Die Welt in Krise(n)

Die Welt in Krise(n). Sprache(n) und Gesellschafte(n) in Bewegung

Veranstalter
Université d'Orléans, Université de Poitiers: laboratoires REMELICE, MIMMOC, FE2C
PLZ
F-45000
Ort
Orléans
Land
France
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.05.2025 - 24.05.2024
Deadline
22.01.2024
Von
Sebastian Türk, Institut für Angewandte Fremdsprachen, Université d'Orléans

Die Welt in Krise(n)

Internationale Tagung, Université d'Orléans, 23.-24.5.2024

The World in Crisis(es)

International Conference, Université d'Orléans, May 23rd and 24th, 2024

Die Welt in Krise(n). Sprache(n) und Gesellschafte(n) in Bewegung

Das Substantiv Krise, abgeleitet vom griechischen Wort krisis, bedeutet „Urteil“ oder „Entscheidung“. In konzeptueller Hinsicht ist die Krise eine Krankheit. Diese Metapher rechtfertigt sich in diachronischer Perspektive durch die Etymologie der Krise als entscheidende Phase einer Krankheit, wobei der Begriff hier auch eine eruptive und disruptive Konnotation im Sinne eines „plötzlich eintretenden, stürmischen Anfalls“ hat.

Die Tagung wird zwei sich ergänzende Schwerpunkte thematisieren: 1. Wirtschaftskrise / Krisenwirtschaft, 2. Diskurse in Krisenzeiten.

Schwerpunkt 1: Wirtschaftskrise / Krisenwirtschaft

Das Konzept der Wirtschaftskrise ist relativ neu. Dies gilt auch für seine Erforschung. Als erste Wirtschaftskrise gilt die Tulpenkrise des 17. Jahrhunderts.
Eine Wirtschaftskrise erscheint als evidente Tatsache, die man durch objektive mathematische oder statistische Messungen belegen kann. In der französischen Sprache verweist der Begriff crise économique laut dem Wörterbuch Larousse auf eine „Störung des Gleichgewichts zwischen Produktion und Konsum, die durch eine Schwächung der Nachfrage, durch Konkurse und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist.“ [„(…) une rupture d’équilibre entre la production et la consommation, caractérisée par un affaiblissement de la demande, des faillites et le chômage.“] Mittlerweile geht man jedoch davon aus, dass eine Wirtschaftskrise viel mehr sein kann.
Wenngleich eine vollständige Erfassung sämtlicher Faktoren und Auswirkungen von Wirtschaftskrisen schwierig ist, möchte diese Tagung drei Aspekte beleuchten:

- Auswirkungen von Wirtschaftskrisen über die Wirtschaft hinaus

Wirtschaftskrisen können nicht auf eine rein mathematische Dimension reduziert werden. Man kann zum Beispiel an die Auswirkungen einer Krise denken, an ihren Effekt auf die Bevölkerung in psychosozialer Hinsicht, aber auch an das der Krise vorausgehende Verhalten der Bevölkerung, ihren Einfluss auf die Krise selbst, an die bewusste und vor allem unbewusste Auslösung der Krise.
Die Antizipation der Krise kann die Krise beschleunigen, und die Ängste in einer bestehenden Krisensituation können eine krisenverstärkende und -verlängernde Wirkung haben. Wirtschaftskrisen sind somit als Thema weit über die Wirtschaftswissenschaften hinaus von Interesse.

- Wirtschaft in der Krise / Krisenwirtschaft

Wirtschaftskrisen gelten als Störung und Zusammenbruch. Doch kann man sie auch als einen anderen Zustand, eine andere Phase des Konjunkturzyklus betrachten, der selbst in dieser Situation nicht stillsteht, sich reorganisiert und eine „Krisenwirtschaft“ hervorbringt?
Auf der einen Seite können Krise und Elend ausgenutzt werden. Als Beispiel ließe sich das neuartige Geschäft nennen, das im Kontext der großen Migrationsbewegungen der letzten Jahre rund um die Versorgung und den Betrieb von Flüchtlingsunterkünften entstanden ist.
Auf der anderen Seite kann ein Krisenumfeld als positiver Faktor und Beginn einer wirtschaftlichen Erholung betrachtet werden. Die Finanzkrise von 2008 legte trotz aller Verwerfungen den Grundstein für einen Wiederaufschwung. Nach dieser Logik bereinigt eine Wirtschaftskrise den Markt, während sie gleichzeitig ein wettbewerbsförderndes Umfeld schafft, dass die Grundlage für den kommenden Aufschwung legt.

- Sind Wirtschaftskrisen multikulturell?

Kann man wirklich jeweils von einer bestimmten Wirtschaftskrise sprechen? Oder sollte man für ein und dasselbe Krisenereignis nicht vielmehr von verschiedenen Wirtschaftskrisen sprechen?
Kann ein epochenübergreifendes und globales Phänomen wirklich auf ein einziges Modell, eine einzige Bedeutung und eine einzige Erfahrung reduziert werden?
Das Konzept der Wirtschafskrise führt uns damit zur Debatte über die globale Kulturhomogenisierung und/oder dem Fortbestehen bzw. der Koexistenz von vergangenen, gegenwärtigen und sich neu formierenden kulturellen Identitäten.

Schwerpunkt 2: Krisendiskurs(e)

Aus diskursanalytischer Perspektive ist die Krise ein Moment, in dem der gewöhnliche öffentliche Diskurs durchbrochen wird. Dieser konzentriert sich nun auf Ursachen der Situation und mögliche Ansätze zu ihrer Lösung. Auf diskursiver Ebene konstatiert man in allen Krisen eine Tendenz zur Intensivierung pessimistischer Sichtweisen, oft im Rückgriff auf Stilmittel wie die Metapher, durch die komplexe Begrifflichkeiten transparent gemacht oder auch eine Euphemisierung der rauen Wirklichkeit erfolgen kann.
In den Medien kann der Krisendiskurs omnipräsent werden und der Sprachgebrauch der Diskursteilnehmenden die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen. Kommt es zu sozialen Reaktionen auf die Ereignisse, können Diskurse sogar der Manipulation dienen.
Während der jüngsten Krisen gab es im Allgemeinen vier Typen öffentlicher Diskurse, jeweils abhängig von der Position der Sprechenden und der Art ihrer Beziehung zur Öffentlichkeit:

- Diskurse von Politikerinnen und Politikern, für die die Krise sowohl eine Imagekatastrophe als auch eine Gelegenheit sein kann, auf sich aufmerksam zu machen und sich möglicherweise als Retterin oder Retter der Nation zu inszenieren.
- Diskurse von Expertinnen und Experten, vor allem während der Corona-Pandemie, als die politische Klasse weder die Kompetenz noch die Autorität hatte, sich zum Verlauf der Pandemie zu äußern.
- Diskurse von Journalistinnen und Journalisten, die sich in Bezug auf Sprachgebrauch und Ziel der Informationsvermittlung stark unterscheiden.
- Diskurse von Bürgerinnen und Bürgern, deren Reaktionen in den manchmal durchgeführten Straßeninterviews gleichsam als „Spiegel“ der öffentlichen Meinung dienen sollen, diese aber selten wirklich repräsentieren.
Angesichts der Vielfalt der in Krisensituationen möglichen Diskurstypen hat dieser Schwerpunkt der Tagung zum Ziel, anhand verschiedener Korpora öffentlicher Diskurse über mögliche Interferenzen des öffentlichen Krisendiskurses mit anderen Typen spezieller Diskurse, wie beispielsweise dem politischen Diskurs, nachzudenken.
Vielfältige Analyse-Ebenen sind möglich. Sie können von lexikalischen Einheiten bis hin zu komplexen pragmatischen Strategien wie der Ironie und der Konstruktion von Ethos oder Pathos reichen. Von Interesse sind Beiträge, die lexikalische, syntaktische, semantische oder pragmatische Aspekte der Krisendiskurse untersuchen, in der gesprochenen Sprache, in den an die Öffentlichkeit gerichteten Diskursen oder auch in der Kommunikation über die Medien.

Die Tagung steht im Kontext der Forschung im französischen Fachbereich Angewandte Fremdsprachen (frz. Langues Étrangères appliquées, LEA). Als solche möchte sie den Dialog befördern zwischen:
- Teilnehmenden aus wissenschaftlichen Disziplinen, in denen die Erforschung von Fremdsprachen und Kulturen mit den Bereichen Wirtschaft, Management, Kommunikations- und Politikwissenschaften artikuliert wird (diese Liste ist nicht als exhaustiv zu verstehen).
- Forschenden, externen Fachleuten sowie Doktoranden und Master-Studierenden, die aus ihrer jeweiligen Spezialisierung heraus die Debatte bereichern können.
- internationalen Teilnehmenden mit Forschungsthemen aus dem Zeitraum 20.-21. Jahrhundert, ohne geographische Begrenzung.

Tagungssprachen sind: Französisch, Englisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch.

Beitragsvorschläge werden mit einem Abstract von max. 500 Wörtern und einem kurzen Lebenslauf erbeten bis 22. Januar 2024 an: claire.decobert@univ-orleans.fr und rodoplphe.pauvert@univ-poitiers.fr

Einsendefrist in der 24.1.2024.

Die Beiträge werden im Rahmen eines Tagungsbandes veröffentlicht.

The World in Crisis(es). Language(s) and Society(ies) in Motion

The word crisis, derived from the Greek word krisis, means judgment, decision. Conceptually speaking, "a crisis is an illness" (a conceptual metaphor justified diachronically by its etymological meaning of "the decisive phase of an illness"), or "it is a war", if we focus on the meaning of "an outbreak with violent manifestations". It is, therefore, a moment of major change.

Our societies are plagued by successive and often overlapping crises, enabling them- if not forcing them- to evolve and transform themselves.

The conference will focus on two parallel and complementary themes: The economic crisis / The economy of the crisis and Discourse in a time of crisis.

Focus 1: The economic crisis / The economics of the crisis

The notion of "economic crisis" and its study are both relatively recent. The first "economic crisis" was the tulip crisis in the 17th century.
Thus the notion of " an economic crisis" appears as self-evident, materialized by objective mathematical and statistical measurements. According to the Larousse dictionary, it is "a breakdown in the balance between production and consumption, characterized by a weakening of demand, bankruptcies and unemployment." It is now accepted that it is much more than that.
Although it is difficult to fully grasp all the factors and impacts of an economic crisis, we propose to explore three aspects:

- The economic crisis: beyond the economy

The economic crisis cannot be reduced to a mathematical dimension. We need only think, for example, of the "crisis effect," the impact on the population, in psychosocial terms, but also, upstream, of the position taken by the population, its influence on the crisis itself, of its conscious but also, and above all, unconscious outbreak. Anticipating the crisis can precipitate it, and apprehensions during an established crisis can and do have an effect that accentuates and prolongs it. The economic crisis is thus a question that interests much more than economics.

- Economy in Crisis / Crisis Economy

Presented as a disruption, a collapse, can the economic crisis simply be perceived as another state, another phase of the economic cycle which, despite the situation, does not stop and reorganizes itself, generating a "crisis economy"?
On the one hand, there are those who exploit crisis and misery. Think, for example, of the new business that has sprung up around the huge migratory movements of recent years: the supply and management of refugee camps.
On the other hand there would be those for whom the context is a positive factor for recovery. Just as the financial crisis resounds like a big bang, while sowing the seeds of its rebirth, the economic crisis would lead to the downfall of companies with excessive weaknesses, while simultaneously creating an environment conducive to emulation and the emergence of the pillars of the future recovery.

- Is the economic crisis multicultural?

Rather than talking about the economic crisis, should we not talk about economic crises for the same event? Can the same phenomenon, known and encountered at different times and in different geographical areas, be reduced to the same model, the same acceptance, the same experience? The economic crisis thus brings us back to the debate on the global standardization of cultures and/or the persistence and cohabitation of past, present and emerging cultural identities.

Axis 2: The discourse(s) of the crisis

From the perspective of discourse analysis, a crisis represents a moment when the usual public discourse breaks away to focus on the aspects causing the situation to be resolved and on possible solutions. At the discursive level, in almost all crises there is a tendency to amplify pessimistic visions, often supported by stylistic devices such as metaphor, useful for making difficult concepts more transparent or, on the contrary, for euphemistically expressing a harsh reality.
The discourse(s) of crisis can become excessive in the media, and the linguistic expressions chosen by speakers can influence the public perception. In crises where there are also social reactions to events, discourse can even be used to manipulate.
During the most recent crises, we have generally seen four types of public discourses, depending on the type of speakers and the relationship established with the general public:

- The discourse of politicians, for whom the crisis can be both a disaster for their image and an opportunity to be noticed and, possibly, to present themselves as the nation’s’ saviors.
- The discourse of experts, especially during the COVID-19 pandemic, when political representatives had neither the competence nor the authority to express their views on the evolution of the pandemic.
- Journalists' views on the expression of information and the purpose of transmission vary widely.
- The discourse of "citizens", who are sometimes interviewed in the street to obtain a reaction that purports to mirror public opinion, but rarely truly represents it.
Given the variety of possible types of discourses during crises, on the basis of different corpora of public discourse, this axis of the conference aims to reflect on the possible interference of public discourse on the crisis with, for example, other types of specialized discourses such as political discourses. The points of view will be multiple, ranging from lexical units to complex pragmatic procedures such as irony and the construction of ethos or pathos. We will be interested in contributions that study the lexical, syntactic, semantic, or pragmatic aspects of discourse on the crisis, in spoken language, in discourse transmitted to the public or in the media.

This conference is in keeping with the philosophy of speciality research in LEA (Langues Etrangères Appliquées : Foreign Languages Applied to Business, Trade and Translation), bringing together :
- disciplines whose common denominator is the mother tongue or foreign language and civilization applied to economics, management, communication and politics in particular (the disciplinary fields are not limitative here);
- different families of specialists, be they researchers, professionals or students with a research background, able to question a subject from different angles in order to enrich the debate;
- international participants interested in one or more geographical areas of the five continents of the contemporary world (XX-XXI centuries).

Submission deadline: January 22d, 2024

Working languages: French, English, German, Italian and Spanish.

The proceedings will be published (agreement already obtained).

Proposals (max. 500 words), short CVs and any question should be sent to the organizing committee at the following e-mail addresses: claire.decobert@univ-orleans.fr; rodolphe.pauvert@univ-poitiers.fr

Kontakt

claire.decobert@univ-orleans.fr
Rodolphe.pauvert@univ-poitiers.fr

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Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch
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