Per Aspera ad Astra – Soziale Hierarchien und ihre Praxis in der Antike. 3. Göttinger Nachwuchsforum

Per Aspera ad Astra – Soziale Hierarchien und ihre Praxis in der Antike. 3. Göttinger Nachwuchsforum

Organisatoren
Althistorisches Seminar, Georg-August-Universität Göttingen; Graduiertenschule für Geisteswissenschaften Göttingen
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.01.2015 - 31.01.2015
Url der Konferenzwebsite
Von
Anna Christina Neff

Das 3. Göttinger Nachwuchsforum beschäftigte sich vom 30. bis zum 31. Januar 2015 mit der Praxis von sozialen Hierarchien in der Antike. Begreift man diese Hierarchien als ein System über- und untergeordneter Elemente, die für die Positionierung von Individuen und Gruppen innerhalb der Gesellschaft sowie deren jeweilige Selbst- und Fremdwahrnehmung verantwortlich sind, so ergeben sich Strukturierungsmodelle, die relevant sind für alltägliche Lebensgestaltung und praktische Verhaltensmuster von Sozialverbänden. Im Rahmen des Nachwuchsforums wollte das Althistorische Netzwerk Göttingen (ANG) die Gelegenheit bieten, die Chancen und die Grenzen derartiger Modelle an praktischen Beispielen auszuloten. Hinterfragt werden sollte sowohl die Entstehung sozialer Hierarchien als Folge politischer und sozialer Aushandlungsprozesse und die Möglichkeit zur Überschreitung hierarchischer Grenzen im Zusammenhang mit sozialer Mobilität, als auch deren jeweilige konkrete Auswirkungen auf die individuellen Lebenswirklichkeiten der Mitglieder sozialer Gruppen.

Nach der Begrüßung und Einführung durch Antje Kuhle (Göttingen) begann das Nachwuchsforum am 30. Januar 2015 mit dem Vortrag von MANUEL POHL (Innsbruck). Er stellte „Problematik und Grenzen prosopographischer Forschung am Beispiel der römischen Annalistik“ vor und demonstrierte an der Person des L. Coelius Antipater, des Autors eines Geschichtswerkes über den Zweiten Punischen Krieg, die Schwierigkeiten bei der exakten Verortung antiker Persönlichkeiten im sozialen Gefüge ihrer Zeit. Entsprechend riet Pohl zur Vorsicht bei der Nutzung der unklaren sozialen Stellung des Coelius Antipater bezüglich der Interpretation von Charakter und Stil des Werkes sowie des Professionalisierungsgrades seines Autors.

Im Anschluss untersuchte ELISABETH GÜNTHER (Berlin) unter dem Vortragstitel „Invertierte Hierarchien? Kommunikation und Interaktion mittels olympischer Götter auf der Komödienbühne“ die Nutzung von Mythenparodie in der Alten und Mittleren Attischen Komödie und in den Komödiendarstellungen auf unteritalischen Phylakenvasen. Ihr ging es darum, herauszuarbeiten, dass es sich keineswegs um Kritik an den Göttern handelt, wenn im Rahmen der Konstruktion eines „Komischen Raumes“ die Götterhierarchie ad absurdum geführt wird. Vielmehr reihte die Referentin die Mythenparodie in die Mittel zur Kritik an den herrschenden Verhältnissen ein, die in den politischen und gesellschaftlichen Diskursen des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. zur Verfügung standen.

Im dritten Vortrag betrachtete ROBERT WIELAND (Göttingen) „Die Konstruktion von Hierarchien in Stadtgesetzen römischer Coloniae und Municipia“. Er zeigte auf, wie antikes Stadtrecht einzelne Bürger in das hierarchische Gefüge einer Colonia oder eines Municipiums einordnete, gleichzeitig aber auch die Siedlung in der Rangordnung des Reiches positionierte. Es wurde jedoch offensichtlich, dass in den Stadtgesetzen lediglich eine theoretische Hierarchie konstruiert werden konnte – für die Rekonstruktion der Lebenswirklichkeit der jeweiligen Stadtbevölkerung müssten weitere Quellengattungen herangezogen werden.

Zum Abschluss des ersten Tages führte ANDREW VAN ROSS (Essen) in „Dissens und Risiko in der mittleren römischen Republik: Inneraristokratische Konflikte in praxeologischer Perspektive“ Risiko als einen Faktor ein, der die engen Rahmenbedingungen von Hierarchien erweitern konnte. Er stellte der Forschung, die stets die institutionelle Stabilität der römischen Republik sowie das Streben der politischen Elite nach Konsens betont und der Vormoderne das Verständnis für Kontingenz abspricht, die folgende Beobachtung gegenüber: Die Sozialisation römischer Nobiles musste diese im Rahmen militärischer Kommandos mit dem Potential risikobereiten Handelns vertraut machen. Am Beispiel des L. Postumius Megellus verdeutlichte der Referent, dass diese Erfahrung auch in innenpolitischen Auseinandersetzungen Anwendung finden konnte.

Da Maximilian Räthels (Göttingen) „Der Mann, der König sein wollte?“ aus gesundheitlichen Gründen entfallen musste, begann der 31. Januar 2015 mit HELMUT LOTZ´ (Wien) Vortrag zu „Nekropole und Gesellschaft: archäologisch-epigraphische Überlegungen zu Termessos und Olympos“. Er präsentierte die beiden kleinasiatischen Nekropolen als Fortsetzung der Welt der Lebenden sowohl in zeitlicher als auch räumlicher Hinsicht. Anhand der in die Grabinschriften integrierten rechtlichen Bestimmungen, die vor illegalen Zweitbestattungen schützen sollten, demonstrierte Lotz für Termessos eine Korrelation zwischen der Höhe der festgesetzten Strafsumme, dem Grabtyp und dem Status des Bestatteten. Entsprechend konnte er zeigen, dass die Nekropolen als kollektiv konstruierte Räume zur Verewigung sozialer Realitäten und Hierarchien dienten.

Anschließend untersuchte MARCUS HELLWING (Erfurt) „Gebildete Frauen als Zeichen sozialer Hierarchie von Cicero bis zum jüngeren Plinius“. Ziel seines Vortrags war es, zu zeigen, wie die Bildung von Frauen seit der Phase der späten Republik bei der Selbstdarstellung der männlichen Mitglieder der römischen Aristokratie an Bedeutung gewann. Indem er die Umwandlung von Bildung aus kulturellem in soziales Kapital nachvollzog, verdeutlichte er die Bedeutung gebildeter Frauen als Statussymbol der Nobilität und legte dar, wie Bildung geradezu zur Chiffre für den sozialen Rang ihres Trägers werden konnte.

Mit „Darstellungen von Wagenlenkern in der römischen Kaiserzeit und der beginnenden Spätantike“ schloss FREDERIK GROSSER (Freiburg) das Nachwuchsforum ab und stellte den ambivalenten Umgang mit Wagenlenkern vor. Einerseits unterlagen sie der praetorischen Infamie, die sie rechtlich stark benachteiligte und von der Übernahme von Ämtern ausschloss, andererseits bot der Sieg die Chance auf finanziellen Gewinn und die Popularität von Wagenrennen erzeugte eine enorme Begeisterung für die Publikumslieblinge. In diesem Spannungsfeld schlug Grosser vor, dass die häufig in Siegerpose dargestellten Wagenlenker selbst zu einem Symbol für Sieghaftigkeit wurden, welches die Victoria, die dem Kaiser allein vorbehalten war, ersetzen konnte.

Insgesamt erwies sich das Tagungsthema „Hierarchien“ als äußerst fruchtbar und gerade das weite thematische Spektrum an Beiträgen zeigte das Interesse daran, die eigene Fragestellung unter dieser Perspektive zu betrachten. Die offene Abschlussdiskussion stellte die Frage nach den Möglichkeiten zur Verortung von Hierarchien in antiken Gesellschaften in den Vordergrund. Problematisiert wurde dabei vor allem, inwiefern diese Ordnungen lediglich durch die Quellen konstruiert wurden oder ob sie für die jeweilige Lebenswirklichkeit Relevanz besaßen. In diesem Zusammenhang wurde eine größere Interdisziplinarität innerhalb der Altertumswissenschaften eingefordert – gerade das Zusammenspiel der unterschiedlichen Fächer könne neue Einblicke in das Hierarchiegefüge antiker Gesellschaften bieten.

Konferenzübersicht:

Manuel Pohl (Innsbruck): „Probleme und Grenzen prosopographischer Forschung am Beispiel der römischen Annalistik“

Elisabeth Günther (Berlin): „Invertierte Hierarchien? Kommunikation und Interaktion mittels olympischer Götter auf der Komödienbühne “

Andrew van Ross (Essen): „Dissens und Risiko in der mittleren römischen Republik: Inneraristokratische Konflikte in praxeologischer Perspektive“

Robert Wieland (Göttingen): „Städtische Hierarchie. Die Konstruktion von Hierarchien in Stadtgesetzen römischer Coloniae und Municipia“

Helmut Lotz (Wien): „Nekropole und Gesellschaft: archäologisch-epigraphische Überlegungen zu Termessos und Olympos“

Marcus Hellwing (Erfurt): „Gebildete Frauen als Zeichen sozialer Hierarchie von Cicero bis zum jüngeren Plinius“

Frederik Grosser (Freiburg): „Darstellungen von Wagenlenkern in der römischen Kaiserzeit und der beginnenden Spätantike“


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Deutsch
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