Oral History in der hochschulischen Ausbildung der historischen Fächer

Oral History in der hochschulischen Ausbildung der historischen Fächer

Veranstalter
Ruhr-Universität Bochum
Veranstaltungsort
Ruhr-Universität Bochum
PLZ
44801
Ort
Bochum
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
16.09.2024 - 17.09.2024
Deadline
31.05.2024
Von
Viktoria Gräbe

Interdisziplinäre Tagung im Rahmen einer Summer School, 16. & 17.09.2024, Ruhr-Universität Bochum

Oral History in der hochschulischen Ausbildung der historischen Fächer

Mündlich erzählte Geschichte bietet für historisch ausgerichtete Fächer eine wertvolle Materialbasis, weil sie zu einem besseren Verständnis individueller Perspektiven in gegebenen respektive sich wandelnden geschichtlichen Konstellationen und gesellschaftlichen Strukturen beiträgt. Weil Erzählende insbesondere an die prägende Kindheits- und Jugendphase vielfältige Erinnerungen knüpfen, kommt mündlich erzählten Lebensgeschichten zur Rekonstruktion von Subjektivierungsformen und von individuellen Bildungsprozessen Bedeutung zu. Dem Einwand, durch Fokussierung auf das Subjekt drohe die soziale Dimension menschlichen Denkens, Wahrnehmens und Handelns (Wigger 2007) aus dem Blick zu geraten, stehen ausgereifte Bemühungen beispielsweise der historischen Sozialisationsforschung entgegen, die zeigen, dass lebensgeschichtliche Interviews besonders dort fruchtbar gemacht werden können, wo die aus ihnen gewonnenen subjektiven Bewertungen, Orientierungen und Wissensbestände zu den spezifischen sozialen Bedingungen des Aufwachsens ins Verhältnis gesetzt werden (Gestrich 1999, Kluchert & Gippert 2021).

Freilich resultieren aus dem Interesse an subjektiven Perspektiven für geschichtswissenschaftliche oder bildungshistorische Oral History Projekte besondere Ansprüche an die methodische Kontrolle und die Interpretation der durch die Forscher:innen erhobenen Informationen. Dass der Konstruktcharakter der historischen Quellen in ihnen besonders hervorsticht, bedeutet indes nicht, dass Zeitzeug:innen-Interviews für den historischen Erkenntnisgewinn nicht ebenso großes Potential besitzen wie andere historische Verfahren (von Plato 2000). Trotz weitestgehender Akzeptanz der Oral History in der Geschichtswissenschaft hat sich die Ausbildung entsprechender Kompetenzen im Studium jedoch noch kaum durchgesetzt. Während quellenkritische, rekonstruktive und textanalytische Verfahren im Methodenstudium angehender (Bildungs-)Historiker:innen mehr oder weniger systematisch vermittelt werden, erfolgt eine Ausbildung von Kompetenzen, die zur Planung und Durchführung von Oral History-Projekten erforderlich sind, bisher nur selten. Dass vielfach davon abgesehen wird, solche Vorhaben in universitäre Lehrveranstaltungen zu implementieren, liegt aus unserer Sicht vor allem an mangelnder Erfahrung und fehlenden praxisorientierten Unterstützungsangeboten, die dem hohen Aufwand von Oral History-Lehrveranstaltungen begegnen. Neuere Initiativen auch an der Ruhr-Universität haben gezeigt, wie Methoden mit vergleichbarem technischem und organisatorischem Aufwand bei entsprechender Vorbereitung und Schulung mit Gewinn für Studierende und Lehrende in das Studium Eingang finden können, etwa beim Einsatz von Podcasts in der Lehre.

Auf der interdisziplinären Tagung sollen disziplinäre Verständnisse und Forschungslogiken zur Rekonstruktion mündlich erzählter Geschichte diskutiert und die Erträge für die methodische Ausbildung in den historisch arbeitenden Fächer fruchtbar gemacht werden. Die Tagung ist Teil einer Summer School für Studierende unterschiedlicher Studiengänge. Im Verlauf der Summer School werden die Studierenden Oral History-Projekte zu unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten planen, erste Interviews erheben oder vorhandene Interviews für Sekundäranalysen auswählen. Die Tagung umfasst eine Interpretationswerkstatt, in der die Veranstaltenden Studierende und Expert:innen über das Material ins Gespräch bringen möchten. Der zweite Teil der Tagung dient der Reflexion darüber, was in der Ausbildung von Oral History-Kompetenzen im Kontext der Hochschullehre gut und was weniger gut funktioniert.
Vorschläge für Vorträge im Umfang von je 30 Minuten können u. a. zu folgenden Themenfeldern eingereicht werden:

- Empirische Ergebnisse zu den methodischen und fachlichen Kompetenzen, die in hochschulischen Lehrprojekten mit Oral History-Bezug bei Studierenden ausgebildet werden
- Erfahrungsberichte und Ergebnisse aus eigenen schulischen oder hochschulischen Oral History-Projekten
- Digitale Kompetenzen, die bei Oral History-Projekten zum Einsatz kommen können
- Methodische Zugriffe der Erhebung und Auswertung von Oral History-Projekten
- Aktuelle oder abgeschlossene Oral History-Projekte mit Lehrbezug

Vortragsvorschläge à max. 2.500 Zeichen richten Sie bitte per E-Mail bis zum 31.05.2024 an:

viktoria.graebe@rub.de oder joachim.scholz@rub.de

Eine Rückmeldung zu den Abstracts erfolgt bis spätestens 30.06.2024. Die Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten ist vorgesehen. Wir fordern Nachwuchswissenschaftler:innen ausdrücklich zur Teilnahme am Call auf.

Kontakt
Viktoria Gräbe & Philip Kortling, Fakultät für Geschichtswissenschaften, Ruhr-Universität Bochum
Joachim Scholz, Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

Zitierte Literatur:

Gestrich, Andreas (1999): Vergesellschaftung des Menschen. Einführung in die Historische Sozialisationsforschung. Historische Einführungen, Band 1. Tübingen: edition diskord.
Kluchert, Gerhard; Gippert, Wolfgang (2021). Historische Sozialisationsforschung. In: Kluchert, Gerhard; Horn, Klaus-Peter; Groppe, Carola; Caruso, Marcelo (Hrsg.): Historische Bildungsforschung: Konzepte – Methoden – Forschungsfelder. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt, S- 43–57.
Plato, Alexander von (2000): Zeitzeugen und die historische Zunft. Erinnerung, kommunikative Tradierung und kollektives Gedächtnis in der qualitativen Geschichtswissenschaft – ein Problemaufriss. In: BIOS 13. Jg, H. 1, S. 5–29.
Wigger, Lothar (2007): Bildung und Habitus? Zur bildungstheoretischen und habitustheoretischen Deutung von biografischen Interviews. In: Müller, Hans-Jürgen; Stravoravdis, Wassilios (Hrsg.): Bildung im Horizont der Wissensgesellschaft. Wiesbaden, VS, S. 171-192.

Kontakt

viktoria.graebe@rub.de; joachim.scholz@rub.de

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