrhunderte“ näherte sich ANDREAS LANGENOHL (Gießen) dem Thema auf der Grundlage soziologischer Untersuchungen, wie sie Werner Sombart, Max Weber, Georg Simmel und Karin Knorr-Cetina vorgelegt haben. Im Zentrum des Interesses standen neben Sombarts „Die Juden und das Wirtschaftsleben“ (1911) und seinem Begriff der „Versachlichung“ des Wirtschaftslebens Webers Hoffnung auf eine ethische Entwicklung durch rationale Normen des Handels sowie das Spannungsverhältnis von „Spekulation“ und realen Bedürfnissen im Konsumtions- und Produktionsprozess der Waren in Simmels „Philosophie des Geldes“. Hier wird Geld letztlich zum Ziel und Selbstzweck, weil es ultimatives Mittel ist. Langenohl schloss mit einem Blick auf die Gegenwart, in der die „Finanzsoziologie“ ein eigenes Feld darstellt, Finanzmärkte als „avantgardistische“ Gesellschaftsbereiche betrachtet und die Ökonomizität der Märkte in einen direkten Zusammenhang mit ihrer Vergesellschaftung gestellt würden. Das durch neue Technologien beförderte entmaterialisierte Handeln bilde neue Grenzbereiche aus.

Mangelnde Produktivität als eine der zentralen antisemitischen Zuschreibungen untersuchte MATTHEW LANGE (Whitewater, Wisconsin) in seinem Vortrag „Wider den ‚jüdischen’ Geist. Antisemitismus und die Gestaltung einer ‚deutschen’ Wirtschaftsgesinnung“. Lange zeigte auf, wie sich, ausgehend von der Stigmatisierung reiner Geldgeschäfte im Christentum, im 19. Jahrhundert antisemitische Stereotypen verfestigten. Das sogenannte „raffende“ Kapital, der Egoismus und der dem Gesellschaftswohl abträgliche Individualismus wird auf Juden projiziert, denen – wie in Gustav Freytags „Soll und Haben“ – der „deutsche Kaufmann“ als positiver Held entgegengestellt wird. Wie Langenohl bezog sich auch Lange in seinen Ausführungen auf Werner Sombart sowie weitere Texte des 19. Jahrhunderts, darunter u. a. Ratzingers „Jüdisches Erwerbsleben“ (1871). Lange veranschaulichte einerseits die Durchgängigkeit der Stereotypen, andererseits aber auch die gegen 1880 erfolgte Zäsur, die die Möglichkeit einer Integration zunehmend ausschloss und den kulturellen Antisemitismus in einen rassistischen Antisemitismus transformierte.

Dem Begriff des „Produzierens“ in seiner historisch-etymologischen Bedeutungsdimension ging NICOLAS BERG (Leipzig) in seinem Beitrag „Produktivitätsforderungen an Juden im 19. Jahrhundert – Ein historischer und semantischer Überblick“ nach. Er erläuterte die neophysiokratische Wertbindung des Begriffes „Produktivität“ im beginnenden 19. Jahrhundert, die Wertschöpfung und Mehrwertproduktion einzig auf den Bereich der Landwirtschaft beschränkte. Dem steht nach Berg das Bild des entwurzelten Juden entgegen, für den – in Erwartung des Aufbruchs – jedes Gemeinwesen (als Diaspora) lediglich einen zweiten Wohnsitz darstellt. Vor allem die protestantische Theologie verwissenschaftlichte ihre Vorurteile im 19. Jahrhundert, indem der Ausschluss von Juden aus dem „produktiven“ Prozess pathologisiert wurde. Berg verfolgte die Verdichtung von Begriffsketten im 19. Jahrhundert wie beispielsweise die Konstruktion einer freischwebenden jüdischen Intelligenz, die Assoziation von räumlicher Entortung in der Industrialisierung mit jüdischen Lebensformen sowie die zionistischen Modelle, die als Gegenentwurf den „Muskeljuden“ propagierten. Es zeichnete sich damit ein Zusammenhang von Nicht-Sesshaftigkeit und Ausschluss aus dem Produktivitätsdiskurs ab, der in den folgenden Beiträgen verschiedentlich aufgegriffen wurde.

In seinem Abendvortrag ging KLAUS-MICHAEL BOGDAL (Bielefeld) auf ein besonders prägnantes literarisches Beispiel ein, das die umfassende Stereotypisierung und Herabwürdigung der „Zigeuner“ vor Augen führt: auf August Strindbergs „Chandala“ von 1889. Einer Gutsherrin sowie ihrem Verwalter, bei denen es sich ganz offensichtlich um „Zigeuner“ handelt, die es in den Norden verschlagen hat, werden zunehmend negative Eigenschaften zugeschrieben, bis sich schließlich ihre Tötung moralisch rechtfertigen lässt. Die ausgearbeiteten Stereotype, welche den Gutsverwalter und seine Herrin von der „normalen“ Bevölkerung unterscheiden, beziehen sich in erstaunlicher Deutlichkeit auf den Bereich der Nicht-Produktivität: Stets ist von „Unordnung“ die Rede, angefangen bei einer widernatürlichen (unehelichen) Zeugung. Das „überhitzte“ Blut und die Leidenschaft als „Instinkt“ führen zu Verwahrlosung, Faulheit, Unehrlichkeit sowie zur Unfähigkeit, organisiert und nachhaltig zu planen. Bogdal machte deutlich, wie vielschichtig Strindberg seine Stereotypenketten aufbaut und seine Argumentation radikalisiert, die schließlich in exterministische Phantasmen mündet.

Auch IULIA-KARIN PATRUT (Trier) zielte auf den Konnex zwischen „Zigeunern“, Mobilität und mangelnder Produktivität. In ihrem Vortrag „Wahrheit(en) der Nation: ‚Zigeuner/innen’ und Ökonomien des Realen in europäischer Perspektive“ legte sie dar, wie im Laufe des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit der Erziehung, der Erhebung aus Schmutz und Elend, Anpassung und Integration in den Hintergrund tritt und einer „kriminalistischen“ Betrachtung Platz macht, die sich zunehmend „rassehygienischer“ Argumente bedient. Autoren wie Herder oder Brentano, Stifter und von Arnim stehen für die frühe Option der Assimilation. Die Wahl bestand jedoch häufig nur zwischen einer als total gedachten Assimilation und der gänzlichen Exklusion. Der Zusammenhang zwischen Unproduktivität und Nichtsesshaftigkeit ist zwar ein durchgängiges Thema, betrifft indes – wie Patrut in einem Exkurs zeigt – nicht alle Länder mit „Zigeunerpopulationen“. So wurden in den Rumänischen Fürstentümern 260.000 sesshafte „Zigeuner“ als Landarbeiter, Bauern und Handwerker bis 1860 als Leibeigene gehalten und entwickelten infolgedessen ganz andere Lebensformen als die „nomadische“. Eine Reaktion auf die negativen Zuschreibungen, die „Zigeuner“ aus dem Handwerk und dem Ackerbau als Ideale des Produktiven ausschließen, findet man in den Bemühungen des Zentralrats der Roma und Sinti heute, die diese handwerklichen Traditionslinien nachzuweisen und zu betonen versuchen.

Wird der Vorwurf des Unproduktiven also häufig im Zusammenhang mit nichtsesshaften Lebensformen hervorgebracht, so zeichnete SIGRID WADAUER (Wien) die Geschichte des Hausierertums in Wien und in Österreich in ihrem Vortrag über „Unlautere Konkurrenz? Bodenständiges Gewerbe und Handel ohne fixen Standort“ nach. Das Hausierertum, das durchaus negative wie positive Produktivitätszuschreibungen erlebte, betraf verschiedene Bevölkerungsgruppen – jüdische Hausierer stellten beispielsweise ein Bindeglied zwischen armen und reichen Juden dar. Interessant erschien dabei vor allem der Versuch, das Phänomen durch zahlenmäßige Begrenzung, Genehmigungen, Gesundheitsprüfungen u. ä. zu kontrollieren: Im Jahr 1907 gab es 773 Hausierer in Wien, nach 1934 wurden hingegen keine Bewilligungen mehr ausgesprochen. Das Hausierertum stand dabei der unterstellten Produktivität des bodenständigen, sesshaften Gewerbes entgegen, da es, so die gängigen Vorurteile, Waren „ohne inneren Wert“ feilhielt, die Landfrauen zum Konsum verführte, keine Sozialabgaben und Steuern generierte etc.

BIRGIT ALTHANS (Trier) beleuchtete in „Klatsch als müßiges Geschwätz?“ das weibliche Sprechen während der Arbeit und fokussierte damit den Zusammenhang von Weiblichkeit und (Un-)Produktivität, der in den folgenden Vorträgen im Zentrum stand. Sie leitete den Klatsch aus den halbjährlichen Waschritualen vormoderner Gesellschaften ab – das Wort entspringt klanglautlich dem Geräusch der Wäsche beim Auswaschen – und legte anhand verschiedener Beispiele und älterer Versuchsreihen aus der Arbeitssoziologie den diskursiv konstruierten Zusammenhang zwischen weiblichem Sprechen und Produktivität dar, der just in der Zeit, in der die Frage nach weiblicher Produktivität in den frühen Emanzipationsbestrebungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert virulent wurde, negativ konnotiert wurde.

GABY PAILER (Vancouver) nahm sich in ihrem Vortrag über Hedwig Dohms Roman „Plein Air“ ebenfalls der Frage nach weiblicher Produktivität an, den Dohm – selbst um Emanzipation und Ansehen für ihre eigene künstlerische und sozialpolitische Produktivität bemüht – zwischen „großstädtischer Dekadenz und landwirtschaftlicher Idylle“ situiert. Pailer beschrieb die literarischen Mittel des heute vor allem aus historischer Perspektive interessanten Romans und verortete die Person Hedwig Dohms in ihrer Zeit: Diese strebte eine Befreiung aus patriarchalischen Zwängen an und entwarf viel beachtete polemische Streitschriften wie „Die wissenschaftliche Emanzipation der Frau“ (1874).

Die zweite Tagungssektion schloss mit einer höchst interessanten und anregenden Gesprächsrunde um KARIN HAUSEN (Berlin), die sozusagen als Doyenne der Veranstaltung an beiden Tagen häufig das Wort ergriff und die interdisziplinär geprägte Diskussion in weiten Teilen voran brachte. Sie resümierte die Entwicklung der Geschlechterordnung vor dem Hintergrund des Arbeitsbegriffes und betonte den engen Zusammenhang von Geschlecht und Arbeit bzw. Produktivitätszuschreibungen. Sie erinnerte an den Ruf nach Frauenrechten am Ende der 1960er Jahre, die marxistisch-feministischen Debatten und die Forderung der Anerkennung von scheinbar „reproduktiver Arbeit“ (wie der Hausarbeit). Noch immer unterstütze das deutsche Sozialsystem das Modell der männlichen „Ernährerfamilie“, das – indirekt durch Strukturen, direkt durch männliche Seilschaften – dafür sorge, dass Frauen nach wie vor nicht die Ausbildung erhielten, die sie befähigte, mit Männern gleichzuziehen.

Die dritte Sektion beschäftigte sich mit der Frage nach der Produktivität intellektueller und künstlerischer Arbeit. Die unmittelbare Gegenwart der inzwischen hoch spezialisierten Arbeitssoziologie reflektierte AXEL HAUNSCHILD (Trier), der betonte, dass die Arbeits- und Produktivitätsbewertungen auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive grundsätzlich gesellschaftliche Wertzuweisungen verdoppelten und zementierten. Aufschlussreich erwiesen sich Haunschilds Ausführungen zur „Produktivitätsmessung“ an Theatern, wobei er besonders auf die schwierige Situation von Schauspielerinnen einging, die auf den Theaterschulen wesentlich zahlreicher sind und talentierter zu sein scheinen, deren Arbeitsmöglichkeiten aufgrund fehlender Rollen jedoch ab 30 rapide abnehmen. Produktivität, so Haunschild, sei ein soziales Konstrukt, ebenso deren Messung.

Die gesellschaftliche Ein- und Wertschätzung künstlerischer Arbeit untersuchte auch BERND BLASCHKE (Berlin) in seinem Vortrag „Das nennen Sie Arbeit?! Produktivität und Oppositionen in Bohème-Bewegungen“. Er rekonstruierte deren Phantasie eines romantischen Schöpferideals als Gegenentwurf zum (Spieß-)Bürgertum, wie sie in Balzacs „Fürst der Boheme“ deutlich wird (1840). Dabei lassen sich grundsätzlich zwei Wahrnehmungsmuster der Boheme beziehungsweise innerhalb der Boheme unterscheiden: Es gibt den wahren Boheme, das echte, unentdeckte Genie, das sich jenseits der Niederungen des profanen (Arbeits-)Alltags behaupten muss, sowie den falschen, in Wirklichkeit unproduktiven und faulen Bohemien. Im zweiten Teil seiner Einlassungen analysierte Blaschke einen modernen Boheme-(und Berlin-)Roman, „Das schöne Leben“ von Christian Rösinger (2006), in dem sich zahlreiche Motive dieser Tradition – angereichert durch Elemente der Popliteratur – auffinden lassen.

ANTHONYA VISSER (Berlin) warf in ihrem Vortrag „Der Osten und der Mythos Arbeit. Zur (Selbst-)Konstruktion einer kulturellen Minderheit“ einen Blick auf die sowohl politische wie literarische Codierung von Arbeit in der DDR. Sie rekonstruierte den zum Teil mythisierten, zum Teil kritisierten Arbeitsdiskurs, wie er u. a. in den Texten von Heiner Müller, Wolf Biermann, Volker Braun und Norma Burmeister verhandelt wird. Auch hier zeichnet sich ab, dass gerade der Ausschluss aus dem Feld der Arbeit, und das heißt in diesem Falle aus einem (westlich geprägten) ökonomischen Denken produktive Reflexionsmöglichkeiten eröffnet, sodass Fragen nach einer sozialen Gesellschaft und einer nachhaltigen Ökonomie gestellt werden können. Die Nichtteilnahme am Ökonomischen ist hier die Bedingung produktiver intellektueller und ästhetischer Tätigkeit.

BJÖRN LÜCK und INGRID GILCHER-HOLTEY (Bielefeld) beschäftigten sich in ihrem Vortrag „Die Arbeit tun die anderen? Helmut Schelskys Intellektuellenkritik“ mit einer Argumentation, die linke „Geistesarbeiter“ durch den Ausschluss aus dem Produktivitätsdiskurs zu delegitimieren versucht. Schelsky wirft den intellektuellen „Sinnproduzenten“ die Ausbeutung der „Güterproduzenten“ vor und moniert ihre „Priesterherrschaft“, die durch die Macht über die Medien und eine abstrakte Sprache verstärkt werde. Intellektuelle werden vor dem Hintergrund von Thorstein Veblen der leasure class zugeordnet und ihrem supponierten Herrschaftsanspruch ein Kooperationsmodell zwischen Intellektuellen und Industriellen entgegengesetzt.

In einer abschließenden Diskussion wurden die auf der Tagung formulierten Thesen in Verbindung mit aktuellen Problemen reformuliert. Nach wie vor dient die Kategorie der Produktivität der Ausgrenzung, wie die politischen Diskussionen in Europa veranschaulichen: von der Wirtschaftskrise und dem griechischen Staatsbankrott über den Skandal um die populistischen Thesen Thilo Sarrazins bis hin zur Debatte über die Rollenbilder von Frauen in westlich und islamisch geprägten Gesellschaften oder den heftigen Diskussionen um die Ausweisung der Roma aus Frankreich – um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Art und Weise, wie auf dieser Tagung (nicht allein in der Abschlussdiskussion) spezialisierte geisteswissenschaftliche Forschung mit gesellschaftlichen, politischen und ästhetischen Fragestellungen verbunden wurde, kann als vorbildlich bezeichnet werden – man darf auf die Publikation gespannt sein.

Konferenzübersicht:

Sektion Antisemitismus/Antikapitalismus

Franziska Schößler (Trier): Einleitung

Andreas Langenohl (Gießen): Die Börse als Grenzgebiet des Gesellschaftlichen? Finanzmarkt und Soziologie an der Wende zweier Jahrhunderte

Matthew Lange (Whitewater, Wisconsin): Wider den „jüdischen“ Geist: Antisemitismus und die Gestaltung einer „deutschen“ Wirtschaftsgesinnung

Nicolas Berg (Leipzig): Produktivitätsforderungen an Juden im 19. Jahrhundert – Ein historischer und semantischer Überblick

Klaus-Michael Bogdal (Bielefeld): Schmarotzer und Nichtsnutze. „Zigeuner“ und die Ökonomie

Iulia-Karin Patrut (Trier): Wahrheit(en) der Nation. „Zigeuner-/innen“ und Ökonomien des Realen in europäischer Perspektive

Anthonya Visser (Leiden): Der Osten und der Mythos Arbeit. Zur (Selbst-)Konstruktion einer kulturellen Minderheit

Sigrid Wadauer (Wien): Unlautere Konkurrenz? Bodenständige Gewerbe und Handel ohne fixen Standort

Sektion Weibliche Produktivität

Birgit Althans (Trier): Klatsch als müßiges Geschwätz? – Diskursivierung des weiblichen Sprechens bei der Arbeit zwischen Ratgeber-Literatur und Scientific Management

Gaby Pailer (Vancouver): Zwischen großstädtischer Dekadenz und landwirtschaftlicher Idylle – Die Gestaltung weiblicher Produktivität in Hedwig Dohms „Plein Air“ (1891) im Kontext der sozialen Bewegungen im Kaiserreich

Gespräch mit Karin Hausen (Berlin) über Geschlecht und Arbeit (Moderation: Joachim Umlauf, Paris)

Sektion Künstlerische und intellektuelle Arbeit

Axel Haunschild (Trier): Emotional and Aesthetic Labour – Arbeitssoziologische Perspektiven und das Beispiel Theater

Bernd Blaschke (Berlin): Das nennen Sie Arbeit?! Produktivität und Oppositionen in Bohème-Bewegungen 1900/2000

Björn Lück und Ingrid Gilcher-Holtey (Bielefeld): „Die Arbeit tun die anderen? Helmut Schelskys Intellektuellenkritik“


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