Toletum. Netzwerk zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike – Red para la investigación sobre la Península Ibérica en la Antigüedad. 10. Workshop

Toletum. Netzwerk zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike – Red para la investigación sobre la Península Ibérica en la Antigüedad. 10. Workshop

Organisatoren
Sabine Panzram, Universität Hamburg; Markus Trunk, Universität Trier
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.10.2019 - 26.10.2019
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Von
Dominik Kloss / Sabine Panzram, Historisches Seminar – Arbeitsbereich Alte Geschichte, Universität Hamburg

Vom 24. bis 26. Oktober 2019 fand im Hamburger Warburg-Haus der nunmehr zehnte Workshop des Netzwerks zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike, Toletum X, statt. Dieses Jahr galt das Interesse den Nekropolen auf der Iberischen Halbinsel zwischen Republik und ‚long Late Antiquity‘; sie sollten mit Blick auf Kontinuität und Wandel analysiert werden, und zwar unter Einbeziehung der materiellen wie der epigraphischen Evidenz. Denn gemeinhin konzentrieren sich Untersuchungen auf nur eine Epoche und eine Quellengattung und setzen diese in Beziehung zur ‚Romanisierung‘ als entscheidendem kulturellen Veränderungsprozess: je römischer das Bestattungsritual und die Grabbauten, desto stärker die Zurschaustellung von Identität und desto gelungener die Herrschaftsausübung Roms. Allerdings stellt sich die Frage, ob es im Rahmen der Akkulturation nicht eher zur Ausprägung lokal oder regional geprägter Identitäten und kultureller Phänomene kam, die sich in einer römisch geprägten Umgebung vollzogen. In vier miteinander vernetzten Sektionen sollten also auf der Grundlage neuester Funde und Befunde Nekropolen von der Frühzeit bis in die ‚long Late Antiquity‘ untersucht werden: Fallstudien iberischer und phönizisch-punischer wie westgotischer und umayyadischer Provenienz rahmten solche aus der Kaiserzeit und der Spätantike ein, welche insgesamt den Schwerpunkt bildeten. Mit Blick auf den traditionsreichen Tagungsort, dem Warburg-Haus, fand SABINE PANZRAM (Hamburg) einleitend einige Worte zum 100-jährigen Jubiläum der Universität Hamburg, einer Institution, die sich in ihrer ersten Dekade gerade in diesem Haus als Zentrum nachhaltiger interdisziplinärer Zusammenarbeit u.a. der Kunst- und Kulturwissenschaften zu etablieren verstand. In dieser Tradition sieht sich auch das nun schon sein zehnjähriges Jubiläum begehende Netzwerk Toletum mit einer vielfältigen und fächerübergreifenden Aktivität, welche neben der virtuellen Präsenz (www.toletum-network.com) und den regelmäßig stattfindenden Workshops inzwischen die Organisation von Fieldschools, Studientagen und Vortragsreihen sowie die Herausgabe diverser Publikationen in renommierten Reihen umfasst.

Auch im zehnten Jahr begann der Workshop mit exemplarischen Einführungen in die Thematik aus der Perspektive der Klassischen Archäologie und der Alten Geschichte. HENNER VON HESBERG (Köln) eröffnete Toletum X mit der Frage, ob die in verschiedenen Regionen des Imperium Romanum anzutreffenden reliefierten Stelen – unabhängig von den jeweiligen Bildtraditionen – für unterschiedliche Adressaten verständlich gewesen sind. Mit Blick auf die Grabdenkmäler aus der Region Burgos ist zu konstatieren, dass Porträtdarstellungen am Grab auf der Iberischen Halbinsel vergleichsweise selten waren – verglichen etwa mit der Sepulkralkunst norditalischer Fundorte. Die dort dominierenden Familiengalerien scheinen sich jedenfalls im Norden Spaniens bis in die hohe Kaiserzeit gegen die noch aus älteren Traditionen stammenden Abbildungen von Reiterkriegern oder Gelageszenen mit Sitzmotiv auf reich verzierten Rundscheiben nicht durchgesetzt zu haben. Dass das Fortleben einer lokalen Formensprache eher regionalen Unterschieden geschuldet ist, nicht aber als Ausdruck einer Widerstandshaltung gegenüber römischen Einflüssen gelten muss, zeigt der Vergleich mit Bestattungsriten der im heutigen Kroatien verorteten keltischen Japoden, die unter römischer Herrschaft zwar ihre spezifisch gestalteten Urnen beibehielten, jene aber mit lateinischen Inschriften versahen. JONATHAN EDMONDSON (Toronto) stellte am Beispiel Méridas und der Baetica den „epigraphic habit“ als Quelle für die Bestattungspraxis vor. Insbesondere die Vielzahl regelmäßiger (seit der maßgeblichen Katalogisierung durch Luis García Iglesias Anfang der 1970er-Jahre nahezu verdoppelter) epigraphischer Neufunde aus Augusta Emerita stellt dabei Potential und Herausforderung zugleich dar. Eine Hilfe bei der Auswertung ist dabei die digitale Aufbereitung des CIL II²-Bandes zum Conventus Emeritensis, da hier mittels der Einbindung von GIS-Daten zusätzliche Informationen etwa zu Aufstellungskontexten bereitgestellt werden. Auf diese Weise offenbart sich der spezifische Fall eines Emeritenser Freigelassenen-Paares, dessen gemeinsame Brandbestattung als „una fossa crematis“ memoriert wurde, aber auch die Existenz von horti, also von Gärten mit Grabbezirken. Interessant ist auch der anhand der häufig eingeschriebenen Areal-Abmessungen ablesbare Befund, dass die Grabbezirke in Corduba durchschnittlich deutlich größer waren als die in Augusta Emerita.

Zum Auftakt der Sektion „Nekropolen der Frühzeit – (kelt)iberischer und phönizisch-punischer Provenienz“ machte TERESA CHAPA BRUNET (Madrid) deutlich, dass mediterrane Einflüsse bereits lange vor der römischen Präsenz in die Sepulkralkultur des iberischen Siedlungsgebiets Einzug hielten. In den seit der Bronzezeit durchgängig belegten Nekropolen von Les Casetes und Poble Nou bei Villajoyosa (Provinz Alicante) finden sich etwa bereits im 7. Jahrhundert v.Chr. orientalisierende Motive auf Beigaben und wurden etwas später griechische Kratere als Urnen genutzt. Die nahezu ausschließliche Brandbestattung überdauerte in der Fülle ihres Variantenreichtums, welche sich sowohl in den iberischen Grabbauten als auch an Fundplätzen wie Los Villares (Albacete), Porcuna oder Cabezo Lucero anhand der Sepulkralplastik zeigte, kontinuierlich bis in die Zeit der Provinzialisierung. FERNANDO PRADOS MARTÍNEZ (Alicante) präsentierte anhand der Ergebnisse der diesjährigen Grabungskampagne mehrere vorrömische Einflüsse in der Nekropole des römischen Baelo Claudia, und zwar aufgrund sowohl aus dem unweit gelegenen Oppidum Bailo (Silla del Papa) als auch aus punischen Siedlungen beim späteren Tarifa (Los Algarbes, Isla de las Palomas) stammenden Bestattungen. Mehrfach terrassierte Gräberfelder, deren Anlage sich an monumentalen Grabtürmen orientiert, machen Parallelen zu vergleichbaren Nekropolen in den nordafrikanischen Provinzen deutlich. Zuletzt brachten Grabungen der Jahre 2017 und 2018 vor dem Südost-Tor von Baelo – neben dem spektakulären Fund einer Grabinschrift mit erhaltenen Metalllettern – Körperbestattungen der späteren Kaiserzeit ans Licht.

Die zweite Sektion „Kaiserzeitliche Nekropolen: römisch, hispanoromanisch, hispanisch?“ begann JANINE LEHMANN (Leipzig) mit der Analyse einer Reihe von Figurenreliefs, die im frühen 20. Jahrhundert in der Stadtmauer von Osuna, dem früheren Urso, entdeckt wurden und mutmaßlich als Spolien von Monumenten umliegender Nekropolen stammen. Vorherrschend sind Darstellungen von mit Schilden bewaffneten und teils berittenen Kriegern, daneben gibt es weibliche Figuren, mitunter mit Torques und Musikinstrumenten. Meinte man bislang, in den aufgrund abweichender stilistischer Ausführung in zwei Gruppen aufgeteilten Reliefs klar unterscheidbare römische als auch iberische Identitäten auszumachen, so ist nach nunmehriger Detail-Auswertung diese scharfe Trennung und damit auch die bisher angenommene unterschiedliche Datierung in Frage zu stellen. Denkbar sei hier stattdessen die zeitgleiche bildliche Umsetzung mehrerer funeraler munera, also soldatisch geprägter Leichenspiele, die Bezug auf die Bedeutung von Urso als stark umkämpften Ort der Bürgerkriege zwischen Caesar und Pompeius nahmen. Kritik gegenüber der exklusiven Deutung der Nekropole von Carmona im 1. Jahrhundert n.Chr. als widerstandsträchtiges „punisches Substrat“ äußerte PHILIPP KOBUSCH (Kiel). Zwar deckten sich die für Carmona mehrheitlich attestierten Hypogäen mit der punischen Vorliebe für diese Grabform in der benachbarten Region, doch reicht die Tradition der Schachtgräber mit separatem Zugang bereits in die indigene tartessische Kultur der Spätbronzezeit zurück. Zugleich überwiegen trotz fehlender typischer Beigaben wie Terra Sigillata die Anzeichen für etablierte römische Bestattungsriten. Insgesamt darf man somit bei den Carmonenser Grabbauten eine Kontinuität der älteren Vorläufer festhalten, ohne entsprechend romfeindliche Motivationen dafür verantwortlich machen zu müssen. Dass die Bedeutung der Provinzhauptstadt Corduba als Straßenkreuzungspunkt der Baetica besondere Auflagen für die räumliche Organisation der suburbanen Nekropolen bedeutete, stellte DESIDERIO VAQUERIZO GIL (Córdoba) heraus. Neben der Vielzahl unterschiedlicher Grabbauten fiel bei diversen Grabungen die Menge an Inschriften, zumeist auf Cippi, mit Abmessungsangaben der loci sepulturae auf. Offenbar wurde in den mit hoher Dichte bebauten Grabbezirken an den Ausfallstraßen Cordubas die Abgrenzung gegen benachbarte Belegung als notwendig erachtet. Die statistische Häufung der Angabe von 12 x 12 Fuß großen Arealen könnte ein Hinweis auf eine entsprechend einheitlich geplante Landzuweisung im Kontext der Koloniegründung sein. Wie stark die Nekropolen das Aussagepotential über antike Siedlungstätigkeit dominieren können, zeigten M. DEL ROSARIO CEBRIÁN FERNÁNDEZ (Madrid) und MARKUS TRUNK (Trier) am Beispiel von Segóbriga. Aufgrund seiner markanten öffentlich Bauten – vor allem der Spielstätten – als „Testfall“ für Romanisierung verstanden, lässt sich die urbane Kontinuität Segóbrigas vom 3. Jahrhundert n.Chr. bis in islamische Zeit lediglich anhand mehrerer weitläufiger Gräberfelder entlang der nördlichen Ausfallstraße fassen. Zuletzt ergänzten Ausgrabungen im Bereich der spätrömischen und westgotischen Nekropole vorangegangene Prospektionen und machten deutlich, dass die Bautätigkeit rund um die hiesige Basilika von einer Spolisierung des Forums im Stadtzentrum, aber auch älterer Mausoleen profitiert hat. Die unterschiedliche Überlieferungslage von Figurenreliefs aus Grabkontexten beschäftigte CARMEN MARCKS-JACOBS (Berlin). Abgesehen von Mérida – einem mit über 40 Exemplaren herausragenden Fundort –, wo zahlreiche Grabaltäre bezeugt sind, die anhand von Frisuren- und Trachtdetails in hadrianische oder antoninische Zeit datiert werden können, finden sich auf der restlichen Iberischen Halbinsel vergleichbare Reliefs zwar regional breit gestreut, insgesamt aber nur vereinzelt sowie handwerklich in deutlich niedrigerer Qualität ausgeführt. Auffällig ist darunter eine kleinere Gruppe von Figurenreliefs aus Lugo und Umgebung, deren Rückseiten mit mutmaßlich teilweise mythologischen Reiter-, Jagd- oder Schiffsszenen gleichfalls ausgearbeitet wurden. Die Darstellungen könnten im Umfeld der Legio X Gemina entstanden sein, da vergleichbare zweiseitige Reliefs an späteren Standorten dieser Legion in Obergermanien und Pannonien bezeugt sind. Spuren der Alphabetisierung und Latinisierung auf paläohispanischen Grabstelen sind Phänomene, die PIETER H.A. HOUTEN (Nottingham–Oxford) im Rahmen des vom European Research Council länderübergreifend getragenen Projekts LatinNOW auswertet. Abgesehen davon, dass es auf tartessischen Stelen des 7. bis 5. Jahrhunderts v.Chr. bereits eine lange vorrömische epigraphische Tradition im Südwesten der Iberischen Halbinsel gab, sei zu beobachten, dass auf frühen iberischen Grabmonumenten (wie der Estela de Cretas) Inschriften noch eher als Teil der Dekoration dienten, somit der bildlichen Darstellung nachgeordnet platziert wurden. Wenngleich mit dem römischen Einfluss Formeln wie hic situs est oder die Filiation sukzessive in den indigenen Inschriften Einzug hielten, behaupteten sich regionale Eigenheiten wie im keltiberischen Bereich die Verwendung des Genitivs Plural bei Verwandtschaftsbezeichnungen oder ein – graphisch speziell ausgeführter – scharfer S-Laut selbst in ansonsten durchgängig romanisiert wirkenden Grabinschriften.

Mit einer Vorstellung der voranschreitenden epigraphischen Arbeiten in León und Astorga im Rahmen der Neuauflage des CIL II-Teilbandes zum Conventus Asturum eröffnete ISABELLE MOSSONG (München) am dritten Tag die Sektion „Spätantike Nekropolen: pagan, christianisiert, christlich?“ Abseitig der beiden städtischen Zentren Legio und Asturica angelegte Gräberfelder der Kantabrer müssen wegen ihrer dezentralen Lage aus den Untersuchungen ausgespart werden. Somit stammen zwei Drittel der neueditierten Inschriften zwar aus sepulkralem Kontext der suburbanen Nekropolen, konnten mehrheitlich aber nicht mehr in situ, sondern nur noch als in den spätantiken Stadtmauern verbaut erfasst werden. Erwähnenswert ist ferner das Fehlen christlicher Grabinschriften. Kirchenbauten als Bestattungsorte standen für CHRISTOPH EGER (Berlin) am Anfang seiner grundsätzlichen Überlegungen zum sozialen Wandel in der Bestattungspraxis christlicher Bevölkerungsschichten. Mit dem Blick auf die hinsichtlich Beigaben, Alter und Geschlecht schon früh durchmischte Belegung von innerkirchlichen Gräberfeldern in Tarragona-Francolí müsse die bisher vorherrschende Meinung, dass erst ab der Mitte des 5. Jahrhunderts die privilegierte Bestattung in der Basilika zugunsten breiterer Kreise geöffnet wurde, in Frage gestellt werden. Auch im Umfeld anderer früher Kirchenbauten werde sichtbar, dass Teile der städtischen Eliten bis ins 6. Jahrhundert die räumlich separierte Bestattung in prestigeträchtigen monumentalen Mausoleen oder Arkosolien bevorzugt haben. Mehrere Aspekte frühchristlicher Bestattungspraxis in Hispanien beleuchtete ACHIM ARBEITER (Göttingen). Ein Hilfsmittel u.a. bei der Beschäftigung mit ikonographischen Gesichtspunkten ist der seit 2018 verfügbare vierte Band der DAI-Reihe „Repertorium der christlich-antiken Sarkophage“ von Nora Büchsenschütz, der für die Iberische Halbinsel und Marokko 153 Stücke erfasst und insbesondere nach Werkstattbeziehungen ordnet. Ansonsten reichte bei den Grabmälern das materielle Spektrum von der Spolienverwendung (Fructuosos-Nekropole von Tarragona) bis zu Ziegel- oder Amphorengräbern (Valencia). Für das Munizipium Myrtilis (heutiges Mértola) im Süden der Lusitania weist eine vielfältige Inschriftenausbeute auf eine kleine, aber kosmopolitische Gemeinde hin – bezeugt sind Stelenfragmente mit der Abbildung eines Menorah-Leuchters. Die vorläufigen Ergebnisse zweier diesjähriger Grabungskampagnen zur Erschließung der bei Añora in der nördlichen Sierra Morena gelegenen Basilika von ‚La Losilla‘ und ihrer Nekropole präsentierte FEDOR SCHLIMBACH (Göttingen). Von den 23 bisher verorteten Gräbern befindet sich die Mehrzahl innerhalb des dreischiffigen Apsidialbaus, der in seiner letzten Phase als Lagerraum genutzt worden zu sein scheint und dessen Opus Signinum-Boden sich im Altarbereich unter einem späteren Decken-Versturz teilweise erhalten hat. Unterschiedlichste Befunde zeichnen die Grabstellen aus: Eine Mehrfachbelegung mit pragmatisch zur Seite geschobenen Knochen kommt ebenso vor wie die gemeinsame Bestattung zweier Männer. Zudem scheinen einzelne innerhalb der Pfeilerstellungen eingepasste oder in Nord-Südausrichtung im Mittelschiff gelegene Gräber aus Platzgründen nachträglich in die innerkirchliche Nekropole eingefügt worden zu sein. MORGANE UBERTI (Madrid) widmete sich dem aus den spätantiken Grabinschriften sprechenden breiten Spektrum der Wahrnehmung von Zeit. Die vormalige Nennung von Lebensdauer in Jahren, Monaten und Tagen oder des Alters Verstorbener sei mit dem Christentum durch eine stärkere Betonung des Todestages ersetzt worden. Die dafür wichtige Bezugnahme auf verschiedene Datierungspraktiken ergibt ausgewertet, dass die Angabe der Ärenrechnung mit ihrer linearen, auf Unendlichkeit ausgerichteten Zählweise für die Grabinschriften offenbar zulasten alternierender Zählweisen nach Konsularfasten, herrschaftlichen Regierungsjahren oder Indiktionen deutlich bevorzugt wurde.

Die letzte Sektion „Nekropolen der ‚long Late Antiquity‘ – westgotischer und umayyadischer Provenienz“ einleitend analysierte IÑAKI MARTÍN VISO (Salamanca) die Gräberfelder des Duero-Plateaus als wesentliche Bestandteile spätantiker und frühmittelalterlicher „sozialer Landschaften“. Wurde wegen charakteristischer Beigaben wie Messern vom Typ Simancas bislang vor allem der militärische Kontext der Gräber diskutiert, müsse man hierbei vielmehr die symbolische und performative Bedeutung von Bestattungsritualen auf lokaler Ebene in Betracht ziehen. Denn obwohl die Nekropolen ab dem 5. Jahrhundert inzwischen stärker mit neuen Zentralorten in Verbindung gebracht werden sollten, bleibe der Einfluss westgotischer und kirchlicher Institutionen auf die Bestattungspraxis in diesem ländlichen Bereich gering. Der Vortrag von JESÚS LORENZO JIMÉNEZ (Madrid), der Einblicke in das jüngst ergrabene islamische Gräberfeld von Pamplona geboten hätte, musste aus Krankheitsgründen leider entfallen.

Abschließend führte JAVIER ARCE (Lille) seine Überlegungen zur Verortung der Grablegen westgotischer Könige als historisches Problem aus, das in einer regelrechten „Spurensuche“ mündete. Tatsächlich sei keine Quelle überliefert, die den Ort erwähnt, an welchem man die Könige bestattet hat. Auch Vergleiche mit der überlieferten Bestattungspraxis oströmischer Kaiser in Konstantinopel führten nicht weiter. Die Annahme, die Könige seien in der Kirche der Heiligen Leokadia bestattet worden, sei ebenfalls spekulativ; schließlich wisse man nicht einmal mehr, wo diese zu lokalisieren sei. Dieser „Negativbefund“ solle aber niemanden entmutigen, sondern im Gegenteil dazu führen, dass keine voreiligen Analogieschlüsse gezogen würden.

Der interdisziplinäre und transepochale Ansatz, der für die Workshops von Toletum charakteristisch ist, hat sich erneut bewährt: Er ermöglicht es, die Nekropolen à la longue als Spiegel eines kulturellen Veränderungsprozesses zu verstehen, dem sich die Ethnien auf der Iberischen Halbinsel seit der phönizisch-punischen Präsenz ausgesetzt sahen. Und er provoziert Fragen, inwieweit man die dabei attestierte Formierung lokal oder regional geprägter Identitäten noch sinnvoll mittels der Kategorien von Romanisierung oder Akkulturation beschreiben kann oder stattdessen eher alternative Analysemodelle wie „Hybridisierung“ oder „Kreolisierung“ heranziehen sollte. Toletum XI wird vom 22. bis zum 24. Oktober 2020 im Warburg-Haus in Hamburg stattfinden.

Konferenzübersicht:

Sabine Panzram (Universität Hamburg) / Markus Trunk (Universität Trier) / Pedro Antonio Villena Pérez (Generalkonsulat von Spanien / Hamburg): Begrüßung und Einführung

Henner von Hesberg (Klassische Archäologie / Universität zu Köln): Bilder an den Gräbern
– Zeugnisse von Kontinuität oder Wandel?

Jonathan Edmondson (Alte Geschichte / York University Toronto): The contribution of funerary epigraphy to an understanding of burial spaces and funerary practices in Roman Hispania: the case of the colony of Augusta Emerita

Nekropolen der Frühzeit – (kelt)iberischer und phönizisch-punischer Provenienz

Teresa Chapa Brunet (Ur- und Frühgeschichte / Universidad Complutense de Madrid):
Necrópolis ibéricas y presencia romana: continuidad y cambio en el ritual funerario

Fernando Prados Martínez (Ur- und Frühgeschichte / Universidad de Alicante): Las necrópolis del área de Baelo (Tarifa, Cádiz). Entre tradición púnico-mauritana y romanidad

Kaiserzeitliche Nekropolen: römisch, hispanoromanisch, hispanisch?

Janine Lehmann (Klassische Archäologie / Universität Leipzig): Die Reliefs von Osuna. Zeugnisse eines kulturellen Wandels?

Philipp Kobusch (Klassische Archäologie / Christian-Albrechts-Universität zu Kiel): Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Sepulkralkultur Carmonas

Desiderio Vaquerizo Gil (Klassische Archäologie / Universidad de Córdoba): Topografía y parcelaciones funerarias en la Colonia Patricia de inicios del Imperio

M. del Rosario Cebrián Fernández (Klassische Archäologie / Universidad Complutense de Madrid) / Markus Trunk (Klassische Archäologie / Universität Trier): Las necrópolis de Segóbriga (Prov. Cuenca)

Carmen Marcks-Jacobs (Klassische Archäologie / Humboldt-Universität zu Berlin): Kontinuität und Wandel bei Grabreliefs mit Porträt aus Hispanien

Pieter H.A. Houten (Alte Geschichte / University of Nottingham – CSAD University of Oxford): La latinización en las estelas funerarias

Spätantike Nekropolen: pagan, christianisiert, christlich?

Isabelle Mossong (Alte Geschichte / Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts): Suburbane Nekropolen im Conventus Asturum im Spiegel der Epigraphik

Christoph Eger (Ur- und Frühgeschichte / Freie Universität Berlin): ... qui meruit sanctorum sociari sepulcra – Wer bestattete in Hispaniens Kirchen?

Achim Arbeiter (Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte / Georg-August-Universität Göttingen): Bestattung und Kommemoration im frühchristlichen Hispanien. Inschriftliche, ikonographische und materielle Aspekte

Fedor Schlimbach (Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte / Georg-August-Universität Göttingen): Die Nekropole der Basilika von ‚La Losilla‘ bei Añora (Córdoba). Zum Bestattungsbrauch im ländlichen Bereich des spätantiken Hispaniens

Morgane Uberti (Christliche Archäologie / Écoles des hautes études hispaniques et ibériques – Casa de Velázquez Madrid): Exponer el tiempo en la necrópolis: el discurso de los epitafios entre Antigüedad y Edad Media

Nekropolen der ‚long Late Antiquity‘ – westgotischer und umayyadischer Provenienz

Iñaki Martín Viso (Mittelalterliche Geschichte / Universidad de Salamanca): Espacios funerarios y paisajes sociales en el centro peninsular (siglos V-VII)

Jesús Lorenzo Jiménez (Mittelalterliche Archäologie / Universidad Nacional de Educación a Distancia Madrid): El testimonio de los muertos. La islamización de Pamplona a través de sus necrópolis de época islámica – ausgefallen –

Javier Arce (Alte Geschichte / Université de Lille): Las tumbas de los reyes visigodos: un problema histórico


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