Forum: R. Sindt: FID Nordeuropa

Von
Ruth Sindt, Universitätsbibliothek Kiel

Der FID Nordeuropa richtet sich an GeisteswissenschaftlerInnen, die sich über fachliche Grenzen hinweg mit nordeuropäischen Themen beschäftigen und sieht demnach seine Hauptaufgabe im Aufbau eines Informationssystems für Forscherinnen und Forscher mit nordeuropäischen Themen.

Die UB Kiel baut mit dem FID Nordeuropa ihre Vermittlerfunktion zwischen der skandinavischen Informationslandschaft (z.B. Nationalbibliotheken, Verlagen oder anderen Einrichtungen) und der kleinen, durch besondere Bedürfnisse ausgezeichneten Zielgruppe in Deutschland weiter aus. Kern dieser Brückenfunktion ist es, den Servicebedarf der einzelnen Forscherinnen und Forscher zu erkennen und zu deren Anlaufpunkt für Serviceleistungen in den Bereichen Erwerbung, Digitalisierung und Forschungsdatenmanagement zu werden. Oberstes Ziel ist es dabei, allen Mitgliedern der Zielgruppe unabhängig vom Standort ihrer Tätigkeit einen möglichst schnellen und direkten Zugriff auf Spezialliteratur und andere forschungsrelevante Informationen anbieten zu können. Auf diese Weise soll die vorhandene Infrastruktur an den einzelnen Hochschulstandorten um Dienstleistungen ergänzt werden, die dort gerade wegen der vergleichsweise kleinen Fachcommunity nicht vorgehalten werden können. In diesem Rahmen möchte die UB Kiel auch ein Ansprechpartner für die kleineren Institutsbibliotheken in ganz Deutschland mit einem inhaltlichen Schwerpunkt auf Nordeuropa sein, die im digitalen Bereich, aber auch bei speziellen Erwerbungs- und Katalogisierungsfragen kompetente Unterstützung bekommen sollen.

Nordeuropa ist in historischer und kultureller Hinsicht eine homogene Region und auch die Informationslandschaft in den beteiligten Ländern zeichnet sich durch viele ähnliche Merkmale wie beispielsweise die hohe Affinität zu Onlinemedien aus. Die durch den FID Nordeuropa zu betreuende Region umfasst die Länder Dänemark, Schweden, Norwegen, Island, Grönland, Färöer und Finnland inklusive der dort vertretenen Minderheiten wie den Samen, Finnlandschweden oder Finnen in Schweden. Aufgrund der sprachlichen Zugehörigkeit von Finnisch zu den finno-ugrischen Sprachen nimmt Finnland im FID-Konzept eine Sonderrolle ein. Die Erwerbung zu Finnland wird im Rahmen eines eigenen Sammelschwerpunktes durch die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen übernommen.

Der FID Nordeuropa richtet sich an WissenschaftlerInnen mit fachlichem Schwerpunkt in der Geschichte, Ur- und Frühgeschichte, Landeskunde, Volkskunde, Archäologie, den Philologien (Literatur- und Sprachwissenschaften) und der Politik- und Sozialwissenschaft. Neben der "Kernzielgruppe" bietet der FID auch für den erweiterten Kreis von Forschern aller geisteswissenschaftlichen Fächer, die sich sporadisch mit Nordeuropa beschäftigen, wertvolle Dienstleistungen an.

Die Bedürfnisse dieser Zielgruppe konnten in einem langen Prozess seit 2014 in engem Kontakt mit den Nordeuropaforschenden ermittelt werden. Aufbauend auf den engen Kontakten in die Wissenschaft, die im Zusammenhang des Aufbaus der "Virtuellen Fachbibliothek Nordeuropa und Ostseeraum" (vifanord; heute nur noch Virtuelle Fachbibliothek Nordeuropa) entstanden waren, wurden diese Kontakte in den vergangenen Jahren auf drei Ebenen formalisiert:

1) "Biblioteksmöte": Um den Kontakt zwischen den relevanten Institutsbibliotheken in Deutschland und der FID-Bibliothek zu stärken, wurde im März 2015 ein "Biblioteksmöte" (Bibliothekstreffen) ins Leben gerufen. An diesem Treffen, das von nun an in regelmäßigen Abständen stattfindet, nahmen neben den für Nordeuropa zuständigen Institutsbibliothekarinnen vor allem ErwerbungsassistentInnen einzelner Institute aus ganz Deutschland teil. In dieser Zusammensetzung konnten neben konkreten Erwerbungsfragen generelle Erwerbungsabsprachen diskutiert und direkt verknüpfte Themen aus dem Bereich der Informationskompetenz angesprochen werden. Aus dem ersten "Biblioteksmöte" sind zahlreiche Anstöße im Bereich des Erwerbungsprofils und der Zugänglichmachung von Literatur hervorgegangen. Mittlerweile wird der Kontakt mittels einer internen Mailingliste gepflegt.

Fachbeirat: Mit dem Ziel, den entstehenden Fachinformationsdienst eng mit dem Bedarf der Nordeuropaforschung zu verknüpfen, wurden außerdem die vorhandenen Kontakte zu einzelnen WissenschaftlerInnen formalisiert. Dafür wurde der Fachbeirat ins Leben gerufen, der sich aus je einer Wissenschaftlerin/ einem Wissenschaftler pro im FID Nordeuropa vertretenem Fach zusammensetzt. Der Fachbeirat hat in der Antragsphase einen wichtigen Beitrag z.B bei der Bestimmung der Zielgruppe des FID und der Festlegung der Erwerbungsrichtlinien geleistet. Je nach Fragestellung werden die Beiratsmitglieder bis heute entweder alle gemeinsam oder je nach Zuständigkeit einzeln konsultiert.

2) Soziale Medien: Neben den direkten Kontakten wurden seit längerem auch durch WissenschaftlerInnen selbst genutzte sozialen Medien eingesetzt. In erster Linie werden Informationen aus der nordeuropäischen Informationslandschaft über das vom Nordeuropainstitut an der Humboldt Universität Berlin betriebene Nordic History Blog und deren philologisch ausgerichtete "Skantysk"-Mailingliste an die Zielgruppe weitergegeben.

Ein Schwerpunkt des FID liegt in der Zugänglichmachung der riesigen Bandbreite von freien und zulassungsbeschränkten Onlineangeboten an die Zielgruppe.

Frei zugängliche Onlineressourcen werden momentan noch einzeln katalogisiert oder sind über die nordeuropäischen Bibliothekskataloge in der vifanord nachgewiesen. Die vifanord selbst ging 2008 als zentrales Suchportal der SSGs Skandinavien, Finnland, Baltische Länder der Universitätsbibliotheken Kiel, Göttingen und Greifswald online und wird im FID Nordeuropa als zentrales Recherchetool mit gut genutztem Konferenzkalender erhalten bleiben. Allerdings wird die für das Portal zentrale Suchfunktion in den kommenden drei Jahren technisch rundum erneuert. Bisher basierte die Suche der vifanord auf einer Metasuche, die nach einer Suchanfrage jedes Mal erneut Daten aus den einzelnen Datenbankausschnitten (Katalogen) abruft. Diese Suchfunktion wird im laufenden Projekt umgebaut zu einem indexbasierten Suchsystem (Discoverysystem), in dem die Trefferdaten in einem eigenen Index gesammelt und vorgehalten werden. Am Ende dieses komplexen Umstellungsprozesses wird nicht nur die Datenauswahl erheblich größer sein (auch aus Island, Grönland und von den Färöern werden Katalogausschnitte eingebunden), sondern auch der direkte Zugriff auf viele Volltexte wird deutlich einfacher sein. Die vifanord wird also an Bedeutung gewinnen und den Zugriff auf frei zugängliche Onlineressourcen erheblich vereinfachen.

Für zulassungsbeschränkte Onlineressourcen hat der FID Nordeuropa ein eigenes Anmeldesystem aufgebaut, mit dessen Hilfe spezialisierte Onlineangebote gezielt einzelnen WissenschaftlerInnen zugänglich gemacht werden können. Gerade im Falle der zahlreichen Angebote von kleineren Verlagen ist eine Personen-bezogene Verhandlung von Datenbanken erfolgversprechend, zumal der Kreis der Interessenten für spezialisierte Angebote häufig sehr klein ist. Für umfassende internationale Angebote schließt sich der FID Nordeuropa den entsprechenden fachlichen FIDs an, so dass der Zugriff auf solche Datenbanken zumeist in Kooperation mit den jeweiligen fachlichen FIDs über das Kompetenzzentrum für Lizenzierungen (KfL) in Göttingen und Berlin abgewickelt werden kann.

Das Erwerbungsprofil des SSG Skandinavien wurde für den FID Nordeuropa und in direkter Absprache mit dem FID-Beirat und den TeilnehmerInnen des "Biblioteksmöte" leicht modifiziert. Die einschneidendste Änderung hat sich bezüglich der Erwerbung der Grundbedarfsliteratur für das Studium ergeben, die durch die Institute in Deutschland gedeckt wird. In Kiel selbst wurde dafür eine enge Kooperation zwischen dem Institut für Skandinavistik, Frisistik und Allgemeine Sprachwissenschaft (ISFAS) auf den Weg gebracht. Diese Absprache ermöglicht es der UB Kiel, weiterhin Grundbedarfsliteratur zu erwerben, die Finanzierung wird aber durch das Nordische Institut übernommen. Für die Fernleihe steht diese Literatur in der Regel nicht zur Verfügung. Durch diese Unterstützung durch das Institut konnte ein Profil für den "FID-Bedarf" festgelegt werden, das dem Erwerbungsprofil des SSG Skandinavien inhaltlich nahezu identisch. An einigen Stellen konnte das Profil - ausgelöst durch aktuelle Entwicklungen - moderat ausgeweitet werden (z.B. bzgl. Grönland, angeregt durch den Wegfall des SSG Inuitsprachen).

In den kommenden Jahren soll der Erwerbungsschwerpunkt überall da, wo es finanziell machbar und inhaltlich sinnvoll ist, zu Onlineangeboten verschoben werden. Beginnend bei Datenbanken sollen gerade die Angebote kleinerer Verlage und wissenschaftlicher Institutionen zunehmend über das oben erwähnte Authentifizierungssystem zugänglich gemacht werden. Für E-Books skandinavischer Verlage fehlen derzeit noch Angebote, die mehr als den zeitlich begrenzten Zugriff auf eine Verlagsdatenbank zulassen. Hier wird aber im Kontakt zu den wichtigsten Verlagen nach einer Lösung gesucht, so dass im Laufe der Projektzeit hoffentlich doch einige E-Books in das FID-Angebot aufgenommen werden können.

Gleichzeitig ist aber die Bedeutung neuer und älterer Printliteratur für die Forschung ungebrochen. Vor diesem Hintergrund wurde das gewöhnliche Fernleihangebot durch einen sog. "Forschungsapparat in der Fernleihe" ergänzt, durch das es einzelnen WissenschaftlerInnen ermöglicht wird, Forschungsliteratur in größerem Umgang und vor allem für die Dauer eines halben Jahres zu entleihen und auch in Semesterapparaten vor Ort zur Verfügung zu stellen.

Neben die Literaturerwerbung tritt außerdem ein Digitalisierungsprojekt "Digitisation on demand" eigener Ausprägung. Zunächst auf urheberrechtsfreie schwedische Literatur beschränkt wird in einem Kooperationsprojekt mit der Universität Göteborg den WissenschaftlerInnen angeboten, Digitalisierungswünsche für schwedische Literatur unabhängig vom Bestand der UB Kiel an den FID zu richten. In Schweden vorhandene Literatur wird dann durch die UB Göteborg digitalisiert, die Metadatenbearbeitung erfolgt in Kiel. Die Ergebnisse werden anschließend parallel im Repositorium des FID Nordeuropa und bei Litteraturbanken http://www.litteraturbanken.se online gestellt.

Der FID Nordeuropa beteiligt sich außerdem an mehreren kleinen Projekten im Bereich der Zugänglichmachung und Langzeitarchivierung von Forschungsdaten. Zusammen mit dem Hamburger Zentrum für Sprachkorpora und Prof. Dr. Steffen Höder (ISFAS der Universität Kiel) sollen in einem Pilotprojekt in proprietären Formaten vorliegende skandinavische Sprachkorpora aufbereitet und zugänglich gemacht werden. Daneben ist gemeinsam mit Prof. Dr. Karin Hoff (Skandinavisches Seminar, Göttingen) ein eigenes Projekt zur Erschließung des Nachlasses des dänischen Dichters Jens Baggesen in Planung. Mit diesen kleineren Pilotprojekten soll die Brückenfunktion des FID Nordeuropa zwischen wissenschaftlichen Projekten und der skandinavischen Informationslandschaft samt der damit verbundenen Zugänglichkeit zu Literatur und Forschungsdaten getestet und beworben werden.