Für die Geschichtswissenschaft hat die Erforschung von Behinderung als verkörperte Differenz in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Disability History hat insbesondere die sozialen und kulturellen Dimensionen von Behinderungen betont und sich dafür eingesetzt, Behinderung als eine zentrale historische Kategorie neben anderen Kategorien wie Geschlecht oder Klasse anzuerkennen. Diese Perspektive hebt hervor, wie gesellschaftliche Normen, Werte und Institutionen die Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen und deren Identitäten prägen. Sie hinterfragt traditionelle Narrative, in denen die Erfahrungen behinderter Menschen marginalisiert oder übersehen wurden, und befürwortet eine inklusive und nuancierte historische Analyse des aus der Norm fallenden Körpers. Nicht zuletzt stellt die Disability History die tradierten Periodisierungen der modernen Geschichte in Frage.
Die Dynamik und Entwicklung dieses Forschungsfeldes in den letzten Jahren, seine interdisziplinäre Reichweite sowie das Potenzial, unser historisches Verständnis menschlicher Vielfalt zu erweitern, zählen zu seinen wichtigsten Charakteristika. Gleichzeitig gibt es noch viele unerforschte Themenbereiche, ungenutzte Quellen und vielversprechende Ansätze, die das Potenzial haben, die Geschichtswissenschaft mit neuen Perspektiven und Anregungen zu bereichern. Die anstehende Tagung hat vor, genau diese Themenbereiche der Disability History aufzugreifen.
Wir erbitten Beiträge, die sich mit Arenen gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse über Behinderung aus historischer Perspektive beschäftigen. Willkommen sind sowohl regionale und nationale Fallstudien als auch transnationale Perspektiven. Darüber hinaus interessieren uns besonders Wechselwirkungen zwischen verschiedenen disziplinären Ansätzen und Überschneidungen von Disability History und historischer Bildforschung, Alltagsgeschichte, Wissensgeschichte, Medizingeschichte und Bildungsgeschichte.
Dabei interessieren uns u. a. folgende Fragen:
- Wie wurde Behinderung außerhalb westlicher Gesellschaften wahrgenommen?
- Welche alternativen Perspektiven lassen sich finden, die euro-amerikanische Konzepte von Normalität herausforderten?
- Wie zirkulierten Konzeptionen von Behinderung zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Akteur:innen? Welche Faktoren und Begebenheiten ermöglichten bzw. verhinderten Austausch und Transfer?
- Welche Formen von Kooperation und Antagonismen zwischen Gruppen, Organisationen und Vereinigungen finden sich auf nationaler und internationaler Ebene?
- Welche Strategien der Selbstermächtigung lassen sich im Kontext institutioneller Settings finden? Welche Rolle spielen dabei Selbstzeugnisse von Menschen mit Behinderung, um jene Lebenswelten rekonstruieren zu können?
- Wie trugen bildende Kunst und visuelle Medien zur Konzeption von Behinderung bei und wie können diese als Spiegel gesellschaftlicher Normen und Vorstellungen befragt werden?
Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch, alle Abstracts werden auf Deutsch und Englisch zur Verfügung gestellt.
Die Reise- und Übernachtungskosten werden von den Veranstaltern übernommen, für Catering und ein Conference Dinner ist gesorgt. Das Geld muss jedoch ausgelegt werden und wird dann erstattet.
Der Call richtet sich an alle Interessierten ab Promotionsphase, wir fordern daher alle akademischen Positionen auf, sich zu bewerben. Bitte zögern Sie nicht, sich bei Fragen an uns zu wenden. Bitte melden Sie zudem bei ihrer Bewerbung den nötigen Unterstützungsbedarf (z. B. Gebärdensprachendolmetscher) an, damit wir uns um eine frühzeitige Buchung kümmern können.
Bitte schicken Sie uns bis zum 30.04.2024 ein Abstract des geplanten Beitrags von ca. 250 Worten mit einer Kurzbiographie an die folgenden Mail-Adressen:
Radu.Dinu@ju.se
Jens.Gruendler@lwl.org
Jonathan.Schlunck@idehist.uu.se