Ephesos – eine Metropole der hellenistisch-römischen Welt

Ephesos – eine Metropole der hellenistisch-römischen Welt

Organisatoren
Dirk Steuernagel, Institut für Klassische Archäologie / Themenverbund „Urbane Zentren und europäische Kultur in der Vormoderne“ / Graduiertenkolleg „Metropolität in der Vormoderne“, Universität Regensburg
Ort
Regensburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.12.2017 - 08.12.2017
Url der Konferenzwebsite
Von
Bettina Springer-Ferazin, Arbeitsbereich Institut für Klassische Archäologie, Universität Regensburg

Die interdisziplinäre Tagung befasste sich mit dem metropolitanen Charakter der westkleinasiatischen Großstadt und seinen Ausprägungen in den Bereichen Architektur, Kultur, Religion, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, konkret: Wodurch und wie zeichnete sich die antike Stadt Ephesos als Metropole – sowohl im antiken Selbstverständnis, als auch im modernen Rückblick – aus? Der chronologische Schwerpunkt wurde auf die hellenistisch-römische Phase der Stadt von der Gründung durch Lysimachos bis zum Beginn der Spätantike gelegt, wobei auch späteren Epochen Aufmerksamkeit zuteilwurde. Die internationalen Referenten/-innen präsentierten dabei aktuelle und teils unpublizierte Forschungen aus den Fachbereichen Klassische und Christliche Archäologie, Antike Bauforschung, Geschichte, Numismatik und Epigraphik. Die Idee einer interdisziplinären Ephesos-Tagung an der Universität Regensburg emstand bereits im Sommer 2016 während der Projektarbeiten zur Oberen Agora von Dirk Steuernagel und Sabine Ladstätter. In Zusammenarbeit mit dem Themenverbund ‚Urbane Zentren und europäische Kultur in der Vormoderne‘ (Graduiertenkolleg ‚Metropolität in der Vormoderne‘) und unterstützt durch die Universitätsstiftung Hans Vielberth konnte sie im Dezember 2017 als zweitägige Veranstaltung realisiert und von Dirk Steuernagel und Udo Hebel, Präsident der Universität Regensburg, eröffnet werden.

Im Vorfeld der Tagung fand ein Workshop statt, geleitet von Steuernagel und Ladstätter, welcher sich an fortgeschrittene Studierende und Doktoranden/-innen der Klassischen Archäologie und des Graduiertenkollegs richtete. Im Zentrum der Betrachtung standen dabei die Themengebiete Hafen und Handel, Artemision und die Forschungsgeschichte von Ephesos, sodass ideale Voraussetzungen für ein tiefgreifendes Verständnis der Tagungsinhalte bei den Teilnehmern/-innen geschaffen wurden.

Archäologisch-bauforscherische Vorträge dominierten thematisch die Veranstaltung. Hierzu zählte auch der Beitrag von SIMON KEAY (Southampton), welcher einen Vergleich des Hafens von Rom mit dem Hafen von Ephesos anstrebte. Zunächst betrachtete Keay intensiv den römischen Hafen Portus, sodann den deutlich kleineren Hafen von Ephesos unter den Gesichtspunkten Architektur, Chronologie, Dimension, städtebauliche An- bzw. Einbindung und Interpretation sowie Funktion einzelner Gebäude. Zu den wesentlichen Ergebnissen zählte die Erkenntnis, dass der künstlich geschaffene Portus Romae durch einen starken kaiserlichen Impetus und eine Fokussierung auf administrative Aufgaben geprägt war, während sich der Portus Ephesiorum durch ein lokales und regionalwirtschaftliches Umfeld und die kommunale Selbstverwaltung der Ephesier auszeichnete.

Das Hafenareal von Ephesos wurde in einem zweiten Vortrag thematisiert und in seiner Topographie charakterisiert: Die sogenannte Hafennekropole erstreckte sich zu beiden Seiten des Hafenkanals und wurde von MARTIN STESKAL (Wien) neben anderen Nekropolen der Stadt Ephesos eingehend betrachtet und hinsichtlich ihrer Lage, Entwicklung, Charakteristika und der Frage nach dem Zusammenhang von Grabbauten/-praktiken und ephesischer Gesellschaft analysiert. Er stellte fest, dass mit Ausnahme weniger intramuraler Bestattungen, wie beispielsweise das Begräbnis des Prokonsuls Celsus in der Celsus-Bibliothek, die Toten von Ephesos primär in den Nekropolen entlang der Ausfallstraßen und in der Hafennekropole bestattet wurden, und dies in freistehenden, einfachen Grabhäusern, kistenähnlichen Gräbern oder in Sarkophagen. Kontemplativ, privat und uniform waren die Grabmäler und -gebäude, deren Typologie in ihrer Funktion wurzelt, während die Bestattungszeremonien – inkl. pompa funebris und Präsentation luxuriöser Sarkophage – öffentlichkeitswirksam inszeniert werden konnten. Die Uniformität der Grabmäler sei daher kein Indikator für die Egalität der Gesellschaft von Ephesos.

Konträr zu den schlichten, einfachen Grabbauten präsentierte sich der prächtige Serapis-Tempel von Ephesos im Vortrag von THEKLA SCHULZ-BRIZE (Berlin). Bei dem Gebäude handelt es sich um einen Monumentalbau, welcher seit 2011 mit der Unterstützung des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) Wien und der Ephesos Foundation ausführlich untersucht werden konnte und dessen Teilanastylose aufgrund des guten Erhaltungszustandes und aus konservatorischen Gründen in naher Zukunft erfolgen soll. Die von Schulz-Brize präsentierte, detaillierte Bauaufnahme des Gebäudes der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr., welches im Mittelalter durch ein Erdbeben zerstört wurde, ließ die hohen Ansprüche des gewaltigen Bauvorhabens erkennen: Der achtsäulige Prostylos mit Freitreppe und in den Fels eingearbeiteter Rückwand besaß zweischalige Wände, ein Kanalsystem mit großer Wasserzuleitung zur Bewässerung von Brunnenfiguren in Wandnischen, einen begehbaren Erscheinungsgiebel, eine hölzerne Dachkonstruktion, ein monolithisches Eingangsportal mit einer lichten Höhe von 9,30 m, monolithische Säulen und aufwändigste Bauornamentik. Der weiße Marmor wurde speziell aus Prokonessos importiert und dort bereits weitgehend vorgefertigt. Unausgearbeitete Einzelelemente bezeugen noch heute, dass der Tempel nie fertiggestellt wurde und bieten Einblick in antike Bautechniken.

Monumentalbauten wie das Serapeion von Ephesos prägen das Bild einer antiken Metropole, vor allem bei modernen Rezipienten. Die imposanten Gebäude können, je nach Charakter und Funktion, von einer prosperierenden Wirtschaft, von machtpolitischem Rang oder einer religiös-kultischen Bedeutung zeugen. Zu den weiteren Großbauten von Ephesos, welche im Rahmen der Tagung thematisiert wurden, zählen ein palastartiger Gebäudekomplex oberhalb des Theaters, die Südhalle des sogenannten Staatsmarktes von Ephesos und ein Odeion im Areal des Artemis-Heiligtums.

Der palastähnliche Bau oberhalb der cavea des Theaters wurde in den Jahren 2009-2014 untersucht und von CHRISTOPH BAIER (Athen) vorgestellt. Ehemals über Ephesos weithin sichtbar inszeniert, konnte das Gebäude in seiner ersten Bauphase ins mittlere 2. Jahrhundert v. Chr. datiert werden, eine massive Erweiterung erfolgte in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Das Zentrum des hellenistischen, von pergamenischen Bauformen beeinflussten Hauses bildete der dorische Peristylhof mit anschließenden Exedren. In direkter Nähe oberhalb des Theaters befand sich ein späthellenistisches Ehrenmonument, welches heute kaum mehr erhalten ist. Das Peristylhaus stellte möglicherweise die Residenz eines pergamenischen Amtsträgers oder Strategen dar und wurde in der römischen Kaiserzeit durch die Provinzialadministration weiterhin genutzt, monumental ausgebaut und den ideologischen Bedürfnissen angepasst.

Der sogenannte Staatsmarkt in Ephesos und insbesondere seine Südhalle wurden im Rahmen des DFG-geförderten Projekts ‚Die Obere Agora in Ephesos‘ von 2014-2016 intensiv untersucht. Das Projekt konnte in enger Kooperation mit der Historischen Bauforschung der Ostbayrischen Technischen Hochschule Regensburg (Thekla Schulz-Brize) und dem Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) Wien durchgeführt werden. Unter der Bezugnahme auf Ergebnisse aus diesem Projekt rekonstruierte DIRK STEUERNAGEL (Regensburg) eine architektonische und chronologische Entwicklung der Platzanlage von der Gründung der Stadt bis zur augusteischen Zeit und verwies darauf, dass die Obere Agora in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. bereits durch die bauliche Einfassung mit einer Nord- und Südhalle, der westlichen Stützmauer und einem Nordostbau klar definiert war. Da die zweischiffige, zweigeschossige Südhalle Parallelen zu pergamenischen Bauformen gleicher Zeitstellung aufweist, kann für die Obere Agora, ähnlich wie für das Peristylhaus oberhalb des Theaters, ein attalidisches Bauprogramm angenommen werden. Die südöstliche Ausfallstraße zum Magnesischen Tor, welches um 100 v. Chr. errichtet wurde, könnte im 2. Jahrhundert noch über die Platzanlage hinweg verlaufen sein, wodurch bisher noch ungeprüfte Modifikationen der bislang rekonstruierten Stadtraster notwendig würden. Die eventuell im späten Hellenismus verlagerte Südstraße südlich der Südstoa war über eine nachträglich eingefügte Toranlage mit dem Staatsmarkt verbunden; weitere An- und Umbaumaßnahmen konnten im Zuge der Grabungen der letzten Jahre dokumentiert werden.

Das Odeion im Artemis-Heiligtum, seit 2009 Gegenstand archäologischer und bauforscherischer Untersuchungen des ÖAI Wien, bildete das Kernthema eines Vortrags von LILLI ZABRANA (Wien). Zunächst befasste sie sich mit allgemeinen Aspekten des Artemiskults in Ephesos, seiner Funktion und den bereits von J. T. Wood 1869-1874 dokumentierten Gebäuden des Tempelbezirks in römischer Zeit, sodann widmete sie sich der einzigen, noch heute sichtbaren römischen Ruine des Heiligtumsareals, dem Odeion. Das Gebäude in opus caementicium Bauweise mit halbkreisförmigen Sitzstufen der cavea verfügte über einen Stiegenaufgang hinunter zu den Substruktionen, eine orchestra und ein erhöhtes Bühnengebäude. Bautypologische Vergleiche und das Fundmaterial legten die Interpretation als frühkaiserzeitliches Odeion nahe, welches auf 14 Sitzrängen 1000 Zuschauern Platz bei der Aufführung musischer Agone im Rahmen heiliger Spiele für Artemis bot.

Einen epigraphisch-historischen Zugang der tagungsübergreifenden Fragestellung zeigte FRANCOIS KIRBIHLER (Nancy), indem er Einblick in seine umfassende Untersuchung senatorischer Familien aus Ephesos bot. Er konnte feststellen, dass bereits ab flavischer Zeit, nämlich an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert n. Chr – und damit deutlich früher als bislang angenommen –, angesehene Ephesier senatorische Ämter bekleideten. Im späten 2. Jahrhundert n. Chr. nahm die Anzahl ephesischer Senaturen deutlich zu und erreichte ihren Höhepunkt während der Akme 193-250/60 n. Chr. Die epigraphischen Zeugnisse, welche die Grundlage der Untersuchung darstellten, fehlen ab der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. Kirbihlers verzeichnete 47-68 ephesische Senaturen, abhängig davon, ob zu den senatorischen Familien aus Ephesos auch jene gezählt werden, welche von anderen Städten hierher siedelten, um eine politische Laufbahn in der Provinzhauptstadt zu beginnen. In seinem Vortrag legte Kirbihler eine chronologische Abfolge ephesischer Senatoren dar, verwies anhand von Stammbäumen auf Besonderheiten und Familienstrategien und fasste die wesentlichen Kerninhalte abschließend zusammen.

Der Frage nach dem metropolitanen Charakter Ephesos aus numismatischer Sicht näherte sich NIKOLAUS SCHINDEL (Wien) in seinem Vortrag zu den Fundmünzen aus Ephesos, welche für die spätantike und frühbyzantinische Zeit zahlenmäßig am stärksten vertreten waren.

Auf einen kurzen Überblick der Forschungsgeschichte folgte die statistische Auswertung und quantitative Auflistung der Münzen nach Epochen (Hellenismus, Kaiserzeit, Dominat, Byzantinische Epochen), Jahren und Münzstätten. Verschiedene Gründe für die jeweilige Verteilung wurden angeführt, beispielsweise Ortsabhängigkeit, Größe der Münzen und das Ende der ephesischen Münzprägung um 260 n. Chr. Abschließend präsentierte Schindel vier verschiedene und interessante Teilaspekte des Fundmünzspektrums von Ephesos, nämlich die Münzen mit Zeno-Monogrammen, das Verhältnis von ephesischen und carthagischen Münzen, das Fehlen arabischer Münzen während der arabischen Belagerung im 7./8. Jh. n. Chr. und der Rückgang des Fundmünzaufkommens in Ephesos unter Heraclius 615/616 n. Chr.

Die Präsentation des großen Korpus spätantiker und frühbyzantinischer Fundmünzen belegte die Kontinuität Ephesos als Metropole in nachantiker Zeit. Auch die Forschungen von SABINE LADSTÄTTER (Wien) bezeugten die Metropolität des spätantiken Ephesos als Zentrum frühchristlichen Glaubens. Heiligenverehrung und Pilgerstätten bildeten dabei den Kern ihrer Untersuchung, die untergeordneten Thematiken waren Reliquien, ad sanctos Bestattungen und Eulogien, welche im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. mit der starken Verehrung lokaler Märtyrer und prominenter Christen der 1. Generation, da sie Ephesos selbst besucht hatten, großes Interesse und rege Beliebtheit fanden. Die mögliche Funktionsweise einer Berührungsreliquie veranschaulichte ein kleinasiatisches Marmorreliquiar, welches in Pamuçak bei Ephesos gefunden wurde und in welchem die Reliquie mit Öl übergossen werden konnte. Weitere Funde, beispielsweise Ampullen, Reliquienkreuze, Medaillons und Tränenfläschchen, vermittelten einen Eindruck des Fundspektrums und der großen Anzahl von Eulogien aus dem spätantiken Pilgerzentrum Ephesos.

Epochen- und gattungsübergreifend konnten im Rahmen der Tagung indirekt und exemplarisch die konstituierenden Charakteristika einer Metropole herausgearbeitet werden. Die Stadt Ephesos bot hierbei ideale Voraussetzungen, denn langjährige und intensive Forschungen, eine überaus umfangreiche Quellenlage –literarisch wie archäologisch – und die große kulturelle, wirtschaftliche und politische Bedeutung der Stadt und ihres Heiligtums über mehrere Jahrhunderte ermöglichen eine fundierte wissenschaftliche Bewertung unterschiedlichster Sachverhalte, welche durch die Erkenntnisse laufender Forschungen stets ergänzt werden. Unabhängig von den seit September 2016 ausbleibenden Grabungsarbeiten an der archäologischen Stätte wird die Ephesos-Forschung des ÖAI mit großem Elan fortgeführt, wissenschaftliche Beiträge werden verfasst und die intensive, internationale Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche und Institutionen wird gefördert. Für dies alles und die unverminderte Vitalität und Aktualität der Ephesos-Forschung stand paradigmatisch auch die Ephesos-Tagung, welche starken Zulauf von Publikum fand.

Konferenzübersicht:

Dirk Steuernagel (Universität Regensburg): Begrüßung und Eröffnung

Udo Hebel (Universität Regensburg): Grußwort

Abendvortrag
Simon Keay (University of Southampton): The Portus Romae and the Portus Ephesiorum: A Tale of Two Ports

Dirk Steuernagel (Universität Regensburg): Die Obere Agora von Ephesos als metropolitaner Raum

Thekla Schulz-Brize (Technische Universität Berlin): Der Serapis-Tempel von Ephesos - ein antiker Monumentalbau

Lilli Zabrana (Wien): Das Artemision in römischer Zeit: Neueste Forschungsergebnisse aus dem Artemis-Heiligtum

Martin Steskal (ÖAI, Wien): Nekropolen als Spiegel der Gesellschaft? Zur Entwicklung der ephesischen Sepulkrallandschaft

Nikolaus Schindel (ÖAW, Wien): Zu den Fundmünzen von Ephesos

François Kirbihler (Université de Lorraine, Nancy): Ephesos, eine Metropole am Beispiel senatorischer Familien

Christoph Baier (ÖAI, Athen): Ephesos als Statthaltersitz. Gestalt und Bedeutung einer Verwaltungsresidenz im städtischen Gefüge

Sabine Ladstätter (ÖAI, Wien / Grabungsleitung Ephesos): Dem Heiligen ganz nahe sein. Ephesos im Lichte seiner frühchristlichen Pilgerstätten