Demokratie braucht Öffentlichkeit, aber nicht jede Öffentlichkeit fördert die Demokratie. Dass der Strukturwandel – oder vielmehr Strukturbruch – der Öffentlichkeit(en) seit dem Beginn des digitalen Zeitalters eine ernstzunehmende Herausforderung für die „klassische“ liberale Demokratie darstellt, ist inzwischen eine der meist diskutierten Zeitdiagnosen – quer durch die Geistes- und Sozialwissenschaften. Der Bedarf an Klärung der Konsequenzen dieses Prozesses ist enorm hoch, die Frage der zukünftigen Rolle und Regulierung einer dermaßen entgrenzten Medien- und Kommunikationskultur treibt Politik- und Rechtswissenschaftler ebenso um wie Journalistinnen, Philosophen und nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger – oder auch: „User“ – selbst. Für die Bundesrepublik gilt all dies in allgemeiner (globaler), aber – aufgrund der NS- und deutsch-deutschen Teilungsgeschichte – zugleich auch in recht spezifischer Hinsicht.
Aus der Perspektive der zeithistorischen Forschung kommt hinzu, dass die Art und Weise, in der wissenschaftliche Erkenntnisse mittels neuer, eigensinniger Medien, Foren und Technologien kommuniziert, rezipiert und debattiert werden, diesen einerseits eine enorm vergrößerte potentielle Reichweite verschafft. Andererseits birgt die Schnelligkeit und Unmittelbarkeit, mit der Wissenschaft und Öffentlichkeit im Austausch stehen, und die Dringlichkeit, mit der tagespolitische Ereignisse nach wissenschaftlich fundierten Analysen und Antworten verlangen – und von Expertinnen und Experten angeboten werden –, vielerlei Fallstricke.
Die 4. Bielefelder Debatte zur Zeitgeschichte widmet sich der gegenwärtigen Erosion und möglichen Neuformierung des „strukturell gekoppelten“ (T. Mergel) Verhältnisses zwischen Medien und Politik, und im weiteren Sinne dem historischen, gegenwärtigen und zukünftigen Zusammenhang von (digitaler) Öffentlichkeit und Demokratie. Sie wird aus historischer, rechtswissenschaftlicher, soziologischer und demokratietheoretischer Perspektive die dabei wirksamen Verflechtungsmechanismen problematisieren sowie den Wissensstand zur Stabilisierung und Destabilisierung von demokratischen Ordnungen sowie die Rolle von Öffentlichkeit(en) in diesen Prozessen erörtern. Schließlich soll gründlicher als gemeinhin üblich nach der Relevanz (d.h. Indienstnahme und Indienststellung) wissenschaftlicher Expertise im Umgang mit diesen Fragen an der Schnittstelle von Politik, Medien und Öffentlichkeit gefragt werden.
In Abstimmung mit den Gästen werden diese abstrakten Fragestellungen anhand konkreter Problemzusammenhänge, Beispielfälle und Einzelfragen erörtert. Die beiden Gesprächsrunden haben jeweils viel Zeit (2 h), die beiden Podiumsgäste geben jeweils einen 5-minüten eigensinnigen Impuls, und es findet nur ein Gespräch auf der Bühne statt. Für Austausch mit dem Publikum und weiterführende Gespräche ist in einer langen Kaffeepause und auf einem anschließenden Empfang Zeit.
Als Diskutantinnen und Diskutanten haben die Historiker Till van Rahden (Montreal) und Ute Daniel (Braunschweig) für das erste Gespräch – moderiert von Claudia Gatzka (Freiburg) – zugesagt. Das zweite Gespräch soll zwischen dem Verfassungsrechtler Thomas Wischmeyer (Bielefeld) und dem Soziologen Steffen Mau (Berlin) geführt werden, moderiert von Christina Morina (Bielefeld).
Die Veranstaltung findet am Zentrum für interdisziplinäre Forschung Bielefeld (ZiF) statt. Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, bitten wir um verbindliche Anmeldung bis 01.04.2024 unter nadine.engler@uni-bielefeld.de