Einbruch des Unalltäglichen: Norddeutschland und Europa in der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs

Einbruch des Unalltäglichen: Norddeutschland und Europa in der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs

Veranstalter
Prof. Dr. Cornelia Rauh, Leibniz-Universität Hannover; Prof. Dr. Arnd Reitemeier, Institut für Historische Landesforschung, Georg-August-Universität Göttingen; Prof. Dr. Dirk Schumann, Georg-August-Universität Göttingen, Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte
Veranstaltungsort
Ort
Hannover
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.10.2013 - 26.10.2013
Deadline
08.07.2012
Website
Von
Dirk Schumann

Im Sommer 2014 liegt der Beginn des Ersten Weltkriegs 100 Jahre zurück. Damals bemerkte der britische Außenminister zu einem Vertrauten: "In ganz Europa gehen die Lichter aus; wir werden es nicht mehr erleben, dass sie wieder angezündet werden." Diese häufig zitierte Äußerung, mit der Edward Grey den Beginn eines lange anhaltenden, düsteren Ausnahmezustands konstatierte, war ebenso hellsichtig wie außergewöhnlich. Sie spiegelte eine in den zeitgenössischen europäischen Öffentlichkeiten – jedenfalls außerhalb pazifistischer Kreise - kaum artikulierte Erwartungshaltung angesichts der Aussicht auf einen von nationalisierten Massen ausgetragenen, technisierten Krieg. Weiter verbreitet als Kriegsfurcht und Zukunftsskepsis war zunächst jedoch – zumindest in den europäischen Großstädten - jener glückstrunken machende, "unalltäglich-festliche Rauschzustand" den der erst siebenjährige Sebastian Haffner in Berlin erlebt hatte und mit dem unspektakulären ländlichen Alltag seiner eben noch erfahrenen Sommerfrische kontras-tierte.

Erst allmählich, durch fortschreitende Bellifizierung, bildete sich im Zuge wirtschaftlicher Umbrüche, der Veränderung sozialer Beziehungen sowie neuer Wahrnehmungsweisen und Erwartungshaltungen in den Gesellschaften der kriegführenden Länder eine je unterschiedliche „Kriegskultur“ (Becker/Krumeich) heraus, in der schließlich in ganz Europa nahezu alle Lebensbereiche auf den Krieg hin ausgerichtet waren, so dass der Krieg oder Vorstellungen, die man sich in der Heimat vom Kriege machte, zum Referenzpunkt des Handelns, Denkens und Arbeitens wurden. Diese Kriegskultur erfasste Regionen mit unterschiedlicher strategischer Bedeutung, Wirtschaftsstruktur, verschiedenem Sozialprofil und urbaner oder ländlicher Kultur in unterschiedlichem Tempo und Ausmaß und prägte verschiedene Alterskohorten, in je spezifischer Weise.

Um Genese, Wandel und Auswirkung dieser Kriegskultur in international vergleichender, die norddeutsche Regionalgeschichte einbeziehender Perspektive zu diskutieren, soll im Vorfeld des 100. Jahrestags des Beginns des Ersten Weltkriegs in Hannover eine wissenschaftliche Konferenz abgehalten werden. Ihr Anliegen ist es, aus der Perspektive ausgewählter europäischer Regionen in wirtschafts-, sozial- und kulturgeschichtlicher Perspektive jene Anfangsphase des Krieges zu problematisieren, in der Kriegserwartungen und Kriegsrealität die Lebensumstände, des Denkens und Handelns der Menschen jenseits der Front und in den besetzten Gebietenteils plötzlich, teils allmählich veränderten.

Das Konferenzvorhaben will der landes- wie allgemeinhistorischen Forschung zum Ersten Weltkrieg in dreifacher Weise neue Impulse verleihen:

1) Die transnationale Perspektive soll vergleichende Überlegungen zum Vordringen der Kriegskultur in den europäischen Gesellschaften ermöglichen. Sie gestattet es, die Auswirkungen der Unterbrechung der 1914 bereits weitgehend globalisierten Handels-, Verkehrs- und Kommunikationsnetze im lokalen Raum nachzuvollziehen.Im Sinn neuerer Forschungsansätze kann so auch nach der Bedeutung von wechselseitigen Verflechtungen gefragt werden.

2) Kulturgeschichtlich inspirierte Interessen am Krieg sollen vertieft und unter Fokussierung auf das erste Kriegsjahrweiter verfolgt werden. Damit werden die Anfangsmonate des Krieges als Phase eines Schwindens von „Normalität“ eigens thematisiert.

3) Der im Vergleich zu Süd- und Südwestdeutschland bislang für diese Epoche wenig erforschte norddeutsche Raum (Ausnahme: Hamburg) soll – neben anderen europäischen Regionen – im Hinblick auf Ausbreitung und Bedeutung jener Kriegskultur erstmals eingehender untersucht und vergleichend analysiert werden.

Folgende Themenbereiche bieten sich an (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Ländlicher Raum
Wirtschaftliche Folgen für Landwirtschaft und Handel, Küstenschutz
Verkehrsnetze und Transportwesen
Soziales Leben: Der Kriegsbeginn in ländlichen Regionen aus Sicht der Frauen und Kinder
Kommunikationsorte, Kommunikationsmedien und Meinungsmacher im Krieg (Wirtshäuser, Pfarrkanzeln, Schulhäuser, Dorfboten)
Rekrutierung von Soldaten
Tierhaltung unter Kriegsbedingungen

Städtische Gesellschaft
Industrie und Wirtschaftsbürgertum
Bürokratie
Geselliges Leben: Vereine, Seebäder u. Sommerfrische(u.a.Bäder-Antisemitismus)
Bildungsbürgertum
Universitäten und Kriegsforschung (Studenten, KW-Institute)
Gesundheitswesen: Ärzte, Krankenhäuser
Garnisonsstädte: Adel und Offiziersfamilien
Frauen (Arbeiterinnen, Dienstboten, Bürgerliche Frauen)
Kinder, Schulleben

Deutungsagenten
Medien (Zeitungen) und Zensurbehörden, Propaganda
Intellektuelle
Lehrer und Schulen, Schulbehörden
Politiker
Kirchen und Geistliche, Religion im Krieg

Ein Antrag auf Übernahme der Reise- und Unterbringungskosten ist in Vorbereitung. Die Veröffentlichung der Vorträge in Form überarbeiteter Manuskripte ist noch im Jubiläumsjahr 2014 geplant. Die ReferentInnen werden gebeten, ihr überarbeitetes Manuskript bis zum 31.12.2013 einzureichen, damit die Veröffentlichung des Bandes im Herbst 2014 erfolgen kann.

Vorschläge im Umfang von max. 500 Wörtern, welche Quellengrundlage und Argumentationslinie erkennen lassen, erbitten wir zusammen mit kurzen Angaben zur Person bis zum 08. Juli 2012 in elektronischer Form (PDF-Datei) an:

Prof. Dr. Dirk Schumann
Georg-August-Universität Göttingen
Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte
Humboldtalle 19
37073 Göttingen
E-Mail: dschuma@uni-goettingen.de

Programm

Kontakt

Prof. Dr. Dirk Schumann
Georg-August-Universität Göttingen
Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte
Humboldtalle 19
37073 Göttingen
E-mail: dschuma@uni-goettingen.de


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Deutsch
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