Mobilität ist eine der grundlegenden Funktionen in jeder Gesellschaft. Diese Erkenntnis beschäftigt seit einigen Jahren die Sozial- und Geisteswissenschaften, darunter auch die Geschichtswissenschaften. Bereits 2013 wurde dazu ein „mobility turn“ ausgerufen. Der Ansatz umfasst unterschiedliche Formen von Mobilität und erlaubt, viele sonst getrennt untersuchte soziale Prozesse, von Migration über technische Infrastruktur und Stadtentwicklung zum Transport von Ressourcen, Waren und Menschen in ihren Verflechtungen zu untersuchen. Zugleich hat die weltweite COVID-Pandemie neue Aufmerksamkeit auf die Grenzen von Mobilität gezogen. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, das Konzept aktuell auch für die Geschichte Afrikas neu zu beleuchten.
Die Sommeruniversität des Deutschen Historischen Instituts Paris (DHIP) und des Centre d’études en sciences sociales sur les mondes africains, américains et asiatiques (CESSMA) versammelt Forschende aus Deutschland, Frankreich, anderen europäischen Ländern und Afrika, um die Möglichkeiten und Herausforderungen des „mobility turn“ in der Geschichte Afrikas und der afrikanischen Diaspora zu diskutieren. Epochenübergreifend werden Arbeiten zu verschiedenen Formen von Mobilität untersucht und deren räumliche, politische, soziale, kulturelle sowie ökologische Konsequenzen betrachtet. Dabei sollen auch Verbindungen zwischen Sozial-, Kultur-, Technik- und Umweltgeschichte herausgearbeitet und die räumliche Ordnung Afrikas sowie ihr beständiger Wandel durch afrikanische Mobilitäten in historischer Perspektive hinterfragt werden. Einreichungen aus anderen Disziplinen der Sozial- und Geisteswissenschaften – sofern sie eine historische Dimension besitzen – sind explizit erwünscht.
Die Sommeruniversität umfasst vier inhaltliche Schwerpunkte und entsprechende Fragenkomplexe:
1. Räume und Mobilität: Welche Formen von Mobilität lassen sich historisch in Afrika identifizieren? Wie (re-)strukturieren sie die räumlichen Ordnungen des Kontinents in der Welt, Welche Räume ergeben sich durch eine von Mobilität ausgehenden Geschichte Afrikas? Wo beginnen die Routen afrikanischer Mobilität und wo enden sie (bspw. in einem „Black Atlantic“) Wie formen („natürliche“ und gebaute) Räume Mobilitäten und wie verändern Mobilitäten diese?
2. Praktiken und Infrastrukturen: Welche Akteure hat eine Geschichte der Mobilität in Afrika und wie etablieren sie in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt und einander Formen der Mobilität? Welche Eigenlogiken besitzen Infrastrukturen der Mobilität und ihrer Kontrolle, wie Grenzen, Verkehrsinfrastrukturen, Transporttechnologien und wie verändern sich diese in der Nutzung durch die Akteure, oder auch im Konflikt mit ihnen? Gibt es afrikanische Kulturen der Mobilität? Wie haben sich diese historisch herausgebildet? Wie interagieren sie mit anderen Mobilitätskulturen in einer zunehmend globalisierten Welt?
3. Soziale Konfigurationen und Aushandlungsprozesse: Wie wirken sich intersektionale Ungleichheiten und Diskriminierungen (class, race, gender) auf Mobilitäten aus? Welche Akteure und Akteursgruppen sind identifizierbar und welche Handlungsspielräume nutzen sie? Lassen sich epochenübergreifend Kontinuitäten afrikanischer Mobilität identifizieren? Welche Konflikte um Kontrolle der Mobilität ergeben sich vor, während und nach der Kolonisation?
4. Methoden und konzeptuelle Anregungen für die Geschichte Afrikas: Wie verhält sich ein von Mobilität ausgehender Ansatz konzeptuell mit verschiedenen historiographischen Ansätzen von Kultur- über Sozial- zur Technikgeschichte? Wie kann er diese miteinander in sinnvoller Weise zu neuen Fragestellungen verbinden?
Insgesamt werden 14 Doktorierende und Postdocs (bis max. 2 Jahre nach Abschluss der Dissertation) an der Sommeruni teilnehmen. Die Veranstalter streben eine anteilige Übernahme der Reisekosten an. Voraussetzung dafür ist die Zusage der Drittmittelfinanzierung. Die Veranstaltungssprachen sind Französisch und Englisch. In Ausnahmefällen dürfen Papers vorab auf Deutsch eingereicht, müssen dann aber in einer der anderen beiden Sprachen präsentiert werden.
Interessierte Bewerberinnen und Bewerber schicken bis zum 20. Januar 2024 ein Abstract (500 Wörter), eine Kurzbiographie (200 Wörter) sowie genaue Kontaktdaten (Email, Telefonnummer, wenn vorhanden ORCID oder Webseite) in einem PDF-Dokument an sommeruni@dhi-paris.fr. Ausgewählte Kandidatinnen und Kandidaten werden eingeladen, bis zum 22. April 2024 einen schriftlichen Beitrag von max. 10 Seiten (ca. 20'000 Zeichen inkl. Leerzeichen) auszuformulieren, der allen Teilnehmende zugänglich gemacht wird.
Bewerbungsschluss: 20. Januar 2024
Bewerbungen und Anfragen an: sommeruni@dhi-paris.fr