„Konkurrenzen“. 13. Arbeitstagung der AG Frühe Neuzeit im VHD. Teil 2

„Konkurrenzen“. 13. Arbeitstagung der AG Frühe Neuzeit im VHD. Teil 2

Organisatoren
Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands
Ort
Rostock
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.09.2019 - 20.09.2019
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Von
Jan-Hendrik Hütten / Anselm Pell / Laura Tack / Hanna Wichmann, Universität Rostock

Die Sektion IVa thematisierte das Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz im frühneuzeitlichen Fernhandel vor allem anhand zweier Kaufmannsgruppen: den Italienern und Oberdeutschen. Familiäre und verwandtschaftliche Verflechtungen, ethnische und religiöse Zugehörigkeiten sowie die internationale kommerzielle Kultur, wie beispielsweise Normen der Höflichkeit oder Mehrsprachigkeit, dominierten dieses Verhältnis. ANDREA SERLES (Wien) beschäftigte sich mit Händlerdiasporen im frühneuzeitlichen Wien und stellte die Struktur der Wiener Kaufmannschaft vor. Neben den ortsansässigen und fremden christlichen Kaufleuten arbeitete in der Metropole auch eine aus jüdischen Händlern, osmanischen Untertanen und Marktfahrern bestehende Minderheit, welche aufgrund von Konkurrenzsituationen zeitweilig vom Wiener Markt ausgeschlossen wurde. Sektionsleiter MARK HÄBERLEIN (Bamberg) sprach über die oberdeutschen Handelshäuser in Sevilla, die seit dem frühen 16. Jahrhundert auf der iberischen Halbinsel präsent waren, während italienische Händler dort schon eine weit zurückreichende kaufmännische Tradition aufwiesen. Die neu Ankommenden waren durch ihre vor allem in Venedig stattfindende Ausbildung von der italienischen Kaufmannskultur geprägt. Die regelmäßigen geschäftlichen Transaktionen generierten ein Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Gruppen. MAGNUS RESSEL (Frankfurt am Main) schloss die Sektion mit seiner Präsentation zu oberdeutschen, nordlombardischen und reformiert-schweizerischen transalpinen Händlernetzen. Er untersuchte die Faktoren der Effizienz und rekapitulierte, dass keine der drei Gruppen den Transalpenhandel in der Frühen Neuzeit monopolisieren konnte, unter anderem weil es sich hierbei um ein mechanisiertes, hoch kompetitives System der Konkurrenz handelte.

Die Sektion IVb wurde von einer finnischen Historikerinnendelegation veranstaltet. Sie stand unter der Fragestellung, inwiefern Beamte als agents of enlightenment im Skandinavien des 18. Jahrhunderts interpretiert werden können. CHARLOTTA WOLFF (Turku) fragte danach, ob schwedische Beamte als Vertreter der Aufklärung auftraten und ob sie in dieser Rolle in Gegensatz zu staatspolitischen Aufgaben gerieten. Sie betonte das Spannungsverhältnis zwischen public und private person beispielhaft an dem schwedischen Diplomaten Gustav Philip Creutz, der in Paris eingesetzt war. Anschließend stellte ULLA IJÄS (Turku) die ersten Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu Kaufleuten als Konsumenten und Distributoren von Wissen im Ostseeraum dar. Sie analysierte die Bücherlisten zweier Kaufleute und verwies darauf, dass Bücherbesitz einen sozialen Status symbolisierte sowie praktischen Zwecken diente, jedoch nicht unbedingt Interesse an Wissenschaft oder Erkenntnisvermehrung ausdrückte. Vielmehr konnte durch die Beschaffung eine vorteilhafte Position in der Konkurrenz mit den Kollegen erlangt werden. SOPHIE HOLM (Helsinki / Turku) hielt ihren Vortrag über den in russischen Diensten stehenden Gesandten in Kopenhagen und Stockholm, Johann Albrecht von Korff. Sie definierte Gesandtschaft generell als soziale Praktik, die zu einem Großteil von informellen Normen geleitet war. Korff befand sich in Stockholm während der frihetstid, was für seinen Aufenthalt dort große Relevanz hatte. Zum Schluss der Sektion beschrieb ELINA MAANIITTY (Helsinki / Turku) die Entwicklung der Ärzteschaft im Schweden des 18. Jahrhunderts. Sie stellte die These auf, dass die Aufklärung nicht als Theorie und Werk großer Geister gesehen werden dürfe, sondern als lokal vermittelte Praxis, bei der Netzwerke eine prominente Rolle spielten. Als Beispiel diente ihr die Impfproblematik, mit der neu ausgebildete Distriktärzte in teilweise abgelegenen Regionen zu kämpfen hatten.

Konkurrenz im Sinne von Nebeneinanderbestehen und Imitation widmete sich die Sektion IVc am Beispiel des Verhältnisses zwischen der Habsburgermonarchie und dem aufstrebenden Preußen. Sektionsleiterin BETTINA BRAUN (Mainz) analysierte die Sicht französischer Diplomaten auf die Höfe in Berlin und Wien in den 1740er-Jahren als Phase von Unklarheiten aufgrund der Thronwechsel. Dabei unterstrich sie, dass es sich in diesem Fall um eine ausgesprochen asymmetrische Konkurrenz handelte und eine direkte Rivalität der Dynastien erst das Konstrukt der Geschichtsschreibung sei. Auf dieses Problem der Konkurrenzgeschichte verwies auch THOMAS BISKUP (Hull), der insbesondere den preußischen Hof betrachtete und hervorhob, dass die Fürstenhöfe bei der Statuskonkurrenz ein wichtiger Distinktionsfaktor waren, wobei der königlich-preußische Hof als „Newcomer“ vor allem mit Sachsen und den Welfen konkurrierte. Dementsprechend verfolgten die Dynastien verschiedene Strategien im europäischen Machtgefüge und standen nur in indirekter Konkurrenz zueinander. FRANK GÖSE (Potsdam) referierte zur preußisch-österreichischen Konkurrenz auf dem Gebiet der Militärsysteme anhand von Einzelprozessen und vertrat die These, dass die Unterschiede hier nicht so groß waren, wie in der bisherigen Geschichtsschreibung dargestellt. Vielmehr habe es sich – auch mithilfe wechselseitiger Spionage und Informationsbeschaffung – um einen graduellen Anpassungsprozess an die gleichen Herausforderungen gehandelt. Die hocheffektive Reform des preußischen Justizsystems von 1746 und den österreichischen Versuch, der damit verbundenen Effizienzsteigerung gleichzuziehen, stellte TOBIAS SCHENK (Göttingen / Wien) in einem pointiert gehaltenen Beitrag vor. Joseph II. versuchte nach preußischem Vorbild den Reichshofrat zu reformieren, hatte aufgrund seines begrenzten Handlungsspielraumes jedoch kaum Erfolg. In dem von GABRIELE HAUG-MORITZ (Graz) gehaltenen Kommentar wurde noch einmal die Sonderrolle der dynastischen Umbrüche von 1740 samt deren Folgen hervorgehoben, welche die österreichische Monarchie erstmals in eine dyadische Konkurrenzsituation im Reich zwangen.

Unter dem Titel „Die Jagd nach dem toten Körper. Konkurrenzen um den Leichnam“ fand die Sektion Va statt. Zu Beginn stellte MATTHIAS BÄHR (Dresden) einen Fall konkurrierender Normen dar: Im England der Frühen Neuzeit sei das Exhumieren und Weiterverkaufen von Leichen keine illegale und nur von Unterschichten ausgeübte Tätigkeit gewesen, obwohl die moralische Verurteilung dieser Praxis durchaus existierte. Er fasste seine Forschungen unter den Begriff der „Nekroökonomie“ zusammen. Die Anthropologin und Archäologin ESTELLA WEISS-KREJCI (Wien) gab anschließend Einblicke in ihre Beschäftigung mit dem Phänomen der Herz- und Eingeweidebestattungen in der Vormoderne. Bei dieser vor allem von den Jesuiten in der Frühen Neuzeit praktizierten Bestattungsform konnte es zu Konkurrenzen kommen, besaßen die Orte und Zuteilungen der einzelnen Körperteile doch symbolische Bedeutung. Mit der Frage, wie Selbstmord im 18. Jahrhundert erklärt und verhandelt wurde, beschäftigte sich der Beitrag von ALEXANDER KÄSTNER (Dresden). Er hob hervor, dass der medizinische Diskurs nicht im Sinne einer Fortschrittsgeschichte interpretiert werden dürfe, sondern vielmehr in jeweils zeittypische Diskurse theologischer und politischer Art eingebunden war. Zum Abschluss des Panels kommentierte der Medizinhistoriker FRITZ DROSS (Erlangen), dass die Anatomie lange Zeit nicht als im Widerspruch zur Lehre der Seele angesehen wurde. Es stelle sich die grundlegende Frage, wo die Grenze zwischen Mensch und Ding verlaufe, was ein „Anthropofakt“ sei. Hierbei kämen gleichsam Deutungs- und Verwertungskonkurrenzen zum Tragen.

Gelehrte Konkurrenzen waren Gegenstand der Sektion Vb, welche die Moderatorin JULIA SCHMIDT-FUNKE (Erfurt / Gotha) mit einem Vortrag zur Analyse des Begriffes Konkurrenz in der Wissensgeschichte eröffnete. Sie zeigte potentielle Felder von Gelehrtenkonkurrenz auf und demonstrierte, wie diese in einer dem Einheitsideal verpflichteten Gelehrtenrepublik mehrdeutig ausgelegt werden konnten. Konkurrenz, Gefälligkeit und gelehrtem Austausch widmete sich TOBIAS WINNERLING (Düsseldorf / Amsterdam) anhand einer Fallstudie über die Entschlüsselung des palmyrischen Alphabets und die damit verbundene Rivalität um das Prestige der Beteiligten. Der Beitrag von JOËLLE WEIS (Wolfenbüttel) rückte den Konflikt um Forschungs- und Publikationsmaterial und den damit verbundenen Prestigeaufbau unter Gelehrten anhand von Beispielen aus Fulda und Würzburg in den Fokus, wobei sie auf Parallelen zum heutigen Wissenschaftsbetrieb verwies. Die Diskussion um Nützlichkeit und Verbesserung im Rahmen einer Universitätsreform griff DOMINIK HÜNNINGER (Hamburg) auf und arbeitete den Zusammenhang von Konkurrenz und Ökonomie heraus. Im von MARTIN MULSOW (Erfurt / Gotha) gehaltenen Kommentar wurde deutlich, dass entgegen dem Ideal nicht alle Gelehrten zu gleichen Bedingungen im Wettstreit miteinander standen und die verbreitete Rhetorik der Kooperation von einer Tiefenstruktur der Konkurrenz begleitet war, wobei häufig die Ressourcen der Beteiligten im Mittelpunkt standen.

Die Sektion Vc beschäftigte sich mit der Konkurrenz auf dem Feld des Informationsmarktes. SASKIA LIMBACH (Mainz) erörterte anhand der Stadt Köln, inwiefern Medien zum Verbreiten bzw. Zurückhalten von Informationen instrumentalisiert wurden. Der Rat der Stadt nutzte gedruckte Medien bis zu einem gewissen Grad, um sowohl inner- als auch außerhalb der Stadt gezielt den Informationsfluss zu steuern. CARLA TERESA ROTH (Basel) untersuchte anhand des Erdbebens in Neapel, wie die Informationsweitergabe durch Flugblätter funktionierte, wobei vorrangig das Netzwerk von Johannes Rütinger im Fokus der Betrachtung stand. Hier stellte die Referentin die Frage, wie sehr sich die mündlichen von den letztlich gedruckten Informationen unterschieden. Die ersten genuesischen Drucke thematisierte NINA LAMAL (Antwerpen) und analysierte sowohl das Konkurrenzverhältnis zwischen pro-französischen und pro-spanischen Fraktionen von Buchdruckern als auch die Konkurrenz um die benötigten Rohstoffe. Hierfür untersuchte sie unter anderem von Alessandro Botticelli herausgegebene Zeitungen hinsichtlich der Praktik des Kopierens von Informationen. JAN-FRIEDRICH MISSFELDER (Zürich / Basel) zeigte am Beispiel von Erhard Dürsteler (1678-1766) intertextuelle Traditionslinien in gedruckten Chroniken.

Den dritten Tagungstag eröffneten die Mitglieder des DFG-Netzwerks „Das Versprechen der Märkte“. In der Sektion VIa stellten sie ihr interdisziplinäres Buchprojekt vor, das sowohl wirtschafts- als auch kulturgeschichtliche Aspekte berücksichtigt. Nach der Anmoderation durch EVA BRUGGER (Zürich) gab CHRISTOF JEGGLE (Würzburg) eine konzeptionelle Einführung und stellte die Grundsatzfragen des Projekts vor. Das Netzwerk nimmt Märkte als vermeintlich paradigmatische Form organisierter Konkurrenz in den Blick. Vor allem der Begriff des Versprechens stand im Fokus, wobei aus den drei Hauptkapiteln des Buches zentrale Aspekte sowie erste Ergebnisse zur Diskussion gestellt wurden. Das Versprechen des Vermögens im Marktgeschehen stellte MURIEL GONZÁLEZ ATHENAS (Bochum) vor. Dabei ging sie auf das Investieren und Profitieren anhand konkreter Beispiele, wie dem Bergbau in Sachsen oder das Goldschmieden in Köln, ein. CHRISTIAN MEIERHOFER (Bonn) präsentierte das Versprechen von Verfügbarkeit anhand unterschiedlicher Medien wie beispielsweise Bücher und Druckschriften. In diesem Zusammenhang analysierte er auch das Konkurrenzverhältnis der beiden Buchmessen in Frankfurt und Leipzig. Das Versprechen von Qualität erörterte ALEXANDER ENGEL (Göttingen) am Beispiel von Tabak und dessen Qualitätssicherung im deutschsprachigen Raum. In seinem Kommentar fragte SIMON TEUSCHER (Zürich) unter anderem nach der Darstellung und Erfassung des historischen Wandels innerhalb der für das Buchprojekt gewählten Zeitspanne von knapp 500 Jahren und betonte dessen interdisziplinären Ansatz.

Die Sektion VIb befasste sich mit dem Immerwährenden Reichstag (1663-1806) als Schauplatz konkurrierender Akteure und Interessen. Im ersten Beitrag ging GUIDO BRAUN (Mulhouse) auf das französische Reichstagsverständnis ein. Als Beispiel für Rollen- und Normenkonkurrenz diente hier Ludwig XIV., der sich entgegen seiner bellizistischen Selbstinszenierung auf anderen Bühnen gegenüber dem Reichstag als Friedenswahrer und Garant der Ordnung inszenierte. Im 18. Jahrhundert war die Rolle der französischen Gesandten auf Grund der vorherrschenden „gallophoben Atmosphäre“ besonders schwierig zu bewältigen. Anschließend beschrieb CHRISTOPH KAMPMANN (Marburg) den Zusammenhang zwischen Türkengefahr, Reichstag und Kaiser. War das Thema der Türkenkriege vor allem im 16. Jahrhundert auf den Reichstagen prominent diskutiert worden, so blieb es in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts beinahe unerwähnt, was der Referent als bewusste Entscheidung des Kaisers aufgrund von reichsinternen Spannungen interpretierte. DOROTHÉE GOETZE (Bonn) befasste sich mit der Rollenvielfalt von Beteiligten am Großen Nordischen Krieg, die sowohl Reichsstände als auch Träger auswärtiger Kronen waren. Die Akteure bemühten sich zwar um Rollendisktinktion, doch war dies ein ständiger Kampf um Deutungshoheit und Interpretation. YVES HUYBRECHTS (Marburg) stellte anschließend mit den Reichssteuern ein Instrument vor, durch welches die Reichsstände, das Reichskammergericht und der Kaiser in ein spannungsreiches Verhältnis gesetzt wurden. In seinem Abschlusskommentar sprach MICHAEL ROHRSCHNEIDER (Bonn) davon, dass die Betrachtung des Immerwährenden Reichstags ideal dafür sei, das Thema Konkurrenz historisch auszuloten und bezeichnete dieses auf Grund der überbordenden Quellenfülle als „ungehobenen Schatz“. Bei der zukünftigen Forschung solle nicht weiter von einem Dualismus zwischen Ständen und Kaiser ausgegangen, vielmehr müsse eine europäische Perspektive eingenommen werden.

Der wirtschaftliche Wettbewerb als Aspekt von Konkurrenz wurde in der Sektion VIc näher betrachtet. Sektionsleiterin SABINE VON HEUSINGER (Köln) fragte in ihrem Vortrag danach, wie Zunftvereinigungen mit Innovationen umgingen und zeigte auf, wie für neu entstehende Handwerke innerhalb der Zünfte Strukturen geschaffen wurden, um die Konkurrenz einzugliedern. Die Verschiebung des Machtgefüges zwischen zunftangehörigen, ortsansässigen Krämern und zugezogenen, ins Patriziat aufstrebenden Kaufleuten in Leipzig präsentierte UWE SCHIRMER (Jena). Anhand von zwei Fallbeispielen stellte anschließend JULIA BRUCH (Köln) dar, wie qualifizierte Handwerker in städtische Dienstämter gelangen konnten. Der von PATRICK SCHMIDT (Rostock) gehaltene Abschlusskommentar ergänzte die Vorträge, indem er auf die Vielfalt von Konkurrenzverhältnissen im Handwerk hinwies. Er betonte, dass die Negativdeutung des Zunftbetriebes aufgrund vermeintlicher Innovationsfeindlichkeit und Restriktion infrage gestellt und neu überdacht werden müsse, da es in normativen und persönlichen Quellen Hinweise auf einen größeren Spielraum gebe, als Zunftordnungen vermuten ließen.

Die Sektion VIIa war den jüdisch-jüdischen Konkurrenzen gewidmet, wobei vor allem der Blick auf die kulturellen, sprachlichen und sozialen Unterschiede der einzelnen Gruppen innerhalb des Judentums geschärft werden sollte. Zunächst stellte SUSANNE HÄRTEL (Berlin / Potsdam) verschiedene Strategien zur Überwindung von Konkurrenz und Konflikten zwischen romaniotischen und sephardischen Juden im Osmanischen Reich um 1500 anhand von Rechtsgutachten vor. Eine Gegenüberstellung der Sephardim und Aschkenasim im Amsterdam des 17. Jahrhunderts anhand von Gemeindeorganisation, Wirtschaftsleben und Fremdbetrachtung präsentierte CORNELIA AUST (Bielefeld) und unterstrich die deutliche Unterscheidung der beiden Gruppen. Abschließend referierte SINA RAUSCHENBACH (Potsdam / Berlin) zu jüdisch-jüdischen Privilegien und Verlustängsten im 18. Jahrhundert, wobei sie auf Grundlage von drei Fallbeispielen für eine genauere Untersuchung des Verhältnisses von sephardischen und aschkenasischen Juden, sowie eine neue, differenziertere Emanzipationsgeschichte plädierte.

Die Sektion VIIb behandelte Netzwerke und ihre Mehrfachnutzung unter dem Oberbegriff der competitive concurrence. FABIAN FECHNER (Hagen) erörterte die Kontextgebundenheit geographischen Wissens am Fallbeispiel Afrika, in welchem Landkarten anhand europäischer Reiseberichte nicht nur als bloße Abbilder, sondern auch als verzerrte Zuspitzungen dienen konnten. Im Folgenden präsentierte EVELYN KORSCH (Venedig / Erfurt) anhand des Agenten Gregorio Agdollo die Nutzung unterschiedlicher Netzwerke für die Steigerung des eigenen sozialen Prestiges. Die Sektionsleiterin ELISABETH NATOUR (Regensburg) schloss sich mit ihrer Präsentation über den strategischen Nutzen kultureller Netzwerke von Musikern, Künstlern und Mäzenen an. Sie erklärte anhand des Buch- und Kunstsammlers Antonio Barberini sowie der fuggerschen Musikinstrumentensammlung, wie kulturelle Verbindungen als Eintritt in weitere Netzwerke dienen konnten. TOBIAS WINNERLING (Düsseldorf / Amsterdam) beschloss die Sektion mit seiner Untersuchung zu den Netzwerken von gelehrten Familien, deren Söhne in die Politik gingen, wobei vor allem die väterlichen Netzwerke genutzt wurden. In ihrem abschließenden Kommentar fasste INGEBORG VAN VUGT (Utrecht) die unterschiedlichen Formen und Funktionen von Netzwerken zusammen und betonte die Rolle der einzelnen Akteure hinsichtlich des sozialen Kapitals, welches durch die Nutzung der Netzwerke generiert werden konnte.

Die Sektion VIIc hatte das Konkurrieren und Entscheiden in frühneuzeitlichen Gesellschaften zum Inhalt. Einführend betonte ANDRÉ KRISCHER (Münster), dass zwischen den Begriffen Konkurrieren und Entscheiden strukturelle Gemeinsamkeiten existierten, da beide sich auf multiple Optionen bezögen. Es wäre zu fragen, wie die performative Praxis von Konkurrieren und Entscheiden verbunden und ob Konkurrenz überhaupt entscheidbar sei. Anschließend beschrieb MONA GARLOFF (Stuttgart / Wien) mit Blick auf Jean Hotman, inwiefern Irenik als Entscheidungsvermeidung angesehen werden könne. Im 16. Jahrhundert sei ein Aufschub der konfessionellen Wahrheitsfrage wegen der berechtigten Hoffnung auf (Wieder-)Vereinigung noch möglich gewesen, während nach den politischen und religiösen Zuspitzungen um und nach 1600 dringende Grundsatzentscheidungen getroffen werden mussten. MARIA WEBER (Regensburg) stellte als Beispiel für Entscheidungsvielfalt den Umgang mit Schulden vor Gericht in Augsburg vor. Formelle und informelle Faktoren seien gleichermaßen anstoßgebend gewesen. Gläubiger und Schuldner müssten dabei als aktive Teilnehmer von Entscheidungsprozessen angesehen werden. ALEXANDER DURBEN (Münster) stellte englische Gerichtsverfahren der Sattelzeit vor, denen er eine spezifische Rollen- und Kommunikationsstruktur bescheinigte. Die Konkurrenz sei in einer triadischen Konstellation verhandelt worden, wobei im chronologischen Verlauf einer komplexen Entscheidung nähergekommen wurde. Von einer anderen Warte befasste sich die Kunsthistorikern EVA-BETTINA KREMS (Münster) mit den beiden Sektionsbegriffen. Sie untersuchte bildliche Darstellungen des „Herkules am Scheideweg“ bei den Habsburgern im 18. Jahrhundert und gelangte zu der Feststellung, dass damit innerdynastische Rollenerwartungen und Wahrnehmungen der politischen Stellung der Dynastie weitergegeben werden sollten. Zum Abschluss fragte PHILIP HOFFMANN-REHNITZ (Münster) danach, ob die Frühe Neuzeit eine Konkurrenz- und Entscheidungsgesellschaft gewesen sei. Im Gegensatz zur Moderne seien vorhandene Konkurrenzen verschleiert worden, es habe ein Bedürfnis zur Vermeidung von Entscheidungs- und Konkurrenzperformanz geherrscht.

Den Abschluss der Tagung stellte die Podiumsdiskussion dar. Hierbei debattierten GERD SCHWERHOFF (Dresden), BARBARA STOLLBERG-RILINGER (Münster / Berlin) und HILLARD VON THIESSEN (Rostock) unter Moderation von MATTHIAS POHLIG (Berlin) darüber, was der Begriff der Konkurrenz im Gegensatz zu alternativ genutzten Begriffen wie Kollision, Konflikt oder Wettstreit in der historischen Forschung liefern könne. Nachdem die Diskutanten ihre unterschiedlichen Definitionen des Begriffs präsentiert hatten, stellte von Thiessen sein Konzept der „Normenkonkurrenz“ vor, wobei er betonte, dass die Frühe Neuzeit als Epoche der Ambiguität verstanden werden könne, in der die Konkurrenz zwischen Normen und Werten Akteure zu Ambiguitätstoleranz veranlasse, ja zwinge. Stollberg-Rilinger äußerte Skepsis und schlug eine enge Verwendung des Konkurrenzbegriffs vor. Andere Begriffe seien zur Beschreibung vormoderner Phänomene präziser, weil „Konkurrenz“ zu stark durch implizite und wettkampforientierte Vorannahmen des modernen Alltagsverständnisses belastet sei. Schwerhoff dagegen unterstützte das Konzept der Normenkonkurrenz und dessen Begrifflichkeit. Auch der derzeitige Stand der Frühneuzeitforschung wurde diskutiert. Konstatiert wurde von den Beteiligten, dass ein Trend zur globalen Betrachtung und stärkeren Berücksichtigung der Wirtschaftsgeschichte zu beobachten sei. Dabei käme es jedoch auch zu einer Abkehr von spezifisch frühneuzeitlichen Sujets hin zu einer „Resonanz auf Großkonzepte“ (Schwerhoff). Die Forschung befinde sich nunmehr mehrheitlich auf einer mittleren theoretischen Ebene (Stollberg-Rilinger) und müsse interdisziplinäre Begriffe finden, was auch epochen- und grenzübergreifende Vergleiche ermöglichen würde. Der lebhafte Austausch der drei Podiumsteilnehmenden regte neue Fragestellungen hinsichtlich des Konkurrenzbegriffs an und stellte somit einen würdigen Abschluss für eine Tagung dar, die aufgrund ihrer vielseitigen Thematiken neue Ideen und Konzepte für die Frühneuzeitforschung liefern konnte. Abschließend wurde verkündet, dass der nächste Frühneuzeittag 2021 in Bamberg zum Thema „Sprachen der Frühen Neuzeit“ stattfinden wird.

Konferenzübersicht:

Sektionsblock IV

Sektion IVa: Konkurrenz und Kooperation im frühneuzeitlichen Fernhandel: Italiener und Oberdeutsche auf europäischen Märkten
Leitung: Mark Häberlein (Bamberg)

Mark Häberlein (Bamberg): Einleitung

Andrea Serles (Wien): Zwischen Konkurrenz und Kooperation: Händlerdiasporen in der frühneuzeitlichen Reichshaupt- und Residenzstadt Wien

Mark Häberlein (Bamberg): Von neuen Märkten profitieren: Oberdeutsche, Florentiner und Genuesen auf der Iberischen Halbinsel, ca. 1500–1560

Magnus Ressel (Frankfurt am Main): Kooperation und Konkurrenz: Deutsche, italienische und Schweizer Händlernetze im frühneuzeitlichen Transalpenhandel

Sektion IVb: Competing Ideas and Practices amongst Civil Servants in Eighteenth-Century Scandinavia
Leitung: Sophie Holm (Helsinki / Turku) / Charlotta Wolff (Turku)

Charlotta Wolff (Turku): Duty vs. pleasure: philosophical libertinage amongst Swedish civil servants and diplomats

Ulla Ijäs (Turku): Merchants as readers and distributors of knowledge in the late eigtheenth-century Northern Baltic

Sophie Holm (Helsinki / Turku): From radical philosophy to radical diplomacy? Johann Albrecht von Korff’s embassies to Copenhagen and Stockholm 1740–1766

Elina Maaniitty (Helsinki / Turku): Science, practice and administrative duties – conflicting expectations and the role of medical professionals in late-eighteenth-century Sweden

Sektion IVc: Die preußisch-österreichische Konkurrenz im 18. Jahrhundert
Leitung: Bettina Braun (Mainz)

Bettina Braun (Mainz): Zwei a-normale Höfe von außen betrachtet: Die Berichte der französischen Gesandten aus Berlin und Wien nach 1740

Thomas Biskup (Hull): Höfische Konkurrenz? Dynastische Strategien der Häuser Brandenburg und Österreichs im Gefüge der europäischen Politik

Frank Göse (Potsdam): Audiatur et altera pars. Perzeptions- und Rezeptionsprozesse zwischen dem österreichischen und dem preußischen Militärsystem

Tobias Schenk (Göttingen / Wien): „Des Kaysers rechter Arm“? Der Reichshofrat und die Konkurrenz zwischen Brandenburg-Preußen und dem Haus Habsburg auf dem Feld der Reichsjustiz

Kommentar: Gabriele Haug-Moritz (Graz)

Sektionsblock V

Sektion Va: Die Jagd nach dem toten Körper. Konkurrenzen um den Leichnam
Leitung: Matthias Bähr (Dresden) / Alexander Kästner (Dresden)

Matthias Bähr (Dresden): Leichen als Kapital. Nekroökonomien in der Frühen Neuzeit

Estella Weiss-Krejci (Wien): Von der Trauer zum Konflikt. Konkurrierende Akteure bei Herz- und Eingeweidebestattungen des 17. und 18. Jahrhunderts

Alexander Kästner (Dresden): Das Wissen vom „Selbstmord“. Der Leichnam als Quelle und Streitobjekt medizinischer und moralischer Deutungen

Fritz Dross (Erlangen): Konkurrenzen um die Leiche – ein Kommentar

Sektion Vb: Gelehrte Konkurrenzen. Rivalität und Marginalität in der Wissensgeschichte der Frühen Neuzeit
Leitung: Julia A. Schmidt-Funke (Erfurt / Gotha)

Julia A. Schmidt-Funke (Erfurt / Gotha): Konkurrenz – ein Analysebegriff für die Wissensgeschichte der Frühen
Neuzeit?

Tobias Winnerling (Düsseldorf / Amsterdam): Konkurrenz, Gefälligkeit, gelehrter Austausch in der Randzone der gelehrten
Milieus

Joëlle Weis (Wolfenbüttel): Klerikale Streitfälle als Konkurrenzereignisse in der Gelehrtenrepublik

Dominik Hünniger (Hamburg): Die Nutzlosigkeit der Fakultäten – Universitäten und oeconomische Wissenskonkurrenzen um 1800

Kommentar: Martin Mulsow (Erfurt / Gotha)

Sektion Vc: Competition and Convergence on the Early Modern Marketplace of Information
Leitung: Jan-Friedrich Missfelder (Zürich / Basel) / Carla Teresa Roth (Basel)

Carla Teresa Roth (Basel): Introduction

Saskia Limbach (Mainz): „It is hereby made known“: Choosing the right medium for spreading (or withholding) official information in the sixteenth century

Carla Teresa Roth (Basel): Competing Truths. Oral Informants and Print in Sixteenth-Century St Gallen

Nina Lamal (Antwerpen): Competition in seventeenth-century Italian information ventures

Jan-Friedrich Missfelder (Zürich / Basel): The Local and the Vocal. Unearthing Orality in Early 18th Century Swiss News Media

Sektionsblock VI

Sektion VIa: Konkurrenzen hoch 2. „Das Versprechen der Märkte“ – ein Buchprojekt zwischen Wirtschafts- und Kulturgeschichte
DFG-Netzwerk „Das Versprechen der Märkte“
Eva Brugger (Zürich): Moderation

Christof Jeggle (Würzburg): Einführung in die Konzeption

Muriel González Athenas (Bochum): Versprechen von Vermögen

Christian Meierhofer (Bonn): Versprechen von Verfügbarkeit

Alexander Engel (Göttingen / Basel): Versprechen von Qualität

Kommentar: Simon Teuscher (Zürich)

Sektion VIb: Der Immerwährende Reichstag als Schauplatz konkurrierender Akteure und Interessen
Leitung: Dorothée Goetze (Bonn) / Christoph Kampmann (Marburg)

Guido Braun (Mulhouse): „In Regensburg wird der Anblick eines Franzosen ebenso gefürchtet wie die Pocken in Paris“: Rollen- und Normenkonkurrenz im französischen Reichstagsverständnis 1663–1740

Christoph Kampmann (Marburg): Kaiser, Reichstag, Türkengefahr: Kommunikation als Ausdruck von Konkurrenz?

Dorothée Goetze (Bonn): Die Troublen im Norden. Die Akteure des Großen Nordischen Krieges zwischen Reichs- und Eigeninteresse

Yves Huybrechts (Marburg): Den Kaiser erpressen. Der Fall Jever zwischen Burgundischem Reichskreis und Reichskammergericht, 1737–1739

Kommentar: Michael Rohrschneider (Bonn)

Sektion VIc: Die Zünfte im Wettbewerb um Ämter, Arbeitskraft und Innovationen
Leitung: Sabine von Heusinger (Köln)

Sabine von Heusinger (Köln): Zünfte und Patriziat im Wettbewerb um Innovationen

Uwe Schirmer (Jena): Vermögende Krämer – verarmte Kaufleute. Konkurrenzen und Rivalitäten im überregionalen/regionalen Detail- und Großhandel am Beispiel mitteldeutscher Städte (1470–1560)

Julia Bruch (Köln): Schreibende Handwerker in Konkurrenz um städtische Ämter

Kommentar: Patrick Schmidt (Rostock)

Sektionsblock VII

Sektion VIIa: Jüdisch-jüdische Konkurrenzen (15. – 18. Jahrhundert)
Leitung: Sina Rauschenbach (Potsdam / Berlin)

Susanne Härtel (Berlin / Potsdam): Eine Frage der Konkurrenz? Zum Umgang mit innerjüdischer Vielfalt in den Städten des frühneuzeitlichen Osmanischen Reichs

Cornelia Aust (Bielefeld): Zwischen Religion und Ethnizität – Sephardim und Aschkenasim in Amsterdam

Sina Rauschenbach (Potsdam / Berlin): Emanzipationsgeschichte als Konkurrenzgeschichte? Jüdisch-jüdische Privilegien und Verlustängste im langen 18. Jahrhundert

Sektion VIIb: Competitive Concurrence? Netzwerke und ihre Mehrfachnutzung
Leitung: Elisabeth Natour (Regensburg)

Fabian Fechner (Hagen): Händler, Entdecker, Gelehrte? Die Kontextgebundenheit geographischen Wissens am Fallbeispiel Afrika (18. Jh.)

Evelyn Korsch (Venedig / Erfurt): Global player und Chamäleon. Die Karriere des Agenten Gregorio Agdollo (18. Jh.)

Elisabeth Natour (Regensburg): Musiker, Künstler, Mäzene: Vom strategischen Nutzen kultureller Netzwerke an europäischen Höfen (17. Jh.)

Tobias Winnerling (Düsseldorf / Amsterdam): Schwarze Schafe oder strategische Investitionen? In die Politik gegangene Söhne in den Netzwerken gelehrter Familien (18. Jh.)

Kommentar: Ingeborg van Vugt (Utrecht)

Sektion VIIc: Konkurrieren und Entscheiden in frühneuzeitlichen Gesellschaften
Leitung: Philip Hoffmann-Rehnitz (Münster) / André Krischer (Münster)

André Krischer (Münster): Einführung

Mona Garloff (Stuttgart / Wien): Irenik als Entscheidungsvermeidung? Concordia, Toleranz und konkurrierende religiöse Wahrheitsansprüche in der res publica litteraria um 1600

Maria Weber (Regensburg): „Wenn's ums Geld geht ...“. Konkurrenz und Entscheidungsvielfalt im Umgang mit Schulden vor Gericht in der Reichsstadt Augsburg um 1500

Alexander Durben (Münster): „The advocate on the other side opens the adverse case” – Konkurrierende Fallversionen und Entscheiden in englischen Gerichtsverfahren der Sattelzeit

Eva-Bettina Krems (Münster): Konkurrieren und entscheiden: „Herkules am Scheideweg“ bei den Habsburgern im 18. Jahrhundert

Philip Hoffmann-Rehnitz (Münster): Die Frühe Neuzeit - eine Konkurrenz- und Entscheidungsgesellschaft?

Podiumsdiskussion: Der Begriff der Konkurrenz und seine Konkurrenzbegriffe
Matthias Pohlig (Berlin) / Barbara Stollberg-Rilinger (Münster/Berlin) / Gerd Schwerhoff (Dresden) / Hillard von Thiessen (Rostock)


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