Erziehung nach Auschwitz und das “Scapa Flow” der Nazi-Intelligentsia

Erziehung nach Auschwitz und das “Scapa Flow” der Nazi-Intelligentsia

Veranstalter
Leonore Bazinek (Laboratoire ERIAC, Université e Rouen)
Ausrichter
Laboratoire ERIAC, Université e Rouen
PLZ
76130
Ort
Mont Saint Aignan
Land
France
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.05.2024 - 23.05.2024
Deadline
30.03.2024
Von
Leonore Bazinek, UFR DES LETTRES ET SCIENCES HUMAINES, Équipe de Recherche Interdisciplinaire sur les Aires Culturelles, Universität zu Rouen

Erziehung nach Auschwitz und das “Scapa Flow” der Nazi-Intelligentsia

Eine Auseinandersetzung mit dem Werdegang der stark in den Hitlerismus verwickelten Intellektuellen sowie des scheinbaren Versandens der ersten Analysen.

Éducation après Auschwitz et le “Scapa Flow” de l’intelligentsia nazie

Susciter une interrogation sur le devenir des intellectuels fortement engagés dans l'hitlérisme et l’inefficacité apparente des premières analyses.

Erziehung nach Auschwitz und das “Scapa Flow” der Nazi-Intelligentsia

Scapa Flow ist eine Bucht zwischen schottischen Inseln. In dieser Bucht versenkte sich am 21. Juni 1919 auf den kodierten Befehl „Paragraph Elf. Bestätigen“ des Admirals Ludwig von Reuter die Flotte der deutschen Marine knapp vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles. Vor dem Auslaufen aus Deutschland hatte man noch alle wertvollen Bestandteile aus den Schiffen ausgebaut. Reuter hatte während des langen Herumirrens der Flotte alle Besatzungsmitglieder zurückgeschickt, auf die er sich nicht 100% verlassen konnte. Nur von Getreuen umgeben, wollte er die Ehre Deutschlands retten.

Die auf dem Meeresgrund und über den Strand verstreuten Wrackteile, ihre langsame Auflösung unter Freisetzung verschiedener Stoffe, aber auch die teilweise Bergung und schließlich die Transformation in ein Museum kann als Metapher für die Schwierigkeiten dienen, denen die Bemühungen einer Erziehung nach Auschwitz ausgesetzt sind.

Heute spricht man immer noch von Rechtsruck, großer Verunsicherung, Protestwahl, obwohl sich Frankreich seit Jahrzehnten vor allem mit dem problème Le Pen herumschlägt und obwohl Herkunft und Ziel seiner Partei nie ein Geheimnis waren. Und in Deutschland ist man mit vielfältig erscheinenden Gruppierungen konfrontiert, von denen insbesondere eine seit 2013 ebenfalls als Partei auftritt. Obwohl der Verfassungsschutz sich zu ihr unmissverständlich äußert, lässt man es auch hier zu, dass diese „Partei“ sich aktiv am politischen Geschehen beteiligt.

Dieses Paradox bildet den Hintergrund unserer Überlegungen. Woher jene Verwirrung, woher die praktische und theoretische Schwäche sowohl der Politiker als auch der Wissenschaftler?

Man kann feststellen, dass die begonnene Analyse der von den Nationalsozialisten nie verheimlichten Bedeutung ihrer Weltanschauung nach 1950 mehr und mehr vernachlässigt wurde. Ein weiteres Moment ist sicherlich in der Vernachlässigung des reeducation-Projektes für Deutschland zu sehen, das von den Alliierten um 1945 geplant war. Beides fiel weitgehend einem sogenannten „Kalten Krieg“ zum Opfer, dessen Institution und Durchführung zumindest teilweise unter dem Einfluss von Nazi-Intellektuellen geschah. Einige, in deren Identität man sich – wissentlich oder unwissentlich – irrte, waren auch tatsächlich wie verstreutes Strandgut „eingesammelt“ worden, um sofort in den Wiederaufbau Deutschlands eingebunden werden zu können; Andere tauchten zwar unter, aber, verstärkt ab 1950, wieder auf. Sie übten ihren Einfluss durch Unternehmensgründungen usw., aber auch im Fortführen und Wiederaufgreifen ihrer akademischen Tätigkeiten, aus und legten vor allem die Grundlagen zweifelhafter geschichtlicher Paradigmen, die nun drohen, historische Forschung weitgehend durch Erinnerungskultur zu ersetzen.

Um diese Prozesse genauer erfassen zu können, werden wir uns mit aufmerksamen Zeitzeugen befassen, insbesondere mit Edmond Vermeil (1887-1964), Armand Cuvillier (1887-1963), Theodor W. Adorno (1903-1969) und Heinz-Joachim Heydorn (1916-1974). Der Versuch, die aktuelle gesellschaftliche Wirklichkeit mit diesen theoretischen Ressourcen in Beziehung zu setzen, wird zeigen, dass die wissenschaftliche Forschung sich von intellektueller Gewalt nicht beeindrucken lassen muss, sondern den kurzfristig sehr wirksamen Kampfeslogiken ihre langfristig wirkenden Betrachtungen entgegensetzen kann; dass also ein auf Freiheit zielendes Denken sich in den Weltanschauungskampf begeben kann, ohne dessen Methoden und Zielsetzungen zu teilen. Vernünftiger Mut erweist sich als eine der maßgeblichen Bedingungen genuin menschlicher Freiheit.

Wir erwarten ebenso Fallstudien wie grundsätzliche, metatheoretische Beiträge.

Kontakt

leonore.bazinek1@univ-rouen.fr

http://eriac.univ-rouen.fr/appel-a-communications-education-apres-auschwitz-et-le-scapa-flow-de-lintelligentsia-nazie-erziehung-nach-auschwitz-und-das-scapa-flow-der-nazi-intelli/
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