Was Evidenz für sich beansprucht, steht klar vor Augen, leuchtet unmittelbar ein, will nicht hinterfragt werden. Diskurse fundieren sich in Evidenzen, die selbst nicht zum Gegenstand der diskursiven Überprüfung werden, oder machen Evidenzen als unabhängig von ihnen gegeben sichtbar. Gegenüber diesem naturalisierenden Effekt der gelingenden Evidenz betont das für Februar 2004 geplante Symposion mit dem Konzept der List die Herstellung von Evidenzen nach den Spielregeln kultureller Techniken und Künste. Listen, die in ihrer Affinität zum Verborgenen, Schauspielerischen, Uneigentlichen und Verschlungenen als das vermeintlich Andere der Evidenz erscheinen, kommen nicht erst bei deren Entlarvung oder Dekonstruktion zum Zug, sondern sind immer schon an ihrer Erzeugung beteiligt.
Unter dem Titel "Vor Ort" wird die lokalisierende List der dokumentarischen Einstellung thematisiert: Evidenz wird Augenzeugen und Dokumenten zugesprochen, weil ihnen Anwesenheit am Ort des Geschehens unterstellt wird. Sie autorisieren sich als Träger- und Speichermedien einer Autopsie, deren Nachvollziehbarkeit den Adressaten suggeriert wird. Zu fragen ist nach den historisch, diskurs- und medienspezifisch variierenden Rahmungen und Autorisierungsgesten, mit denen etwas zum Dokument deklariert wird, sowie nach den Kompetenzen, die verschiedenen Dokumenttypen zu- oder aberkannt werden.
"Abkürzen" fokussiert Wissensdarstellungen wie Schemata, Icons, Datenlisten oder Exempel, die Evidenz durch einen Effekt der Unmittelbarkeit erzeugen, weil der Prozess ihrer Herstellung ausgeblendet bleibt. Auch hinsichtlich ihrer Adressierungsleistung besteht die List dieser Darstellungen in ihrer Augenblickshaftigkeit: Gegenüber ausführlicheren Formen versprechen sie den Vorteil der Verdichtung in der Transkription und des kürzeren Wegs, der einfacher zum gleichen Ziel führen soll. Erfolgreich sind sie auch, weil ihr Abzielen auf schnelle Verarbeitung Kognitions- und Entscheidungsdruck auf die Adressaten ausübt.
Der double bind "Komm rein bleib draußen" zielt auf eine Adressierungslist der aktuellen politischen Repräsentation ab: Figuren der Gegenrepräsentation werden angeeignet, um in der Inklusion des Exkludierten eine gastfreundliche Öffnung evident zu machen. Diesen Verfahren bleibt aber eine Ambivalenz eingeschrieben, die sowohl die Vereinnahmung der so Eingeschlossenen als auch die ständige Widerrufbarkeit der Inklusion markiert. Dennoch verweisen diese Strategien auf eine faktische Neuziehung der Grenzverläufe zwischen gesellschaftlichem Innen und Außen und werfen diachronisch die Frage nach möglichen Analogien zu anderen politischen Umbruchssituationen auf.