Aristokratismus. Historische und literarische Semantik von „Adel“ zwischen Kulturkritik der Jahrhundertwende und Nationalsozialismus (1890-1945)

Aristokratismus. Historische und literarische Semantik von „Adel“ zwischen Kulturkritik der Jahrhundertwende und Nationalsozialismus (1890-1945)

Veranstalter
Philipps-Universität Marburg, Prof. Eckart Conze, Prof. Jochen Strobel, Jan de Vries, Daniel Thiel
Veranstaltungsort
Landgrafenschloss Marburg
Ort
Marburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.09.2015 - 26.09.2015
Deadline
28.02.2015
Von
Thiel, Daniel

Der zunehmende politische Bedeutungsverlust des Adels seit dem 19. Jahrhundert bewirkte kein Verschwinden des kulturellen Konzeptes „Adel“. Vielmehr ist eine Veränderung der Semantik von „Adel“, z.B. im Rahmen kulturkritischer Diskurse zu beobachten. Im Untersuchungszeitraum etablierte sich eine kulturkritisch vereinnahmte Adelssemantik, die eine Hochkonjunktur erlebte, die bis ins „Dritte Reich“ hinein andauerte. Die Konferenz fragt nach der Genese und Verbreitung solcher neuen Konzepte von „Adel“ und „Aristokratismus“ in den Diskursen der Moderne. Zugrunde gelegt wird ein erweiterter Adelsbegriff, der über das bisherige Verständnis von „Adel“ im Sinne eines sozialhistorisch wirksamen Terminus deutlich hinausgeht.

Die Diskussion knüpft an das seit 2013 laufende interdisziplinäre DFG-Projekt „Aristokratismus in der Moderne“ an, das von Marburger Historikern und Literaturwissenschaftlern bearbeitet wird. Das Projekt ist an der Schnittstelle dreier für beide Fächer bedeutsamer Erkenntnisinteressen angesiedelt. Es geht (1) um eine Erweiterung und Neuakzentuierung der Adelsforschung im Bereich des 19./20. Jahrhunderts, (2) um die interdisziplinär getragene, hier an einem bedeutsamen Exempel durchgeführte Erprobung einer ‚Historischen (und literarischen) Semantik’ und in diesem Zuge (3) um einen Moderne-Begriff, der in einem nicht-normativen Verständnis auch Konzepte einer ‚Anderen Moderne’ oder einer Antimoderne umfasst.

Darüber hinaus sollen in einem theoretisch ausgerichteten Panel die Möglichkeiten der Frame-Analyse als Methode der Historischen Semantik diskutiert werden. Debattiert wird das Innovationspotential dieses bisher hauptsächlich in Linguistik und Kognitionsforschung etablierten Zugangs für Fragen der historischen Kultur- und Sozialwissenschaften.

Wir laden interessierte WissenschaftlerInnen ein, Abstracts für Vorträge von 30 Min. Dauer einzureichen. Abgabetermin ist der 28.02.2015. Die Abstracts im Umfang von ca. 2.000 Zeichen sollen sich den folgenden Untersuchungsfeldern und Fragestellungen zuordnen lassen:

- Ein literaturwissenschaftlicher Fokus liegt auf den Sprechweisen und Vertextungsverfahren, mit denen der Adel als „Verlierer der Moderne“ entworfen wird. Von Interesse sind fiktionale Entwürfe absteigender Genealogien und ein bevorzugt durch „adlige“ Figurenkonstellationen zu Anschauung gebrachtes „Leiden an der Moderne“.

- Inwieweit kann der Niedergang des Adels hierbei als Metonymie für den Niedergang eines „organischen“ Kulturmodells verstanden werden? Diskutiert werden könnte die Frage, ob und wie Adel als Folie dient, um Ursachen, Prozesse und Dynamiken des Niedergangs spezifischer kultureller Werte und Ideen auszuloten.

- In einer solchen erweiterten (also von der sozialen Schicht abstrahierenden) Perspektive beispielsweise stellt sich grundsätzlich die Frage nach einer Neuakzentuierung adliger Werte wie „Anökonomie“, „Bildungsdistanz“, „Landbindung“ innerhalb einer kulturkritischen Axiologie.

- Wie verändert sich eine entsprechende Adelssemantik innerhalb kulturkritischer Diskurse? Von Interesse sind die Konvergenzen zwischen Adelssemantik und kulturkritischer Semantik. Es geht dabei um Prozesse der Resemantisierung, etwa durch Einbindung in Argumentationsschemata („Kultur vs. Zivilisation“) sowie geschichtsphilosophische und biologistische Deutungsmuster zwischen „Dekadenz“ und „Entartung“.

- Schließlich ließe sich fragen, ob in literarischen Texten Ansätze zu einer „Überwindung“ einer überwiegend negativ gezeichneten Moderne durchgespielt werden. Verbinden sich mit dem Lebens- und Kulturmodell „Adel“ letztlich Ideen für eine „andere Moderne“ und einen „neuen Menschen“, wie sie parallel dazu in der kulturkritischen Essayistik entworfen wurden?

- Gefragt werden soll dabei auch nach den Kontinuitäten zwischen kulturkritischer Adelssemantik und Ausprägungen von „Aristokratismus“ innerhalb der „Neuen Rechten“ und des Nationalsozialismus.

- Wie wurden Konzepte von „Adeligkeit“ und „Aristokratismus“ in die nationalsozialistische Ideologie integriert? Mögliche Anknüpfungspunkte bilden z.B. die „rassenaristokratischen“ Konzepte der „Nordischen Bewegung“ oder antibürgerliche Vorstellungen eines „Adels der Tat“.

- Gab es einen eigenständigen Adeligkeitsdiskurs im Dritten Reich?

- Innerhalb der NS-Bewegung bieten sich unterschiedliche Untersuchungsfelder an: u.a. die SS als „Adel“ der NS-Bewegung, die Vorstellung eines zukünftigen „Bauernadels“, Konzepte von der „Adelung des Arbeiters“ usw. Weiterhin soll nach Zusammenhängen solcher Konzepte mit der Politik des „Dritten Reiches“ insbesondere nach Kriegsbeginn (z.B. der Bevölkerungspolitik im Zuge des „Generalplans Ost“) gefragt werden.

- Zu fragen ist auch nach der Bedeutung von Adeligkeitskonzepten für den Widerstand. Zu diskutieren wäre hier, inwieweit die Legitimation des Widerstandes sich aus Adeligkeitskonzepten speiste, die in die Zeit vor der Machtübernahme zurückreichten.

- Schließlich soll der nationalsozialistische Adeligkeitsdiskurs im Zusammenhang mit Konzepten der „Volksgemeinschaft“ diskutiert werden.

- Auf methodisch-theoretischer Ebene können optional die Leistungen der Frame-Semantik oder anderer Theorieangebote der Semantik diskutiert werden.

- Es geht z.B. um Frames als Organisationsformate für Wissen und die methodischen Möglichkeiten im Rahmen von Historischer Semantik, Diskursanalyse und linguistischer Epistemologie.

- Im Einzelnen lassen sich Verfahren der Erschließung von (implizitem) kulturellem „Adels“-Wissen diskutieren.

- Welche Vorteile böte dabei ein Adels-Frame als Ergänzung zu den Gegenstandsbeschreibungen und „Merkmalskatalogen“ der neueren Adelsforschung?

Die Tagung findet statt vom 24.09. bis 26.09.2015 im Seminarraum im Südflügel des Marburger Landgrafenschlosses. Anfallende Reise- und Unterbringungskosten werden übernommen. Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist vorgesehen.

Ihr Abstract im Umfang von ca. 2.000 Zeichen senden Sie bitte bis zum 28.02.2015 an eine der folgenden E-Mail-Adressen:

Daniel.Thiel@staff.uni-marburg.de
Jan.devries@staff.uni-marburg.de

Für Rückfragen aller Art stehen wir gerne zur Verfügung:

Daniel Thiel, M.A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Philipps-Universität Marburg
FB 06 / Seminar für Neuere Geschichte
Wilhelm-Röpke-Str. 6 C
D - 35032 Marburg
Telefon: 06421 28-24630
E-Mail: daniel.thiel@staff.uni-marburg.de

Jan de Vries
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Philipps-Universität Marburg
FB 09 / Institut für Neuere deutsche Literatur
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D - 35032 Marburg
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