»Deutscher Herbst 1991«. Das vereinigte Deutschland, der 3. Oktober 1991 und die Herausforderung rechter Gewalt

»Deutscher Herbst 1991«. Das vereinigte Deutschland, der 3. Oktober 1991 und die Herausforderung rechter Gewalt

Veranstalter
Till Kössler und Janosch Steuwer, Martin-Luther-Universität Halle
Gefördert durch
Bundeszentrale für politische Bildung und Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
PLZ
06108
Ort
Halle (Saale)
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.10.2021 - 02.10.2021
Von
Janosch Steuwer, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Am 3. Oktober 1991 beging das vereinigte Deutschland zum ersten Mal den „Tag der Deutschen Einheit“ in einer Zeit der rasanten Zunahme rechter Gewalt. Seit den Ausschreitungen in Hoyerswerda kam es zu hunderten „fremdenfeindlichen“ Attacken und Brandanschlägen. Diese dramatische Verdichtung der rassistischen Gewalt im Herbst 1991 schuf gleich dem „Deutschen Herbst“ 1977 einen historischen Moment, der Diskussionen und Konflikte nach sich zog, die die Bundesrepublik noch immer prägen.

»Deutscher Herbst 1991«. Das vereinigte Deutschland, der 3. Oktober 1991 und die Herausforderung rechter Gewalt

Am 3. Oktober 1991 beging das frisch vereinigte Deutschland zum ersten Mal den Tag der Deutschen Einheit. Die Feierlichkeiten fielen in eine Zeit der rasanten und unerwarteten Zunahme rechter Gewalt. Mitte September 1991 hatten die pogromartigen Ausschreitungen im sächsischen Hoyerswerda die öffentliche Aufmerksamkeit auf und zahlreiche weitere Angriffe auf Flüchtlinge und Migrant:innen in der gesamten Bundesrepublik nach sich gezogen. Der 3. Oktober 1991 standen in ihrem Schatten. Politiker:innen aller Parteien nutzten ihn, um zu „Solidarität mit den ausländischen Mitbürgern“ und einem „friedlichen Miteinander“ aufzurufen und forderten, sich den Angriffen entgegenzustellen. Doch statt der Gewalt Einhalt zu gebieten, eskalierte sie am ersten „Tag der Deutschen Einheit“. Vom „Tag des Hasses“ sprachen Zeitungen am nächsten Morgen angesichts viele Übergriffe und Anschläge. Die größte Aufmerksamkeit fand ein Brandanschlag im niederrheinischen Hünxe, bei dem zwei libanesische Mädchen schwer verletzt wurden. »Hünxe« wurde gemeinsam mit »Hoyerswerda« zur politischen Chiffre für die Welle rassistischer Gewalt der folgenden Wochen. Fast 1.300 „fremdenfeindliche Straftaten“, darunter allein 160 Brandanschläge, registrierten die Sicherheitsbehörden für September und Oktober 1991 – mehr als fünf Mal so viele wie im gesamten Jahr 1990.

Die Konferenz soll zum 30. Jahrestag des 3. Oktobers 1991 den Ursachen, Wahrnehmungen und Auswirkungen dieser Gewaltexplosion im Herbst 1991 nachgehen: Welche Entwicklungen machten sie möglich? Wie nahmen Migrant:innen und die zusammenwachsenden Mehrheitsgesellschaften in Ost und West die weitgehend unerwartete Zunahme rechter Gewalt wahr? Welchen Einfluss hatte sie auf ihre Vorstellungen vom vereinigten Deutschland? Und wie prägte die Gewalt politische und gesellschaftliche Debatten der folgenden Jahre? Die dramatische Verdichtung der rassistischen Gewalt im Herbst 1991, so die grundlegende These der Konferenz, schuf wie im »Deutschen Herbst« 1977 einen historischen Moment, der intensive Diskussionen über die Bedeutung der Gewalt für das Selbstverständnis des vereinten Deutschlands und die Frage aufwarf, wie Staat und Gesellschaft ihr begegnen sollten. Im »deutschen Herbst« 1991 begannen damit gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Konflikte, die der Spur der Gewalt von »Hoyerswerda« und »Hünxe« über »Rostock «, »Solingen« und »Mölln« bis nach »Halle« und »Hanau« folgten und noch immer zu den drängendsten Herausforderungen der Gegenwart gehören.

Programm

Freitag, 1. Oktober 2021

11:00 – 12:00 Uhr
Begrüßung und Einführung

Christian Tietje (Universität Halle): Grußwort des Rektors der Martin-Luther-Universität

Till Kössler/Janosch Steuwer (Universität Halle): Begrüßung, Einführung: Deutschland im Herbst 1991
Ulrich Herbert (Universität Freiburg): Die verdrängte rassistische Gewalt der frühen 1990er Jahre

12:15 – 15:45 Uhr
Ausgangslagen 1: Kollektive Selbstverständigungen und gesellschaftliche Pluralisierung in den beiden Deutschlands nach 1980
Moderation: Petra Terhoeven (Universität Göttingen)

Michelle Kahn (University of Richmond): Migration and Racism in Divided Germany in the 1980s
Till Kössler (Universität Halle): Jugend im Umbruch. Politik, jugendliche Subkulturen und Pädagogik nach 1979

Maik Tändler (Universität Jena): Sehnsucht nach »Identität«. Die Konjunktur des Nationalen in den 1980er Jahren
Thomas Lindenberger (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden): NS-Erinnerung und Antifaschismus in den 1980er Jahren auf beiden Seiten der Mauer

16:15 – 18:00 Uhr
Ausgangslagen 2: Gewalt, Asylpolitik und »Aufbau Ost«. Die extreme Rechte in den 1980er Jahren
Moderation: Onur Erdur (Humboldt-Universität Berlin)

Barbara Manthe (Universität Bielefeld): Vom Rechtsterrorismus zur »rechten Gewalt«
Moritz Fischer (Institut für Zeitgeschichte): Die »Republikaner«, die Union und die Asylpolitik in den 1980er Jahren
Gideon Botsch (Universität Potsdam): Der andere »Aufbau Ost«. Westdeutsche Rechtsextremisten in den neuen Bundesländern

19:30 – 21:00 Uhr (Ort: Puschkino, Kardinal-Albrecht-Straße 6)
Öffentliche Abendveranstaltung zum 3. Oktober 1991

Filmvorführung des Dokumentarfilms »Zeinabs Wunden. Brandspuren in einer deutschen Stadt« (HR 1993), anschließendes Gespräch mit der Filmemacherin Esther Schapira

Samstag, 2. Oktober 2021

9:00 – 10:15 Uhr
Migrantische und andere Erfahrungen rechter Gewalt nach 1991
Moderation: Constantin Goschler (Universität Bochum)

Carsta Langner (Universität Jena): »Mehr als betroffen…« Wahrnehmungen von Rassismus und Antisemitismus in den frühen 1990er Jahre in Ostdeutschland
Dani Kranz (Ben Gurion University of the Negev): Reaktionen von Jüdinnen und Juden auf die rechte Gewalt

10:45 – 12:00 Uhr
Staatliche Reaktionen auf den Deutschen Herbst 1991
Moderation: Martina Steber (Institut für Zeitgeschichte)

Patrick Wagner (Universität Halle): »Smooth policing« und rechte Gewalt. Erste Hypothesen zur Polizei in der Transformationsgesellschaft
Janosch Steuwer (Universität Halle): Was tun gegen Rechts?! Der Beginn präventiver Antirechtspolitik im »deutschen Herbst« 1991

13:00 – 14:30 Uhr
Rechte Gewalt und gesellschaftliche Debatten jenseits von Flucht und Asyl
Moderation: N.N.

Marcus Böick (Universität Bochum): »Brauner Osten«. Rechtsextremismus und rechte Gewalt in der Vereinigungsdebatte
Andreas Wirsching (Institut für Zeitgeschichte): Europa, das vereinte Deutschland und die rechte Gewalt

15:00 – 16:30 Uhr
Schlussdiskussion: Wie sollen wir an den »deutschen Herbst« 1991 erinnern?
Moderation: Fabian Virchow (Hochschule Düsseldorf)

mit Thomas Krüger (Bundeszentrale für politische Bildung), Uta Bretschneider (Zeitgeschichtliches Forum Leipzig), Ralph Jessen (Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur), Massimo Perinelli (Autor, Rosa-Luxemburg-Stiftung) und Anette Kahane (Amadeo Antonio Stiftung)

Kontakt

Die Konferenz wird in Präsenz in Halle an der Saale stattfinden. Sofern es die Pandemielage erlaubt, begrüßen wir gerne weitere Diskutant:innen und Zuschauer:innen. Melden Sie sich dazu bitte im Vorfeld der Konferenz unter jana.winzer@paedagogik.uni-halle.de an.