Wolfgang Schieder 80 Jahre – 40 Jahre Arbeitsgemeinschaft für die Neueste Geschichte Italiens: eine Bilanz

Wolfgang Schieder 80 Jahre – 40 Jahre Arbeitsgemeinschaft für die Neueste Geschichte Italiens: eine Bilanz

Organisatoren
Arbeitsgemeinschaft für die Neueste Geschichte Italiens; Deutsches Historisches Institut, Rom; MaxWeber Stiftung – DGIA, Bonn; Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.09.2015 - 05.09.2015
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Von
Jens Späth, FR 3.4 Geschichte, Universität des Saarlandes

Den 40. Jahrestag ihrer Gründung und den 80. Geburtstag ihres Begründers Wolfgang Schieder nahm die Arbeitsgemeinschaft für die Neueste Geschichte Italiens zum Anlass, bei einer Tagung in Berlin Bilanz über den Stand der deutsch-italienischen Geschichte und ihrer Verflechtungen zu ziehen.

GABRIELE B. CLEMENS (Saarbrücken) würdigte eingangs Wolfgang Schieder und Jens Petersen als Gründungsväter der Arbeitsgemeinschaft. Wenn man heute in deutschsprachigen Ländern im Hinblick auf die italienische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts „blühende Landschaften“ beobachten könne, dann sei dieser „Quantensprung“ vor allem Wolfgang Schieder zu verdanken. Zugleich betonte sie dessen große Breite des wissenschaftlichen Œuvres, das sich von der Arbeiterbewegung im Vormärz über Religions- und Kirchengeschichte, die „Geschichtlichen Grundbegriffe“ und die „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“ bis hin zu Nationalsozialismus und Faschismus erstrecke – wobei der Jubilar gerade zum letzten Thema mit drei Monographien seit 2010 sehr produktiv gewesen sei 1. MARTIN BAUMEISTER (Rom) erinnerte in seinem Grußwort daran, dass man eigentlich drei Gründe zum Feiern habe, denn 2015 jähre sich der erste Aufenthalt von Wolfgang Schieder am Deutschen Historischen Institut in Rom zum 50. Mal. Die Impulse, die dort damals von ihm zur Etablierung der Neuesten Geschichte und zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ausgingen, seien im Nachhinein gar nicht hoch genug zu schätzen. Nicht umsonst sei Schieder 2002 zum ersten Stiftungsratsvorsitzenden der neu gegründeten „Deutschen Geisteswissenschaftlichen Institute im Ausland“ (DGIA) und 2009 zum Co-Vorsitzenden der deutsch-italienischen Historikerkommission berufen worden.

Die ersten beiden inhaltlichen Vorträge waren der Sozialgeschichte gewidmet. THOMAS KROLL (Jena) diskutierte Ansätze, Methoden und Ergebnisse der wenigen deutschsprachigen Studien zu den Eliten Italiens im 19. und 20. Jahrhundert seit Begründung der Arbeitsgemeinschaft. Mit Schwerpunkt auf der Geschichte sozialer Gruppen wie des Bürgertums und des Adels zeichnete er den kleinen Boom der Elitengeschichte in den 1990er-Jahren nach. Zugleich sei der Begriff „Elite“ in den Studien etwa zum venezianischen Adel oder im Kontext der Liberalismusforschung aber sehr heterogen aufgefasst worden. Während vergleichende sozialhistorische Reflexionen immer noch fehlten, stellten aktuelle internationale Forschungsprojekte wie die Encounters of European Elites transnationale Aspekte in den Vordergrund, was freilich neue methodische Probleme mit sich bringe.

MARCO MERIGGI (Neapel) nahm Verfassung und Verwaltung als zwei große Modernisierungsfaktoren für die italienische Geschichte im 19. Jahrhundert in den Blick. Gerne charakterisierten italienische Historiker die napoleonische Epoche als „Zeitalter der Verwaltung“ und betonten über die Nationalstaatsgründung 1861 hinaus die Bedeutung der Konstitutionalisierung. Aber wie könne man eine Nation nur mit einer Verfassung, jedoch ohne Verwaltung und Beamtentum konstruieren, fragte Meriggi. Er plädierte dafür, die traditionelle Chronologie des italienischen Risorgimento zu überdenken, dabei Brüche wie 1861 stärker zu berücksichtigen und den im deutschen Sprachraum deutlich häufiger untersuchten Bereichen Verwaltung und Verfassung mehr Beachtung zu schenken.

Die anschließenden beiden Vorträge fokussierten die Historiographie zum italienischen Faschismus. LUTZ KLINKHAMMER (Rom) zeigte an ausgewählten Themenfeldern die Entwicklung der italienischen Geschichtswissenschaft, die allein in den letzten 15 Jahren circa 2.300 Monographien zum faschistischen Regime hervorgebracht hat. Eine neue Generation von Historikern sei in Italien am Werk, die sich mit deutschen Ansätzen der vergleichenden Faschismusforschung seit Wolfgang Schieder auseinandersetze. Sie korrigiere das übermächtige Werk Renzo De Felices und dessen „Normalisierung“ des Faschismus, indem sie etwa das Thema Gewalt stärker betone. Dennoch fehle dem Großteil der italienischen Forschung nach wie vor der vergleichende Blick. Das gelte auch für die Bereiche Kunst und Architektur zur Propaganda und Erziehung des neuen faschistischen Menschen oder für den Themenkomplex Kolonialismus und italienische Romanisierung.

PATRIZIA DOGLIANI (Bologna) hingegen reflektierte über den Beitrag der deutschen Historiographie zum italienischen Faschismus. Während im angelsächsischen Raum der Fokus auf den Gründen und den Ursprüngen des Faschismus gelegen habe, seien schon in den 1970er-Jahren wegweisende komparative Studien aus der Feder von Jens Petersen zur faschistischen Gewalt oder von Wolfgang Schieder zum Faschismus als sozialer Bewegung entstanden. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen seien jedoch weder die Verflechtungen des italienischen Faschismus mit dem deutschen Nationalsozialismus noch die sozialgeschichtliche Perspektive mit Themen wie Frauen, Jugend, Sport oder dem ideologischen Gebrauch der Vergangenheit in historischen Studien berücksichtigt worden.

Im wunderschönen Tierananatomischen Theater der Humboldt-Universität brachte HARALD ROSENBACH (Bonn) seine Freude über das Doppeljubiläum zum Ausdruck. Die Max Weber Stiftung habe auch reichlich Grund zum Mitfeiern, denn die Stiftung würde es in der heutigen Form ohne die Akteure der Arbeitsgemeinschaft für die Neueste Geschichte Italiens nicht geben. Die Personifikation schlechthin dieser Symbiose sei Wolfgang Schieder, der über 20 Jahre dem wissenschaftlichen Beirat des DHI Rom angehört habe und 2002 zum ersten Stiftungsratsvorsitzenden der neu gegründeten DGIA berufen worden sei. In dieser Eigenschaft habe Schieder maßgeblich dazu beigetragen, dass die DGIA-Institute ihre wissenschaftliche Eigenständigkeit behalten hätten und dass neue Institute wie das DHI Moskau, das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris oder das Orient-Institut in Istanbul entstanden seien.

In seinem Festvortrag unternahm CHRISTOF DIPPER (Darmstadt) den Versuch, mittels durch Erfahrung, Sprache und Diskurse zustande gekommene Ordnungsmuster die deutsche und italienische Geschichte der vergangenen 250 Jahre abseits von den üblichen „Fallen“ der Parallelgeschichte, der Rückständigkeit oder des Modells zu beschreiben. Er operationalisierte sein Vorgehen anhand dreier „Sattelzeiten“: erstens Nationalstaat und Moderne, zweitens Faschismus und Moderne und drittens die postmoderne Moderne. Dabei hielt er für die erste Kulturschwelle fest, dass die These der Parallelgeschichte für Deutschland und Italien ziemlich wertlos sei angesichts der südlich der Alpen dominierenden Orientierungsrolle Frankreichs. In Bezug auf Faschismus und Nationalsozialismus hingegen könne man zwar beide Regime als „Beschleunigungsdiktaturen“ auffassen; während Mussolini den italienischen Faschismus aber explizit als Spielart der Moderne verstanden habe, habe Hitler der Moderne und der modernen Kunst den Kampf angesagt. Hinsichtlich der Postmoderne beobachtete Dipper, wie seit der neoliberalen Wende der 1990er-Jahre die Unterschiede zwischen Italien und Deutschland wieder als deutlich größer empfunden würden. Er fragte allerdings kritisch, ob die Parameter von Freiheit und Nachhaltigkeit wirklich immer so zuträfen und man vielleicht sogar von einem „südeuropäischen Kulturraum“ sprechen sollte. Immerhin habe die Slow-Food-Bewegung ihre Wurzeln im Piemont und sei Italien Weltmarktführer des guten Geschmacks.

Auch 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer versuchten sich Historiker, Politologen und andere Kulturwissenschaftler daran zu definieren, was unter Antifaschismus zu verstehen sei, so JENS SPÄTH (Saarbrücken). Er zeichnete, ausgehend von Italien und Deutschland, einige große Themenfelder der Antifaschismus-Forschung der vergangenen vier Jahrzehnte nach und blickte zunächst auf die nationalen Studien in den Ursprungsländern von Faschismus und Nationalsozialismus sowie in Frankreich. Analog zur vergleichenden Faschismusforschung Wolfgang Schieders habe auch eine Untersuchung der Gegenbewegung vor allem seit 2000 komparative Arbeiten hervorgebracht. In jüngster Zeit vermehrten sich schließlich transnational operierende Ansätze, deren Ergebnisse hoffentlich die seit Jacques Droz‘ einschlägiger Synthese von 1985 bestehende Lücke auf diesem Gebiet schließen könnten.

STEFANO CAVAZZA (Bologna) skizzierte die Entwicklung der politischen Kulturen in Italien vom liberalen Zeitalter bis heute. Dabei hielt er zunächst fest, dass die Geschichte der politischen Kulturen immer die Identitätsfrage stelle. Dementsprechend sei die italienische politische Geschichte stets nach Parteizugehörigkeit erzählt worden. Seit dem Zusammenbruch der Ersten Republik in den 1990er-Jahren sei eine Explosion der politischen Kulturen festzustellen, was die Zeitgeschichtsforschung deutlich erschwere und populistischen Bewegungen großen Zulauf beschere. Der bestehenden Krise mit dem Bedeutungsverlust der Parteien, fehlenden Bezügen zwischen Politik und Zivilgesellschaft und einem wachsenden Klientelismus könne die historische Forschung neue Interpretationen entgegensetzen, wenn sie Themen wie die Delegitimierung von Politikern und politischen Systemen, die Neudefinition von Leadership und sozialen Netzwerken und die politische Kommunikation stärker berücksichtige.

Tendenzen und Leerstellen der deutschsprachigen Italienforschung zu Krieg und Militär in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm MALTE KÖNIG (Frankfurt am Main) in den Blick. Er zeigte, dass die Konzentration der deutschsprachigen Geschichtsschreibung den deutsch-italienischen Beziehungen oder den Auswirkungen italienischer Ereignisse auf Deutschland und Österreich gegolten habe. Dabei hätten die Studien schwerpunktmäßig den Zweiten Weltkrieg behandelt, während der Erste Weltkrieg erst seit der Jahrtausendwende stärkere Berücksichtigung gefunden habe. Zunächst seien immer die Operations- und Politikgeschichte aufgearbeitet worden, ehe Themen aus der Sozial-, Rechts-, Mentalitäts- oder Erinnerungsgeschichte gefolgt seien. Insgesamt hätten häufig Literaturberichte und Übersetzungen aus dem Italienischen neue Arbeitsfelder eröffnet.

ROBERTO SALA (Basel) begann seinen Vortrag über die Bipolarität des deutschen Italienbildes in der Moderne mit einem kurzen Überblick über die zentralen Studien zum Thema von Theodor Schieder über Wolfgang Altgeld bis zu Jens Petersen, in denen stets die Vorbildfrage bzw. die Topoi der Rückständigkeit versus Innovation angesprochen worden seien. Eine Welle positiver wie negativer Stereotype sei mit den italienischen Gastarbeitern in Deutschland entstanden und hätte etwa alle Italiener zu Gastronomen stilisiert. Sala unterschied ein politisches, ein populäres und ein literarisches Italienbild, wobei letzteres im allgemeinen Bewusstsein oft nur eine Randnotiz wert sei. Insgesamt seien Exotisierung einerseits und widersprüchliche Verherrlichung andererseits in ihrer parallelen Entwicklung als normale Folie für politische Brüche zu verstehen.

Den weit verbreiteten Topos Italiens und Deutschlands als „verspätete Nationen“ unterzog CHRISTIAN JANSEN (Trier) einer kritischen Überprüfung, indem er verschiedene Entwicklungspfade der Nationsbildung im Europa des 19. Jahrhunderts unterschied. Genauer ging er auf das französische Beispiel als Idealtypus eines politischen Nationalismus ein und verglich diesen dann mit dem Risorgimento und der deutschen Reichsgründung. Hierbei stellte er höchst unterschiedliche Rahmenbedingungen beider Nationalstaatsgründungen fest. Zwar habe der Nationalismus als soziale Bewegung in beiden Ländern einen imperialen und expansiven Charakter angenommen, doch könne man wiederum eine Reihe von Unterschieden in Bezug auf politische Prägung, Machtorientierung, Organisation, Massenbeteiligung und Vorfeldorganisationen beobachten. Insgesamt seien die Nationsbildungen in Deutschland und Italien anders verlaufen als geplant, erst die Historiker hätten die viel zitierte Linearität verliehen. Viel wichtiger als der Topos der Verspätung sei aber die Machtorientierung der Nationalstaatsgründer.

RUTH NATTERMANN (München/Rom) stellte jüdische Aktivistinnen der frühen italienischen Frauenbewegung in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Sie untersuchte anhand von Biographien, Diskursen und Vernetzungen zwischen der Ausweitung der gesetzlichen Judenemanzipation auf Gesamtitalien 1861 und der faschistischen Machtübernahme 1922 Möglichkeiten und Grenzen der Integration in den italienischen Nationalstaat. Zugleich hinterfragte sie das traditionelle Narrativ einer auf allen Ebenen gelungenen Integration der jüdischen Minderheit in die italienische Gesellschaft und des scheinbar abrupten Endes der „Erfolgsgeschichte“ im Jahr 1938. Dabei konstatierte sie, dass auch die Geschichtswissenschaft die Herausbildung säkularer jüdischer Identitäten, die Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Aktivistinnen und die irredentistische Positionierung italienischer Jüdinnen während des ersten Weltkriegs lange vernachlässigt habe.

Warum man nicht von einer Bindestrichkultur sprechen könne, wenn man die deutsche und die italienische Erinnerungskultur seit 1945 in den Blick nehme, erläuterte CHRISTOPH CORNELIßEN (Frankfurt am Main). Ausgehend von der Empfehlung der deutsch-italienischen Historikerkommission aus dem Jahr 2012, die Erlebnisse der Zeitgenossen aus dem Zweiten Weltkrieg „erfahrungsgeschichtlich“ aufzuarbeiten, verwies er auf einige grundsätzliche Probleme: Erstens könnten Historiker allein keine Erinnerungskulturen machen. Zweitens gebe es im deutsch-italienischen Fall trotz der eng verflochtenen Vorgeschichte angesichts beträchtlicher Asymmetrien keine gemeinsame Erinnerungskultur. Zu diesen Asymmetrien zähle drittens eine einseitige Instrumentalisierung von Opfern und Helden. Viertens vollziehe sich ein Wandel in Erinnerungskulturen durch Anstöße von außen, und fünftens hätte das Ende der Meistererzählung 1989/90 eine Explosion öffentlicher Debatten nach sich gezogen, in denen Bindestrichkulturen als eher linke Projekte rechtspopulistischen nationalen Erinnerungskulturen entgegenstünden.

CHRISTOPH NONN (Düsseldorf) beschäftigte sich mit Generationen von Historikern und Generationskonflikten, die in Deutschland und Italien häufig Diskussionen um Nationalsozialismus und Faschismus entsprungen sind. Exemplarisch behandelte er den transnationalen Generationenkonflikt in den frühen 1960er-Jahren zwischen jungen Mitarbeitern und Stipendiaten des DHI Rom und dem Herausgeber der Historischen Zeitschrift Theodor Schieder um eine Rezension aus der Feder des früheren Nationalsozialisten Hellmuth Rößler. Während Schieder als Vertreter der älteren Generation alle Angriffe abgeblockt habe, sei der Protest von der Generation der 45er um Rosario Romeo, Giuseppe Galasso, Rudolf Lill, Dieter Albrecht, Peter Herde und anderen ausgegangen, die zwar damals nicht über das 20. Jahrhundert gearbeitet hätten, später nach ihrer Berufung allerdings schon.

Italienisch-deutsche Kulturtransferprozesse im langen 19. Jahrhundert präsentierte GABRIELE B. CLEMENS (Saarbrücken) an den Beispielen des Wissenstransfers in den Geisteswissenschaften und des Kunstmarkts. Bei beiden Fällen handele es sich um asymmetrische Transferprozesse: Während beim Wissenschaftstransfer die Impulse von der dominierenden deutschen Wissenschaft ausgegangen seien, habe Italien als Projektionsfläche für Heerscharen deutscher Künstler, aber auch als Lieferant für begehrte Kunstgegenstände aller Art gedient. Da letzteres Phänomen im ausgehenden Drittel des 19. Jahrhunderts immer größere Dimensionen erreicht habe, könne man Italien sogar als Opfer dieses Transfers bezeichnen. Schließlich hätten Öffentlichkeit und Kultusministerien den Verlust kultureller Güter während des gesamten Zeitraums diskutiert und beklagt.

Nachdem JÜRGEN KOCKA (Berlin), RAINER HUDEMANN (Paris/Saarbrücken), REINHARD RÜRUP (Berlin) und STEFANO CAVAZZA (Bologna) den Jubilar als Sozialhistoriker, Hochschullehrer, Kollegen und aus der Sicht der italienischen Historikerinnen und Historiker gewürdigt hatten, ergriff WOLFGANG SCHIEDER (Göttingen) selbst das Wort und ließ zunächst seine anfänglichen Erfahrungen mit der italienischen Geschichte bis zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft im Jahr 1974 mit Jens Petersen Revue passieren. Anschließend machte er einige zusammenfassende Anmerkungen zur Tagung: Es sei deren Verdienst, den Diskurs über Nation, Vergleich und Transfer, Kultur-, Politik- und Sozialgeschichte neu betrachtet zu haben. Transferforschung müsse aber immer auf nationalen Geschichten aufliegen; der lebendige Austausch deutscher und italienischer Historiker sei dabei unentbehrlich, weshalb er den anwesenden italienischen Kolleginnen und Kollegen seinen besonderen Dank aussprach. Eine Sozialisierung aus europäischen Blicken habe sich einmal mehr als große Bereicherung erwiesen. Warum Deutsche Interesse an italienischer Zeitgeschichte hätten, läge daran, dass man durch vergleichende Blicke weg von der nationalen Sonderwegsdebatte wolle. In Italien hingegen habe Renzo De Felice durch ein solches Vorgehen sein Lebenswerk in Gefahr gesehen und versucht, jeden Vergleich des italienischen Faschismus mit dem Nationalsozialismus zu vermeiden. Entsprechend gespalten seien die Erinnerungskulturen in Deutschland und Italien mit durchaus ähnlich gelagerten Historikerstreiten. Mit dem Dank des Geehrten an alle Anwesenden und Organisatoren ging die Jubiläumstagung zu Ende.

Konferenzübersicht:

Gabriele B. Clemens (Saarbrücken), Begrüßung

Martin Baumeister (Rom), Begrüßung

Sektionsleitung: Martin Baumeister (Rom)

Thomas Kroll (Jena), Eliten im 19. und 20. Jahrhundert

Marco Meriggi (Neapel), Das lange 19. Jahrhundert: Verwaltung und Verfassung in Italien vor und nach der Einheit

Lutz Klinkhammer (Rom), Tendenzen der Forschung zum italienischen Faschismus

Patrizia Dogliani (Bologna), Der Beitrag der deutschen Geschichtsschreibung zum Studium und zum Verständnis des italienischen Faschismus

Harald Rosenbach (Bonn), Grußwort

Christof Dipper (Darmstadt), Varianten der Moderne: Italien und Deutschland

Sektionsleitung: Jürgen Kocka (Berlin)

Jens Späth (Saarbrücken), Antifaschismus in Europa von Mussolini bis Berlusconi und Le Pen.

Stefano Cavazza (Bologna), Politische Kulturen in Italien vom liberalen Zeitalter bis heute

Malte König (Frankfurt am Main), Krieg und Militär in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Tendenzen der deutschsprachigen Italienforschung 1975-2015

Sektionsleitung: Rainer Hudemann (Saarbrücken/Paris)

Roberto Sala (Basel), Hölle und Paradies. Die Bipolarität des deutschen Italienbildes in der Moderne

Ruth Nattermann (München/Rom), Emanzipation, Integration, Abgrenzung. Jüdische Frauen in Italien zwischen Risorgimento und Faschismus

Christian Jansen (Trier), Italien und Deutschland als „verspätete“ Nationen? Problematik, Erklärungskraft und Weiterentwicklung eines populären historischen Topos

Sektionsleitung: Reinhard Rürup (Berlin)

Christoph Cornelißen (Frankfurt am Main), Deutsche und italienische Erinnerungskulturen seit 1945 – eine Verflechtungsgeschichte?

Christoph Nonn (Düsseldorf), Generationen von Historikern und Generationenkonflikte

Gabriele B. Clemens (Saarbrücken), Italienisch-deutsche Kulturtransferprozesse im langen 19. Jahrhundert

Wolfgang Schieder (Göttingen), Dank

Anmerkung:
1 Wolfgang Schieder, Der italienische Faschismus 1919-1945, München 2010; ders., Mythos Mussolini: Deutsche in Audienz beim Duce, München 2013; ders., Benito Mussolini, München 2014.


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