„Neues aus der Forschung“: Interdisziplinäre Sommerakademie zu Polen, Deutschland und den östlichen Nachbarn

„Neues aus der Forschung“: Interdisziplinäre Sommerakademie zu Polen, Deutschland und den östlichen Nachbarn

Organisatoren
Deutsches Polen-Institut (DPI)
Ort
Darmstadt
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.09.2017 - 10.09.2017
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Von
Lisa Haberkern, Institut für Geschichte, Schlesische Universität in Katowice; Piotr Franz, Europa-Universität Viadrina

Die diesjährige Sommerakademie des Deutschen Polen-Instituts unter dem Titel „Neues aus der Forschung“ wurde am 2.9.2017 durch Peter Oliver Loew, Manfred Mack und Julia Roettjer eröffnet, die die Akademie gemeinsam mit den Praktikantinnen des Instituts Cäcilia Wosnitzka und Freda Juliane Wenzel organisierten.

Der inhaltliche Teil der Sommerakademie wurde durch einen Seminarblock zum Thema „Polen Postkolonial“ von MIRJA LECKE (Bochum) eröffnet. Es wurde der Frage nachgegangen, wie und ob postkoloniale Theorien auf Polen angewandt werden können beziehungsweise wann Polen in der Rolle des Kolonisierten und wann in der des Kolonisators zu verstehen ist. Nach einer praktischen Erarbeitung zu grundsätzlichen Fragestellungen der Postkolonialen Theorie von ihren Ursprüngen hin bis zu der Anwendung auf den Postkommunismus führte Lecke in einem Vortrag unter dem Titel „Von Subalternen und Hybriden, oder: Wie Postkolonial ist die zeitgenössische polnische Literatur?“ in einige Aspekte ihrer Arbeit ein. Für die Betrachtung wurde das Prisma des Samartismus gewählt, mit dem unter Anderem Andrzej Stasiuks „Dojczland“, das lyrische Werk des in der Ukraine geborenen Eugeniusz Takczyszyn-Dyckis und das im magischen Realismus verortete Werk Wiesław Myśliwskis herangezogen. Als wichtige Motive der zeitgenössischen polnischen Literatur nannte Mirja Lecke Gender und Sexualität, die Entdeckung der polnischen Regionen und die Revision der polnischen historischen Meistererzählung. Das Fazit Leckes zu der Anwendbarkeit postkolonialer Theorie auf den postkommunistischen Raum und im Speziellen auf Polen war differenziert und betonte die Stärke des Konzepts in Bezug auf geopolitische Kontexte.

Am darauffolgenden Tag leitete Lecke durch das Vortragsprogramm von sechs NachwuchswissenschaftlernInnen, dessen Anfang LISA HABERKERN (Katowice) machte und ihr Projekt „Oberschlesische Familiengedächtnisse nach dem Zweiten Weltkrieg – Tradierung der familiären Erinnerung an das Arbeitslager Zgoda“ vorstellte. Sie ging der Frage nach, wie Inkongruenz und Diskontinuität innerhalb des Familiengedächtnisses verhandelt werden. Die spezifischen Erfahrungen, die die oberschlesische Bevölkerung während und nach dem Zweiten Weltkrieg machte, können ihrer Ansicht nach ein Lehrbeispiel für die persönlichen Folgen sein, die Mitglieder einzelner Gruppen zu tragen haben, wenn sie zum Spielball von Bevölkerungspolitiken werden. Als Teil einer europäischen Verflechtungsgeschichte könne Oberschlesien und das kulturelle Kapital der oberschlesischen Bevölkerung sowie deren Erinnerung und Interpretation des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit helfen, ähnliche Konstellationen in Geschichte und Gegenwart zu betrachten und nachzuvollziehen.

REBECCA GROßMANN (Köln) stellte ihr Projekt „Erinnern und Vergessen im modernen Europa – Erinnerungsfilme und die Transnationalisierung der Erinnerungskultur in Deutschland und Polen“ vor. Ziel des Projektes sei es, breitenwirksame, transnational kontrovers diskutierte Erinnerungsfilme zu untersuchen, um Verbindungen und Wechselwirkungen zwischen den Erinnerungskulturen in Deutschland und Polen zu identifizieren. Eine plurimediale Analyse ausgewählter Filme aus polnischer, deutscher, bi- sowie multinationaler Produktion aus der ersten Hälfte der 2010er-Jahre, die in Polen, Deutschland und darüber hinaus rezipiert wurden, bilden die Grundlage der Analyse. Eine erste Erkenntnis des Projekts lautete: Filmisch verarbeitete Vergangenheitsbilder werden auf transnationaler Ebene ausgehandelt, sind aber nach wie vor relevant für das Selbstverständnis von Gemeinschaften auf nationaler Ebene.

Anschließend führte ANNA WADZIŃSKA (Warschau) in ihre Arbeit „Die Kreise der polnischen Journalisten in Lemberg 1811-1914“ ein. Sie ging der Frage nach, was den Kreis der polnischen Journalisten in Lemberg auszeichnete und welche Rolle sie im Habsburger Galizien einnahmen. Der Fokus der Untersuchung liege auf der frühen publizistischen Arbeit, der Teilnahme von Journalisten an den Polnischen Aufständen (November- und Januaraufstand), sowie deren Eintreten für demokratische Ideen vor dem Jahr 1848. Den Hintergrund hierfür liefern die Fragen nach der Akkulturation und Assimilation der polnischen Bevölkerung.

MAGDALENA UBYSZ (Mainz / Warschau) präsentierte ihre Studie „Über Wiederholung der Geschichte: Eine Untersuchung der sozialen Zustimmung für die Hassrede gegen Juden und Moslems seitens der polnischen und deutschen Studenten“. Das zugrundeliegende Forschungsdesign besteht aus einer Fragebogenstudie unter polnischen und deutschen Studierenden. Diese geht der Frage nach, wie sich die TeilnehmerInnen zu Aussagen positionieren, die eindeutig als Hassrede einzuordnen sind. Wie sich im Rahmen der Arbeit herausstellte birgt der bi-nationale Vergleich einige Schwierigkeiten, was Magdalena Ubysz unter anderem auf die Political Correctness der deutschen TeilnehmerInnen zurückführt, die sich der Fragestellung zu einem erheblichen Anteil verweigerten.

GABRIELA NITKA (Rzeszów) stellte ihr Projekt zur „Geschichte der deutschen Rechtssprache“ vor und führte durch deren Entwicklungen von den Anfängen der Germanischen Rechtsprache im Ersten Jahrhundert über die volkstümliche „deutsche“ Rechtssprache im 15.-17. Jahrhundert bis hin zur Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches im 20. Jahrhundert. Anhand vielfältiger Beispiele gelang es die Auswirkung der Rechtsprache auf die heutige Alltagssprache zu verdeutlichen, die sich in gängigen Formulierungen und Redewendungen wiederfinden. Die Betrachtung der deutschen Rechtssprache in der longue durée lieferte einen Einblick in die Form und Funktion von Fachsprache sowie deren Zeitgenossenschaft.

ANNA PIOTROWSKA (Krakau) stellte ihr Projekt „Polish German interrelations and influences in the realm of popular music behind the ‘Iron Curtain’” vor. Sie untersuchte, ob und wie Kontakte und musikalische Einflüsse zwischen Polen und dem geteilten Deutschland bestanden. Die Präsentation bezog sich auf Tourneen polnischer Musiker durch die DDR, die zwischen den 1960er- bis 1980er-Jahren stattfanden. Besondere Aufmerksamkeit wird in dieser Arbeit dem Phänomen des Covers zuteil. In der Arbeit werden Analysen sowohl zu den Liedtexten als auch zur Instrumentalisierung in den Fokus gerückt. Das Feld der vergleichenden Analyse populärer Musik die hinter dem „Eisernen Vorhang“ produziert wurde ist laut Anna Piotrowska bisher als Desiderat einzuordnen.

JERZY KOCHANOWSKI (Warschau) eröffnete mit dem Vortrag „Neverending story - Der Umgang mit der sozialistischen Vergangenheit in Polen“ die zweite Sektion der Akademie mit einem Panorama kontradiktorisch scheinender Dynamiken der polnischen Gegenwartsgesellschaft gegenüber seiner sozialistischen Vergangenheit in der VRP. Während sich einerseits das Narrativ des Verrats der Solidarność-Opposition, ihres Deals mit der Parteielite und der fortwährende Einfluss dieser Seilschaften in weiten Kreisen zu manifestieren scheint, bessert sich die öffentliche Meinung bezüglich der VRP, insbesondere aber gegenüber Edward Gierek und seiner Regierungszeit in Umfragen aber kontinuierlich. Die nahezu obsessive Entfernung des sozialistischen Erbes im öffentlichen Raum durch die Umbenennung von Straßen verdeutlichte den Anspruch einer Deutungshoheit auf die Geschichte, wenngleich sich Artefakte des sozialistischen Alltagslebens als Neuauflagen größter Beliebtheit erfreuen. Wie die Aushandlungsprozesse dieser ambivalenten Positionierungen im Lichte der aktuellen politischen Ereignisse zu deuten sind und ob vergleichbare Prozesse nicht auch in anderen postsozialistischen Gesellschaften virulent seien, wurde im Anschluss lebhaft von den AkademieteilnehmerInnen diskutiert.

ALEKSANDRA ŁUCZAK (Frankfurt an der Oder) leitete mit Einblicken in die methodischen Überlegungen zum Umgang mit Bildern in der historischen Diskursanalyse ihres Promotionsprojekts „Die Baustelle der Zukunft. Imaginationen des Warschauer ‚Zentrums-West‘ und dessen Bau als Zeugnis der Geschichte der Volksrepublik Polen in den Jahren 1969-1989“ die Projektpräsentationen der zweiten Sektion ein. Als Kristallisationspunkt verschiedener Deutungs- und Aushandlungsprozesse der VRP fielen Konzeption und Umsetzung des Zentrums-West in einen Zeitraum von hoher gesellschaftlicher und politischer Dynamik, die mitunter am Umdenken in Stadtplanung, Architektur und Denkmalschutz ablesbar sind.

Im Anschluss referierte MARTIN BORKOWSKI-SARUHAN (Göttingen) zu seinem Dissertationsprojekt „Sport im besetzten Oberschlesien während des Zweiten Weltkrieges: Volkstum, Alltag, Eigensinn“. Jenseits der bipolaren Kategorien von Kollaboration und Widerstand verfolgte der alltagsgeschichtliche Ansatz die Identifizierung von Herrschaftspraxis, Besatzungswirklichkeit und transnationaler Ordnungsvorstellung im besetzten Oberschlesien. Mithilfe von Ego-Dokumenten beteiligter Akteure, Oral-History und Archivquellen wurde Sport als zentrales Instrument der Volkstumspolitik vorgestellt.

Es folgte ANNA DOBROWOLSKA (Warschau) mit einer Präsentation zum Thema „Die Prostitutionsfrage und die Sexuelle Revolution in der Volksrepublik Polen in den sechziger Jahren“. Mithilfe analytischer Kategorien wie Emanzipation, Gender, Ausgrenzung, Ideologie und Entartung wird ein institutioneller Diskurs über Prostitution in Archivquellen der Bürgermiliz geführt. Hier soll freigelegt werden, wie der Begriff Prostitution verstanden wurde und wie sich die Prostitutions- und Sexualitätsfrage in Polen im Spiegel der politischen Situation änderten. Übergeordnetes Erkenntnisinteresse ist dabei die Frage, ob sich Parallelen zur Sexuellen Revolution zwischen westlichen Gesellschaften und der Volksrepublik Polen beobachten und rekonstruieren lassen.

Mit einem Vortrag zu „Leopold Caro und das Ressentiment gegen ‚Vermittlung‘. Der Solidarist und Migrationsforscher in einem euroatlantischen Diskurs der Wirtschaftspolitik und Ökonomik, 1889-1939“ stellte DIETER-SEBASTIAN LOTZ (Gießen) seine theoriegeschichtliche Masterthesis vor. Der Lemberger Ökonom, Jurist und Soziologe Leopold Caro galt zu Lebzeiten als einflussreiche Stimme im transnationalen Diskurs um internationale Migration und Kapitalismus. Die Rezeption primär seiner wirtschaftsethischen Standpunkte habe eine sachlich eingebettete Problematisierung seiner volkswirtschaftlichen Auffassungen bislang jedoch marginalisiert. Seine Konzeptionen zur Wirtschaftspolitik und die Ablehnung jeglicher „Vermittlung“ im Wirtschaftsprozess seien im ökonomischen Diskurs der Gegenwart durchaus präsent, wenngleich sie auf mitunter strukturell antisemitischen Ideologemen des konvertierten Juden aus Lemberg fußten.

PIOTR FRANZ (Frankfurt an der Oder) referierte über die „Genese und Evolution der polnischen National-Radikalen im Warschau des 20. Jahrhunderts“, und nahm die lebensweltlichen Stationen der Politisierung und Radikalisierung national-radikaler Akteure der II. RP in Augenschein. Franz stellte die Lebenswelt des (privaten) Bildungswesens der II. RP. vor, um die Charakteristika einer nationalistischen Schulbildung zu identifizieren – hier zeigte sich, dass die Bildungswege National-Radikaler oft nahezu identisch verliefen. Zeitgenössische Diskurse um private Bildungseinrichtungen, Archivquellen und Ego-Dokumente ließen auf ein konsolidiertes, nationalistisches Netzwerk im Bildungswesen der II. RP. schließen; ein Netzwerk, das vorranging privilegierten Söhnen nationalistischer Verantwortungsträger vorbehalten war und bis in die Universitäten hineinwirkte.

Abschließend stellte HANNA KHARLAN (Kiew) ihr Projekt „Moderner Diskurs der Politik des Gedenkens in Polen und der Ukraine“ vor, das im Spannungsfeld zwischen historiographischem und politischem Konflikt nach langfristig wirksamen Modellen zur Aussöhnung und zum Aufbau einer kommemorativen Praxis beider Länder sucht. Durch die fokussierte Aufarbeitung einer gemeinsamen, positiv interpretierbaren Vergangenheit, ließen sich Schritte zum Aufbau eines gemeinsamen Raumes der Verständigung realisieren. Mit Hanna Kharlans Vortrag schloss der von Jerzy Kochanowski betreute Vortragsblock.

SEBASTIAN PŁÓCIENNIK (Warschau) leitete die dritte Sektion ein und referierte zum Thema „Aktuelle Tendenzen in der wirtschaftlichen Integration Europas“. Er lieferte den TeilnehmerInnen einen Überblick über die verschiedenen Stufen der wirtschaftlichen Integration, ging auf aktuelle Entwicklungen in der Eurozone sowie den Brexit ein und leitete von dort zu der Frage nach der allgemeinen Entwicklung der Eurozone sowie der nach Polens Verhältnis zur Gemeinschaftwährung über. Neben der Diskussion der wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen, die der Idee der wirtschaftlichen Integration zugrunde liegen, ging Sebastian Płóciennik auf die Vorschläge der EU-Kommission zur Zukunft der Eurozone ein und bezog die fünf Szenarien auf die polnische Realität. Fragen und Denkanstöße, die sich daraus ergaben, betrafen die voranschreitende Konsolidierung institutioneller Strukturen. Als mögliche Reaktionen Polens auf eine Vertiefung der Eurozone wurde eine Bandbreite von Szenarien von einem beschleunigten Beitritt zur Eurozone über ein Streben nach einem Sonderstatus unter Beibehaltung des Złoty bis hin zur Akzeptanz des Out-Status´ oder einem Austritt aus der EU besprochen.

KAROL CHWEDCZUK-SZULC (Breslau) stellte sein Projekt zum Thema „The Social History of American Federalism – A Handbook for EU's policymakers” in einem Spannungsfeld von Soziologie und Internationalen Beziehungen vor. Der Untersuchung solle eine Vergleichsstudie zum US-Amerikanischen Föderalismus und der EU-Europäischen Integration zu Grunde liegen und der Frage nachgehen, ob der US-Amerikanische Föderalismus als Blaupause für den europäischen Integrationsprozess herangezogen werden kann.

Anschließend präsentierte MAXIMILIAN ZOLL (Darmstadt) unter dem Titel „Die Energietransformation Polens aus der Perspektive des Mehrebenen-Governance-Systems: Erste Erkenntnisse“ sein Dissertationsvorhaben. Er führte mit einem Überblick über die polnische Energiepolitik und das nationale Energiesystem ein, indem er sich auf Geschichte, Gegenwart und zukünftige Entwicklungen bezog und leitete anschließend zu der Frage nach dem politischen System Polens bezüglich der Energie-Governance über. Eine erste Erkenntnis lautete, dass auf den niedrigsten Verwaltungsebenen Anzeichen für eine progressive Agenda bezüglich des Klimaschutzes und erneuerbarer Energien zu verzeichnen seien. Jedoch spiegelten diese nicht die energiepolitische Linie der Regierung wieder, was Fragen nach Austausch und Vermittlung zwischen den verschiedenen Akteuren und nach der Positionierung Polens innerhalb der EU als Verfechter der Kohlekraft aufwarf.

Weiter ging es mit dem Vortrag JAMINA VESTA JUGOS (Göttingen) zu ihrem Projekt „God Help the Girl: The Catholic Church and Prostitution Policy Debates in Poland and the Philippines“. Sie widmete sich der Frage, wie im postkommunistischen Polen und auf den post-millitärdiktatorischen Philippinen die katholische Kirche den Gesetzgebungsprozess bezüglich der Regulierung von Sex-Arbeit zu beeinflussen ersucht oder beeinflusst. Jamina Vesta Jugos Beitrag schloss das Vortragsprogram, durch das Sebastian Płóciennik geleitet hatte.

ALEKSANDRA PARADOWSKA (Breslau) stellte mit ihrem Vortrag „NS-Städtebau und Architektur im Reichsgau Wartheland“ die Phänomene Ordnung und Unordnung als Schlüsselkategorien der architektonischen Stadtbilder im Kontext der deutschen Eroberungspolitik im Osten vor. In der größten aller administrativen Einheiten des Deutschen Reiches, sei im sogenannten Warthegau eine spezifische Gleichzeitigkeit verschiedener Planungskonzepte zu beobachten gewesen, die sowohl Kontinuität zur früheren Kolonisationspolitik bedeutete aber in Form von NS-Städtebau und Architektur zum Zweck einer Aufteilung der Gesellschaft in Herren- und Untermenschen auch als Novum betrachtet werden kann.

Mit „Deutschland, Polen und die Ukraine: Zusammenarbeit in der Frage der Rückgabe geraubter Kulturgüter (NS Kunstraub, Beutekunst, Restitution)“ untersuchte VIKTORIA SOLOSCHENKO (Kiew), inwieweit das deutsche Kulturschutzgesetz als Best-Practice-Modell für die Kulturministerien in Kiew und Warschau gelten kann und wie dem Verlust ukrainischer Kulturgüter während der deutschen und sowjetischen Besatzung durch staatliche Unterstützung und engere Kooperation betroffener Museen begegnet werden könnte.

Abschließend stellte MARGARETE WACH (Siegen) ihr Forschungsprojekt „Zwischen gesellschaftlicher Nische und Reservoir ungeahnter Möglichkeiten. Amateurfilmbewegung in der VR Polen: Struktur – Praxis – Enthusiasmus“ vor, nachdem sie bereits im Verlauf der Sommerakademie Einblicke in kaum bekanntes Archivmaterial polnischer Amateurfilmer aus drei Jahrzehnten gewährt hatte. Bis zu 348 Amateurfilmklubs (AKF) waren zwischen 1953 und 1989/90 im Lande aktiv. Dezidiert als Kunstform verstanden und von Staat und Partei gefördert, wurde diese Art der Freizeitgestaltung in Betrieben, Jugendorganisationen und von lokalen, regionalen oder akademischen Institutionen und Kulturträgern organisiert. Die künstlerische Dimension der Filme unterscheide diese deutlich von den Familien- und Urlaubsfilmen im Westen, weswegen sie einen raren Einblick in Sujets wie Konsumwünsche, (Homo-)Sexualität, Ökologie, Protestkultur, etc. der Volksrepublik erlaubten. Durch den letzten Vortragsblock leiteten Peter Oliver Loew, Manfred Mack und Julia Roettjer.

Das DPI feierte mit der Sommerakademie 2017 das 10-Jährige Bestehen eines Formats, das sich als wichtiger Bestandteil des transnationalen und interdisziplinären Austauschs von NachwuchswissenschaftlerInnen etabliert hat. Auch dieses Jahr zeugte die Organisation von einem sorgfältig erdachten und gut abgestimmten Themenspektrum, dessen wissenschaftlicher Mehrwert von einem kollegialen und respektvollen Miteinander begleitet wurde. Ergänzt wurden die Sektionen von einem abwechslungsreichen Kulturprogramm. Die Durchführung der Akademie wurde mit der freundlichen Förderung der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung ermöglicht.

Konferenzübersicht:

Sektion 1: Polen Postkolonial
Moderation: Mirja Lecke, Universität Bochum

Lisa Haberkern (Katowice): Oberschlesischen Familiengedächtnisse nach dem Zweiten Weltkrieg -Tradierung der familiären Erinnerung an das Arbeitslager Zgoda
Rebecca Großmann (Köln): Erinnern und Vergessen im modernen Europa. Erinnerungsfilme und die Transnationalisierung der Erinnerungskultur in Deutschland und Polen
Anna Wardzinska (Warschau): Die Kreise der polnischen Journalisten in Lemberg 1811-1914
Magdalena Ubysz (Mainz / Warschau): Über Wiederholung der Geschichte - Eine Untersuchung der sozialen Zustimmung für die Hassrede gegen Juden und Moslems seitens der polnischen und deutschen Studenten
Gabriela Nitka(Rzeszów): Geschichte der deutschen Rechtssprache
Anna Piotrowska (Krakau): Polish German interrelations and influences in the realm of popular music behind the ‘Iron Curtain’

Sektion 2: Neverending story - Der Umgang mit der sozialistischen Vergangenheit in Polen
Moderation: Jerzy Kochanowski, Universität Warschau

Aleksandra Luczak (Frankfurt an der Oder): Die Baustelle der Zukunft - Imaginationen des Warschauer "Zentrums-West" und dessen Bau als Zeugnis der Geschichte der Volksrepublik Polen in den Jahren 1969-1989
Martin Borkowski-Saruhan (Göttingen): Sport in Oberschlesien während der Besatzung im Zweiten Weltkrieg: Volkstum, Alltag, Eigensinn
Anna Dobrowolska (Warschau): Die Prostitutionsfrage und die Sexuelle Revolution in der Volksrepublik Polen in den sechziger Jahren
Dieter-Sebastian Lotz (Gießen): Leopold Caro und das Ressentiment gegen „Vermittlung“. Der Solidarist und Migrationsforscher in einem euroatlantischen Diskurs der Wirtschaftspolitik und Ökonomik, 1889-1939
Piotr Franz (Frankfurt an der Oder): Genese und Evolution der polnischen National-Radikalen im Warschau des 20. Jahrhunderts
Hanna Kharlan (Kiew): Moderner Diskurs der Politik des Gedenkens in Polen und der Ukraine

Sektion 3: Aktuelle Entwicklungen in der wirtschaftlichen Integration Europas
Moderation: Sebastian Plóciennik, Polski Instytut Spraw Miedzynarodowych / Polnisches Institut für Internationale Angelegenheiten (PISM)

Karol Chwedczuk-Szulc (Breslau): The Social History of American Federalism – A Handbook for EU's policymakers
Maximilian Zoll (Darmstadt): Der Koordinationsprozess der Energietransformation im politischen Systems Polens und seine Auswirkungen auf politisch-gesellschaftliche Strukturen
Jamina Vesta Jugo (Göttingen): God Help the Girl: The Catholic Church and Prostitution Policy Debates in Poland and the Philippines

Moderation: Manfred Mack, Peter Oliver Loew, Julia Röttjer (alle Darmstadt)

Aleksandra Paradowska (Breslau): NS-Städtebau und Architektur im Reichsgau Wartheland
Viktoria Soloschenko (Kiew): Deutschland, Polen und die Ukraine: Zusammenarbeit in der Frage der Rückgabe von den geraubten Kulturgütern (NS Kunstraub, Beutekunst, Restitution)
Margarete Wach (Siegen): Zwischen gesellschaftlicher Nische und Reservoir ungeahnter Möglichkeiten. Amateurfilmbewegung in der VR Polen: Struktur – Praxis – Enthusiasmus