Queerness sowie queere Körperpraktiken (Cross-Dressing, Gender-Bending) sind omnipräsent in den künstlerischen Praxen der „klassischen“ Avantgarden, wie nicht zuletzt Man Rays berühmte Fotografien von Marcel Duchamp als Rrose Sélavy zeigen. Dennoch existieren bis heute nur wenige Untersuchungen zu den Schnittstellen von Queerness, sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität und der Kunst der Moderne. Ausgehend von Christopher Reeds Argument, dass Homosexualität als Identität untrennbar mit der Entstehung der klassischen Moderne verbunden ist, stellen wir die These auf, dass die historischen Avantgarden ohne Queerness nicht zu denken sind. Wenn Jack Babuscio queere Sensibilität als eine „creative ‚energy‘“ beschreibt, die sich aus dem Wissen um eine Welt speist, die auf sozialer Unterdrückung beruht und sich konträr zur Norm situiert, so drängt sich die Frage auf, ob sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität ontologisch für die Formung von Avantgarden sind. Welche Rolle spielt Queerness für und innerhalb der klassischen Modernen? Und in welcher Verbindung steht dies mit anderen Kategorien wie Race, Klasse, Geschlecht und Ort? Kann es eine „sexual avant-garde sensibility“ geben? Und wenn ja: inwiefern ist diese zwingend mit sexueller Orientierung verbunden? Im Rahmen des Workshops möchten wir daher die Intersektionen von geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung in avantgardistischen Strömungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts untersuchen und Ästhetiken, künstlerische Strategien und Praktiken diskutieren, die Teil einer modern queer sensibility sind (oder sein könnten).
Wir suchen nach Beiträgen, die sich mit einer queeren Avantgarde (ca. 1900-1950) aus mulimedialer und kultureller Perspektive auseinandersetzen (Tanz, Mode, Performance, Design, Fotografie, Malerei, Collage, Performance, Theater etc.) und folgende Fragen diskutieren:
- Qualifizieren sich durch ihre sexuelle Orientierung marginalisierte Künstler:innen automatisch für die Avantgarde? Ist „queer sensibility“ zwangsweise an die sexuelle Orientierung der Künstler:innen gebunden oder kann eine solche auch von heterosexuellen Künstler:innen generiert werden?
- Wie sahen die queeren, nationalen und internationalen Netzwerke der Avantgarden aus?
Welche Rolle spielen kollektive Zusammenschlüsse und transkulturelle Verbindungen in der Entstehung einer queeren Avantgarde? In welchen Räumen, Kontexten und unter welchen Bedingungen konnte eine queere Subkultur entstehen? Welche Rolle spielten queere Mäzen:innen und Förder:innen?
- Ist eine queere Avantgarde gekoppelt an andere revolutionäre Politiken, wie es für die historischen russischen Avantgarden formuliert worden ist?
- Wenn Clement Greenberg die Ästhetik der Avantgarden konträr zu Kitsch imaginiert, wie verhält es sich mit Ästhetiken des Camp zur Avantgarde? Ist Camp eine Form einer queer-avantgardistischen sensibility?
- Wurde Sexualität in den klassischen Avantgarden offen thematisiert oder verklausuliert? Gab es bestimmte ‚queere Codes‘, die sich auch in abstrakten Arbeiten identifizieren lassen?
- Inwiefern waren auch queere Künstler:innen in eine problematische Inkorporierung moderner Ideen (Othering, Exotisierung etc.) in Bezug auf nicht-westliche Subjekte involviert? Erstreckt sich eine queere Sensibilität auch auf andere Faktoren der Marginalisierung wie Klasse, Race und Standort?
- Wie kann man eine Geschichte der queeren Avantgarde (neu) schreiben? Gibt es eine Genealogie der queeren Avantgarde?
Early Career Researcher und etablierte Forscher:innen aus unterschiedlichen Disziplinen (z. B. Kunst- und Kultur-, Design-, Medienwissenschaften und der Geschlechterforschung, etc.) sind eingeladen, sich mit einem einseitigen englischen Abstract per E-Mail und einem kurzen CV von einer halben Seite für einen Vortrag zu bewerben. Vorgesehen sind Vorträge à 20-25 Minuten plus Diskussion.
Keynote Speaker wird Hongwei Bao (University of Nottingham) sein.
Der Workshop findet auf englisch statt.
Reise- und Übernachtungskosten werden übernommen.
Bitte schicken Sie Ihre Bewerbung bis zum 05.09.2024 an:
Marius Hoffmann: queeravantgarde@ruhr-uni-bochum.de