Universität und Kommunikation. Die höhere Bildung im deutschen und polnischen Raum als ein grenzüberschreitendes Phänomen (bis zum Jahre 1939)

Universität und Kommunikation. Die höhere Bildung im deutschen und polnischen Raum als ein grenzüberschreitendes Phänomen (bis zum Jahre 1939)

Organisatoren
Polnische Historische Mission, Universität Würzburg
Ort
Würzburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.09.2019 - 17.09.2019
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Von
Heinz-Dieter Heimann, Paderborn

Wenn auch das Diktum Francis Bacons (1561–1626) „Wissen ist Macht“ nicht ausdrücklich zitiert wurde, so bewegte doch der darin pointiert markierte Anspruch auf Erkenntnisstreben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung „Universität und Kommunikation“, die am 16. Und 17.September 2019 im ehrwürdigen Toscanasaal in der ehemaligen Residenz der Würzburger Fürstbischöfe mit großer Öffentlichkeit zusammenkamen. Eingeladen dazu hatte die Polnische Historische Mission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, die Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń (Polen), die Julius-Maximilians-Universität Würzburg mit dem Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte, das Institut für Hochschulkunde an der Universität Würzburg, das Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München sowie der Verein „Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte“, Würzburg. Die nationen-, fächer- und epochenübergreifende Problemstellung der Tagung resultierte aus Fragen nach der historischen Genese der Realisierungsbedingungen von Wissen, nach den an Bildungserwerb und Ideentransfer gebundenen Effekten funktionaler Kommunikation von fachlichem Wissen. Das Erkenntnisinteresse der Tagung war so entlang der historischen Konstellation polnisch-deutscher Nachbarschaftsgeschichte und Fragen des wechselseitigen polnisch-deutschen Einflusses bzw. Austauschs ausgerichtet auf die Schnittstelle zwischen Universitäten und ihrem gesellschaftlichen Umfeld, auf damit verbundene Fragen der sozialen Vernetzung und der Akademisierungs- und Professionalisierungsanstrengungen von Eliten bis hin zu deren Rolle und Anspruch beim Aufbau nationaler Wissenschaftssysteme und Identitätskonstruktionen. Mit diesen Fragen rief die Tagung nicht zufällig das anregende Thema „Universität und Kommunikation“ auf. Der unmittelbare Anlass ergab sich aus dem wissenschaftlichen Wirken und 10-jährigen Bestehen der an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg arbeitenden Polnischen Historischen Mission.

Die Vorträge waren sieben sachlich übergreifenden Sektionen zugeordnet, die sich inhaltlich gegenseitig ergänzten und insgesamt eine anregende Diskussion der einzelnen Beiträge förderten. In der ersten Sektion wurde aus dem Forschungsstand der jeweiligen nationalen Wissenschaften die Bedeutung der Kommunikation von Eliten für die Ausbildung der Universitäten im Alten Reich und in Polen erschlossen. Die zweite Sektion erörterte für einzelne Fächerkulturen exemplarisch das Spannungsgefüge zwischen Wissen und Kommunikation, während in der dritten Sektion der Vernetzung in einzelnen Wissensgebieten, unter anderem Medizin und Naturkunde, an Beispielen (privater) Korrespondenzen nachgegangen wurde. Die Sektionen 4 und 5 analysierten mehrheitlich die soziale und organisatorische Bedeutung, die ein Studium in der Ferne mit sich brachte, sowie Umstände und Räume grenzübergreifender Netzwerkbildungen. Darauf aufbauend erschlossen die Sektionen 6 und 7 die Konkurrenz und Wirkungsdauer konfessionsspezifischer Universitäten und die Etablierung studentischer Kulturen mit ihren eigentypischen sowie nationalen Geltungsansprüchen.

Erhellend erweis sich dieser Blick über Grenzen einzelner Fachdisziplinen, Sprachen und Länder hinweg für die vertiefte Aneignung der Geschichte des deutsch-polnischen Nachbarschaftsverhältnisses. Zugleich verdeutlichten die Tagungsbeiträge, wie Querschnittsfragen nach Funktionszusammenhängen von Wissensinhalten und sozialen Ordnungen geläufige epochenspezifische Bewertungsweisen aufbrechen und damit Anlässe bieten, ausgehend von den Quellen und in Zeitschichten einer integrierten „Wissensgeschichte“ künftig noch intensiver nachzugehen. Als integrative Anliegen fortzusetzender polnisch-deutscher Wissenschaftsgeschichtsforschung wurde über das Leistungsspektrum gerade vergleichender Sozial- und Landeskulturgeschichte auf der Basis gegebener Quellenbestände auf die Geltung von „Bildungslandschaften“ und soziokulturell erkundete „Wissensräume“ hingearbeitet.

Mit Blick auf das Selbstverständnis der – zuvor an der Universität Göttingen eingerichteten – seit 2009 an der Universität Würzburg etablierten Polnischen Historischen Mission würdigten in Grußworten Vertreter der Bayerischen Staatsregierung, der Universität Würzburg und der Stadt Würzburg, privater Stifter und in einem Festvortrag ANDRZEJ RADZIMIŃSKI (Toruń) die erreichte wissenschaftspolitische Bedeutung und das erfolgreiche grenzübergreifende Wirken dieser Einrichtung. Zu den anerkannten Leistungen der Polnischen Historischen Mission zählt es, polnischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, zuvörderst aus den historischen Disziplinen, durch die Vermittlung zahlenmäßig steigender Stipendien einen Forschungsaufenthalt an der Universität Würzburg als Ausweis gebotener nationenübergreifender Wissenschaftspraxis ermöglicht zu haben. Ferner unterstrich man die Bedeutung jener von der Polnischen Historischen Mission mitverantworteten Projekte, die in verschiedenen Vortragsveranstaltungen oder in historischen Ausstellungen der außeruniversitären Öffentlichkeit Themen und Anliegen deutsch-polnischer Nachbarschaftsgeschichte vermitteln. Die Zusammenarbeit der polnischen und deutschen Historiker nach 1945 beleuchtete in einem weiteren Festvortrag UDO ARNOLD (Bonn) – untersetzt mit persönlichen Erinnerungen – an ausgewählten Beispielen der Deutungen der „Krzyżacy“ (Deutscher Orden). Er verwies immer wieder auf die Beharrlichkeit, die polnische und deutsche Historiker auf dem Weg zu Gemeinsamem aufbrachten. Er zeichnete so nach, wie sehr nach 1945 Fachlichkeit und persönliches Vertrauen zur Zusammenarbeit polnisch-deutscher Historiker beitrugen und darüber im Schatten der Systemkonkurrenz und Ansprüchen geschichtspolitischer Instrumentalisierung doch aus Konfrontation eine vertrauensvolle Kooperation erwuchs, in der heute die Mission als kulturell-wissenschaftliches Element eine verstetigte Brückenfunktion zwischen den beiden Ländern einnimmt.

Mit Bezug auf das Rahmenthema „Universität und Kommunikation“ beleuchteten polnische und deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Universitäten und Hochschulen in ihren Vorträgen das engere Tagungsthema „Die höhere Bildung im deutschen und polnischen Raum als ein grenzübergreifendes Phänomen (bis zum Jahre 1938)“. Das inhaltliche Anliegen der Tagung erschlossen einleitend ANDRZEJ RADZIMIŃSKI (Toruń) und HELMUT FLACHENECKER (Würzburg) an Beispielen aus der Geschichte polnisch-deutscher Austauschprozesse im Bildungsgeschehen. Dabei umrissen sie unterschiedliche Konstellationen ständisch und konfessionell geleiteter Ausdifferenzierung und Pluralisierung als Faktoren ungleich verlaufender sozialer Verflechtungsprozesse und der Ausbildung neuer Institutionen der Wissensvermittlung. Indem sie Zeitschichten der Mobilität, Kommunikation und Medienpraxis sowie darüber Netzwerkbildungen von und zwischen Eliten in Wechselwirkungen mit der Geschichte funktionaler Eliten und der staatlichen und politischen Geschichte problematisierten, markierten sie Träger und Reichweite des Ideentransfers in epochenspezifische Konstellationen der polnisch-deutschen Beziehungsgeschichte als auch längerfristige Aufgabe. In dieser Perspektive galten die Tagungsbeiträge mehrheitlich dem Universitäts- und Bildungswesen der Frühen Neuzeit sowie des 19. und 20. Jahrhunderts.

WOLFGANG WÜST (Erlangen) skizierte die Bedeutung von Universitäten in der Entwicklung der Städte, Regionen und Länder an Beispielen der Universitäten Kraków, Altdorf, Dillingen und Erlangen, um daran Grenzen und Geltung der Ansprüche „universellen Studierens“ im Spätmittelalter und eher unter den konfessionellen Bedingungen der Frühen Neuzeit auszumachen. Er nutzte zur Analyse vor allem Matrikelbücher und entwickelte daraus Relationen zwischen Herkunftsregionen, Konfessionen, aufgesuchten Bildungsstätten und der Bedeutung städtischer Wirtschaftsbeziehungen. Die Rechtshistorikerin ANNA TARNOWSKA (Toruń) beschrieb mit der Wiederbegründung Polens für die 1920er-Jahre vergleichend Intentionen und Handlungsfelder staatlicher Gesetzgebung als Teil eines auch inneruniversitär geleisteten Demokratisierungstrends. Diese Phase endete trotz heftiger Studentendemonstrationen und aktiven Widerstands in neuen Gesetzen ab 1933, deren politische Leitvorstellungen sich an Italien und Deutschland orientierten. Ihre Anwendung führte zu vermehrten Ausgrenzungen (Numerus clausus, Arierparagraph) und veränderte mit der Möglichkeit, Fakultäten und Lehrstühle aufzuheben, die Organisation der Universitäten im Kern. Öffentliche geschichtspolitische Effekte in der polnisch-deutschen Nachbarschaft analysierte WOLFGANG E. J. WEBER (Augsburg), der Unverständnis, Ferne und Arroganz gegenüber polnischen Fachkollegen und deren Forschungen in Beiträgen der Historischen Zeitschrift, einem Leitmedium deutscher Geschichtswissenschaft, auf zumeist antikatholische und borussische Vorannahmen zurückführte.

Weitere Vorträge galten der Elitenforschung, dem Ideentransfer und Netzwerkbildungen verschiedener Gruppen. So bewertete KATARZYNA PĘKACKA-FALKOWSKA (Poznań) die Aufenthalte deutschsprachiger Studenten aus Polnisch-Litauen (Danzig, Thorn, Elbing) des 17. und 18. Jahrhunderts an der in der Medizin führenden Universität Leiden. Sie unterstrich daran den Wandel im Verhältnis von Peripherie und Zentrum sowie eine damit einsetzende Professionalisierung und den Transfer von Fachwissen (Anatomie, Biologie) in der Medizinausbildung und Berufspraxis. Ähnliche Effekte internationalisierter und transdisziplinärer Fächerkultur zeigte AGNIESZKA OGONOWSKA (Kraków) für die Psychologie und an deren Curriculum in der Innovation gegenüber der Anthropologie und den Naturwissenschaften (Biologie) an der Jagiellonen-Universität zu Beginn des 20. Jahrhunderts. ULRICH SCHLEGELMILCH (Würzburg) stellte eine fortgeschrittene Datei über circa 50.000 medizinische Briefe vor. Deutsche Ärzte des 16. Und 17. Jahrhunderts nutzten danach Briefe zu heilkundlichem Austausch und zur Eigenwerbung ihrer Karrieren und Anstellungen an prestigeträchtigen Höfen und Universitäten sowie für den Aufbau privater Praxisbetriebe. An Korrespondenzen und dem Schriftentausch namhafter Naturwissenschaftler aus Halle, Danzig, Thorn, Krakau und so weiter legte JOANNA KODZIK (Leipzig) für das 18. Jahrhundert Sinn und Wandel von Naturbeobachtungen, Medienpraxis und Mentalitäten an den Deutungen des Nordlichts (Aurora borealis) bis zu den Frühformen der Arktikforschung offen. Einem verdeutlichten Vordringen rational-aufklärerischer Intentionen in der Weltsicht stand dabei die Geltung tradierter, oft angstbesetzter bis eschatologisch gemeinter Wetterdeutung gegenüber. Ansprüche institutionalisierter Klerusbildung in Braunsberg und die Interessen des preußischen Staats daran zwischen dem frühen 19. und 20. Jahrhundert untersuchte ANDRZEJ KOPICZKO (Olsztyn) an dem Verhalten von Professoren, Studierenden und am Curriculum des Lyzeums „Hosianum“ bis zu dessen Anerkennung als „Königliche Akademie“ mit zwei Fakultäten und Promotionsrecht im Sinne einer Landesuniversität. Ihre Stabilisierung nach dem Kulturkampf in Preußen resultierte danach aus dem Austausch und Engagement des ermländischen Bischofs August Bludau, der zuvor die Akademie in Münster (Westfalen) geleitet hatte. IWONA DADEJ (Warszawa) legte für die sogenannte Zwischenkriegszeit aus einem integrierten wissenschafts- und frauengeschichtlichen Ansatz die Genese der Netzwerke und Effekte der Selbstorganisation polnischer Wissenschaftlerinnen, überwiegend Rechtswissenschaftlerinnen, aus der Geltung neuer Normen der polnischen Verfassung und den Zielen der internationalen politischen Frauenbewegung sowie deren Verbandsbildungen in Deutschland im Ausweis zirkulierender Ideen, Traditionsstiftung und Wissenschaftsverflechtung offen.

Ein weiterer Teil der Vorträge galt der peregrinatio academica, den Bildungsreisen und den Ausweisformen der Studentenkulturen. MATTHIAS ASCHE (Potsdam) legte mit profundem Blick auf gesamteuropäische Prozesse der Frühen Neuzeit die „konfessionelle Systemkonkurrenz“ als dynamischen Faktor einer wachsenden Nachfrage nach Bildung sowie deren regional ungleichen Verdichtungseffekte offen. Der Reichweite protestantischer Landesuniversitäten stellte er bis ins 18. Jahrhundert die weitergehende Ausstrahlung der Diözesanuniversitäten gegenüber. Auf die Schaffung möglichst homogenisierter Untertanen bzw. Funktionseliten zielte ferner die Vergabe von Stipendien (Stiftungen), deren Effekte an Beispielen für Königsberg verdeutlicht wurden. Unter welchen Umständen sich an der Breslauer Jesuitenuniversität (Leopoldina), deren Entwicklung im 18. Jahrhundert von mehreren Zäsuren betroffen war, eine konfessionsspezifische Studentenkultur mit den ihr eigenen partizipatorischen Aktivitäten, Devianzen und Frömmigkeit ausformen konnte, zeigte DAVID STELLMACHER (Potsdam). Wie sehr polnische Adelsfamilien im 17. Jahrhundert durch gezielte Studienaufenthalte ihrer Söhne auch zur weiteren Erziehung an die Universitäten in Löwen, Paris, Leipzig, Wien oder Köln und auch Würzburg schickten und dabei Prestigedenken, Machtbildung und Teilhabe am europäischen Bildungswesen bewiesen sowie für die Karrieren als Teil zeittypischer Funktionseliten nutzten, zeichnete ALEKSANDRA ZIOBER (Wrocław) für prominente Angehörigen der Familie Saphia nach. Erweitert um die politischen Kontexte des geteilten Polens im 19. Jahrhundert untersuchte TOMASZ PUDŁOCKI (Kraków) die Bildungswege von Stipendiaten aus Galizien. An der Bedeutung der nach neuen bildungskulturellen Ansprüchen gegründeten Berliner Universität konnte er zeigen, wie Berlin mit dem Ausweis von Freiheit der Forschung und Lehre für diese Gruppe auf Dauer zu einem Referenzort wurde, an dem sie Sprache(n) und Kultur auch als Ausweise des spezifischen Status als Akademiker erfuhren und als Teil eines neuen männlichen Habitus transferierten. Als ein einzigartiges Beispiel studentischer Memorialkultur der Universität Königsberg stellte MATTHIAS STICKLER (Würzburg) die jüngst erschienene kommentierte Edition der „Blätter der Erinnerung“ vor, die der Jurastudent Wilhelm Schmiedeberg in den Jahren 1835/1837 angefertigt hatte. Die dort festgehaltenen Portraits von 167 Studenten zeigen unter den Korporationen auch durch namentliche Einträge und Bildszenen ausgewiesene polnische Studenten aus dem damaligen Russisch-Polen, die als Folge der Schließung der Universitäten Warschau und Wilna nach der polnischen Revolution (1830/1831) im preußischen Königsberg offenbar gut aufgenommen wurden. Das vorherrschende Urteil über studentische Verbindungen als ein elitenprägendes Spezifikum an deutschsprachigen Universitäten korrigierte SABRINA LAUSEN (Paderborn) für das 19. und frühe 20. Jahrhundert anhand von Beispielen des eigenen Verbindungswesens junger polnischer Bildungsmigranten an preußischen Universitäten sowie an den deutschsprachigen Hochschulen in Dopat und Riga. Diese Verbindungen, analysiert als ein kulturelles Transferprodukt, waren nach dem Vorbild deutscher Landsmannschaften gegründet. Sie bildeten auf Dauer sozial und kulturell agile Netzwerke, in denen die Gruppen so auch ihre Nationalität zu tradieren vermochten, mit prägender Wirkung bis in das wiedervereinte Polen. Den besonderen Platz deutscher Universitäten für Studenten aus allen drei Gebieten des geteilten Polens vom Ende des 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert arbeitete WITOLD MOLIK (Poznań) vergleichend heraus. Nahezu an jeder deutschen Universität studierten sie. Sie bildeten jedoch keine einheitliche Gruppe und sie weiteten abhängig von politischen Kontexten und Konflikten ihr Bildungsinteresse auf das weitere Kulturangebot (etwa Theater, Musik) aus. Sie folgten dabei Ansprüchen zeitüblicher Akademisierung und Bürgerlichkeit und teilten dies zusammen mit ihrem differenten sozialen und regionalen Herkommen der Nationalisierung mit.

Die Beiträge der Schlussdiskussion unterstrichen die Bedeutung des Tagungsthemas generell und aktuell für die Geltung nationenübergreifender Erkenntnisinteressen in den Wissenschaften und damit für die Arbeit der Mission. Die Beiträge beschäftigten sich denn auch nicht mit „Universitätskommunikation“, sondern verdeutlichten im Echo auf die Tagungsbeiträge an Bildungserwerb und Ideentransfer gebundene soziale und kulturelle Effekte funktionaler Kommunikation von fachlichem Wissen.

Es wurde auch betont, wie dem Bildungsaufschwung in Europa im Zeichen konfessioneller Konkurrenz in der Frühen Neuzeit bereits eine „Revolution des Wissens“ der mittelalterlichen Universität und ihrer Korporationen vorausging, die bis in die Gegenwart mit der Buch- und Lesekultur sowie mit ihrer tradierten Organisationsform dem Wissenssystem eingeschrieben blieb. Nochmals verdeutlicht traten – vor dem Hintergrund der Teilung bzw. der Wiedervereinigung Polens – Zäsuren in den Beziehungen seit dem frühen 19. Jahrhundert hervor. In dem in Preußen nach 1815 neu organisierten Universitätswesen, infolgedessen Berlin für polnische Studenten hoch attraktiv wurde, trugen diese verstärkt Akademisierungs- und Professionalisierungsanstrengungen und nationale Identitätskonstruktionen mit, die sie selbstbewusst in ihre Herkunftsregionen transferierten. Dies förderte nicht nur die Ausbildung spezifischer Studentenkulturen, sondern unterstrich den Forschungsbedarf an Formen der Jugendkultur über landsmannschaftliche Milieus zu Räumen gesellschaftlich-politischer Eigengeltung hinaus. Weitergehende Forschungsanliegen galten der Genese der beruflichen Organisation von Akademikerinnen im Kontext der Ausformung der Kultur des Bürgertums und den politischen Milieus polnischer Nationenbildung. Die Beiträge wurden so weiter als Beispiele von Emanzipations- und Partizipations- sowie Integrationsprozessen gesellschaftlichen Wandels verstanden.

Insgesamt beleuchtete die Tagung thematisch konzise und anregend, vor einem zentrierten polnisch-deutschen und europäischen Horizont und epochenübergreifend soziale Funktionalitäten kommunizierten Wissens. Die Referentinnen und Referenten wiesen in ihren quellennah aufbereiteten Vorträgen stets auf Anknüpfungsgelegenheiten zu weiteren Arbeiten und anstehenden Projekten hin. So empfahl man, die Bedeutung von Schul- und Bildungslandschaften, auch unter Einbeziehung gegebenenfalls außereuropäischer Konstellationen, als mit der politischen und konfessionellen Raumordnung wenig kongruente Transferräume genauer zu thematisieren. Dieses Interesse galt so auch nicht allein der Geschichte einzelner Fächer, sondern vielmehr der Konkurrenz zwischen Wissenssystem und Erziehungssystem, die die Universitäten seit dem Mittelalter begleitet, der Geschichtlichkeit des Wissens in der polnisch-deutschen Nachbarschaft. So angeregt, bleibt das Diktum „Wissen ist Macht“ absehbar mit weiterem Erkenntnisinteresse zu zitieren.

Konferenzübersicht:

Sektion I: Einführungsvorträge

Moderation: Andrzej Radzimiński (Polnische Historische Mission Würzburg)

Wolfgang Wüst (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg): Universelles Studieren in Spätmittelalter und Frühmoderne? Universitäten im Kontext der Stadt-, Landes- und Regionalentwicklung. Polen (Krakau) und Süddeutschland (Altdorf, Dillingen, Erlangen und Würzburg) im Vergleich.

Anna Tarnowska (Uniwersytet Mikołaja Kopernika w Toruniu): Polnische Universitäten in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in einer vergleichenden Perspektive. Neuregelung und Stimmungswandel (numerus clausus und Ausschluss-Absätze).

Sektion II: Zwischen Wissen und Kommunikation
Moderation: Helmut Flachenecker (Universität Würzburg)

Katarzyna Pękacka-Falkowska (Uniwersytet Medyczny im. Karola Marcinkowskiego w Poznaniu): The Medical Faculty of Leiden and its graduates from the Polish-Lithuanian Commonwealth. The transfer of knowledge, the transfer of skills (17th-18th centuries).

Wolfgang E. J. Weber (Universität Augsburg): Die deutsche Geschichtswissenschaft und Polen 1850–1933. Wahrnehmungen, Befassungen, Einschätzungen-

Agnieszka Ogonowska (Uniwersytet Pedagogiczny im. KEN w Krakowie): History of psychology and psychological thought at the Jagiellonian University. Study of Polish-German influences until 1939.

Sektion III: Netzwerke und Korrespondenz
Moderation: Andreas Otto Weber (Haus des Deutschen Ostens, München)

Ulrich Schlegelmilch (Arbeitsstelle Frühneuzeitliche Ärztebriefe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Institut für Geschichte der Medizin, Würzburg): Medizinische Korrespondenz zwischen Deutschen und Polen in der Frühen Neuzeit.

Joanna Kodzik (Universität Leipzig): Polarlichter. Kommunizieren über außergewöhnliche Naturphänomene in den Netzwerken der polnischen Gelehrten Republik im 18. Jahrhundert.

Tomasz Pudłocki (Uniwersytet Jagielloński): Promoting the best? Teachers and students of higher years of studies in Galicia as grantees in Austrian and German University centers between 1867 and 1914.

Sektion IV: Jubiläum 10 Jahre der Polnischen Historischen Mission an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Moderation: Helmut Flachenecker (Universität Würzburg)

Udo Arnold (Universität Bonn): Die Zusammenarbeit der polnischen und deutschen Historiker nach 1945. Das Beispiel der Krzyżacy (Deutscher Orden).

Andrzej Radzimiński (Polnische Historische Mission Würzburg): Polnische Historische Mission

Sektion V: Studium in der Ferne
Moderation: Caspar Ehlers (Universität Würzburg)

Andrzej Kopiczko (Uniwersytet Warmińsko-Mazurski w Olsztynie, Archiwum Archidiecezji Warmińskiej): Vom Lyceum „Hosianum” bis zur Staatlichen Akademie zu Braunsberg. Organisatorische Änderungen und deren Umstände.

Aleksandra Ziober (Uniwersytet Wrocławski): Foreign education of selected representatives of Sapieha family and their further career paths in 17th century.

Sektion VI: Kontakte und Vermittlung über Grenzen hinweg
Moderation: Ryszard Kaczmarek (Universität Katowice)

Iwona Dadej (Instytut Historii im. Tadeusza Manteuffla Polskiej Akademii Nauk): Wissenschaftspolitische Ideen auf Wanderschaft. Deutsche und polnische Akademikerinnen in der Zwischenkriegszeit. Netzwerke – Organisationen – Projekte.

Sektion VII: Peregrinatio academica
Moderation: Matthias Stickler (Universität Würzburg)

Matthias Asche (Universität Potsdam): Litauische Studenten an protestantischen Universitäten im Heiligen Römischen Reich. Institutionen der Bildung und Strukturen der peregrinatio academica in der Frühen Neuzeit.

Witold Molik (Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu): Polnische Studenten an deutschen Universitäten im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein Baustein zur Erforschung studentischer Migration in Deutschland.

Sektion VIII: Studentische Kulturen im Austausch
Moderation: Heinz-Dieter Heimann (Universität Potsdam)

Matthias Stickler (Universität Würzburg): Das „Album Schmiedeberg“. Eine Quelle zum Zusammenleben deutscher und polnischer Studenten an der Universität Königsberg in den 1830er Jahren.

David Stellmacher (Universität Potsdam): Thesen zu frühneuzeitlichen jesuitischen Studentenkulturen in Ost- und Mitteleuropa am Beispiel der Breslauer Leopoldina (wird von Matthias Asche vorgelesen).

Sabrina Lausen (Universität Paderborn): Von der „Teutonia“ zur „Polonia“. Polnische studentische Verbindungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert.


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