Spätestens seit Beginn der 1980er Jahre konnte durch Hermann Bausingers Studien ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden, der sich darin begründete, dass ein weitverbreitetes, monolithisches Verständnis des Begriffes aufgelöst werden und Heimat als etwas verstanden werden konnte, das Menschen aktiv gestalten. Anknüpfend an Bausingers Forschungen, gelang es Beate Mitzscherlich und Beate Binder in den 1990er und 2000er Jahren mit der Erforschung von „Beheimatung“ Bausingers grundlegendes Konzept weiterzuentwickeln. Seither rückt die Erforschung des Gegenstandes und seines „Konstruktcharakters“ zunehmend auch in den Blick der Geisteswissenschaften.
Im Rahmen des DFG-Projektes „Heimat global“ unter Leitung von Jens Jäger an der Universität zu Köln, wurde erstmals unter historischer Perspektive versucht, Heimat als Konzept für den deutschsprachigen Raum analytisch zu rahmen und nationale, regionale sowie lokale Erscheinungsformen zu untersuchen.
Umso erforderlicher ist es, einen Schritt weiter zu gehen und „Heimatpraktiken“ auf der Basis aktueller, forschungsprogrammatischer Ansätze in den Fokus zu rücken, um sich „Heimat“ historisch anzunähern. Dabei stellt insbesondere die Erforschung von „Heimatgefühlen“ („Heimweh“, „Fernweh“, „Heimatliebe“, Nostalgie u. a.) – trotz erster Ansätze – weitgehend noch eine „terra icognita“ dar.
Deshalb lädt der Arbeitsbereich Geschichte und ihre Didaktik der Bergischen Universität Wuppertal (Prof. Dr. Juliane Brauer, Sebastian Braun M.A.) zu einem Workshop, der die Möglichkeit bieten soll auf theoretischer, empirischer und praktischer Ebene „Heimatpraktiken“, respektive Prozesse von „Beheimatung“ unter historischer Perspektive auszuloten.
Ziel soll es sein, aktuelle Forschungsansätze zum Gegenstand in den Blick zu nehmen und der Frage nachzugehen, welche Rolle im Kontext der Auseinandersetzung mit „Beheimatung“ auch „Heimatgefühle“ (u.a. „Heimweh“, „Fernweh“, „Heimatliebe“, Patriotismus, Zugehörigkeits- und Abwehrgefühle) hatten. Dazu gehört auch die Frage, wer, wann das Recht auf welche Heimat bekommt oder wem es verweigert wird und wie die Praktiken von „Beheimatung“ bzw. Verweigerung dieser gesellschaftspolitische Wirkmächtigkeit bekamen. Willkommen sind besonders laufende Projekte mit historischen Zugängen zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie mit regionalgeschichtlichem Schwerpunkt.
Dabei bietet sich ein breites Spektrum möglicher Themen an: „Beheimatung“ im Kontext von Flucht und Vertreibung, vor dem Hintergrund transnationaler Prozesse wie (Arbeits-) Migration, im Rahmen gesellschaftlicher Transformationsphasen (Nachkriegszeit/ vor und nach 1989) oder unter der Perspektive von „Heimatverlust“ im Kontext von Klimaschutz und Energieversorgung (z. B. durch Braunkohletagebau). Weitere Ansätze können Projekte eröffnen, die „Beheimatung“ innerhalb spezifischer religiöser und kultureller Gemeinschaften in den Blick nehmen oder den Gegenstand als geschichtskulturelles Feld behandeln in Museen und Ausstellungen.
Der Workshop richtet sich insbesondere an den akademischen Nachwuchs der Geisteswissenschaften und aus dem Feld der Public History. Neben geschichtswissenschaftlichen Projekten sind darüber hinaus Bewerbungen aus den benachbarten Disziplinen wie der Germanistik/ Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaft oder Religionswissenschaft willkommen, die einen historischen Zugang wählen
Wir begrüßen konkrete Qualifikations- und Forschungsprojekte, die sich historisch und/ oder regionalgebunden mit „Heimat“, „Beheimatung“ und/ oder „Heimatgefühlen“ befassen. Übersenden Sie ihren Abstract (max. 1.500 Zeichen) mit kurzen biographischen Informationen bis zum 21. Februar 2024 an Sebastian Braun M.A.: sbraun@uni-wuppertal.de
Eine Rückmeldung ist bis Mai 2024 geplant. Reisekosten können zum Teil übernommen werden.