CD-ROM-gestuetztes Antiquariat (Verlag Duehrkohp & Radicke)

: Kritische Untersuchungen ueber die Quellen der 4. und 5. Dekade des Livius. . Goettingen 1998 : Duehrkohp & Radicke - Text- und Informationslogistik, ISBN 3-89744-003-2 DM 39,00

: Handbuch der Roemischen Alterthuemer von Joachim Marquart und Theodor Mommsen, Band 1-3. . Goettingen 1998 : Duehrkohp & Radicke - Text- und Informationslogistik, ISBN 3-89744-001-6 DM 169,00

: A numismatic commentary on Pausanias. . Goettingen 1998 : Duehrkohp & Radicke - Text- und Informationslogistik, ISBN 3-89744-002-4 DM 29,00

: Pompeji in seinen Gebaeuden, Kunstwerken und Althertuemern. . Goettingen 1998 : Edition Ruprecht, ISBN 3-89744-000-8 DM 69,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr. des Andreas Kohring Institut fuer Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universitaet zu Berlin

Der Goettinger Verlag Duehrkop & Radicke (http://www.d-r.de/antiquariat/index.html zeigt die weitere Planung des Verlags fuer den Aufbau eines Antiquariats auf Datentraeger) bietet unter dem Reihentitel "Altertumswissenschaften" bis heute vier sogenannte Datenbuecher mit Reproduktionen von Klassikern der ganzen Breite der Altertumswissenschaften des ausgehenden letzten Jahrhunderts an. Die gemeinsame Praesentation von Reproduktionen so unterschiedlicher Forschungsansaetze unter dem sie einigenden Rubrum "Altertumswissenschaften" aus den heute weitgehend eigenstaendigen Bereichen der Philologie, Numismatik, Archaeologie und Alten Geschichte, deren jeweilige Bedeutung fuer die Geschichte der Disziplin hier nicht erneut expliziert werden soll, wird im folgenden unter ihrem medialen Aspekt besprochen.

Der Lieferumfang der Datenbuecher besteht jeweils aus einer CD nebst knappem Informationsbeiblatt zu Systemvoraussetzungen, Installation und Inhalt. Es wird der jeweiligen CD der Adobe Acrobat-Reader (Version 3.0; deutsch) fuer alle gaengigen System-Plattformen (Win3.x/ Win9x/ WinNT/ Mac) beigegeben. Die Strategie der gravierenden Preisunterschiede (DM 29,00-169,00) erklaert sich wohl aus der variierenden Datenmenge bzw. Binnenreferentialitaet (Hyperlinks) der jeweiligen Reproduktion. Die Groesse der PDF-Dateien reicht von Nissen (27 MB) ueber Imhoof-Blumer/Gardner (92 MB) und Overbeck (109 MB) bis hin zu Mommsen (Gesamtumfang 310 MB, verteilt auf die 5 Dateien der CD, die der Aufteilung des Staatsrechts in Baende bzw. Halbbaende entsprechen).

Getestet wurden die Datenbuecher auf einem System, wie es im Privatbereich den Wissenschaftler-Arbeitsplatz mittlerer/gehobener Ausstattung kennzeichnet (Prozessor: Pentium 200 MHZ, RAM: 64MB; LW: SCSI 2 GB HDD, 24X CD-ROM; OS: WIN95B; Grafik: S3-Karte 4MB Aufloesung 800 X 600 Bildpunkte; 17-Zoll-Monitor; Drucker: HPLaserjet 6P).

Sowohl Installation wie ggf. Deinstallation des Acrobat-Reader sind auch dem Wissenschaftler ohne hoehere EDV-Weihen problemlos moeglich. Der Zugriff auf die Datei aus der Applikation heraus ist ebenso einfach. Die Hilfefunktion des Acrobat-Reader ist bekannterweise sehr ausfuehrlich und unterstuetzt den Nutzer beim Kennenlernen der Features des Programms sehr gut.

Der bibliographische Nachweis der Reproduktion ist im gescannten Titelblatt eingefuegt. Hyperlinks zwischen Text und Inhaltsverzeichnis (ueber Menue Ansicht ist allerdings nur die Grobstruktur zu- bzw. abschaltbar, waehrend im eigentlichen Inhaltsverzeichnis auch die Unterkapitel hyerlinkfaehig sind) erleichtert die Navigation im Text und muss den eminent stoerenden Umstand, dass ein bestimmter Seitenzugriff, wie er aus den Erfahrungen mit dem guten alten Medium Buch habitualisiert ist, fehlschlaegt, kompensieren.

Ein Beipiel mag das Gesagte verdeutlichen. Ein typisches Nachschlagen eines Verweises, wie z.B. cf. Overbeck, S. 169, ist nur ueber den rechten Scrollbalken des Reader zu realisieren und fuehrt auf die Buchseite 137, die die Scanseite 169 darstellt. Die Buchseitenzaehlung des Originals, auf die sich alle Verweise beziehen, und die Scanseitenzaehlung (inclusive Titelblatt, Vorworte, Inhaltsverzeichnis et al.) des Acrobat Reader muessen durch den Nutzer stets gedanklich harmonisiert werden.

Bleiben wir bei unserem fiktiven Beispiel: Nachdem der Hinweis auf die besagte Stelle aus Overbeck verifiziert werden konnte, zeigen sich Nutzen und Nachteile dieser Art der Aufbereitung: Leicht laesst sich die dort befindliche Abb. 95 (ein Holzschnitt des grossen Theaters aus Pompeji) in jede Windows-Applikation ueberfuehren und fuer die eigenen Zwecke (wie z. B. Praesentation et al.) weiterbearbeiten. Der durch solche "Cut and Paste"-Erfahrungen verwoehnte Nutzer muss aber vor der Masse der ueblicherweise in Buchform gebotenen Informationen, die vorzugsweise als Text dargereicht werden, kapitulieren. Vom Acrobat-Reader, der dies alles auch vorsieht, wird er hier nun in die Falle gelockt, denn alle textbasierten Features werden zwar applikationsseitig angeboten, doch von der PDF-Datei, die im Graphikmodus vorliegt, nicht unterstuetzt. Am Beispiel Overbeck ist diese Erfahrung noch eine zwiespaeltige, Mommsens Staatsrecht - bar jeder Abbildung - hingegen macht aus zwiespaeltiger Erfahrung bittere Enttaeuschung. Selbst ein Hyperlink vom Register zu den Textstellen bleibt dem Nutzer verwehrt. Um das Mass an Enttaeuschung in diesem Kontext zu vervollkommnen, befindet sich das Register zum Staatsrecht am Ende von Bd. 3,2 und folgerichtig auch in der Datei "Mombd3-2.pdf". So wird der Nutzer gezwungen, diese Datei - wie das Buch - geoeffnet zu halten, um registergestuetzt zu recherchieren. Eine ueppige RAM-Bestueckung und Highend-Grafikkarte/-Monitor werden nun allerdings Pflicht. Ein Schliessen der Datei bedeutet naemlich den Verlust der Stelle, da die Einsprungstelle stets der Beginn der Datei ist und ein Lesezeichen nicht gesetzt werden kann. Fuer DM 170,00 erlernt der Anwender so durch das ach so beliebte Verfahren von "try and error" den Unterschied zwischen vorliegendem Datenbuch und erhoffter Textdatenbank.

Der geneigte Nutzer wird einwenden, dass nun der Punkt gekommen sei, dem papierlosen Buero zum Trotz den Drucker ins Spiel zu bringen: WYSIWYG (What You See Is What You Get; schon lange eigentlich in der EDV-Praxis kein Thema mehr) sei Dank, drucken wir beispielsweise die einschlaegige Registerseite aus. Das Ergebnis ist aufwuehlend, denn der Ausdruck unterschlaegt die Kopfzeile mit der Seitenzahl. Weitere willkuerlich unternommene Druckversuche mit den anderen CDs zeigen dasselbe Ergebnis. Launig ist in diesem Zusammenhang, dass die Standardoption des Druckmenues zunaechst stets den Komplettausdruck der Datei anbietet und so den Nutzer im Zustand wachsamer Bereitschaft haelt, um nicht kosten- und zeitintensiv Fehldrucke zu produzieren.

Die Vorzuege dieses Angebots aus dem Verlag Duehrkop & Radicke liegen unbestritten in der Erhoehung der Verfuegbarkeit und ansatzweise in zeitgemaesser Aufbereitung zentraler Werke der altertumswissenschaftlichen Forschung des vergangenen Jahrhunderts. Ob Lektuere am Bildschirm das reine Vergnuegen ist, muss ein jeder fuer sich selbst entscheiden. Inwieweit also dieses Medium die klassische Reproduktion in Printform abloest, insbesondere wenn Bearbeitungsspuren wie eigene Unterstreichungen, Marginalien et al. nicht hinterlassen werden koennen und eine direkte Integration des Kenntnisgewinns in den eigenen, virtuellen Zettelkasten unmoeglich bleibt, bleibt abzuwarten. Dass ein Werk wie Mommsens Staatsrecht eher nach einer anderen datentechnischen Aufbereitung schreit und begrifflich recherchierbar gemacht werden sollte, ist sicher nicht nur das Credo des Rezensenten. Ob damit aber jemals ein kommerzielles Verlagsinteresse verbunden sein wird, sei dahingestellt.

Die noch eklatanten Schwaechen in der Umsetzung eines im Prinzip lobenswerten Vorhabens lassen unabhaengig von der ungeloesten Frage der technischen Haltbarkeit der Medien und Applikationen im Kontext der rasanten technologischen Entwicklung im Bereich EDV den privaten Erwerb einer Bibliothek dieser Art von CD-Datenbuechern nur bedingt anraten. Die wohl ausschliesslich kommerziellen Gruenden geschuldete Darreichungsform von jeweils einer CD, die genau einem Buch entspricht, laesst die Lebensdauererwartung dieser Datenbuecher im "kreativen Chaos" eines Wissenschaftlerarbeitsplatzes ebenfalls nicht allzu hoch ansetzen. Die lizenzrechtlichen Fragen hier einmal bewusst ausser acht gelassen, ist gerade im Hochschul- und Bibliotheksbereich ein Server denk- und wuenschenswert, der als Filedienst einer Multi-User-Umgebung auch schon derartige (Roh-)Informationsmengen bereitstellt.

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