Arbeitskreis „Süddeutsche Frauenstifte“. Workshop in Weingarten

Arbeitskreis „Süddeutsche Frauenstifte“. Workshop in Weingarten

Organisatoren
Arbeitskreis „Süddeutsche Frauenstifte“
Ort
Weingarten
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.07.2013 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Sabine Klapp, Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften, Eberhard Karls Universität Tübingen; Dietmar Schiersner, Fach Geschichte, PH Weingarten

Am 6. Juli 2013 fand in Weingarten die konstituierende Sitzung des Arbeitskreises „Süddeutsche Frauenstifte“ statt, die im Rahmen eines Workshops abgehalten wurde. Im Mittelpunkt des interdisziplinären Arbeitskreises stehen Frauen- bzw. Damenstifte im süddeutschen Raum, wobei geographisch auch das Elsass, die Schweiz und Österreich miteinbezogen werden. Zeitlich nimmt der AK die Spanne vom frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert in den Blick. Ziel des Arbeitskreises ist zum einen, das landesgeschichtliche Interesse zu bündeln und ein Netzwerk von Forscherinnen und Forschern zu errichten, die sich über ihre Arbeitsvorhaben austauschen und gemeinsam neue Fragestellungen und Projekte entwickeln. Zum anderen soll der Anschluss an derzeit intensiv bearbeitete Forschungsfelder – etwa die Adelsforschung – gesucht und vergleichende Studien angeregt werden, die auch nord- und mitteldeutsche Frauenstifte berücksichtigen.

SABINE KLAPP (Tübingen) und DIETMAR SCHIERSNER (Weingarten) fassten in ihrer gemeinsamen Einführung den bisherigen Forschungsstand zusammen, wiesen auf bestehende Desiderate hin und skizzierten mögliche Forschungsfelder des Arbeitskreises. Nach einem Überblick über die alemannische „Frauenstiftslandschaft“ im Mittelalter ging Sabine Klapp aus mediävistischer Sicht auf die Forschungslage zu den schweizer, elsässischen und südwestdeutschen Frauenstiften ein. Die bisherige Forschung, so Klapp, habe sich bislang vor allem zwei Aspekten gewidmet: zum einen – auch von Seiten der Diplomatik – den Gründungsumständen und damit zusammenhängend den ersten, häufig heiliggesprochenen Äbtissinnen, deren Viten und Verehrung sowie den Stifterfamilien. Zum anderen standen „Ausnahmefrauen“ wie Herrad von Hohenburg und in diesem Kontext hoch- und spätmittelalterliche Reform- und Umwandlungsprozesse im Mittelpunkt. Vergleiche, etwa hinsichtlich der Funktion der Stifte für den (regionalen) Adel, scheiterten derzeit daran, dass zu Gemeinschaften wie Lindau, Ottmarsheim oder Oberstenfeld entsprechende Vorarbeiten fehlen. Als Desiderate benannte sie unter anderem die Wirtschafts- oder Liturgiegeschichte der Stifte, zudem wies sie darauf hin, dass mittelalterliche Frauenstifte von der englischsprachigen Forschung bislang kaum wahrgenommen würden.

Kaum weniger Forschungslücken konstatierte Dietmar Schiersner für die Geschichte süddeutscher Damenstifte in der Frühen Neuzeit. Auch wenn von einer 2009 veranstalteten Buchauer Tagung zum Thema wichtige Impulse ausgegangen und seither (neben dem bereits 1994 publizierten Germania-Sacra-Band zu Buchau) zumindest für Augsburg-St. Stephan und Edelstetten teils ausführlichere Darstellungen der Institutionengeschichte vorgelegt worden seien, fehlten für so wichtige Einrichtungen wie beispielsweise Lindau oder Säckingen bis heute verlässliche Grundlagenwerke, die modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügten. Die vorliegenden Stiftsgeschichten aber hätten kaum Anregungen aufgenommen aus anderen gegenwärtig virulenten Forschungsfeldern, etwa der Adelsgeschichte, der Bildungsgeschichte oder der Kulturgeschichte. Freilich nicht nur für die süddeutschen Stifte falle der konfessionelle Vergleich mit den – zum Teil heute noch existierenden – evangelischen Einrichtungen praktisch aus. Speziell für den Süden des deutschen Sprachraums wären zudem einmal, so Schiersner, die regionalen Bedingungsfaktoren des Phänomens „Damenstift“ systematisch zu klären.

KATRIN EICHLER (Karlsruhe) und KATRINETTE BODARWÉ (Regensburg) widmeten sich in ihrem interdisziplinär angelegten Vortrag den drei Regensburger Damenstiften Nieder-, Ober- und Mittelmünster. Katrinette Bodarwé gab zunächst einen einführenden Überblick über Gründung und Geschichte der drei Gemeinschaften, wobei sie auf die Nähe von Ober- und Niedermünster zu den karolingischen und ottonischen Herrscherhäusern hinwies. Katrin Eichler stellte im Anschluss die Ergebnisse ihrer Dissertation vor, die sich mit der Baugeschichte der Regensburger Damenstifte befasst. Dabei zeigte sie architektonische Vorbilder wie St. Emmeran auf, betonte aber zugleich, dass die Erforschung der Stiftsarchitektur immer wieder an Grenzen stoße, da die Kirchen und Stiftsgebäude im Laufe der Zeit nicht nur vielfach baulich verändert wurden, sondern, etwa im Falle Obermünsters, infolge von Kriegszerstörungen nur noch in Resten erhalten seien. Architekturgeschichtliche Gemeinsamkeiten der drei Stifte ließen sich daher kaum nachweisen. Abschließend nahm Katrinette Bodarwé die Quellenlage zu den drei Stiften in den Blick, wobei sie unter anderem auf den hohen Bildungsstand der Kanonissen im 11. und 12. Jahrhundert hinwies, was durch das Vorhandensein von Handschriften wie das Uta-Evangeliar aus Niedermünster oder eines Homerus latinus aus Obermünster belegt werde.

Die neu zu konzipierende Dauerausstellung „Frauenklöster im südwestlichen Bodenseeraum“ im Historischen Museum Thurgau stand im Mittelpunkt der Ausführungen von JANA LUCAS (Frauenfeld). Ziel der Ausstellung sei es, die reiche historische Vergangenheit der Klöster vom 13. Jahrhundert bis in die heutige Zeit für die Allgemeinheit sichtbar zu machen. Dem Dominikanerinnenkloster St. Katharinental bei Diessenhofen komme dabei aufgrund der erhaltenen Ausstattungsstücke eine herausgehobene Stellung zu. Lucas präsentierte eine Auswahl potentieller Ausstellungsstücke und wies zugleich auf die Schwierigkeit hin, verschiedene Aspekte wie Architektur, Liturgie oder Klosterwirtschaft in einem Gebäude wie Schloss Frauenfeld, dessen bauliche Ursprünge ins 13. Jahrhundert zurückreichen, adäquat zu präsentieren. Der Werkstattbericht von Jana Lucas weitete nicht nur den Blick über die Frauenstifte hinaus auf die ‚Klosterlandschaft‘ am südlichen Bodenseeufer; es wurde auch deutlich, wie sehr Gunst bzw. Ungust materieller Überlieferung für Präsenz und Präsentierbarkeit auch des Themas ‚Frauenstifte‘ mitzubedenken sind.

ELLINOR FORSTER (Innsbruck) befasste sich mit vier sehr unterschiedlich konzipierten Tiroler Damenstiften der Frühen Neuzeit: Mit einem mittelalterlichen Kanonissenstift, das die Benediktinerregel angenommen hatte, mit zwei landesfürstlichen Gründungen des 16. bzw. frühen 17. Jahrhunderts – alle drei in üblicher Weise kirchlich-religiös, aber mit je eigenen Statuten (ohne Klausur) etc. ausgerichtet – und mit einer freiweltlichen Maria-Theresianischen Gründung des 18. Jahrhunderts. Sie ging dabei der Frage nach, in welcher Weise diese Einrichtungen auf Krisensituationen, insbesondere auf die Säkularisationpolitik Josephs II. reagierten und vor dem Hintergrund sich verändernder Argumentationen und Normenkonstellationen ihre politischen Netzwerke zu aktivieren vermochten. Aufgrund ihres jeweiligen Gründungszeitpunktes, der verschiedenen politischen Einflussmöglichkeiten und der unterschiedlichen adeligen Zusammensetzung waren diese Netzwerke – landesfürstlicher Schutz und Schirm, bischöflicher Einfluss, familiäre Unterstützung – ebenfalls sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Auf einen Vergleich des Stifts Buchau mit den norddeutschen kaiserlich freiweltlichen Damenstiften Herford, Quedlinburg und Essen zielte die Projektskizze von TERESA SCHRÖDER (Göttingen). Ihr gehe es darum, das Konkurrieren der jeweiligen Äbtissinnen mit inner- wie außerstiftischen Akteuren um Herrschaftsrechte und Einflussmöglichkeiten anhand der Figurationen- und Interdependenztheorie von Norbert Elias nachzuzeichnen und zu verstehen. Denn alle genannten Stifte seien ja in unterschiedliche – verwandtschaftliche, politische, ständische – Beziehungsnetze oder ‚Figurationen‘ eingebunden gewesen, deren relationale Interdependenzen das Handeln sowohl der Äbtissin oder des Kollektivs Stift als auch das einzelner Grafen, Schutzvögte oder des schwäbischen Grafenkollegiums bedingten. Gerade der regionale Vergleich könne dabei den Blick für Unterschiede und Parallelen in diesem Prozess schärfen.

In der Schlussdiskussion wurde betont, dass sich der interdisziplinäre und epochenübergreifende Ansatz des Arbeitskreises als sehr fruchtbar erwiesen habe: Bestimmte Phänomene, etwa die Einbindung der Frauen- und Damenstifte in lokale und überregionale Adelsnetzwerke oder die Instrumentalisierung der spezifischen Lebensweise der Stiftsdamen in Reformkontexten lassen sich, so zeigten die einzelnen Vorträge deutlich, vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert greifen. Als mögliche Fragestellung für eine spätere Tagung wurde das Thema „Frauenstift und Stadt im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit“ vorgeschlagen, wobei einerseits Frauenstifte als Stadtherren betrachtet werden, andererseits nach der Rolle von Frauenstiften in Bischofsstädten gefragt werden könnte. Zudem wurde angeregt, die Frauenstifte stärker regional übergreifend zu vergleichen.

Im Frühjahr 2014 soll der nächste Workshop des Arbeitskreises durchgeführt werden, der neben der Vorstellung neuer Projekte auch der Vorbereitung einer 2015 stattfindenden Tagung dienen soll.

Konferenzübersicht:

Dietmar Schiersner (Weingarten), Sabine Klapp (Tübingen): Einführung

Katrin Eichler (Karlsruhe), Katrinette Bodarwé (Regensburg): Die drei Regensburger Damenstifte Nieder-, Ober- und Mittelmünster – Geschichte und Baugeschichte

Jana Lucas (Frauenfeld / Thurgau): Frauenklöster im südwestlichen Bodenseeraum – Die neue Dauerausstellung im Historischen Museum Thurgau

Ellinor Forster (Innsbruck): Die Tragfähigkeit von politischen Netzwerken in Krisensituationen. Tiroler Damenstifte der Frühen Neuzeit vor dem Hintergrund sich verändernder Argumentationen und Normenkonstellationen

Teresa Schröder (Göttingen): Schwierige Stifte oder vom Versuch zu überleben

Abschlussdiskussion


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