Zentrum revisited. Bilanz und Perspektiven der Forschung zum politischen Katholizismus im Kaiserreich

Zentrum revisited. Bilanz und Perspektiven der Forschung zum politischen Katholizismus im Kaiserreich

Organisatoren
Dr. Andreas Linsenmann, Johannes Gutenberg-Universität Mainz / PD Dr. Markus Raasch, Johannes Gutenberg-Universität Mainz/ Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.10.2014 - 18.10.2014
Url der Konferenzwebsite
Von
Andreas Linsenmann, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Markus Raasch, Historisches Seminar, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz / Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Brückenschläge waren das wesentliche Ziel der anzuzeigenden Tagung: Die kaiserzeitliche Zentrumspartei, die in ihrer konfessionellen Prägung als einzige Volkspartei ihrer Zeit verstanden werden kann, ist breit beforscht worden. In den letzten drei Jahrzehnten sind zu ihr Überblicksdarstellungen, Lexika und Quellensammlungen sowie eine Reihe einschlägiger Arbeiten biografischer und strukturhistorischer Ausrichtung erschienen. Hier wollte die Tagung, u.a. mittels vielfach ausgewiesener Experten, einerseits Erträge sammeln. Andererseits sollten aber auch Perspektiverweiterungen vorgenommen werden. Mithin springt ins Auge, dass neuere historiografische Trends weg von den politischen Parteien gehen. Parteienforschung im Allgemeinen und politischer Katholizismus im Besonderen gilt Teilen der Geschichtswissenschaft als old school, als nicht mehr zeitgemäß. Vor diesem Hintergrund lotete die Tagung – auch mit Hilfe von Nachwuchswissenschaftlern/innen und eines gezielten Dialogs von Historikern/innen mit Theologinnen und Politikwissenschaftlern – aus, ob nicht neuere theoretisch-methodische Zugänge, die unter dem Rubrum „Kulturgeschichte des Politischen“ firmieren, auch für die Zentrumshistoriografie fruchtbar gemacht werden können. Die thematische Metaebene zielte auf das wieder einmal hochaktuelle Spannungsverhältnis von Religion und Gesellschaft im Allgemeinen und Kirche und Politik im Besonderen ab. Zudem sollte der Ort des deutschen Kaiserreiches, dessen Untergang im Ersten Weltkrieg ja zurzeit ein nie gekanntes Interesse erfährt, in der europäischen Geschichte erhellt werden.

In der ersten Sektion wurden sodann unter der Überschrift „Die Zentrumspartei und ihr Milieu“ die Feldbedingungen im Bourdieuschen Sinne geklärt. Im Brennpunkt stand die Frage, woher die Partei kam, welche habituellen Prägungen ihre Politiker mitbrachten. WILFRIED LOTH systematisierte dazu den seit mehr als zwei Jahrzehnten obligatorischen Milieubegriff und diskutierte, inwiefern dieser als Interpretament erkenntnisfördernd sei. Bezogen auf die deutschen Katholiken argumentierte er, dass sich vor allem ein „präzisierter Milieubegriff“ als weiterführend erwiesen habe. Dieser unterscheide primäre und aggregierte Milieus, akzentuiere insbesondere Mechanismen von Vergesellschaftung und frage nach Reichweite und Prägekraft solcher sozialer Gebilde. Anschließend warfen KARSTEN RUPPERT und CHRISTINA RIESE einen höchst unterschiedlichen Blick auf die für die Formierung des katholischen Milieus so relevanten Generalversammlungen der deutschen Katholiken. Beide stützten sich im Wesentlichen auf deren Verhandlungsprotokolle, wobei Ruppert klassisch sozialhistorisch argumentierte. Er erläuterte die Genese der „Katholikentage“, benannte thematische Schwerpunkte und beschrieb die mit Abflauen des „Kulturkampfes“ immer schwieriger werdende Aufgabe der Zentrumspartei, das Potenzial der auf den „Katholikentagen“ versammelten Laien ohne direkte parteipolitische Einflussnahme für ihre Zwecke zu nutzen. Riese wählte demgegenüber einen kulturalistisch-sprachanalytischen Zugriff und nahm die Durchsetzung von neuen Wahrnehmungsmustern und Wissensparadigmen auf den als Deutungsinstitutionen begriffenen Generalversammlungen ins Blickfeld. Als Beispiel dienten ihr die Redebeiträge des Amberger Katholikentags von 1884, dessen Rahmenthema die „Soziale Frage“ bildete. Sie dekonstruierte den Bedrohungscharakter, welcher der katholischen Begriffsverwendung inhärent war, kontextualisierte dominierende sprachliche Bilder (zum Beispiel Gesellschaft als Körper) und verwies auf das Bedürfnis Wissen und Wahrheit zu trennen bzw. prekäres Wissen zu definieren.

Nach Klärung der äußeren Rahmenbedingungen stand in der zweiten Sektion „die materielle Seite“ der Zentrumspolitik im Fokus, mithin ihre konkrete politische Gestaltungsarbeit: WINFRIED BECKER exponierte dazu die Bedeutung Georg Freiherr von Hertlings für die instruktive Sozialpolitik der kaiserzeitlichen Zentrumspartei. Er illustrierte dessen großes parlamentarisches Engagement bei den Themen Arbeiterschutz und Sozialgesetzgebung ebenso wie seine herausgehobene Rolle in den entsprechenden Verhandlungen mit den Regierenden. Zugleich veranschaulichte er am Beispiel Hertlings die sittlich begründete Prinzipientreue des Zentrums in Sachen föderaler Lösungen, Arbeitermitbestimmung und konstruktivem Antiministerialismus. INGO LÖPPENBERG argumentierte ähnlich grundsätzlich und führte mit Blick auf die Militärpolitik vor, dass der Zentrumspartei ein signifikantes Spannungsverhältnis zwischen Staatsloyalität und Zivilismus eigen war. Die Wehrpflicht wurde – so Löppenberg – abgelehnt, zumal sie aus Zentrumssicht als Revolutionshort figurierte. Rüstungsreduktion galt als Prinzip, wurde freilich nicht auf den Flottenbau kapriziert. Weltpolitik schien ein Bestreben, Weltmachtpolitik eher negativ konnotiert gewesen zu sein.

Die dritte Sektion betrieb unter der Überschrift „Die Zentrumspartei und ihre Fraktionen“ regionale Tiefenschürfung in drei klassisch katholisch geprägten Gegenden (Baden, Oberschlesien, Bayern). Sie fragte nach Organisationstrukturen und wirkungsmächtigen Netzwerken. MICHAEL KITZING wählte zur Illustration einen konventionellen Zugriff und benannte in seinem Vortrag die wesentlichen politischen Interessensgegenstände der 1888 gegründeten badischen Zentrumspartei, ihre Erfolge (Wahlrechtsreform) und Niederlagen (Abbau der Kulturkampfgesetzgebung) vor Augen führend. Zudem behandelte er den unter Theodor Wacker begonnenen und unter Joseph Schofer forcierten organisatorischen Aufbau der Partei, der wie überall in Deutschland mit dem katholischen Vereinswesen eng verwoben war und sowohl vor Ort wie im Parlament maßgeblich von Klerikern geleistet wurde. ARNE THOMSEN vertiefte im Anschluss die Einsichten in die frühe Organisationsgeschichte der Zentrumspartei, die immer noch zu den dunklen Stellen der Katholizismus-Forschung gehört, am Beispiel der zentrumspolnischen Bewegung Oberschlesiens. Er erläuterte, dass die Regionalpartei ebenso wie die polnischen Mandatsträger im Reichstag die Katholiken Oberschlesiens relativ stark vernachlässigt, ihre Interessen wenig beachtet und ihnen auch geringen Einfluss in der Parteiorganisation zugestanden hätten. Der Grund läge nicht zuletzt darin, dass das dortige Bildungsniveau niedrig und die polnische Bevölkerung daher lange Zeit eine wenig schwierige Klientel gewesen sei. In einige Bedrängnis geriet die Zentrumspartei aber dann durch das Aufkommen der nationalpolnischen Bewegung vor dem Ersten Weltkrieg. GERHARD TRAUTMANNSBERGER wechselte die Blickrichtung und strebte im Spiegel des von der Forschung weithin übersehenen bayerischen Zentrumspolitikers Maximilian Freiherr von Soden-Fraunhofen einen biografischen Beitrag zu einer Kulturgeschichte der Politik an. Er verwies in diesem Sinne auf Sodens hohes ökonomisches Kapital und dessen agrarpolitische Lobbyarbeit, jedoch auch auf seine Bedeutung als vehementer Fürsprecher des Arbeiterschutzes und Mitglied in allen Kommissionen, die der Ausarbeitung der Sozialgesetze gedient hatten. Für den Zusammenhalt der Zentrumsfraktionen in München und in Berlin spielte der oberbayerische Freiherr als liberaler Konservativer mit exzellenten Kontakten, u.a. zu den Wittelsbachern, augenscheinlich eine gewichtige Rolle. Politik schien Soden in praxi mit einer gewissen Distanz, aber von Anfang an auch mit großer Leidenschaft betrieben zu haben.

Die vierte Sektion betrachtete „Die Zentrumspartei und die Anderen“, das heißt den politischen Katholizismus zum einen als Minderheitenpartei – was bisher kaum untersucht ist – und zum anderen seinen Umgang mit Minderheiten, was im Fall der Juden zu den beliebtesten und zugleich kontroversesten Forschungsthemen zählt. Ziel war es, den gesellschaftlichen Ort des politischen Katholizismus besser lokalisieren zu können. STEFAN GERBER warf gemäß dieser Prämisse einen Blick auf die Zentrumspartei im lutherisch geprägten thüringischen Raum. Er erläuterte, dass sie bei Reichs- und Landtagswahlen stets nur eine marginale Rolle gespielt und bis 1918 über wenig ausgeprägte organisatorische Strukturen verfügt habe. Ungeachtet seiner landespolitischen Marginalität aber, so Gerber, betrachtete sich das Zentrum aufgrund seiner reichspolitischen Schlüsselstellung auch in Thüringen als „große“ Partei. Und tatsächlich konnte es in der öffentlichen politischen Kommunikation eine Wahrnehmung erreichen, die sich deutlich von seinen Wahlerfolgen abhob. Das Reichszentrum förderte diese Entwicklung, weil die Präsenz in den aus Sicht der Parteiführung peripheren Regionen wesentlich für das Selbstverständnis als die führende „Mittelpartei“ des Reiches war. ERNST OTTO BRÄUNCHE blendete Fragen der Selbst- und Fremddeutung aus und beleuchte die Situation der Zentrumspartei in der vom Nationalliberalismus dominierten Pfalz aus klassischer Perspektive: Er erläuterte ihren schwierigen organisatorischen Aufbau und machte klar, dass sich das Fehlen eines katholischen Adels, der in vielen Teilen des Reiches auf diesem Gebiet eine Führungsrolle einnahm, als besonders hinderlich erwies. Selbst in den mehrheitlich katholischen Wahlkreisen konnte die Partei – so Bräunche – erst dann ein Mandat erringen, als sie Absprachen mit der SPD getroffen hatte. Diese strategische Offenheit, die zu Bündnissen mit der Linken, aber auch mit dem Bund der Landwirte führen konnte, bildete ein Spezifikum. Im letzten Sektionsvortrag wählte MARKUS RAASCH einen besonderen Zugang zum Problem der katholischen Judenfeindschaft. Dazu rückte er auf Basis u.a. von Ego-Dokumenten den von der Forschung vernachlässigten Zentrumsadel in den Mittelpunkt, fragte sowohl nach seinen "Weltbildern" als auch der Dimension kultureller Praxis und stellte dabei einen Vergleich mit seiner Sozialistenfeindschaft an. So konnte er die Forschung zur Differenzierung gemahnen: Einerseits führte er vor, dass Judenfeindschaft nebst rassistischer Töne einen integralen Bestandteil katholisch-adeliger Sinnwelten bildete. Anderseits relativierte er die Aversionsthese, weil der Antisozialismus des Zentrumsadels deutlich ausgeprägter gewesen sei und die Judenfeinschaft den Primat von Recht und Verfassungstreue nicht konterkariert habe.

Mit der fünften Sektion weitete die Tagung ihr Gesichtsfeld und blickte auf „die Zentrumspartei im internationalen Kontext“. OLAF BLASCHKE berichtete dazu aus seinem aktuellen Arbeitsprojekt, das auf eine Globalgeschichte des Ultramontanismus abzielt. Er entwarf ein Forschungsdesign, das nach Vernetzungs- und Transferprozessen zwischen unterschiedlichen nationalen Katholizismen (etwa in Europa und Lateinamerika), entsprechenden Kommunikationswegen, Rezeptionsweisen und kulturellen Praxen (mit Hilfe von Ego-Dokumenten, Zeitungsmaterial, Fotos etc.), Akteuren der Ideenzirkulation (zum Beispiel Missionare und Emigranten) sowie international operierenden Institutionen fragt. Nachdrücklich forderte er die Zentrumsforschung zu einer breiten, transnationalen Lektüre auf. ANDREAS LINSENMANN lieferte eine Konkretisierung. Er untersuchte die Frankreich-Rezeption Wilhelm Emmanuel von Kettelers, die er als Beispiel für die Konstruktion von Deutungsmustern und Sinnzuschreibungen in transnationaler Perspektive interpretierte. Dabei zeigte er v.a. anhand von Schriften und Briefen des populären Mainzer Bischofs, dass es intensive Austausch- und Aneignungsprozesse gab, die teilweise wiederum eingebettet waren in supranationale katholische Netzwerkstrukturen. Er konnte deutlich machen, dass Ketteler bezogen auf Frankreich letztlich eine sehr selektive Wirklichkeitsdeutung vollzog, bei der er zum Beispiel das Regierungssystem und aufklärerisch-revolutionäre Traditionen scharf vom „französischen Volk“ trennte.

Die letzte Sektion ging dann über das Kaiserreich hinaus und thematisierte „Zentrumstraditionen und Erinnerung“. Im Fokus standen das Erbe der kaiserzeitlichen Zentrumspartei und die Frage, wann mit ihm wie warum umgegangen wurde. Auf dieser Grundlage mahnte CHRISTOPHER DOWE für die Weimarer Zeit die Forschungsdefizite an, die hinsichtlich der Gedächtnisbildung und damit der Identitätssuche des staatstragenden politischen Katholizismus bestanden. Er lenkte in einem instruktiven Vortrag den Blick auf Formen und Inhalte der Erinnerung an zwei Zentrumsexponenten aus Württemberg: Adolf Gröber, Fraktionsvorsitzender der Zentrumspartei im Reichstag, 1919 verstorben, und Matthias Erzberger, Reichsfinanzminister und Vizekanzler, 1921 von Mitgliedern einer antirepublikanischen Geheimorganisation ermordet. Er zeigte auf, dass Gröber vornehmlich als regionaler Katholikenführer der Kaiserzeit inszeniert und imaginiert wurde, während sich das ungleich umfangreichere Erzberger-Gedenken in unterschiedlichen Codierungen vor allem des Narrativs vom katholischen Märtyrer der Republik bediente. Die integrative Wirkung der Erzberger-Erinnerung für den politischen Katholizismus nahm sich durchaus beachtlich aus, zumal sie von außen aufs heftigste, mit verbaler Hetze wie mit Denkmalsschändungen, befehdet wurde. Ihre Grenzen waren freilich – nicht nur in Bezug auf die BVP – ebenso offenkundig. JOACHIM KUROPKA führte hernach eine markante Traditionslinie des politischen Katholizismus am Beispiel der Familie Galen vor. Denn Clemens August (Kardinal) Graf von Galen, der sich öffentlich gegen die Euthanasiepolitik der Nationalsozialisten stellte, war immerhin Großneffe des „Sozialbischofs“ Wilhelm Emmanuel von Ketteler und Sohn des erzkatholischen Zentrumsabgeordneten Ferdinand Heribert Graf von Galen, der für den ersten großen sozialpolitischen Parlamentsantrag in Deutschland verantwortlich zeichnete. Kuropka insistierte, dass Galen stets dem Zentrum verbunden geblieben sei und sich in diesem Sinne in der „Weimarer Republik“ klar gegen deutschnationale katholische Adelige positioniert habe. BARBARA JAHN nahm abschließend die Perspektive einer kulturalistisch sensiblen Sozialgeschichte ein und wagte sich auf ein weitgehend unbearbeitetes Forschungsfeld: Die Adelsgeschichte nach 1945. Sie fragte auf der Basis bisher unbekannten Archivmaterials sowie einer systematischen Auswertung des „Deutschen Adelsarchivs“ nach Mentalität und Lebenswelt des katholischen Adels in den 1950er-Jahren. Unter anderem veranschaulichte sie Nivellierungstendenzen zwischen den verschiedenen Adelslandschaften, wies jedoch auch – zum Beispiel mit Blick auf Heiratsverhalten und Erziehungsstrategien – ausdrücklich auf die Perpetuierung konfessioneller Schranken hin. In diesem Zusammenhang machte sie deutlich, dass die Zahl kirchenpolitisch engagierter Adeliger hoch war und ein Großteil dieser Katholiken aus alten Zentrumsfamilien stammte.

Im Ganzen bot die Tagung zweifelsohne mehr Bilanz als Perspektiven. Dabei sollte freilich der Wert der ersteren mit Blick auf die Erscheinungsdaten einschlägiger Überblickswerke1 nicht gering geschätzt werden. Zudem wurden Desiderate identifiziert und neue Forschungswege aufgezeigt. Die Organisationsgeschichte der Partei beispielsweise ist kaum zu verstehen ohne sorgfältige regionale Differenzierungen, wobei sich die Forschung nach dem Vorbild Stefan Gerbers verstärkt um katholische Diasporagebiete kümmern sollte. Weitgehend unklar sind immer noch die Kommunikationswege und Wirkkanäle zwischen Berliner Reichstagsfraktion und Peripherie. Gezielt ins Blickfeld sollten auch die decision- und non-decision-maker hinter den bekannten Zentrumsikonen geraten. Dass hierzu auch (Ehe-)Frauen wie die bewunderte "politische Frau" Maria Baronin von und zu Franckenstein zählen konnten2, ist bisher von der männerorientierten Zentrumsforschung überhaupt nicht untersucht worden. Während kulturhistorische Sensibilität selbst bei Standardthemen wie dem katholischen Antisemitismus Differenzierungen möglich macht, hat Olaf Blaschke eindrucksvoll die Öffnung für transnationale und globalgeschichtliche Perspektiven eingefordert und Operationalisierungsmöglichkeiten aufgezeigt. Zuletzt liegt das Potential erinnerungskultureller Zugänge zum politischen Katholizismus bisher weitgehend brach; wie erkenntniserhellend solche sein können, hat Christopher Dowe anschaulich demonstrieren machen können.

Konferenzübersicht:

1. Sektion: Die Zentrumspartei und ihr Milieu

Wilfried Loth (Duisburg-Essen)
Katholische Milieubildung, katholische Subgesellschaft und Zentrumspartei. Eine Bilanz

Karsten Ruppert (Eichstätt-Ingolstadt)
Die Laien im Aufbruch. Katholikentage und Zentrumspartei

Christina Riese (Tübingen)
„…weit davon entfernt, das Paradies auf Erden zu begründen“. Wahrnehmung, Wissen und Praxis in der 'Sozialen Frage' auf den Generalversammlungen deutscher Katholiken (1870-1890)

2. Sektion: Die Zentrumspartei und ihr Gestaltungsanspruch

Winfried Becker (Passau)
Georg von Hertling und die Sozialpolitik der Zentrumspartei

Ingo Löppenberg (Greifswald)
Praktizierter Zivilismus? Die kolonialen Schutztruppen und die Militärpolitik des Zentrums

3. Sektion: Die Zentrumspartei und ihre „Fraktionen“

Michael Kitzing (Singen)
Theodor Wacker und das badische Zentrum 1888-1917. Ein Beitrag zu Politik und Organisationsstrukturen der Zentrumspartei auf regionaler Ebene

Arne Thomsen (Bochum)
Die zentrumspolnische Bewegung in Oberschlesien

Gerhard Trautmannsberger (Eichstätt-Ingolstadt)
Eine biografische Annäherung an die Parteiarbeit des bayerischen Zentrums. Zum Wirken des Maximilian Freiherr von Soden-Fraunhofen

4. Sektion: Die Zentrumspartei und die Anderen

Stefan Gerber (Jena)
Zwischen landespolitischer Marginalität und reichspolitischer Schlüsselstellung. Das Zentrum in Thüringen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik

Ernst Otto Bräunche (Karlsruhe)
Die Zentrumspartei im konfessionellen Gefüge der Pfalz

Markus Raasch (Mainz / Eichstätt-Ingolstadt)
Das Zentrum und die Anderen. Zum Problem von katholischem Antisozialismus und Antisemitismus

5. Sektion: Die Zentrumspartei im internationalen Kontext

Andreas Linsenmann (Mainz)
Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler und Frankreich

Olaf Blaschke (Münster)
Das Zentrum und die „schwarze Internationale“

6. Sektion: Zentrumstraditionen und Erinnerung

Christopher Dowe (Stuttgart)
Adolf Gröber und Matthias Erzberger. Das Erinnern an zwei bedeutende württembergische Zentrumsführer des Kaiserreichs in der Zwischenkriegszeit

Joachim Kuropka (Vechta)
Die Familie Galen vom Kaiserreich bis zur NS-Zeit

Barbara Jahn (Eichstätt-Ingolstadt)
Katholischer Adel nach 1945

Anmerkungen:
1 Zum Beispiel Anton Rauscher, Der soziale und politische Katholizismus. Entwicklungslinien in Deutschland 1803-1963, Band 1-2, Olzog 1981/82; Winfried Becker (Hrsg.), Die Minderheit als Mitte. Die Deutsche Zentrumspartei in der Innenpolitik des Reiches 1871-1933, Paderborn 1986; Ulrich von Hehl / Konrad Repgen (Hrsg.), Der deutsche Katholizismus in der zeitgeschichtlichen Forschung, Mainz 1988.
2 Maximilian Freiherr von Soden an seine Frau, 14. März 1877, in: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Familienarchiv Soden-Fraunhofen 738.