Radikalisierung des Antisemitismus während des Ersten Weltkrieges? Antisemitische Akteure und jüdische Kriegserfahrungen im europäischen Vergleich

Radikalisierung des Antisemitismus während des Ersten Weltkrieges? Antisemitische Akteure und jüdische Kriegserfahrungen im europäischen Vergleich

Organisatoren
Zentrum für Antisemitismusforschung, Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
18.03.2015 - 20.03.2015
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Von
Julia Pohlmann, Institut für Jüdische Studien, Universität Potsdam

Der Erste Weltkrieg als ein historisch destruktives, aber gleichzeitig eine neue europäische Ordnung schaffendes Ereignis prägte die ihm folgenden Jahre maßgeblich. Zu den Folgen des Ersten Weltkrieges zählen die Entstehung neuer Staaten und die Beschäftigung mit ethnischen Fragen in einer Phase des erstarkenden Nationalismus in Europa. Ein Jahr nachdem sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal jährte, veranstaltete das Zentrum für Antisemitismusforschung zusammen mit der Freien Universität und der Humboldt Universität zu Berlin vom 18. bis 20. März 2015 eine Tagung zum Thema „Radikalisierung des Antisemitismus während des Ersten Weltkrieges? - Antisemitistische Akteure und Jüdische Kriegserfahrung“ unter der Leitung von Werner Bergmann (Berlin), Ulrich Wyrwa (Potsdam), Uwe Puschner (Berlin) und Jörg Baberowski (Berlin).

Die Tagung machte es sich zur Aufgabe, den Antisemitismus während des Ersten Weltkrieges und danach zu analysieren, die Stereotype und Formierungen antisemitischer Akteure zu betrachten und Erfahrungen jüdischer Soldaten an der Front, in der Armee und in der jeweiligen Heimat zu untersuchen. Es sollte die Frage beantwortet werden, ob der Erste Weltkrieg als Katalysator einer Radikalisierung des Antisemitismus in Europa gelten kann. Um diese Frage zu beantworten, wurden vier Fragekomplexe untersucht, die auch die Gliederung der Tagung repräsentierten.

Der erste Komplex galt der Untersuchung antisemitischer Topoi in verschiedenen europäischen Ländern. Gab es hierbei regionale und nationale Unterschiede, beispielsweise in der Habsburger Monarchie, England oder Frankreich? Der zweite Teil beschäftigte sich mit den „Erfahrungen“ von Antisemiten im Krieg unter der Fragestellung, ob der Krieg als Katalysator einer Radikalisierung des Antisemitismus gelten kann. Hat der Begriff Antisemitismus, der im 19. Jahrhundert von Deutschland ausging, im Krieg neue semantische Komponenten hinzugewonnen? Welche neuen Artikulationsformen wurden sichtbar? Inwiefern waren die katholische und protestantische Kirche Protagonisten eines praktizierten Antisemitismus? Im dritten Teil der Tagung wurde die Rolle jüdischer Soldaten und jüdischer Zivilisten im Krieg besprochen. Es wurde die Frage gestellt, inwiefern die Zeitgenossen den Krieg als Zäsur der europäisch-jüdischen Geschichte wahrnahmen. Im vierten Teil wurden jüdische Kriegserfahrungen geschildert und unter dem Gesichtspunkt des Zusammenbruchs transnationaler und auch jüdisch-patriotischer Vereinigungen diskutiert. Wie erlebten jüdische Soldaten Antisemitismus im Militär und jüdische Zivilisten den Antisemitismus vor, im und nach dem Krieg? Inwieweit hatten die Antisemitismuserfahrungen in der Heimat und im Militär Einfluss auf die Hoffnung auf eine völlige Gleichstellung mit der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft. Um europäisch-vergleichende Perspektiven zu ermöglichen, wurden die einzelnen Vorträge der Tagung von Ko-Referaten ergänzt, die die Themen und Fragestellungen der Hauptvorträge aus der Sicht eines anderen Landes in Europa beleuchteten.

Den Eröffnungsvortrag hielt GERALD LAMPRECHT (Graz), der sich mit der Beziehung der österreichischen Juden zur Habsburger Monarchie und mit den Auswirkungen der damals stattfindenden Nationsbildungsprozesse auseinandersetze. Er hob hervor, dass die jeweilige jüdische Bevölkerung mit einer erstarkten, neu formierten Welle des Antisemitismus konfrontiert wurde. Gleichzeitig betonte Lamprecht, dass antisemitische Topoi in allen mitteleuropäischen Nationalbildungsprozessen von staatlichen Institutionen wie etwa dem Militär verbreitet wurden. Neben den antisemitischen Topoi der „Kriegsschuldigen, Drückeberger und Wucherer“ wurde nach der Revolution 1919 auch das neue Stereotyp des „jüdischen Bolschewisten“ verbreitet. Die Hoffnung vieler Juden bei Kriegsbeginn, durch ihre Kriegsteilnahme als Patrioten anerkannt zu werden, endete 1918, als der Antisemitismus Eingang in die nationale Politik vieler europäischer Länder fand.

CARL ERIC LINSLER (Berlin) referierte über den erstarkten Antisemitismus in Frankreich referierte. Der Referent betonte, dass der französische Antisemitismus spezifische Topoi gegen Juden bestimmter Herkunftsländer verwendete. So richtete sich der Topos des „spionierenden Juden“ in Frankreich vorrangig gegen Juden osteuropäischer oder deutscher Herkunft, denen von Seiten der Action Française die Loyalität zu Frankreich abgesprochen wurde. Der Ko-Referent FRANK M. SCHUSTER (Łodz) hob hervor, dass die „deutschfeindliche Komponente“ auch im russischen Antisemitismus der Kriegszeit existierte, jedoch im Gegensatz zum französischen Antisemitismus keine Gleichsetzung von „Juden“ und „Deutschen“ stattfand. In Russland herrschte bereits vor Beginn des Ersten Weltkrieges ein Misstrauen gegen die jüdische Minderheit, das sich nach dem Krieg zuspitzte, als die jüdische Bevölkerung als „Sündenbock“ für den Ausbruch des Krieges und die Kriegsniederlage herhalten musste.

YASMINA ZIAN (Berlin) diskutierte in ihrem Vortrag, ob die belgische Fremdenpolizei die während des Krieges Informationen über Migranten in Belgien sammelte, antisemitische Topoi verbreitet habe. Diese Frage konnte insoweit beantwortet werden, dass wenn es sich um Vergehen eines jüdischen Migranten mit deutschen Wurzeln handelte, dies verstärkt in inoffiziellen Quellen hervorgehoben wurde. DOROTHEE WIERLING (Hamburg) beschrieb in ihrem Ko-Referat aus deutscher Perspektive den inneren Identitätskonflikt, mit dem die jüdischen Bürger vor und während der Kriegszeit konfrontiert waren. Der bereits erwähnte Vorwurf der Illoyalität gegenüber der eigenen Nation wurde unter anderem durch bekannte Publizisten wie Lily Braun verbreitet. Eine Radikalisierung des Antisemitismus sah TAMAS KOHUT (Berlin) auch in Ungarn, wo Juden als eine die magyarische Wirtschaft unterwandernde Gruppierung bezeichnet wurden, um von der desaströsen Wirtschafts- und Rüstungspolitik des Landes abzulenken. Nach dem Ende des Krieges existierte in Ungarn ein neuer Antisemitismus mit neuen Akteuren, der sich öffentlich im Parlament zeigte. Von einer Verschärfung des Antisemitismus und seiner semantischen Artikulation geht auch CHRISTIAN SCHÖLZEL (Berlin) aus. Schölzel verdeutlichte am Beispiel Walther Rathenaus, dass besonders die Topoi, die Juden als Verräter, Spione und Kriegsgewinnler hinstellten, in Deutschland verbreitet wurden.

Übergeleitet wurde nun auf den zweiten Themenkomplex, die Agitation von Antisemiten im Krieg. Zu Beginn wurde die Artikulation von Antisemitismus in der populären Kriegslyrik betrachtet. Frau ISABELLE DANIEL (Berlin) erläuterte die Abwandlung christlich konnotierter antijüdischer Vorwürfe in völkisch-antisemitischen Ressentiments anhand des Gedichtes „Der Feind im Burghof“ von Ilse Hamel. Die rechtsnationale Lyrikerin verband in ihren Texten bereits existierende antijüdische Vorwürfe, beispielsweise die Brunnenvergiftung, mit den bereits erwähnten Vorwürfen des „fehlenden Patriotismus und Drückebergertums“. GERT BUELENS (Utrecht) hob hervor, dass die instrumentalisierte und populäre Kriegslyrik – es gab zeitweise 50.000 Veröffentlichungen täglich – keine intim-emotionalen Gefühle sondern nationale Gefühle vermittelte. Gedichte wurden somit propagandistisch als judenfeindliches Mittel eingesetzt. BJÖRN HOFMEISTER (Berlin) und MICHAEL WLADIKA (Wien) erläuterten anschließend die Agitation von Antisemiten in politischen Verbänden am Beispiel des Alldeutschen Verbandes in Österreich und in Deutschland. Der Verband in Deutschland setzte nach der Oktoberrevolution 1919 Bolschewismus mit Judentum gleich und erhielt somit eine antijüdisch-antisozialistische Ausrichtung. Die Ausrichtung des österreichischen Verbunds war entsprechend der des Verbunds in Deutschlands antijüdisch und antisozialistisch. Mit der antisemitischen Agitation in Zeitungen setzte sich am Beispiel der polnischen Zeitung „Postęp“ (Fortschritt) KAROLINA FILIPOWSKA (Posen / Berlin) auseinander. Da eine offene antisemitische Artikulation wegen der Zensur nicht möglich war, versuchten die Redakteure dieser Zeitung durch die Projektion antisemitischer Vorurteile auf die in Galizien lebenden Juden antisemitische Propaganda zu verbreiten. CHRISTOPH JAHR (Düsseldorf) verglich den bei „Postęp“ existierenden, radikalen Antisemitismus mit dem der deutschen Staatsbürgerzeitung. Diese Zeitung, die eine Auflage von 30.000 Exemplaren hatte, bediente in zahlreichen Artikeln den Radauantisemitismus und ihre Beiträge wurden vielfach zur Legitimierung von Gewaltausbrüchen genutzt. THOMAS STOPPACHER (Graz) schilderte in seinem Referat die antisemitischen Reden im österreichischen Reichstag, die genutzt wurden, um politische Entscheidungen oder ein Fehlverhalten zu legimitieren. In den USA, so RICHARD FRANKEL (Lafayette / Lousiana), agierten der öffentliche und politische Antisemitismus Hand in Hand. Die Besonderheit hier ist, das das Judentum sowohl mit Deutschland wie mit Russland gleichgesetzt wurde und somit eine „doppelte Feindbezeichnung“ vorlag. Diesen Komplex abschließend stellten BETTINA REICHMANN (Koblenz-Landau) und MANFRED GAILUS (Berlin) die Agitation katholischer und protestantischer Geistlicher und ihr Verhältnis zum Antisemitismus sowie die Rolle christlicher Ideologie im nationalen Denken dar. Reichmann hob dabei die antisemitische Komponente in der Agitation des ungarischen katholischen Geistlichen Ottokar Prohaszka hervor, der überzeugt war, dass ein katholischer Staat ohne Juden weitere Kriege, die er als Strafe Gottes ansah, verhindern würde. Nach Gailus gab es auch in der protestantischen Auffassung des Ersten Weltkrieges eine völkisch-rassische Komponente des Antisemitismus, die durch Geistliche, wie den Berliner Hofprediger Bruno Doehring oder den Feldgeistlichen Ludwig Wessel, den Vater von Horst Wessel, verbreitet wurden. Bekannt ist die Gleichsetzung des Judentums mit den „Mördern Christi“ und von Christus mit dem deutschen Volk. Diese Aussagen beweisen ein Radikalisierung und Theologisierung des Antisemitismus.

Der zweite Tag der Veranstaltung befasste sich mit den Kriegserfahrung und der Haltung von jüdischen Soldaten zum Krieg. Zu Beginn schilderten HANA ĆOPIĆ (Berlin) die Erfahrungen des serbisch-jüdischen Reserveoffiziers Moša Mevorah und SABINE HANK (Berlin) die Erfahrungen von deutsch-jüdischen Soldaten während des Ersten Weltkrieges. Hervorzuheben ist der Patriotismus und der fehlende Hinweis auf eine Antisemitismuserfahrung in den Tagebüchern von Mevorah. Dies steht im Gegensatz zur Diversität der Antisemitismuserfahrungen der jüdischen Soldaten in der deutschen Armee, von denen viele in Briefen an Feldrabbiner über antisemitische Vorfälle berichteten. Dabei ging es immer wieder um die Frage der Zugehörigkeit zur deutschen Nation, oder um den Konformitäts- und Loyalitätsdruck, dem sie ausgesetzt waren. Hervorzuheben ist, dass der alltägliche Antisemitismus unterschiedlich wahrgenommen wurde, da die verschiedenen Personen ihre jüdische Identität unterschiedlich definierten. Für Russland wiederum erläuterte ANASTASIA SURKOV (Berlin) die negativen Erfahrungen des Soldaten Samuil Sistrin in der zaristischen Armee, der aufgrund seiner jüdischen Identität öffentliche Diffamierungen erfuhr, da Juden unter dem Generalverdacht der Illoyalität standen. Geht Surkov davon aus, dass im Krieg Diskursräume für die Hinterfragung von Identität eröffnet wurden, so ist dennoch eine Nationalisierung und Entdifferenzierung von Individuen zu beobachten. FRANZISKA HEIMBURGER (Paris) griff in ihrer Darstellung die Differenzierung, die der französische Antisemitismus zwischen deutschstämmigen Juden und sephardischen Juden vornahm, auf und bezog diese auf die Dreyfuß-Affäre und die französische Armee. In der Armee gab es vor allem Illoyalitätsvorwürfe gegen Juden osteuropäisch-deutscher Abstammung.

In der italienischen Armee dagegen, so MATTEO PERISSINOTTO (Berlin) wurde der Begriff „Jude“ in bisweilen offiziellen Dokumenten der Armee als nicht-rassistisch, sondern als Stigma verwendet. In der Habsburger Monarchie wurden, wie ERWIN SCHMIEDL (Wien) zeigte, Juden ebenfalls als Soldaten zugelassen, doch auch hier berichteten sie von einem erstarkten Antisemitismus und, mit der Revolution in Russland, kam es auch hier zu einer Bezichtigung des Bolschewismus.

Jüdische Soldaten in der britischen Armee, so SARAH PANTER (Mainz), standen vor einer vergleichbaren Situation wie in Frankreich, nur richteten sich die Ressentiments hier gegen die Juden russischer Abstammung, denen zuerst mit einer Abschiebung nach Russland gedroht wurde und die dann nach der Revolution als Bolschewisten diffamiert wurden. Bemerkenswert ist die Gründung einer jüdischen Legion für Juden mit osteuropäischem Hintergrund, was als „Verdrängung“ des antisemitischen Problems in der britischen Armee interpretiert werden kann. In Tschechien, so MICHAL FRANKL (Prag) war das Hauptmotiv des sich radikalisierenden Antisemitismus der Vorwurf der doppelten Loyalität an die Adresse der tschechischen Juden und des fehlende Interesses für die tschechische Sache. Besonders ist hier jedoch hervorzuheben, dass sich die Loyalitätsfrage auf die Nationsbildung und die Einstellung zur tschechischen Kultur bezog, aber nicht auf die Rolle der Juden im Militär.

MARIE CHRISTIN LUX (Berlin) verdeutlichte in ihrem Vortrag zu „Religion und Geschlecht in den Kriegskorrespondenzen französischer Jüdinnen und Juden“ die sich in den Korrespondenzen manifestierenden Rollenzuschreibungen sowie die milieuabhängigen Erfahrungen mit dem Antisemitismus. Die exemplarisch betrachteten Ehepartner entstammten der Mittelschicht, in der es differenzierte und vielfältige Interpretationen der jüdischen Identität gab. CHRISTA HÄMMERLE (Wien) machte in ihrem Ko-Referat aus österreichischer Perspektive darauf aufmerksam, dass neben dem Motiv der Liebe, den häufigsten Motiven in den Korrespondenzen, die neue Form von Spiritualität die Religion aufgrund der „Unbegreifbarkeit“ des Krieges abgelöst habe. Jüdische Identität wurde kaum thematisiert, häufig aber wurde der Antisemitismus angesprochen. Es gab somit diverse und vielfältige Erfahrungsebenen in den Korrespondenzen, was ein generalisiertes Urteil erschwert. JAN-PHILIPP POMPLUN (Berlin) untersuchte die Feindbilder in deutschen Freikorps, die zu Beginn noch Juden aufgenommen hatten. Der Antisemitismus in diesen Gruppierungen führte jedoch bei den jüdischen Freikorpsmitgliedern zu Identifikationsproblemen mit der Mehrheitsgesellschaft und zum Verlassen der Freikorps. MARK JONES (Dublin) forderte in einem quellenkritischen Exkurs dazu auf, auch philosemitische Stimmen zu betrachten sowie zwischen einer Radikalisierung des Antisemitismus und einer Änderung der Topoi zu unterscheiden.

Abschließend verdeutlichte ELISABETH WEBER (Berlin) den Zusammenhang zwischen internationaler Hilfe und diplomatischen Aktivitäten am Beispiel der Einbürgerungsdebatte im Fall der rumänischen Juden. Während des Ersten Weltkriegs wurde die Situation rumänischer Juden international als propagandistisches Mittel zur Rechtfertigung der jeweiligen Kriegspolitik eingesetzt, ohne sich mit der Problematik des in Rumänien vorherrschenden Antisemitismus auseinanderzusetzen. CARSTEN WILKE (Budapest) ergänzte diese Beobachtungen dahingehend, dass es sich beim Beispiel von Rumänien um einen staatlichen Antisemitismus handelte.

Die verschiedenen Beiträge der Tagung zeigten, dass beim europäischen Vergleich durchaus nationale Unterschiede in der Entwicklung und Rezeption antisemitischer Topoi hervortraten, einige Motive jedoch, wie etwa der Vorwurf des Bolschewismus, in allen europäischen Ländern, sowohl in den Verliererstaaten als auch bei den Siegermächten anzutreffen waren. Rückblickend erfuhr der Antisemitismus im Ersten Weltkrieg in einigen Ländern eine Radikalisierung, die sich in neuen Topoi wie dem jüdischen Bolschewismus und dem Vorwurf des Verrats wie auch in einer neuartigen politischen Agitation manifestierte. Der Erste Weltkrieg fungierte auf nationaler Ebene als Katalysator eines politischen und handlungsbetonten Antisemitismus. Zwar verebbte der Antisemitismus in seiner Intensität nach dem Krieg in einigen Ländern kurzzeitig wieder, wie beispielsweise in Frankreich, jedoch sind in vielen europäischen Ländern neue und radikalere Formen zu beobachten. Die Erfahrungen jüdischer Soldaten im Krieg oder jüdischer Zivilisten im Alltagsleben war vielschichtig, milieuabhängig und an die jeweilige Ausprägung der Identifikation des Einzelnen mit dem Judentum gebunden. Dennoch war die Mehrheit von antisemitischen Ausschreitungen und Äußerungen betroffen, die die Hoffnung auf eine vollständige politische und soziale Gleichstellung mit der Mehrheitsgesellschaft zerstörte.

Konferenzübersicht:

Begrüßung
Werner Bergmann und Stefanie Schüler-Springorum

Abendvortrag
Gerald Lamprecht (Graz): „…galt es als feste Tatsache, dass Juden Drückeberger waren.“ Juden in Zentraleuropa und die Transformationen des Antisemitismus im und nach dem Ersten Weltkrieg

1. Antisemitische Topoi: Verräter, Spione und Kriegsgewinnler

Carl Eric Linsler (Berlin): Spionageverdacht, Antisemitismus und Denaturalisierung – Zur Lage naturalisierter Franzosen deutsch-jüdischer Herkunft in Paris während des Ersten Weltkriegs
Ko-Referat von Frank M. Schuster (Łodz)

Yasmina Zian (Berlin): Der Jude – ein potentieller Verräter?
Ein Vergleich deutscher Lebensläufe während des Ersten Weltkriegs in Belgien
Ko - Referat von Dorothee Wierling (Hamburg)

Tamas Kohut (Berlin): Ungarische Kriegswirtschaft und die Verschärfung des magyarischen Antisemitismus
Ko-Referat von Christian Schölzel (Berlin)

2. Antisemiten im Krieg

Isabelle Daniel (Berlin): „Der Feind im Burghof“. Antisemitismus und Antipazifismus in der Kriegslyrik der Radikalnationalistin Ilse Hamel
Ko-Referat: Geert Buelens (Utrecht)

Björn Hofmeister (Berlin): Der Alldeutsche Verband und die Radikalisierung des Antisemitismus im Ersten Weltkrieg, Konstantin von Gelbsattel und Heinrich Claß 1912 - 1919
Ko-Referat: Michael Wladika (Wien):

Karolina Filipowska (Berlin): „Postęp: Eine polnische antisemitische Tageszeitung während des Ersten Weltkrieges
Ko-Referat: Christoph Jahr (Düsseldorf)

Thomas Stoppacher (Graz): „Antisemitische Reden und Äußerungen im Abgeordnetenhaus des Österreichischen Reichsrats (1917-1918)
Ko-Referat: Richard Frankel (Lafayette / Lousiana)

Bettina Reichmann (Koblenz-Landau): Ottokar Prohazka: Krieg und antisemitische Agitation
Ko-Referat: Manfred Gailus (Berlin)

3. Juden im Krieg

Hana Ćopić (Berlin): Die Kriegstagebücher des jüdischen Reserveoffiziers Moša Mevorah 1915/16
Ko-Referat: Sabine Hank (Berlin)

Anastasia Surkov (Berlin): Jüdische Soldaten in der zarischen Armee.
Briefe von der Front – Samuil Sistrin
Ko-Referat: Franziska Heimburger (Paris)

Matteo Perissinotto (Berlin): Juden als Soldaten in der italienischen Armee
Ko-Referat: Erwin Schmidl (Wien)

Marie-Christin Lux: Religion und Geschichte in den Kriegskorrespondenzen französischer Jüdinnen und Juden
Ko-Referat: Christa Hämmerle (Wien)

Jan-Philipp Pomplun (Berlin): „Hand over the Jew“: Feindbilder in den eigenen Reihen. Jüdische Freikorpskämpfer zwischen nationalkonservativer Pflichterfüllung und Antisemitismus
Ko-Referat: Mark Jones (Dublin)

Elisabeth Weber (Berlin): Internationale Hilfe für rumänische Juden oder die internationale Dimension der rumänischen „Judenfrage“ während des Ersten Weltkriegs
Ko-Referat: Carsten Wilke (Budapest)

Abschlussdiskussion unter Leitung von Werner Bergmann, Ulrich Wyrwa, Jörg Baberowski und Uwe Puschner


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