Musik bietet eine Folie für analytische und vergleichende Perspektiven auf verschiedene Konzepte von Demokratie. Zu denken ist an Emanzipationsprozesse sozialer oder ethnischer Gruppen, die sich in und durch Musik politisch artikulier(t)en und für die Demokratie eintraten oder –treten sowie an Protest über und durch Musik als in-dividuelle wie gruppendynamische Artikulationsform mit Öffentlichkeits- und Multi-plikationseffekten. So kann sich demokratischer Protest qua Musik artikulieren, etwa die „Kassettenkultur“ in Chile, codierte Botschaften in Liedtexten, Musik der „Friedlichen Revolution“ in der DDR 1989, als wichtiger Teil der „Singing Revolution“ im Baltikum 1988 bis 1991 oder kürzlich in der Protestmusik im Iran.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwiefern Musik insbesondere in ihren eigenen, werkimmanenten Strukturen überhaupt ein Raum von Demokratie sein kann und soll. Ist im Verhältnis der Stimmen zueinander, im Konzept von Dux und Comes oder an-deren kompositorischen Prinzipien die Idee der absolutistischen Macht eingeschrie-ben? Und zeigen sich dann bereits seit dem 18. Jahrhundert Erosionen dieser Allein-herrschaft etwa in instabiler Tonalität oder Stimmenunabhängigkeit?
Spätestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist darüber hinaus eine Pluralisierung in den Bereichen der Produktion, Distribution und Rezeption von Musik zu bemerken. (Neue) Infrastrukturen und Technologien trugen v.a. in der Popularmusik zu demokratischeren Verbreitungsmöglichkeiten bei. Gleichwohl bedeuten diese Verarbeitungsmöglichkeiten bspw. durch das ,Recycling‘ im Sampling und Cover die Verbreitung individueller politischer Haltung. So können durch Intermedialität politische Haltungen kommuniziert werden, z.B. durch Framing und Reframing. Auch die Rolle des Publikums verändert sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Durch die verstärkte Ausformung partizipativer Rezeptions- und Reaktionsformen (Skandale im Konzerts-aal, Kommentierungen und Klickzahlen in Social Media) sind Rezipierende zu einem einflussreichen Gegengewicht herangewachsen und sich dieser Macht durchaus be-wusst.
Die Jahrestagung thematisiert und diskutiert musikbezogene Phänomene, die mit Vor-stellungen von Demokratie bzw. demokratischen Prinzipien in Beziehung stehen. Wir freuen uns über Einsendungen aus alle Teildisziplinen der Musikwissenschaft, u.a. zu folgenden Themenfeldern:
- Musikalischer Protest als Engagement für die Demokratie, gegen politischen und kulturellen Totalitarismus und der mögliche Artikulationswandel im Ver-lauf der Geschichte
- Demokratische Werte (Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit) immanent in der Musik und in ihrer Performanz und Rezeption
- Strukturen und Hierarchien in musikalischen Ensembles (Orchester, Chöre, kammermusikalische Formationen etc.)
- Urheberrecht, Copy Right und Musikpiraterie
- Massenkulturelle Phänomene
- Big Data: Generierung, Auswertung, Datenschutz und Zugänglichkeit
- Methodische Herausforderungen im thematischen Zusammenhang von „Musik und Demokratie“
Formate:
- Vortrag:
- 20 Minuten + 10 Minuten Diskussion
- 30 Minuten + 15 Minuten Diskussion
- Posterpräsentationen vor Ort
- Projektpräsentationen (digital über Screens als Slideshow oder vorproduziertes Video, max. 5 Minuten)
Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch
Bitte senden Sie ein Abstract (max. 2.000 Zeichen) unter Angabe des gewünschten Formats (Vortrag (30‘+15‘ oder 20‘+10‘), Projektpräsentation) sowie einen CV (ca. 500 Zeichen) bis zum 12.4.2024 an: demokratie2024@moz.ac.at
Die Entscheidung über die Annahme fällt bis 15.5.2024 durch eine Jury, bestehend aus Präsidiumsmitgliedern der ÖGMw und des Departments für Musikwissenschaft der Universität Mozarteum Salzburg.
Das Angebot einer Kinderbetreuung (0 bis 6 Jahre) während der Jahrestagung ist in Planung. Bitte melden Sie sich gerne unter der oben angegebenen e-mail-Adresse, soll-ten Sie Bedarf haben.
Konzeption und Organisation:
Prof.‘in Dr.‘in Yvonne Wasserloos
Mag.a art. Sarah Haslinger
Pavle Krstic MA BA