Zeitenwenden – Wendezeiten? 15. Österreichischer Zeitgeschichtetag

Zeitenwenden – Wendezeiten? 15. Österreichischer Zeitgeschichtetag

Veranstalter
Arbeitsbereich Zeitgeschichte, Institut für Geschichte, Universität Graz in Kooperation mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung
Veranstaltungsort
Universität Graz
PLZ
8010
Ort
Graz
Land
Austria
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
11.04.2024 - 13.04.2024
Deadline
15.06.2023
Von
Christiane Berth, Institut für Geschichte, Universität Graz

Der 15. Österreichische Zeitgeschichtetag zum Thema „Zeitenwenden – Wendezeiten?“ setzt sich kritisch mit politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen, technologischen und theoretischen Einschnitten, Kontinuitäten und Unsicherheiten in der Zeitgeschichte auseinander.

Zeitenwenden – Wendezeiten? 15. Österreichischer Zeitgeschichtetag

Die jüngste Zeitgeschichte hat sich turbulent entwickelt: Eine globale Pandemie, der Ukrainekrieg und die Klimakrise haben Politik, Wirtschaft und Alltagsleben erschüttert. In diesem Zuge erlebte der Begriff „Zeitenwende“ eine neue Konjunktur. Je nach Betrachtungsweise steht er als Chiffre für eine epochale Zäsur, für eine politische Neuorientierung oder einen gesellschaftlichen Umbruch.

Die Zeitgeschichte ist als Disziplin gefordert, die Debatten der letzten Jahre historisch einzuordnen. Wir müssen die Diskussion über die Periodisierung des frühen 21. Jahrhunderts weiterführen und dabei vorherige Wendezeiten im Blick behalten. Dabei sind sowohl globale Schlüsseljahre wie 1918, 1945, 1968, 1979 oder 1989 von Interesse als auch lokale, regionale oder nationale Einschnitte, wie das Jahr 1938 in Österreich. Über diese markanten Ereignisse hinaus wollen wir auch Veränderungsprozesse längerer Dauer identifizieren. Dafür ist der Begriff der Wendezeiten nützlich. So gelten etwa die 1970er-Jahre als Dekade, in der ein neues Umweltbewusstsein entstand, in der NGOs für die internationale Politik an Bedeutung gewannen oder in der sich die Weltwirtschaft krisenhaft entwickelte. Damit einher ging ein zeitgenössisches Krisenbewusstsein.

Gerade in Krisenzeiten ist zeitgeschichtliche Expertise mehr denn je gefragt, wie aktuell die zahlreichen Bücher zum Krisenjahr 1923 zeigen. Gleichzeitig gibt es Versuche eine zeithistorische Analyse der jüngsten Krisen vorzunehmen und somit „Geschichte in Echtzeit“ zu schreiben. Dies ist insbesondere mithilfe digitaler Quellen möglich und zeigt deren Relevanz für die zeithistorische Forschung. Gleichzeitig ist die Zeitgeschichte an prominenter Stelle in den Medien präsent, wie Interviews, Diskussionsrunden, historische Dokumentationen oder Spielfilme zeigen.

Der 15. Österreichische Zeitgeschichtetag zum Thema „Zeitenwenden – Wendezeiten?“ setzt sich kritisch mit politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen, technologischen und theoretischen Einschnitten, Kontinuitäten und Unsicherheiten in der Zeitgeschichte auseinander. Wir laden Sie ein, Beiträge zu den folgenden vier Schwerpunkten einzureichen:

Schwerpunkt I: Zäsuren und Kontinuitäten

Die Definition von Zäsuren entspringt dem Bedürfnis nach einer Einordnung von Ereignissen und der Abgrenzung von Zeitphasen. So reizvoll die Diskussion um historische Zäsuren ist, birgt sie auch Risiken: das Risiko einer politischen Vereinnahmung, das Risiko eines vorschnellen Urteils und der Generalisierung. Der Historiker Martin Sabrow schlägt deshalb die Unterscheidung zwischen nachträglichen Deutungszäsuren und zeitgenössischen Erfahrungszäsuren vor. Gerade in großer zeitlicher Nähe ausgerufene Zäsuren erweisen sich oft wenige Jahre später als flüchtig. Zudem muss die Reichweite von Zäsuren kritisch reflektiert werden. Stimmen aus dem globalen Süden stellten etwa die Deutung des Ukrainekriegs als globale Zeitenwende infrage. Sie betonten dabei die Kontinuität von kriegerischen Auseinandersetzungen und Großmachtkonflikten.

Beiträge in diesem Schwerpunkt könnten folgende Fragen diskutieren: Wie kann das Verhältnis zwischen Brüchen und Kontinuität analysiert werden? Wie verhalten sich globale, regionale und lokale Entwicklungen zueinander? Wie, von wem und unter welchen Umständen werden Zäsuren konstruiert? Welche Zäsuren führten zu zeithistorischen oder geschichtspolitischen Kontroversen?

Schwerpunkt II: Un-Gewissheiten und Un-Sicherheiten

Das Zusammentreffen verschiedener Krisen hat in den letzten Jahren gesellschaftliche Verunsicherung ausgelöst. Dies nehmen wir zum Anlass, um Un-Gewissheiten in der Zeitgeschichte auszuloten. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten der Verunsicherung in unterschiedlichen Zeitphasen, wie etwa Krise oder Polykrise, Katastrophe, Scheitern oder Niedergang. Dazu gehören aber auch Analysen der gesellschaftlichen Reaktionen auf die Verunsicherung. Krisensituationen bewirken häufig, dass Zukünfte neu verhandelt werden und ein großes Interesse an Prognosen besteht, derzeit etwa zur Veränderung des Weltklimas oder der Rolle künstlicher Intelligenz.

Beiträge zu diesem Schwerpunkt könnten sich mit Narrativen der Ungewissheit und Versuchen zur Wiederherstellung von Gewissheit beschäftigen. Darüber hinaus bietet er die Gelegenheit, sich mit fachlichen Ungewissheiten und Unsicherheiten auseinanderzusetzen: Wo steht die Zeitgeschichte inmitten von Zeitenwenden? Wie hat sich die zeitgeschichtliche Forschung in Debatten über Wendezeiten positioniert? Welche vergangenen Analysen müssen im Lichte neuer Entwicklungen hinterfragt werden? Wie verändern sich Erinnerungskulturen in Umbruchphasen?

Schwerpunkt III: Digitale Zeitenwenden und Herausforderungen

Immer wieder sind technische Neuerungen als Indikatoren einer neuen Zeit bezeichnet worden. Dies gilt auch für die digitale Technik, der radikale oder gar revolutionäre Veränderungskraft zugeschrieben wird: Begriffe wie Digitalisierung oder digitale Revolution erfreuen sich großer Beliebtheit. Oft stehen sie in Verbindung mit Diagnosen einer gesellschaftlichen Beschleunigung. Aus historischer Perspektive scheint es jedoch angebracht, längere Übergangsphasen in Kommunikation, Wirtschaft und Politik in den Blick zu nehmen und zeitgenössische Diagnosen des schnellen Umbruchs zu hinterfragen. Ebenso ist eine Analyse des Vokabulars digitaler Technik erforderlich, um begriffliche Kontinuitäten und Zäsuren sichtbar zu machen.

Neben einer Auseinandersetzung mit Begrifflichkeiten und Periodisierungen fordern digitale Quellen die Zeitgeschichte heraus: Einerseits erleben wir die massenhafte Verfügbarkeit neuer Quellen, andererseits können diese auch sehr schnell verloren gehen oder sie entziehen sich teilweise der Zugänglichkeit, wie etwa im Falle von sozialen Medien. Wie kann die Zeitgeschichte mit diesem Dilemma umgehen? Welche Herausforderungen stellen sich für eine „Geschichte in Echtzeit“? Welche methodischen und theoretischen Zugänge können uns helfen, um die digitalen Quellen angemessen zu analysieren?

Schwerpunkt IV: Open Space – Zeitgeschichte und Medien

Der diesjährige Open Space lädt dazu ein, sich mit dem Verhältnis von Zeitgeschichte und Medien auseinanderzusetzen. Die Medien spielen eine wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen Diskussion über Zäsuren und haben den Begriff „Zeitenwende“ in ihren Jahresrückblicken auf 2022 sehr prominent platziert. Daraus ergibt sich die Frage, wie mediale Berichterstattung die Deutung historischer Ereignisse beeinflusst. Die Zeitgeschichte wird regelmäßig durch das Auftreten neuer Medien herausgefordert, zuletzt durch die sozialen Medien. Einerseits stellen diese eine wichtige zeithistorische Quelle dar, andererseits können sie auch für die Vermittlung zeitgeschichtlicher Inhalte genutzt werden. Insofern eröffnet der Open Space Möglichkeiten für die Reflexion über medialen Wandel, die Bedeutung globaler Medienereignisse oder die Rolle von Zeitzeug:innen in den Medien. Dies bietet zudem die Gelegenheit, über didaktische Herausforderungen zu diskutieren, die medialer Wandel für unser Fach mit sich bringt.

Wir freuen uns besonders über Einreichungen, die Vertreter:innen der Medien beteiligen und so einen Dialog ermöglichen. Dabei sind andere Formate wie etwa künstlerische Interventionen, Poetry-Slams, Filmvorführungen oder Diskussionsrunden willkommen.

Richtlinien für die Bewerbung

Paneleinreichungen werden primär berücksichtigt. Einzeleinreichungen sind möglich, sofern sie zu einem Panel zusammengeführt werden können. Daher bitten wir, die Einreichung einem der vier Schwerpunkte zuzuordnen. Die Nennung eines Chairs ist erwünscht, aber nicht verpflichtend.

Pro Person ist nur eine Einreichung möglich. Es kann zusätzlich zur eigenen Präsentation die Funktion des Chairs für ein anderes Panel übernommen werden.

Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch.

Ein Panel besteht aus maximal drei Vorträgen mit einer Länge von jeweils 20 Minuten.

Eine Einreichung für ein Panel muss Folgendes beinhalten:
- Kurzbeschreibung des Panels (max. 1.500 Zeichen inkl. Leerzeichen)
- Titel und Abstract der jeweiligen Vorträge (max. 1.500 Zeichen inkl. Leerzeichen pro Vortrag)
- Namen und Kurzbiografien der Vortragenden und allenfalls des Chairs (pro Person max. 1.000 Zeichen inkl. Leerzeichen)

Einreichungen von Einzelpersonen umfassen den Namen des/der Beiträger:in, den Titel des Vortrags, ein Abstract (max. 1.500 Zeichen inkl. Leerzeichen) und eine Kurzbiografie (max. 1.000 Zeichen inkl. Leerzeichen).

Bei Einreichungen für den Open Space bitten wir, das Vorhaben inklusive der technischen Voraussetzungen darzulegen (max. 2.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) und Angaben zu allen Beteiligten anzuführen. Die Beiträge sollen einen Zeitrahmen von 1,5 Stunden nicht überschreiten.

Die eingereichten Abstracts werden auf der Homepage des Zeitgeschichtetags und im Tagungsprogramm veröffentlicht.

Bitte beachten Sie bei Ihren Einreichungen folgende Kriterien:
- Die Einbeziehung von Praedocs und Early-Postdocs ist ausdrücklich erwünscht.
- Einreichungen haben auf eine geschlechterparitätische Zusammensetzung zu achten.
- Die Vortragenden sollten nicht alle derselben Institution oder Forschungsgruppe angehören.

Über die Auswahl entscheidet ein Gremium durch Doppelbegutachtung. Alle Bewerber:innen werden Anfang Dezember 2023 über die Zu- oder Absage informiert.

Deadline für die Einreichungen: 15. Juni 2023

Einreichungen übermitteln Sie bitte an folgende E-Mail-Adresse: zeitgeschichtetag2024@uni-graz.at

Der Call for Papers und alle weiteren Informationen zum Zeitgeschichtetag 2024 finden sich auf der Homepage: https://zeitgeschichtetag-2024.uni-graz.at/de/

Für etwaige Rückfragen schreiben Sie bitte an: zeitgeschichtetag2024@uni-graz.at

Tagungsgebühren und Stipendien

Die Tagungsgebühr für die Teilnahme an der Konferenz beträgt 55 Euro.

Stipendien für Vortragende ohne institutionelle Anbindung können beantragt werden. Dazu bitten wir Sie, der Einreichung ein Schreiben mit einer kurzen Begründung beizufügen.

Kontakt

Arbeitsbereich Zeitgeschichte
Institut für Geschichte
Universität Graz
Attemsgasse 8/II
8010 Graz
+43 (0)316 380 – 2617
zeitgeschichtetag2024@uni-graz.at

https://zeitgeschichtetag-2024.uni-graz.at/de/
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Veröffentlicht am
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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