Letzte Dinge. Deutungsmuster und Erzählformen des Umgangs mit Vergänglichkeit im Horizont heterochroner Zeitsemantiken

Letzte Dinge. Deutungsmuster und Erzählformen des Umgangs mit Vergänglichkeit im Horizont heterochroner Zeitsemantiken

Veranstalter
Prof. Dr. Andreas Bihrer / Prof. Dr. Timo Felber / JProf. Dr. Julia Weitbrecht
Veranstaltungsort
Internationales Begegnungszentrum (IBZ), Kiellinie 5, 24105 Kiel
Ort
Kiel
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.06.2018 - 30.06.2018
Website
Von
Prof. Dr. Andreas Bihrer

Ist die Endlichkeit menschlicher Existenz anthropologisch konstant, sind dagegen die Formen ihrer Wahrnehmung, Darstellung und Bewältigung historisch und kulturell höchst variabel. In Bezug auf die fundamental letzten Dinge – individueller Tod, kollektiver Untergang oder apokalyptisches Weltende – untersucht die mediävistische Fachtagung jeweils wirksame Deutungsmuster und Erzählformen, über die der Umgang mit Vergänglichkeit historisch beobachtbar wird.

Die Beiträge fragen jeweils nach der Bedeutung divergenter Zeitsemantiken, denn häufig sind Strategien zur Bewältigung von Vergänglichkeit in mittelalterlichen Texten und Artefakten mit einer impliziten oder expliziten Reflexion von Zeitlichkeit verbunden und reagieren auf Erfahrungen von Heterochronie.

Unterschiedliche Temporalitäten werden etwa fassbar, wenn die Protagonisten der Jenseitsreiseliteratur aus ihrer Lebenszeit herausgerissen und mit den Sünden ihrer Vergangenheit, mit Heilserwartung und Ewigkeit konfrontiert werden. In der Heldenepik überdauert die überzeitliche memoria den heroischen Tod, während Chronistik und Prognostik den kollektiven Untergang zu dokumentieren oder auch genealogisch aufzufangen suchen. Von Interesse sind hier auch die vielfältigen Praktiken und Rituale in Artes moriendi und Sepulkralkultur.

Somit werden gerade in der Konfrontation der eigenen Sterblichkeit mit Konzepten von Ewigkeit und Auferstehung für das mittelalterliche Denken grundlegende Aspekte von Zeitlichkeit reflektiert. Das Augenmerk soll dabei insbesondere Irritationen und Brüchen gelten, die auf inkonsistente Zeitmodelle verweisen und somit Schwellenphänomene indizieren, die für die Untersuchung von vormodernen Formen der Sinnstiftung in Zusammenhang mit Vergänglichkeit von Interesse sind.

In Zusammenarbeit mit der „Internationalen Gesellschaft für höfische Literatur/International Courtly Literature Society – Deutsche Sektion/German Branch (ICLS)“

Programm

Donnerstag, 28. Juni 2018

15.00 Uhr
Andreas Bihrer/Timo Felber/Julia Weitbrecht (Kiel):
Begrüßung und Einführung

Prozessualität und Suspendierung
Moderation: Julia Weitbrecht (Kiel)

15.30 Uhr
Christian Kiening (Zürich):
Zeit des Aufschubs oder: Jedermanns Ende

16.30 Uhr
Leoni Münster (München):
Todesstunde. Sterben als prozessuale Zeitdimension im ersten ‚Hieronymus-Brief‘

Taktung: Zeitlichkeit und Zeitmessung
Moderation: Andreas Bihrer (Kiel)

18.00 Uhr
Christian Schmidt (Göttingen):
vnd also ist stund das ende der zeit. Heterochronie und Eschatologie in spätmittelalterlichen ‚Zeitglocken‘-Texten

19.00 Uhr
Abendvortrag: Hans-Werner Goetz (Hamburg):
Der Mensch zwischen Zeit und Ewigkeit. Früh- und hochmittelalterliche Zeitvorstellungen und der Umgang mit den letzten Dingen

Freitag, 29. Juni 2018

Chronisierung: Zeit und Erzählen
Moderation: Jutta Eming (Berlin)

09.30 Uhr
Aleksandra Prica (Chapel Hill):
Limes-Gestalten. Über Zeit und Form in der Troja-Literatur

11.00 Uhr
Julia Frick (Zürich):
Erzählen vom kollektiven Untergang im Modus der brevitas. Retextualisierung von Tod und Vergänglichkeit in der ‚Nibelungenklage’ *J

12.00 Uhr
Udo Friedrich (Köln):
Zeit als Ressource: Zur Lebenswegmetapher in Mittelalter und früher Neuzeit

14.30 Uhr
Rike Szill (Kiel):
Herrschaftszeiten! Zum Umgang mit Endlichkeit im Kontext der Einnahme Konstantinopels 1453

Chronotopoi: Temporale Sonderräume des Jenseits
Moderation: Andreas Hammer (Köln)

15.30 Uhr
Friederike Wille (Berlin):
Ästhetik der Schwelle: Zeit, Vergänglichkeit und persönliches Gericht in den Bildmedien des 14. Jahrhunderts

17.00 Uhr
Katja Weidner (München): Gottfrieds von Viterbo ‚Enoch und Elia‘. Eine Variation der Insel als heilsgeschichtlicher Zwischenraum

18.00 Uhr
Marcel Bubert (Münster): Die Zeit der Kelten. Heterochronie und Jenseitskonzepte in der Geschichtskultur des mittelalterlichen Irland

Samstag, 30. Juni 2018

Letzte Dinge: Ars moriendi
Moderation: Maximilian Benz (Zürich)

9.00 Uhr
Stefan Abel (Bern):
Umgang mit Zeit im ‚Cordiale de quattuor novissimis‘ des Gerard van Vliederhoven aus dem Umkreis der Devotio moderna

10.00 Uhr
Lisa-Marie Richter (Dresden):
Pluralität, Konkurrenz & Invektivität: Über das Rechtfertigungsverständnis der lutherischen Sterbeschriften des konfessionellen Zeitalters

11.30 Uhr
Henrike Manuwald (Göttingen): Die ‚letzten Dinge‘ im tätigen Leben. Eine Relektüre von Cgm 717 unter dem Aspekt einer vita mixta

12.30 Uhr
Romedio Schmitz-Esser (Graz): Aufbahren, Verwesen, Auferstehen: Zeitkonzepte beim Umgang mit dem Leichnam im Mittelalter

Kontakt

Gabriele Langmaack

Olshausenstr. 40, 24098 Kiel

langmaack@histosem.uni-kiel.de


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