Groß Bauen. Großbaustellen von der Antike bis zur Gegenwart

Groß Bauen. Großbaustellen von der Antike bis zur Gegenwart

Organisatoren
DFG-Graduiertenkolleg 1913 „Kulturelle und technische Werte historischer Bauten“, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg; Exzellenzcluster TOPOI, Freie Universität Berlin / Humboldt-Universität Berlin
Ort
Berlin / Cottbus
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.10.2015 - 30.10.2015
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Von
Christoph Baier, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg

Großbauten sind technische Meisterwerke, deren Errichtung einen hohen logistischen Aufwand, technisches Knowhow, gleichzeitig aber auch gesellschaftlichen Konsens erfordern. Trotz ihres innovativen Charakters und symbolischen Wertes sind Großbaustellen in der Gegenwart in deutlichen Misskredit geraten. Zu teuer, vielfach unzureichend koordiniert und mit überzogenen politischen Erwartungshaltungen überladen, so werden viele der bekannten Großbauvorhaben wie der Berliner Flughafen BER oder Stuttgart 21 in der Öffentlichkeit diskutiert.

Dies ist nicht erst in der Gegenwart so, wie etwa die über 600-jährige Bauzeit des Kölner Doms zeigt. Fragmente großer Bauten, wie der Turmstumpf des Doms mit dem mittelalterlichen Baukran, prägten das Bild historischer Städte und Landschaften über Jahrhunderte, ohne dass die Bauten je fertig gestellt wurden. Beispiele für Verzögerungen und Probleme bei Großbauvorhaben von der Antike bis in die Neuzeit sind zahlreich. Umso überraschender ist, dass es bisher kaum übergreifende und vergleichende Analysen zur Geschichte und gesellschaftlichen Bedeutung der Großbaustelle gibt. Das in Kooperation zwischen der Forschergruppe „XXL – Monumentales Wissen“ des Exzellenzclusters TOPOI und dem DFG-Graduiertenkolleg „Kulturelle und technische Werte historischer Bauten“ an der BTU Cottbus-Senftenberg organisierte Querschnittskolloquium „Groß Bauen. Großbaustellen von der Antike bis zur Gegenwart“ griff diesen Umstand auf und diskutierte anhand von Fallbeispielen aus unterschiedlichen zeitlichen und regionalen Kontexten die kulturelle und technische Bedeutung unfertiger Großbauwerke im oft langen Zeitraum ihrer Entstehung sowie deren sich wandelnde gesellschaftliche Rezeption.

Die Eröffnungsveranstaltung in der Heilig-Geist-Kapelle der Humboldt-Universität zu Berlin verdeutlichte gleich zu Beginn der Tagung die verschiedenen Zugriffe auf dieses Thema. Während KLAUS RHEIDT (Cottbus) nach der Begrüßung durch die Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts Friederike Fless in seiner Einführung die Analogien zwischen historischen und gegenwärtigen Problemlagen beim „Großen Bauen“ hervorhob, zielte der Festvortrag des Schweizer Publizisten JÜRGEN LAUBER (Courgevaux) auf eine Generalkritik des Systems öffentlichen Bauens in der Bundesrepublik, die dabei aber wenig Einblick in die Welt heutiger Großbaustellen gewährte.

Die erste Sektion der Tagung widmete sich der Entwicklung bautechnischer Neuerungen und arbeitsorganisatorischer Fortschritte im Rahmen monumentaler Bauprojekte. Mit seinem Vortrag zum mörtellosen Bauen im Ägypten der Spätzeit veranschaulichte MAX BEIERSDORF (Cottbus) am Beispiel der Umfassungsmauer des Sonnentempels von Heliopolis die Vorteile der Konstruktionsweise in abwechselnd konkaven und konvexen Segmenten. Die wellenförmigen Ziegellagen, denen in Querrichtung der Mauer eine Gegenkrümmung entsprach, gewährleisteten zum einen ein hohes Maß an Standsicherheit bei Horizontalkräften und brachten zum anderen bereits während des Bauvorgangs Vorspannung in die Konstruktion. Somit konnte im Binnenmauerwerk auf die Verwendung von Lehmmörtel verzichtet, und durch die Einteilung der Mauer in abwechselnd hochgezogene Segmente der Bauprozess beschleunigt werden.

EVELYNE BUKOWIECKI (Rom) und ULRIKE WULF-RHEIDT (Berlin) hoben in ihrem Beitrag die logistische Meisterleistung bei der Errichtung der stadtrömischen Paläste der Kaiserzeit auf dem Palatin hervor, die innerhalb relativ kurzer Zeitspannen errichtet wurden. Diese kurzen Bauzeiten konnten nur dank einer Standardisierung des Baumaterials Ziegel und seiner quasi-industriellen, monopolisierten Herstellung erreicht werden. Die dadurch erwirkte Vereinheitlichung der Bauvorgänge beschleunigte den Baufortschritt und war logistisch von großem Vorteil. Eine Kalkulation des eingesetzten Baumaterials und eine Rekonstruktion seines Transportwegs verdeutlichten außerdem, in welchem Ausmaß diese und ähnliche Großbaustellen die Infrastruktur im antiken Rom herausforderten.

Der Vortrag von WERNER LORENZ (Cottbus) beleuchtete daraufhin die Rolle eines anderen Baustoffs in seiner Bedeutung für den Wiederaufbau des Eremitage-Komplexes in St. Petersburg in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach dem verheerenden Brand des Winterpalastes im Dezember 1837 wurden in sämtlichen Gebäuden des Eremitage-Komplexes die traditionellen Tragwerke durch vermeintlich feuersichere Eisenkonstruktionen ersetzt. Auch die ab 1842 errichtete Neue Eremitage erhielt eiserne Dach- und Deckentragwerke. Das in kurzer Zeit realisierte Großprojekt gab der Entwicklung der neuen Konstruktionssprache des Stahlbaus einen gewaltigen Schub. An ausgewählten Beispielen präsentierte der Vortrag eindrucksvoll die fortschreitende Entwicklung von Kompetenz in der Verwendung des Baumaterials Eisen. Erfahrungen und Versuchsserien während des Baus bewirkten, dass die Großbaustelle faktisch den Charakter eines Real-Labors für die Entwicklung und Effektivierung von Tragwerken und Konstruktionsdetails hatte. Dies führte zur Entwicklung einer Vielzahl an modulhaft aufgebauten Konstruktionsvarianten und zu einer Optimierung der Bauabläufe.

Mit grundlegenden Überlegungen zu Organisation, Logistik und Infrastruktur einer Großbaustelle befassten sich die Vorträge der folgenden zweiteiligen Sektion. LAURA WEIS (Cottbus) diskutierte die bislang nur unzulänglich untersuchten wassertechnischen Bauten der Nabatäer im heutigen Jordanien unter der Frage, ob die nabatäische Wassertechnik als eine Adaption der besten Ingenieursleistungen benachbarter Kulturen an die geologisch-geographischen Gegebenheiten einer ariden Landschaft charakterisiert werden kann. Anschaulich konnte sie zeigen, wie das wohl binnen etwa 100 Jahren errichtete Wasserversorgungssystem der Karawanenstadt Petra eine permanente Großbaustelle darstellte.

HENNING BURWITZ (Cottbus) stellte daraufhin neue Überlegungen zur Rekonstruktion des Hadrian-Tempels von Kyzikos vor. Seine Kombination von Informationen aus der antiken Literatur mit dem erhaltenen Baubefund bildete die Grundlage für eine neue Idealrekonstruktion der aufgehenden Architektur.

JENS RÜFFER (Bern) gab daraufhin einen quellenbasierten Überblick zur Organisationsstruktur und zum Bauablauf hoch- und spätmittelalterlicher Großbaustellen. Unterschiedliche Schrift- und Bildquellen sowie Werkrisse und Reißböden bezeugen einen qualitativen Umbruch im Baubetrieb zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Dabei gingen bautechnische Innovationen mit der Entwicklung neuer Organisationsstrukturen einher. Im Zuge dieser Veränderungen entwickelte sich auch das Berufsbild des Baumeisters vom Steinmetz hin zum Bauunternehmer, der mehrere Baustellen gleichzeitig betreuen konnte.

GERHARD SÄLTER (Berlin) stellte daraufhin den Bau der Berliner Mauer als längstes Großprojekt des ostdeutschen Plansozialismus dar. Dabei stand das komplexe Wechselspiel zwischen den politisch-ideologischen Rahmenbedingung und der Planung und Umsetzung der Baumaßnahmen im Fokus der Präsentation. Die im August 1961 errichtete Grenze hatte zunächst stark provisorischen Charakter. Eine Vielzahl an kleinteiligen Maßnahmen wurde von örtlichen Offizieren geplant. Vereinheitlicht wurde der Bauzustand der Mauer erst in einer zentral geplanten zweiten Phase ab 1965. Durchgängig entstand nun ein nach beiden Seiten geschlossener Grenzstreifen mit standardisierten Sperrelementen. Ab 1974 begannen schließlich die Arbeiten an einer dauerhaft konzipierten Befestigung, die Effizienz mit Ästhetik verbinden sollte.

Einen überzeugenden Versuch, die Monumentalität von Großbauprojekten des Neu-Sumerischen Staates im ausgehenden 3. Jahrtausend v. Chr. zu quantifizieren, präsentierte der Vortrag von HAGAN BRUNKE (Berlin) im zweiten Teil der Sektion. Mathematische Berechnungen und administrative Dokumente aus der Zeit der III. Dynastie von Ur gestatten es, die erforderlichen personalen Arbeitsleistungen bei der Errichtung großer Baukomplexe (z.B. der Zikkurat von Uruk) zu benennen und die damit verbundenen Kosten abzuschätzen. Als Ergebnis der Berechnungen zeigte sich, dass die Kosten für den Ziegel-Rohbau der Zikkurat gemessen am Produktionsaufkommen der neu-sumerischen Gesellschaft überraschend niedrig waren.

Mit schriftlichen Quellen zu Bauprozessen im Altertum befasste sich daraufhin auch SEBASTIAN PRIGNITZ (Berlin). Er präsentierte eine Inschrift aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., die nahe des antiken Ortes Tegea in Arkadien gefunden wurde und Regularien zur Errichtung sakraler und öffentlicher Bauten festhält. Das im Text als „generelle Regelung“ (κοινὰ σύγγραφος) bezeichnete Dokument, von dem wohl nur etwa die Hälfte erhalten ist, liefert aufschlussreiche Hinweise dazu, welche Bedingungen für Verträge zwischen der Polis Tegea und den Bauunternehmern galten, die einen Bauauftrag übernahmen. Die Inschrift bietet Einblick in wechselseitige Pflichten und Rechte, gibt Informationen zu Vertragsstrafen bei Verstößen und nennt die zuständigen Kommissionen und Gremien.

Der gebauten Architektur als Informationsquelle zu antiken Großbaustellen bediente sich DANIEL LOHMANN (Aachen) in seinem Vortrag zur Planungs- und Baugeschichte des antiken Jupiterheiligtums von Heliopolis/ Baalbek im heutigen Libanon. Anhand der kolossalen Mauerquader des frühkaiserzeitlichen Tempelpodiums, deren Gewicht etwa tausend Tonnen betrug, thematisierte er zum einen die praktischen Herausforderungen des Bauprozesses. Zum anderen deutete er den Megalithismus als absichtsvolles gestalterisches Mittel zur Inszenierung von Größe und Macht des römischen Staates. Die monumentalen Dimensionen des Tempels wurden auch durch eine gezielte Gestaltung der Freiflächen und die Herstellung geometrischer Bezüge zwischen den einzelnen Baukörpern inszeniert. Von Seiten der computergestützten Visualisierung bauarchäologischer Forschungsergebnisse näherten sich DOMINIK LENGYEL und CATHERINE TOULOUSE (beide Cottbus) dem Jupiterheiligtum von Baalbek. Im konkreten Fall bedeutete die Großbaustelle nicht nur durch den bloßen Umfang des Bauvorhabens eine besondere logistische Herausforderung sondern auch durch das Nebeneinander von Baustellen- und Kultbetrieb.

Abschließend betrachtete RAINER ATZBACH (Aarhus) aus archäologischer und bauhistorischer Sicht die mittelalterliche Burg als Baustelle. Aufgrund ihrer vielschichtigen praktischen aber auch symbolischen Funktionen stellte die Burg die mit Abstand komplexeste Bauaufgabe des Mittelalters dar, die eine einzelne Familie oder Person verantwortete. In einem ausgewogenen Überblick wurden die wichtigsten Aspekte des Burgenbaus vorgeführt, wie die Wahl des geeigneten Bauplatzes, Motivationen für Standortverlagerungen oder Probleme und Lösungen der Bauplanung und Bauausführung.

In einem breiten zeitlichen und räumlichen Querschnitt widmete sich die folgende Sektion am zweiten Tag der Großbaustelle als Prestigeobjekt. DOMINIK MASCHEK (Birmingham) stellte neue Überlegungen zu monumentalen Terrassenheiligtümern im spätrepublikanischen Mittelitalien vor und richtete dabei den Fokus auf die modellhafte Ermittlung des Bauaufwands für diese Großprojekte. Die vorgestellte Analysemethode beruht zum einen auf einer Rekonstruktion der Bauvolumina und der nötigen Werkprozesse. Zum anderen fußt sie in Ermangelung entsprechender antiker Quellen auf quantitativen Informationen zum Bauaufwand einzelner Arbeitsschritte aus vorindustriellen Bauhandbüchern des 19. Jahrhunderts.

Anschließend diskutierte KLAUS RHEIDT (Cottbus) die unterschiedlichen Phasen des Baufortschritts an der mittelalterlichen Kathedrale von Santiago de Compostela. Anhand der wechselvollen Baugeschichte der Kathedrale zwischen der Mitte des 11. und dem beginnenden 13. Jahrhundert wurde vorgeführt, dass der erfolgreiche Abschluss einer mittelalterlichen Großbaustelle nicht nur von der Lösung erheblicher bautechnischer, logistischer und wirtschaftlicher Probleme, sondern auch wesentlich vom Konsens der am Bau beteiligten Akteure und Institutionen abhängig war. Die ausgezeichnete Quellenlage erlaubt einen besonderen Blick auf die Geschichte dieses mittelalterlichen Großbauprojekts, durch den vor allem das Spannungsfeld zwischen dem Prestigestreben der Bauherren und dem Protest der vom Baubetrieb betroffenen Bevölkerungsteile und Institutionen deutlich zutage tritt.

Im Fortgang der Sektion analysierte C. JULIUS REINSBERG (Frankfurt am Main) den Bau der Moskauer Metro als propagandistisches Großereignis. Einem Mangel an Knowhow, Werkzeug und Spezialisten auf den Baustellen stand der Mythos der Großbaustelle als Schmiede einer neuen Gesellschaft gegenüber. Der Bau der Moskauer Metro geriet somit zu einem machtpolitischen Instrument zur Durchsetzung einer neuen staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung und stand sinnbildlich für die inselhaften Prestigeprojekte des Stalinismus.

Den sozialistischen Städtebau reflektierten in der Folge auch FELIX RICHTER und KATHARINA SEBOLD (beide Cottbus) am Beispiel der Städte Hoyerswerda und Greifswald. Im Zentrum ihrer gemeinsamen Betrachtungen stand das Spannungsverhältnis zwischen Bedeutungsprojektion und Bedeutungsverlust im Städtebau der DDR. Inszeniert wurde das Großbauvorhaben „Hoyerswerda“ als prestigeträchtiges Vorzeigeprojekt für den Einsatz neuer industrieller Konstruktionsmethoden. Die Umgestaltung der Innenstadt von Greifswald ab den ausgehenden 1960er-Jahren stand im Gegensatz dazu für den Versuch einer Anpassung an historische Raumgefüge und Architekturformen.

Abschließend befasste sich VERENA PFEIFFER-KLOSS (Cottbus) mit dem U-Bahn-Bau in West-Berlin zwischen 1952 und 1994 und verdeutlichte in ihrem Vortrag die großen Ansprüche und den politische Prestigecharakter der Verkehrsplanung in der Teilstadt. So sollte die U-Bahn zum einen ihre verkehrstechnische Unabhängigkeit garantieren und Arbeitsplätze schaffen, zum anderen aber auch ein Symbol der politischen Freiheit und des westlichen Wohlstandes darstellen.

Nach einer Exkursion in den Fürst-Pückler-Park Branitz, in der Parkleiter CLAUDIUS WECKE (Cottbus) den Tagungsteilnehmern anschaulich die Entstehung des Gartenkunstwerks vor Augen führte, stand in der abschließenden Sektion das Thema „Bauprogramm und Realität“ im Mittelpunkt. FELIX LEVENSON und SEBASTIAN HAGENEUER (beide Berlin) stellten dazu das aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. stammende Steinstiftgebäude aus Uruk vor, dessen Machart im Orient einzigartig ist, weil es sich im Unterschied zu den ansonsten in Südmesopotamien üblichen Lehmbauten der späten Urukzeit um Steinarchitektur mit hoher Detailgenauigkeit handelt. Diese durch technologische Finessen und konstruktive Innovationen charakterisierte Bauweise wurde wohl aufgrund des hohen Gewichts der Konstruktion nie wiederholt.

Der Vortrag von CATHARINE HOF (Berlin) führte in die oströmische Pilger- und Handelsmetropole Sergiupolis/ Resafa und diskutierte die Baustellenorganisation an der Stadtmauer, deren Errichtung den groß angelegten Ausbau der Stadt im frühen 6. Jahrhundert n. Chr. begleitete. Anhand baulicher Merkmale konnten ein Großteil der Baulose sowie einzelne wiederholt auftretende Werkgruppen identifiziert sowie Kalkulationen zur Dauer der Bauarbeiten angestellt werden.

Im Anschluss daran stellte MIGUEL TAÍN GUZMÁN (Cottbus/ Santiago de Compostela) die beeindruckenden barocken Baumaßnahmen am Kathedral-Bezirk von Santiago de Compostela ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor. Die mannigfaltigen, szenografisch anmutenden Arbeiten am Außenbau, die in einem Zeitraum von etwa einhundert Jahren durchgeführt wurden, fanden im Inneren der Kathedrale kaum Entsprechung. Lediglich die Capilla mayor erfuhr eine ausführliche barocke Umgestaltung.

Den gegenwärtigen Umgang mit einem als schwierig zu bezeichnenden Bauerbe thematisierte der Vortrag von PABLO ARBOLÉDA (Weimar). Er betrachtete eine große Gruppe an Bauten der sizilianischen Nachkriegszeit, deren Errichtung begonnen, jedoch aus politischen, wirtschaftlichen oder bautechnischen Gründen niemals fertiggestellt wurde. Angesichts ihres prägnanten Einflusses auf das Bild der sizilianischen Städte und Landschaften wurden die politischen, ökonomischen und sozialen Gegebenheiten problematisiert, deren fassbares Erbe die Betonruinen darstellen. Zum anderen wurde nach den Möglichkeiten gefragt diese „Nicht-Orte“ in den Lebensraum der sizilianischen Gesellschaft zu integrieren.

Den Abschluss des Kolloquiums bildeten Betrachtungen von WERNER KOGGE (Berlin), der die dargebrachten Tagungsbeiträge zu den Produkten und Prozessen des Groß Bauens in gegenwärtige theoretische Diskussionen einbettete. Dabei stellte er fest, dass das Phänomen der Großbaustelle auf einer Landkarte der aktuellen Theoriebildung nur schwer zu verorten ist. Dennoch konnten Perspektiven für mögliche neue Forschungsansätze eröffnet werden, so zum Beispiel im Theoriefeld der Erinnerungskultur.

Konferenzübersicht:

Sektion 1: Die Großbaustelle als Innovationspool

Max Johann Beiersdorf (Cottbus): Zu hoch gestapelt? Mörtelloses Bauen als Innovation im Ägypten der Spätzeit.

Evelyne Bukowiecki (Rom) / Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin): Ziegel für den Kaiser. Römische Palastbauten als logistische Meisterleistung.

Werner Lorenz (Cottbus): Tüfteln. Testen. Optimieren. Die Stahl-Baustelle Eremitage um 1840.

Sektion 2: Organisation, Logistik, Infrastruktur der Großbaustelle

Laura Weis (Cottbus): Nabatäische Wassertechnik. Eine Großbaustelle innerhalb einer ariden Landschaft.

Henning Burwitz (Cottbus): "… und es gehe über Menschenkraft, es auszuführen." Der Tempel in Kyzikos - ein Großprojekt Hadrians.

Jens Rüffer (Bern): Organisationsstruktur und Bauablauf hoch- und spätmittelalterlicher Großbaustellen.

Gerd Sälter (Berlin): Eine Mauer für Berlin. Planen und Bauen an einem endlosen Großprojekt der DDR.

Hagan Brunke (Berlin): Arbeitsaufwand und Kosten bei Großprojekten in Sumer.

Sebastian Prignitz (Berlin): Die altgriechische Bauvergabeordnung von Tegea in Arkadien.

Daniel Lohmann (Aachen): Superlative baulicher Art: Das antike Jupiterheiligtum Baalbek.

Dominik Lengyel (Cottbus)/Catherine Toulouse (Cottbus): Baalbek als Großbaustelle.

Rainer Atzbach (Aarhus): Die mittelalterliche Burg als Baustelle. Anmerkungen aus archäologischer und bauhistorischer Sicht.

Sektion 3: Großbaustellen als Prestigeobjekte

Dominik Maschek (Birmingham): Großbaustellen in Zeiten der Krise. Neue Überlegungen zu monumentalen Heiligtümern im spätrepublikanischen Mittelitalien.

Klaus Rheidt (Cottbus): Zwischen Prestige und Protest - Die Baustelle der mittelalterlichen Kathedrale von Santiago de Compostela.

C. Julius Reinsberg (Frankfurt a.M.): Helden der Arbeit unter Tage. Der Bau der Moskauer Metro als propagandistisches Großereignis.

Felix Richter (Cottbus) / Katharina Sebold (Cottbus): Vom Prestige ins Abseits? Die Experimental- und Referenzobjekte Hoyerswerda und Greifswald zwischen Bedeutungsprojektion und Bedeutungsverlust im DDR-Städtebau.

Verena Pfeiffer-Kloss (Cottbus): Enge Rahmen groß Bauen. 60km U-Bahn und 62 U-Bahnhöfe für West-Berlin.

Exkursion mit Vortrag im Park Branitz

Claudius Wecke (Cottbus): Von der Großbaustelle zum Gartenkunstwerk. Parkführung durch den Fürst-Pückler-Park Branitz.

Sektion 4: Bauprogramm und Realität

Felix Levenson (Berlin) / Sebastian Hageneuer (Berlin): Das Steinstiftgebäude in Uruk: Ein gescheitertes Experiment?

Catharine Hof (Berlin): Baulos, Werkgruppe und Pensum – Zur Baustellenorganisation an der Stadtmauer von Resafa.

Miguel Tain Guzman (Cottbus/Santiago de Compostela): From Medieval Complexity to Baroque Scenography. The Remodelling of the Cathedral District of Santiago de Compostela.

Pablo Arboléda (Weimar): Incompiuto Siciliano: The Critical Power of a New Kind of Ruins.

Zusammenfassung und Ausblick

Werner Kogge (Berlin): Großbaustellen in der Theorielandschaft. Überlegungen zu möglichen Forschungsansätzen.


Redaktion
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