Die Veranstaltung bietet jungen Historiker:innen, die sich mit Regionalgeschichte beschäftigen (Diplomand:innen, Doktorand:innen oder Post-docs, deren Doktorat vorzugsweise nicht länger als fünf Jahre zurückliegt), eine Diskussionsplattform mit Vernetzungs- und Austauschmöglichkeiten: Laufende oder kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekte (Diplomarbeiten, Dissertationen, Post-doc-Projekte oder andere Forschungsarbeiten) können präsentiert und zur Diskussion gestellt werden.
Die Tagung steht ausdrücklich allen Epochen und geografischen Räumen der Regionalgeschichte offen. Dabei wird „Region“ nicht als politisch oder administrativ vorgegebenes Territorium aufgefasst, sondern als offene räumliche Analysekategorie gedacht, die sich jeweils aus der Ausrichtung des Themas und/oder des Forschungszugangs ergibt.
2025 widmen sich die „Bozner Gespräche zur Regionalgeschichte“ der Geschichte der Mobilität und fokussieren auf Formen der Mobilität im Raum in einem weitreichenden Sinn: Die historischen Verbindungslinien zwischen Mobilität und Region berühren unterschiedliche Forschungsfelder und können in verschiedene Richtungen ausgelotet werden. Die methodische Kombination mit regional-historischen Ansätzen eröffnet vielversprechende Herangehensweisen an historische Fragestellungen zur Mobilität, wie auch umgekehrt die Geschichte der Mobilität wertvolle Anstöße liefert, um Vorstellungen und Konzepte von Region kritisch zu überdenken und neu zu definieren.
Die Vorschläge für die „Bozner Gespräche zur Regionalgeschichte 2025“ sollen für die Präsentation der Forschungsprojekte Perspektiven berücksichtigen, in denen mobilitätsgeschichtliche Fragestellungen auf den regionalen Raum angewandt werden, und sich dabei auf einen oder mehreren der folgenden Themenbereiche konzentrieren:
1. Migrationsbewegungen: Der Zusammenhang zwischen Mobilität und Region kann über Phänomene der Migration ausgelotet werden, wobei beide Blickrichtungen aufschlussreich sein können: Emigrationen aus der Region (wobei beobachtet werden kann, ob und wie sich regionale Gruppen von Emigrierenden formieren, in welches Verhältnis zu den Orten der Immigration bzw. Emigration sie sich setzen, welche narrativen, bildlichen Darstellungen und Stereotypisierungen sich herausbildeten etc.); Immigrationen in die Region und die damit zusammenhängenden Veränderungen kultureller, politischer, sozialer, ökonomischer Natur in der Region – wie auch entsprechende Auswirkungen der saisonalen Migration oder der Rückkehr von emigrierten Personen (z. B. Einführung von technischer, agrarwirtschaftlicher oder handwerklicher Innovation, von neuem Wissen, kulturellen Praktiken, ökonomischen Ressourcen, politischen Ideen oder religiösen Glaubensrichtungen etc.)
2. Mobilität und Arbeit: Eine zentrale Rolle für das Verhältnis von Mobilität und Region spielt auch die Arbeitsmobilität von Erwachsenen wie von Kindern. Ins Blickfeld geraten dabei etwa große und kleinere Händler:innen, Wanderhandwerker:innen, Saisonsarbeiter:innen, wandernde Gesellen, Dienst-boten/Dienstbotinnen, Soldaten, Straßenkünstler:innen etc., die bisweilen auch mit Vagabundentum oder Bettelei in Verbindung gebracht wurden. Untersucht werden kann beispielsweise, wie diese verschiedenen mobilen Personengruppen von der in der Region ansässigen Bevölkerung oder von den regionalen Behörden wahrgenommen wurden (und umgekehrt); mit welchen Maßnahmen versucht wurde, derartige Phänomene der Mobilität zu fördern, zu regulieren oder zu unterbinden; in welches Verhältnis „sesshafte“ und „mobile“ Personen zueinander gesetzt wurden (wenngleich es sich dabei durchaus nicht um klar abzutrennende Kategorien handelte, sondern die Übergänge fließend waren); auf welche Art und Weise die Bewegungen dieser Personen einen regionalen Raum formten oder gar neue Regionen der Mobilität schaffen konnten (die sich nicht unbedingt mit den verwaltungspolitischen Regionen decken mussten und bisweilen auch staatliche Grenzen überwanden); oder inwiefern sich Korrelationen zwischen der saisonalen Mobilität und den Zyklen von Landwirtschaft, Märkten, Messen oder Feierlichkeiten fassen lassen können.
3. Mobilität der Tiere: Auch die Mobilität von Tieren kann in Zusammenhang mit Fragen zur Region gesetzt werden: Dafür können verschiedenen Formen untersucht werden wie etwa Almwirtschaft, intra- und interregionale Transhumanz, Viehhandel, -messen und -märkte, die Mobilität der Hirt:innen sowie ihr Verhältnis zu den Bewohner:innen der Orte, die sie durchquerten etc. Weitere Aspekte betreffen die ökologischen Auswirkungen der bewegten Biomasse sowie die Transit- und Weiderechte, die Verzollung und die damit verbundenen Interessen und Konflikte.
4. Mobilität in religiösem, diplomatischem, kulturellem, touristischem Kontext: Dieser weitreichende Themenkomplex umfasst verschiedene Formen der Mobilität und ihre jeweiligen kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Region: Pilgerfahrten (von Einzelnen oder Gemeinschaften, innerhalb einer Region oder solche durchquerend); die Reisen von Botschaftern und Gesandten; Kultur- oder Vergnügungsreisen (wie Urlaub, Sommerfrische, Grand Tour); Studien- und Bildungsaufenthalte (etwa von Studierenden, Schüler:innen, Erzieher:innen, Lehrpersonen).
5. Materielle Infrastrukturen: Die Errichtung, Erhaltung, Entwicklung oder eben auch das Auflassen von Straßen, Eisenbahnen, Brücken, Häfen, Tunneln etc. ebenso wie von Beherbergungsstrukturen für Reisende haben bedeutenden Einfluss auf das Verhältnis zwischen Mobilität und Region: Diese materiellen Infrastrukturen können den regionalen Raum formen und verändern, indem sie etwa die Erreichbarkeit einer Region fördern oder, im Gegenteil, eine Region isolieren; sie beeinflussen somit auch die Wahrnehmung, die Reisende von der Region haben.
6. Immaterielle Infrastrukturen und Berufe im Transportwesen: Eng mit den materiellen Infrastrukturen im Zusammenhang stehen Fragen rund um institutionelle Organisationsstrukturen, Beziehungsnetzwerke, technische Fähigkeiten, auf die die intra- und transregionale Mobilität von Waren, Personen, Tieren und Wissen angewiesen ist; ebenso von Relevanz ist das in das Transportwesen eingebundene Humankapital (z. B. Flößer, Bootsführer, Fuhrleute, Matrosen, Träger:innen, (Post)-Boten/Botinnen etc.) und deren Zusammenschluss in Genossenschaften. In diesen Bereich fallen auch Aspekte zu Monopolen, Ausschreibungen und Konkurrenzverhältnissen sowie zu Streckenverläufen und Fahrzeiten wie auch die von den verschiedenen Institutionen erlassenen Normen und Maßnahmen in Bezug auf die obengenannten Tätigkeiten.
7. Grenzen und Mobilität: Dieses Wortpaar spricht zum einen die Mobilität an den regionalen Grenzen, zum anderen die Mobilität in Grenzregionen an (Grenzüberschreitungen, Modalitäten zur Identifizierung von Personen, Netzwerke, Institutionen und Grenzwachpersonal, „Grenz-Akteur:innen“, deren Alltag und Lebensunterhalt mit dem legalen oder illegalen Grenzübergang in Zusammenhang standen etc.)
8. Mobilität und materielle Kultur: Das Verhältnis zwischen Mobilität und materieller Kultur zeigt sich zum einen in der Mobilität von in die Region importierten und aus der Region exportierten Objekten etwa im Rahmen von Handelstätigkeit (von Luxusgegenständen bis hin zu Alltagsgegenständen) oder zu wissenschaftlichen Zwecken (Forschungsobjekte, wissenschaftliche Sammlungen etc.) wie auch von Objekten, die im Besitz von Reisenden von einem Ort zum anderen gebracht werden; ebenso Interesse verdienen die materiellen Aspekte der Transportmittel selbst (etwa von Fuhrwagen, Schlitten, Kutsche, Boot, Floß, Eisenbahn, Fahrzeuge etc.). Zum anderen können auch die Auswirkungen der Mobilität von Personen auf die materielle Kultur (beispielsweise neue Modeerscheinungen, die durch Reisende oder Migrant:innen in die Region kamen) untersucht werden.
9. Mobilität und Gesundheit: Dieser Themenkomplex bezieht sich sowohl auf die (globale) Verbreitung von Krankheiten durch die Mobilität von Menschen und Tieren als auch auf die Mobilität im Rahmen einer Suche nach Heilung (von der Wallfahrt bis zur Kur) sowie im Kontext von mobilen Heiler:innen.
Diese hier getrennt aufgelisteten Themenkomplexe dienen als heuristische Einstiegsmöglichkeiten in das Tagungsthema, in konkreten empirischen Studien können sich die Ebenen durchaus als überlappend oder miteinander verflochten erweisen. Die Beitragsvorschläge müssen sich daher nicht strikt für nur einen dieser Zugänge entscheiden, sondern können auch an Schnittmengen ansetzen oder aber darüberhinausgehende Fragestellungen zum Verhältnis von Mobilität und regionalen Raum miteinbeziehen.
Wir weisen darauf hin, dass den Beitragsvorschlägen keine Vorgaben hinsichtlich des Themas, geografischen Raumes oder Untersuchungszeitraums gestellt werden: Grundlegend ist eine Betrachtung, in der Aspekte der Mobilitätsgeschichte mit den methodischen Zugängen der Regionalgeschichte kombiniert werden.
Die Tagungssprachen sind Deutsch und Italienisch (Simultanübersetzung wird angeboten vom Italienischem ins Deutsche und umgekehrt); im Falle, dass die Beitragenden weder der einen noch der anderen Sprache mächtig sind, gibt es auch die Möglichkeit in englischer Sprache vorzutragen (ohne Simultanübersetzung).
Übernachtungs- und Verpflegungskosten der Referent:innen werden von den organisierenden Institutionen übernommen. Reisespesen können bis zu maximal 200,00 € rückvergütet werden.
Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass einige Beiträge in der Zeitschrift „Geschichte und Region/Storia e regione“ veröffentlicht werden.
Interessierte können bis spätestens 15. November 2024 ihren Beitragsvorschlag (300 Wörter) gemeinsam mit einem kurzen CV per Mail an folgende Adresse richten: info@geschichteundregion.eu
Wissenschaftlicher Beirat:
CHRISTOF AICHNER, Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, Universität Innsbruck; STEFANO BARBACETTO, Geschichte und Region/Storia e regione; ANDREA BONOLDI, Dipartimento di Economia e Management, Università di Trento;
FRANCESCA BRUNET, Zentrum für Regionalgeschichte, Brixen; WALTER LANDI, Südtiroler Landesarchiv; MARGARETH LANZINGER, Universität Wien; MICHAELA OBERHUBER, Geschichte und Region/Storia e regione; MICHAEL SPAN, Salzburger Freilichtmuseum; SANDRA TOFFOLO, Italienisch-Deutsches Historisches Institut – Fondazione Bruno Kessler, Trient.