Räume – Wissen – Macht: Bibliothekskultur in Oberschwaben im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Räume – Wissen – Macht: Bibliothekskultur in Oberschwaben im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Dr. des. Marie-Isabelle Schwarzburger / Thorsten Halling, M.A. / Prof. Dr. Heiner Fangerau, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
Veranstaltungsort
Bibliothekssaal des Klosters Wiblingen
PLZ
89079
Ort
Ulm
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
08.10.2025 - 10.10.2025
Deadline
15.01.2025
Von
Thorsten Halling, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

In der Frühen Neuzeit spiegelten prächtig ausgestaltete Bibliothekssäle Macht, Gelehrtheit und Reichtum der Klöster wider. Mit der geplanten Tagung sollen die oberschwäbischen Klosterbibliotheken und ihre (über-)regionalen Netzwerke stärker in den Blick genommen werden. Angeregt werden soll zu ordensübergreifenden Studien, die auch neuere methodische Forschungsansätze aus unterschiedlichen Disziplinen aufgreifen.

Räume – Wissen – Macht: Bibliothekskultur in Oberschwaben im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Mit prächtigen und repräsentativen Bibliothekssälen demonstrierten in der Zeit des Barock Klöster wie etwa Wiblingen, Schussenried und Ochsenhausen in Oberschwaben machtvoll den Anspruch, bedeutende Orte des Wissens ihrer Zeit zu sein. Heute gehören viele von ihnen zum geschützten und hochgeschätzten Kulturerbe ihrer Region. Die Bücherbestände und komplexen Bild- und Ausstattungsprogramme der Bibliothekssäle spiegeln aber nicht nur Gelehrtheit wider, sondern auch das Standesbewusstsein der Äbte und den ökonomischen Reichtum der Klöster.

Klosterbibliotheken galten seit dem frühen Mittelalter als wichtige Orte der Wissensproduktion. Die Mönche und Nonnen förderten die Buchkultur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit entscheidend. Sie trugen durch das Abschreiben, Binden, Kaufen und Verkaufen von Büchern maßgeblich zum Erhalt, der Sicherung, der Vermehrung der Buchbestände und durch ihre Kommentierung auch zur aktiven Weiterentwicklung von Wissensbeständen bei. Bis heute gelten Klosterbibliotheken als Wissensspeicher, viele klösterliche Bibliotheksbestände sind in öffentlichen Bibliotheken und Archiven erhalten. Klosterbibliotheken sind insgesamt ein traditionsreiches Feld in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Forschung. Eingebettet ist diese in eine Vielzahl von neueren architektur-, kunst- und kulturhistorischen Studien zur Geschichte des klösterlichen Lebens (Palmer et al 2023). Wissensbestände, Überlieferungstraditionen und die Bedeutung der Säkularisation standen jüngst im Mittelpunkt einer Publikation zu südwestdeutschen Klosterbibliotheken (Schlechter 2021).

Aufbauend auf Erkenntnissen der bisherigen Studien ist das Ziel der Tagung, einerseits, die in den neueren Arbeiten auffallend selten thematisierten oberschwäbischen Klosterbibliotheken stärker in den Blick zu nehmen, andererseits zu ordensübergreifenden interdisziplinären Forschungen anzuregen und neuere methodische Ansätze aufzugreifen, beispielsweise zur Bibliothek als Wissensraum und zur historischen Netzwerkanalyse.

Ausgegangen wird dabei von einer ungebrochenen Faszination an klösterlichen Lebenswelten, die auch als kulturelles Kapital begriffen werden und damit identitätsstiftend und tourismusfördernd wirken. Diese Lebenswelten waren ebenso wenig statisch wie das Wissen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Wissensevolution und Prozesse der Umwidmung von Wissenswerten lassen sich in der Rekonstruktion von Klosterbibliotheken nachvollziehen. Schon die Auswahl der Bücher für eine Bibliothek, die Aufstellung und Systematik spiegeln die Interessen der Klostergemeinschaft wider. Zu den wichtigen thematischen Perspektiven gehören – über die engere theologische Literatur hinausgehend – insbesondere die Natur- und Heilkunde. Bekannt sind hier vor allem die mittelalterlichen Kräuterbücher.

Klosterbibliotheken können überdies als ein ebenso architektonisches und künstlerisches, wie auch funktionales und symbolisches Raumkonstrukt verstanden werden. Die Wechselwirkungen dieser intentionalen Raumgestaltung und -wirkung sollen in vergleichender Perspektive noch stärker herausgearbeitet werden. Nicht zuletzt lassen sich durch Besitz-, Schreiber-, und Stiftungsvermerke Wissenstransferprozesse und Austauschnetzwerke rekonstruieren. Vor allem für die Frühe Neuzeit können die Interaktionen der Bibliothek mit dem geistigen und gesellschaftlichen Umfeld des Klosters näher bestimmt werden, auch mit anderen überlieferten Buchsammlungen wie beispielsweise mit Ärztebibliotheken (Winckelmann et al. 2021).

Nach der Säkularisation im frühen 19. Jahrhundert wurden die Bibliotheksbestände aufgelöst und meist weit verstreut. In den späteren Aufbewahrungsorten wurden die Bücher selektiert und in die vorhandenen Bestände integriert. Die Bedeutung dieser Konvolute für die modernen Sammlungen wurden bisher nur punktuell reflektiert. Die Bibliotheksbestände und ihre Geschichte sollen bis in die Gegenwart nachverfolgt werden.

Die Tagung findet vom 08.-10.10.2025 im prächtigen Bibliothekssaal des Klosters Wiblingen statt.

Veranstalter sind Dr. des. Marie-Isabelle Schwarzburger, Thorsten Halling, M.A. und Prof. Dr. Heiner Fangerau (Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) zusammen mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg.

Übernachtungs- und Reisekosten werden erstattet. Der geplante Tagungsband soll ein zeitlich, inhaltlich und methodisch umfassendes Spektrum an neueren Forschungen zum Thema abbilden.

Themenanregungen:

Akteure und Wissensproduktion
- Klöster als Förderer von Buchkultur und Produzenten sowie Multiplikatoren von Wissen
- Reproduktion und Kommentierung als wissenserhaltende und erweiternde Praxis in den klösterlichen Schreibstuben
- Bücherwege in die Klöster und wieder hinaus
- regionale und überregionale Netzwerke
- individuelle, ökonomische und politische Faktoren
- Die Wissensordnung in der Klosterbibliothek
- thematische Bestandsanalysen (z.B. zu medizinischem Wissen)

Bibliotheksnutzer und regionale Bedeutung
- Klosterbibliotheken und ihre Bedeutung für das geistige und gesellschaftliche Umfeld des Klosters (individuelle und kollektive Nutzungsprofile)
- Klosterbibliotheken als Wissensspeicher bis in die Gegenwart

Architektonische Gestaltung und künstlerische Ausstattung
- Klosterbibliotheken als architektonisches, künstlerisches, funktionales und symbolisches Raumkonstrukt
- Bildprogramme
- Mobile Ausstattung von Bibliotheksräumen
- Präsentation und Verwahrung von Büchern

Überlieferung und kulturelles Erbe
- (Virtuelle) Bibliotheksrekonstruktion und -analyse
- Klosterbibliotheken und ihr Stellenwert im Bestand von Stadt- und Landesbibliotheken sowie Privatsammlungen
- Klosterbibliotheken als Kulturerbe und Lernort

Ausdrücklich erwünscht sind auch Beiträge weit über die engere bibliothekswissenschaftliche Forschung hinaus. Geographisch können die Fallstudien durchaus national und international ausgreifen, sollten aber zumindest starke Bezüge zu Oberschwaben oder zu angrenzenden Regionen im deutschen Südwesten aufweisen.

Literatur:
Schlechter, Armin (Hg.): Gesammelt – zerstreut – bewahrt? Klosterbibliotheken im deutschsprachigen Südwesten (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B, Forschungen 226), Stuttgart 2021.

Palmer, Nigel; Rückert, Peter; Hirbodian, Sigrid (Hg.): Württemberg als Kulturlandschaft. Literatur und Buchkultur an Klöstern und Höfen im späteren Mittelalter (Kulturtopographie des alemannischen Raums 12), Berlin 2023.

Winckelmann, Hans-Joachim, Litz, Gudrun, Jankrift, Kay-Peter, Fangerau, Heiner (Hg.): Die Ephemeris des Ulmer Arztes Johann Franc (1649-1725). Reichsstädtisch-territoriale Netzwerke in der frühneuzeitlichen Arztpraxis (= KulturAnamnesen. Schriften zur Geschichte und Philosophie der Medizin und Naturwissenschaften), Stuttgart 2021.

Abstracts (max. zwei Seiten, inkl. kurzer biografischer Skizze) bitte bis zum 15.01.2025 per E-Mail an Dr. des. Marie-Isabelle Schwarzburger. E-Mail: marie-isabelle.schwarzburger@hhu.de

Kontakt

Dr. des. Marie-Isabelle Schwarzburger
E-Mail: marie-isabelle.schwarzburger@hhu.de