Ziel des Arbeitskreises AIM GENDER ist die fächerübergreifende gegenseitige Wahrnehmung und Kooperation von Forschenden aus Geschichts-, Literatur-, Kultur- und Politikwissenschaften sowie Soziologie, die zum Thema Männlichkeiten und deren Auswirkungen auf Kultur und Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart arbeiten. Beiträge aus anderen Fachrichtungen sind willkommen. Informationen über den Arbeitskreis und vergangene Tagungen stehen auf den Webseiten von AIM GENDER.
Geschlecht existiert nur in der Relation. Bisher kamen Geschlechterforscher:innen dabei zunächst einmal die Relation zwischen „Männern“ und „Frauen“ in den Blick, später dann verschiedene „Männer“ und verschiedene „Frauen“, dann „Weiblichkeiten“ und „Männlich-keiten“ und schließlich verschiedene, vielfältige Existenzweisen von Geschlecht, die deutlich nicht mehr durch eine fixierte, binäre Relation verstanden werden können. Dabei ist die gemeinsame Existenz unter dem Dach von Geschlecht bisher als eine menschliche Relation gedacht worden, etwas, das erst in der Gemeinschaft von Menschen als Ordnung entstanden ist und darin erlebt und gelebt wird.
Mit der radikalen Infragestellung der exzeptionellen Position des Menschen in vielen Forschungsfeldern – nicht nur in universitär-wissenschaftlichen – wird auch hinterfragbar, inwiefern Geschlecht nur unter Menschen existiert und ob es nicht eine gute Nachricht wäre, wenn Geschlecht nicht/menschlich oder mehr-als-menschlich wäre. Ganz klar: Geschlecht ist auch eine Ordnung von menschlichen Gesellschaften, auch eine Erzählung in menschlicher Literatur, auch eine historisch-spezifische Hervorbringung von menschlichen Körpern – aber nicht nur. Was, wenn Geschlecht viel komplexer ist und Möglichkeiten einer Koexistenz eröffnet, des Nebeneinanders verschiedener Arten ohne Konkurrenz, das gemeinsame Leben auf diesem beschädigten Planeten, ein response-abiles Sorgen umeinander? Kann Geschlecht das, ist das im Rahmen des Nachdenkens über Geschlecht vorstellbar? Die exzeptionell menschliche Fassung von Geschlecht scheint dafür nicht geeignet zu sein.
Die 15. Tagung des Arbeitskreises möchte diesen grundlegenden Fragen ebenso nachgehen, wie historische und gegenwärtige Formen von Konvivialität empirisch und interpretativ beleuchten. Der Blick soll sich auf unterschiedliche Ausprägungen von Gemeinschaft richten und diese kritisch analysieren. Damit greift die Tagung auch Appelle um eine Erweiterung des Sorgebegriffs auf und betont Aspekte von Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Interdependenz, Angewiesenheit, (Mit-)Verantwortung, Solidarität oder auch Empathie, ohne freilich allein einer gesellschaftlichen Utopie folgen zu wollen. Vielmehr wird es auch darum gehen, einmal mehr traditionelle Vorstellungen männerbündischer Vergemeinschaftung in den Blick zu nehmen und sie als historisch-aktuelle Konstellationen und Bedrohungen ernst zu nehmen. Zugleich möchte die Tagung ausdrücklich über eine Verengung auf mann-männliche ‚Solidarität‘, ‚Kameradschaft‘ und ‚Gesinnungsgemeinschaft‘ hinausgehen und Männlichkeiten sowie Varianten des Zusammenlebens ausdrücklich jenseits von Zweigeschlechtlichkeit und lediglich menschlicher Vergemeinschaftungen thematisieren. Wir erhoffen uns Beiträge, die sowohl Brüchen in hegemonialen, weißen, bürgerlichen Männlichkeitsentwürfen nachgehen, als auch marginalisierte, subversive, queere Gegenkonzepte von Männlichkeit aufscheinen und wirkmächtig werden lassen, und darüber hinaus womöglich auch Perspektiven nachgehen, wie geteiltes Leben ausdrücklich auch jenseits von Zwischenmenschlichkeit vorzustellen ist.
Diese thematischen Aspekte sind als Anregung für Beiträge zu allen Epochen, allen Bereichen des Sozialen sowie allen ästhetisch-kulturellen Medien und Artikulationsformen gedacht.
Wir laden ein, Abstracts (höchstens eine Seite, max. 1800 Zeichen, bitte nur als PDF (!)) für einen Vortrag bis zum 16. August an Toni Tholen (tholen@uni-hildesheim.de) zu schicken. Das Abstract muss Name, Fachrichtung, Position und E-Mail-Adresse der vorschlagenden Person und einen Vortragstitel enthalten. Die Problemstellung und die benutzten Materialien sollten klar herausgearbeitet werden. Aus diesen Abstracts wird das Programm zusammengestellt. Spätestens am 23. August werden Sie informiert, ob Ihr Vorschlag für das Programm angenommen worden ist.
Tagungssprache ist Deutsch. Abstracts und Vorträge können aber auch in englischer Sprache gehalten werden.
Eine Finanzierung kann nicht übernommen werden.
Allen an der Teilnahme Interessierten empfehlen wir, sich direkt bei der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Fachbereich Geschichte, vormerken zu lassen (geschichte@akademie-rs.de). Diese Vormerkung ist unabhängig von der Präsentation oder Annahme eines Diskussionspapiers.
Die Einladenden
Johannes Kuber (Historiker), Fachbereich Geschichte der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Diana Lengersdorf (Soziologin), Universität Bielefeld
Olaf Stieglitz (Historiker), Universität Leipzig
Toni Tholen (Literaturwissenschaftler), Universität Hildesheim