Die Krux mit der Expertise: „Expert:innen“ im 20. Jahrhundert zwischen Wissen(-schaft), öffentlichem Diskurs und Politik

Die Krux mit der Expertise: „Expert:innen“ im 20. Jahrhundert zwischen Wissen(-schaft), öffentlichem Diskurs und Politik

Veranstalter
Stefan Messingschlager, Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg; Marcus M. Payk, Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg; Paul Schröck, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltungsort
Maximilian‐Kolbe‐Haus, Oktaviostraße 76
Gefördert durch
Fritz Thyssen Stiftung & Akademie der Wissenschaften in Hamburg
PLZ
22043
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
19.09.2024 - 20.09.2024
Von
Stefan Messingschlager, Fachgruppe Geschichte, Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften, Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg

Die Krux mit der Expertise: „Expert:innen“ im 20. Jahrhundert zwischen Wissen(-schaft), öffentlichem Diskurs und Politik

Nachdem in den letzten Jahren viel über Expert:innen, ihre Rolle in Politik und Öffentlichkeit sowie über ihren damit verbundenen Einfluss diskutiert wurde, diskutieren am 19. und 20. September 2024 in Hamburg Fachvertreter:innen aus Geschichts- und Politikwissenschaft, Sinologie, Soziologie und Anthropologie über das Phänomen von Expertise im Spannungsfeld von Wissen(-schaft), öffentlichem Diskurs und Politik.

“Experts” in the 20th Century: Between Academia, Public Discourse, and Politics

After much discussion in recent years about experts, their role in politics and the public sphere, and their associated influence, on September 19 and 20, 2024, experts from the fields of history, political science, sinology, sociology, and anthropology will gather in Hamburg to discuss the phenomenon of expertise at the intersection of academia, public discourse, and politics.

20世纪的‘专家’: 在学术、公共话语与政治之间

近年来,关于专家、他们在政治和公共领域中的角色以及他们相关影响的讨论非常多。2024年9月19日和20日,来自历史学、政治学、汉学、社会学和人类学领域的专家将齐聚汉堡,讨论在学术、公共话语和政治交汇处的专业知识现象。

Die Krux mit der Expertise: „Expert:innen“ im 20. Jahrhundert zwischen Wissen(-schaft), öffentlichem Diskurs und Politik

In den letzten Jahren wurde viel über Expert:innen, ihre Rolle in Politik und Öffentlichkeit sowie über ihren damit verbundenen Einfluss diskutiert. Prägnantestes Beispiel dafür ist die Corona-Pandemie; ab 2020 kam unter anderem Virologinnen und Epidemiologen, aber auch vielen weiteren (selbsternannten) Expert:innen eine herausgehobene Bedeutung im öffentlichen Diskurs zu. Vergleichbares lässt sich auch für die Internationale Politik konstatieren. Insbesondere seit 2022 melden sich im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, aber auch im Rahmen der geopolitischen Konfrontation zwischen den USA und China, nahezu täglich „Russland-Expert:innen“, „China-Expert:innen“ oder „Militär-Expert:innen“ zu Wort, um ihre Deutung zu den Ereignissen und Entwicklungen massenmedial zu vermitteln.

Daran zeigt sich: Auf der einen Seite sind Expert:innen aus dem öffentlichen Raum kaum mehr wegzudenken, auf der anderen Seite werden die Begriffe Expert:in und Expertise weitgehend unreflektiert genutzt. Vor diesem Hintergrund haben sich Geistes- und Sozialwissenschaftler:innen in den vergangenen Jahrzehnten darum bemüht, Expert:innen und ihre Expertise selbst zum Gegenstand der Forschung zu machen.

Mit unserer Tagung am 19. und 20. September 2024 in Hamburg schließen wir daran an: An ausgewählten Untersuchungsgegenständen vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute wollen wir gemeinsam über das Phänomen von Expertise im Spannungsfeld von Wissen(-schaft), öffentlichem Diskurs und Politik nachdenken. Wir verstehen Expert:innen nicht essentialisierend, sondern fragen nach einer reflexiven Verständigung über zentrale Kategorien und Begriffe. Mit diesem Ansatz wollen wir das Konstrukt der Expertise als vielgestaltiges und dynamisches Phänomen erschließen, das den Blick nicht nur auf die Praxis und Interaktionen von Expert:innen richtet, sondern auch die Aushandlungen und Zuschreibungen von Expertise untersucht wie auch die Profiliierungs- und Netzwerkstrategien von Expert:innen. Wie und zwischen wem wird ausgehandelt, wer „Expert:in“ ist? Wie kann man „Expertise“ in Abgrenzung zu Wissen oder Kompetenz fassen? Ist Expertise gleichzusetzen mit „Expert:innenwissen“? Wie ist der Zusammenhang zwischen Wissen, Wissenschaft und Expertise in ausgewählten Zeitperioden und in unterschiedlichen kulturellen Räumen? In welchen Bereichen zeigt sich eine beratende Funktion und praktische Vermittlung von Expert:innen (Politik, Wirtschaft)? Wie wird Expertise in einem spezifischen Feld zum Gegenstand von Zuschreibungen und Aushandlungsprozessen? Welche Bedeutung kommen institutionellen Strukturen als Bedingungsfaktoren von Expertise zu und wie lässt sich die Agency der Expert:innen fassen?

“Experts” in the 20th Century: Between Academia, Public Discourse, and Politics

In recent years, there has been much discussion about experts, their role in politics and the public sphere, and the influence they exert. The most striking example of this is the COVID-19 pandemic; from 2020 onward, virologists and epidemiologists, among others, but also many self-proclaimed "experts", gained significant prominence in public discourse. A similar trend can be observed in international politics. Since 2022, in connection with Russia's war of aggression against Ukraine, as well as in the context of the geopolitical confrontation between the U.S. and China, "Russia experts", "China experts" and "military experts" have spoken out almost daily, offering their interpretations of events and developments through mass media.

This highlights a key point: on the one hand, experts have become an indispensable part of the public sphere, while on the other, the terms "expert" and "expertise" are often used without much reflection. In this context, over the past few decades, scholars in the humanities and social sciences have made efforts to study experts and their expertise as subjects of research in their own right.

With our conference on September 19 and 20, 2024, in Hamburg, we aim to build on this: focusing on selected case studies from the early 20th century to the present, we want to reflect together on the phenomenon of expertise at the intersection of academia, public discourse, and politics. We do not see experts as essentialized figures, but rather seek a reflexive understanding of key categories and concepts. With this approach, we aim to open up the construct of expertise as a multifaceted and dynamic phenomenon - one that not only looks at the practices and interactions of experts but also investigates the negotiation and attribution of expertise, as well as the strategies experts use to profile themselves and build networks. How and between whom is it negotiated who is an "expert"? How can "expertise" be distinguished from knowledge or competence? Is expertise synonymous with "expert knowledge"? What is the relationship between knowledge, academia and expertise in specific time periods and different cultural contexts? In which areas do experts play an advisory role and act as practical intermediaries (e.g., politics, economics)? How does expertise in a specific field become a subject of attribution and negotiation processes? What role do institutional structures play as conditioning factors for expertise, and how can the agency of experts be understood?

20世纪的‘专家’: 在学术、公共话语与政治之间

近年来,关于专家、他们在政治和公共领域中的角色以及他们所施加的影响,已有许多讨论。最显著的例子是新冠疫情;从2020年开始,病毒学家、流行病学家等,甚至许多自封的“专家”,在公共话语中获得了显著的地位。类似的趋势也可以在国际政治中观察到。自2022年以来,随着俄罗斯对乌克兰的侵略战争以及美中地缘政治对抗的加剧,“俄罗斯专家”、“中国专家”和“军事专家”几乎每天都通过大众媒体发表意见,解读相关事件和发展。

这凸显了一个关键点:一方面,专家已成为公共领域中不可或缺的一部分;另一方面,“专家”和“专业知识”这两个术语往往被广泛使用,却缺乏深入的反思。在这一背景下,过去几十年来,人文学科和社会科学的学者们致力于将专家及其专业知识作为研究对象。

我们计划于2024年9月19日至20日在汉堡举办的会议正是基于这一点:通过选取20世纪初至今的个案研究,我们希望共同反思学术、公共话语和政治之间的专业知识现象。我们并不将专家视为本质化的角色,而是追求对核心类别和概念的反思性理解。通过这一方法,我们旨在揭示专业知识作为一个多面且动态的现象,不仅关注专家的实践和互动,还研究专业知识的协商与归属,以及专家用于自我塑造和建立网络的策略。谁是“专家”,这种身份是如何协商的?“专业知识”如何与知识或能力区分开来?专业知识是否等同于“专家知识”?在特定的历史时期和不同的文化背景下,知识、学术与专业知识之间的关系如何?在哪些领域,专家起到咨询作用并充当实际的中介(如政治、经济)?专业知识如何在某一特定领域成为归属和协商过程的对象?制度结构作为专业知识的条件性因素起到了什么作用?我们又如何理解专家的能动性?

Programm

Donnerstag, 19.09.2024

09.00‐09.15 Uhr
Begrüßung und thematische Einführung

09.15‐10.15 Uhr
Panel 1: Konstruktion von Expertise: Selbst- und Fremdinszenierungen und mediale Resonanzräume

Martin Albers (Hamburg):
Helmut Schmidt als „China-Experte“: Narrativer Einfluss im Wechselspiel von Deutungsangebot und medialer Interpretationsnachfrage

Paul Schröck (Freiburg):
Vom Osteuropa-Experten zum „Mentor Germaniae“. Klaus Mehnert als „Welterklärer“ der frühen Bundesrepublik

Dietmar Neutatz (Freiburg): Kommentar

10.45‐12.15 Uhr
Panel 2: Zur Konstruktion von Expertise als Gegenstand diskursiver Aushandlungen und Zuschreibungen

Jan Wille (Hamburg):
Religiöse Überzeugungen und Expertise. Zu den konfessionsparitätischen Planspielen der Bundesbehörden in den 1950er Jahren

Dani Kranz (Mexiko-Stadt, Mexiko):
Expertise and Experteasing Israel/Palestine

Jonathan Voges (Hannover):
Ein Making of von Expert:innen. Pandemieplanungen, outbreak communication und die ideale spokesperson

Holger Straßheim (Bielefeld): Kommentar

13.15‐14.45 Uhr
Panel 3: Expertise zwischen Wissenschaft und Politik

Inga Steinhauser & Florian Eichblatt (Frankfurt am Main/ Münster):
Historiker als Sachverständige in NS-Prozessen. Widerwillige und unwillkommene Experten im Gerichtssaal?

Yating Zhang (Berlin):
Inspiration from the Social Market Economy: Sino-West German Intellectual Exchange on Economic Thought, 1970s-1990s

Susanne Weigelin-Schwiedrzik (Wien):
Gegenwartsbezogene Chinaforschung unter Stress: Ist Entpolitisierung ein Ausweg?

Marcus M. Payk (Hamburg): Kommentar

15.15-16.15 Uhr
Panel 4: Expertisekonstellationen, Institutionen und Prozesse in der wissenschaftlichen Politikberatung

Joachim Krause (Kiel):
Die Rolle von DGAP und SWP in der
sicherheitspolitischen Politikberatung zwischen 1960 und 1990

Holger Straßheim (Bielefeld):
Grenzüberschreitende Expertise - Wissenschaft und Politik im globalen Kontext

Stefan Messingschlager (Hamburg): Kommentar

16.15‐17.15 Uhr
Panel 5: Expertenkulturen und ihre Konjunkturen
Björn Alpermann (Würzburg):
Kritische Intellektuelle in China: Zwischen Expertise und Dissens

Eva Guigo-Patzelt (Paris):
Atheismusforscher und die ostdeutsche Kirchenpolitik: Drei Jahrzehnte versuchter Einflussnahme

Caspar Hirschi (St. Gallen): Kommentar

18.00‐19.30 Uhr
Keynote
Ort: Campus der HSU: Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg, Gebäude H1, Hörsaal 6

Caspar Hirschi (St. Gallen):
Wissenschaftliche Expertise in den Medien und in der Politikberatung: Das Spannungsverhältnis einer Doppelrolle von Oppenheimer bis Drosten

Freitag, 20.09.2024

08.45‐10.15 Uhr
Panel 6: Expertise und Struktur(bildung)

Mona Bieling (Hamburg):
Expertise in the Service of Nation-Building? The Example of Zionist Botany in Mandatory Palestine, 1920s-1930s

Wiebke Lisner (Hannover):
Pandemic Preparedness: Gesundheitsexpert:innen zwischen Wissenschaft, (Fach)Öffentlichkeit und Politik seit den 1990er Jahren in Deutschland

Christoph Müller-Hofstede (Berlin):
Die Rolle von Expertise im Kontext staatlicher politischer Bildung in den 1970er/80er Jahren: China als neuer Fokus der Bundeszentrale für politischen Bildung

Heinrich Hartmann (Hamburg): Kommentar

10.45‐12.15 Uhr
Panel 7: Zäsuren und Krisenmomente in der Entwicklung von Expertise

Stefan Messingschlager (Hamburg):
Neue Praktiken, veränderte Zuschreibungen: Westliche China-Expertise im Umbruch der frühen 1970er Jahre

Alexander Graef (Hamburg):
The Russian Mezhdunarodniki: Experts, Networks and the State

Torben Pieper (Bochum):
(Umwelt-)Expertise in Zeiten des Umbruchs – Altlasten in Ost- und Westdeutschland in den 1980er und 1990er Jahren

Ian Johnson (New York): Kommentar

14.15‐15.45 Uhr
Podiumsdiskussion
Ort: Campus der Helmut-Schmidt-Universität, Gebäude H1, Hörsaal 6

Wissenschaftliche Politikberatung: Kritische Überlegungen zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik

Diskutanten:
Heinrich Hartmann (Professor, Hamburg),
Andreas Heinemann-Grüder (Professor und Politikberater, Bonn),
Gudrun Wacker (Wissenschaftlerin SWP, Berlin),
Wolfgang Röhr (Generalkonsul a.D., Berlin),
Harald Herrmann (Forschungsbeauftragter Auswärtiges Amt, Berlin)

Moderation: Nicola Kuhrt (Wissenschaftsjournalistin, Leiterin Research.Table, Berlin)

Für interessierte Zuhörer:innen gibt es nur eine beschränkte Zahl von Plätzen; bitte melden Sie sich deshalb bei den Veranstaltern an: Stefan Messingschlager (messingschlager@hsu-hh.de).

Kontakt

Stefan Messingschlager (messingschlager@hsu-hh.de)

https://www.hsu-hh.de/nng/