Das Thema der Tagung des AKGG ist ebenso breit angelegt wie aktuell: Es geht um Migration in der Frühen Neuzeit aus geschlechtergeschichtlicher Sicht.
Versteht man unter Migration zunächst das Aus- und Einwandern von Menschen im weitesten Sinn, so fallen darunter alle solchen Wanderungsbewegungen von Einzelnen, familiären oder anderen Personenverbänden, die sich teils zeitweilig (etwa während der „Lehr- und Wanderjahre“), vor allem aber längerfristig oder gar endgültig „in die Fremde“ begaben. Junge Männer, die sich als Söldner in „Fremde Dienste“ begaben – und dort ggf. auf dem Schlachtfeld umkamen , zählen dazu ebenso wie junge Frauen, die sich aus ihren Dörfern in die Städte aufmachten, um dort Arbeit und Auskommen zu finden. Noch endgültiger war die Migration (hoch-)adliger junger Damen, wenn sie im Rahmen dynastischer Ehepolitik an geographisch oft weit entfernte Höfe verheiratet wurden und damit weit gespannte Beziehungsnetze ausbauten.
Auch die zahlreichen ganz anders gelagerten und oft noch weiträumigeren Wanderungsbewegungen, nicht zuletzt die sog. „europäische Expansion“ seit dem 16. Jahrhundert insbesondere in die beiden Amerikas, betrafen nicht nur erobernde Männerhorden und Söldnertrupps auf der Jagd nach reicher Beute, sondern vielfach auch Frauen (und Kinder), die jenen Truppen folgten oder die, etwa als Angehörige der „Pilgrim Fathers“, dabei halfen, ein „neues Jerusalem“ in der Neuen Welt zu schaffen.
Viele waren Flüchtende – Religionsflüchtlinge, wie wir sie zu vielen tausenden in den drei Jahrhunderten zwischen Reformation und Aufklärung in Europa finden, seien dies Jüdinnen und Juden, Protestant:innen oder auch Angehörige anderer verfolgter Konfessionen wie etwa der sog. „Täufer“; viele flohen vor Krieg, Zerstörung oder der Pest. Dazu kommt noch die Zwangsmigration jener Millionen aus Afrika verschleppten Frauen, Männer und Kinder, die seit dem Beginn der Frühen Neuzeit in die amerikanischen Kolonien zwangsverschifft wurden und die ihre Herkunftsländer, Familien und angestammten Lebenswelten niemals mehr wiedersehen sollten.
Migration ist damit auch ein wichtiger Aspekt der globalen Verflechtungsgeschichte. Um die Prozesse der Aneignung des Neuen einerseits und des Ordnens und Einordnens von Menschen und Gruppen in eine neue Umgebung andererseits methodisch fassen zu können, fragen wir insbesondere nach den Praktiken des Vergleichens seitens der beteiligten Akteur:innen, also sowohl der Migrant:innen wie der sie aufnehmenden Gesellschaften. Wie haben diese Menschen ihre Migration oder gar Flucht erlebt und erlitten – und welche spezifischen Erfahrungen machten sie, je nach Geschlecht, Alter, Hautfarbe und Status? Hatten Sie die Möglichkeit, sich und anderen darüber Rechenschaft abzulegen?
Des Weiteren wäre zu fragen, ob und wie Migrant:innen am Ziel ihrer Wanderung aufgenommen bzw. integriert wurden. Welche Chancen bot man ihnen ggf. vonseiten der aufnehmenden Gesellschaften – und welchen (neuen) Zwängen, ggf. auch geschlechtsspezifischer Art, waren sie dort ausgesetzt? Und wie lassen sich solche Erfahrungen – ggf. auch über Zeit und Raum hinweg vergleichend – im Hinblick auf die Geschlechterdifferenz erforschen? Nicht zuletzt interessiert uns, welche (gelehrten) Diskurse im Laufe der frühen Neuzeit über Migrant:innen zirkulierten, die z.B. vor Verfolgung flohen. Dies sowohl am Ort ihrer Vertreibung als auch am Ort ihrer Ankunft. Und wie wurde Migration überhaupt betrachtet und bewertet? (Wie) beeinflusste das Geschlecht der Migrant:innen die Wahrnehmung von Migration ganz generell?
Besondere methodische Probleme sind dabei im Blick zu behalten: Warum blieben Migrationen von Frauen, aber auch von Kindern, in der Forschung so lange und z.T. bis heute unterbelichtet – und welche methodischen Möglichkeiten wirken den damit verbundenen Vorannahmen entgegen? Welche Paradigmen der Migrationsforschung sind (un-)geeignet, den Faktor „Geschlecht“ sowie andere Differenzen seiner/ihrer Bedeutung entsprechend zu berücksichtigen?
Solchen und ähnlichen Fragen wollen wir uns bei unserer diesjährigen Tagung widmen, die vom 24.-26. Oktober 2024 im Tagungshaus der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Stuttgart-Hohenheim stattfindet.
Die jährlichen Tagungen des Arbeitskreises bieten eine Plattform zur Präsentation und Diskussion aktueller Forschungsarbeiten, sehr gerne auch von Nachwuchswissenschaftler:innen. Zugleich dienen die Treffen dem Informationsaustausch, der intergenerationellen Vernetzung sowie der methodischen, konzeptuellen und theoretischen Auseinandersetzung. Von Historiker:innen organisiert, sind die Treffen immer auch ein Ort der Inter- und Transdisziplinarität. Durch die Heterogenität der Teilnehmer:innen legen wir vor allem darauf Wert, dass die einzelnen Beiträge maßgeblich den Fokus auf Fragen der Theoriebildung, Methode und der Methodologie richten.
Genauere Informationen zum Arbeitskreis finden Sie auf unserer Homepage: http://www.univie.ac.at/ak-geschlechtergeschichte-fnz/ Wir weisen darauf hin, dass für Referent:innen in der Regel keine Reise- und Tagungsgebühren übernommen werden können. Die Tagungsteilnahme inklusive Übernachtung und Verpflegung beträgt voraussichtlich 153 Euro/ermäßigt 109 Euro. Stipendien zur Teilnahme an der Tagung können beantragt werden.
Vortragsvorschläge (abstract und CV, jeweils ca. 5.000 Zeichen) richten Sie bitte per E-Mail bis zum 15.04.2024 an:
Claudia.Opitz@unibas.ch
Monika.Mommertz@unibas.ch