Madness on Stage – Staging Madness. Techniken der Inszenierung von 'Krankheitsbildern' und 'Gefühlstönen'

Madness on Stage – Staging Madness. Techniken der Inszenierung von 'Krankheitsbildern' und 'Gefühlstönen'

Veranstalter
Dr. Sophie Ledebur, Alexander Friedland, Dr. Rainer Herrn; Institut für Medizingeschichte Berlin
Veranstaltungsort
TMF, Charlottenstraße 42/Ecke Dorotheenstraße
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.06.2013 - 08.06.2013
Website
Von
Sophie Ledebur

Workshop der DFG-Forschergruppe "Kulturen des Wahnsinns", Schwellenphänomene der urbanen Moderne (1870-1930)

In vielen medizinischen Disziplinen bemühte man sich um 1900 in Forschung und Lehre, Symptomatiken durch immer ausgefeiltere Techniken zu veranschaulichen. Ungleich schwieriger gestaltete sich dies bei psychischen, nur schwer sichtbar zu machenden Phänomenen. Die Psychiatrie und ihr benachbarte Disziplinen, wie experimentelle Psychologie, Neurologie oder Psychoanalyse, sahen sich unter dem besonderen Druck, ihren Erkenntnisgegenstand zu objektivieren. Robert Sommers Plädoyer (1899), die beschreibende Beobachtung mit „optischen Methoden“ zu ergänzen, ist Ausdruck dieser Bemühungen flüchtige Auffälligkeiten festzuhalten. Die Bandbreite der Untersuchungs-, Registrier- und Präsentationstechniken reichte von der Patientendemonstration über die Photochronographie und medizinische Kinematographie bis hin hoch spezialisierten Untersuchungsapparaturen und grafischen Darstellungsweisen.

Ziel des Workshops ist es, dem in Begriffen wie „Krankheitsbildern“ oder „Gefühlstönen“ bereits anklingenden, nämlich stets prekären Verhältnis von Sehen, Hören und Wissen nachzugehen. Wie wurden im Zeitalter neuer technischer Möglichkeiten Beobachtungen evident gemacht und in Krankheitszeichen transformiert? Welche Techniken und Praktiken wurden für diese Übersetzungsarbeit herangezogen und aus welchen kulturellen Zusammenhängen kommen sie? Brachte dieses Streben nach besserer Sicht-, Darstell- und Reproduzierbarkeit unbeabsichtigte Interaktionen und Effekte hervor? Gab es Rückwirkungen der neuen Verfahren auf die jeweiligen Disziplinen? Oder aber implizierten die verschiedenen Formen kompensierender Beschreibung gar ein Wissen über diese Medien selbst? Schließlich soll das Wechselverhältnis dieser neuen klinischen Verfahren zu populären Darstellungen untersucht werden: Wie beeinflussten medizinische Bilder ein weiteres, über die engen Fachgrenzen hinausreichendes Verständnis von psychischen Phänomenen und wie wirkten umgekehrt populäre Bildpraktiken auf medizinische Darstellungsweisen zurück?

Rezente Forschungen zu Praktiken des Aufschreibens und Techniken der Visualisierung betonen die Bedeutung der materiellen Produktionsbedingungen, die Prozessualität der Etablierung neuer Verfahren sowie die Wechselwirkungen mit den sich verändernden Wissensordnungen. Anknüpfend an diese Ergebnisse soll im Rahmen des interdisziplinären Workshops der Blick konkret auf den Übergang vom Beschreiben zum Zeigen von Krankheit und die dabei augenfällig werdende Inszenierung und Performativität der Zeichen gerichtet werden.

Programm

Freitag, 7. Juni 2013

9. 00 Uhr Begrüßung und Einführung

Sektion 1: erkennen

Chair: Armin Schäfer (Berlin/Hagen)

9. 15 Uhr Hubert Thüring (Basel):
Schreiben, Zeichnen und andere Produktionsformen im Medienverbund der Psychiatrie bei Adolf Wölfli und Walter Morgenthaler

9. 45 Uhr Yvonne Wübben (Bochum/Wien):
Conveying Knowledge. The Rise of Psychiatric Textbooks in Late 19th Century Germany

10. 15 Uhr Ingrid Kleeberg (Hannover):
Diagrammatik des Unbewussten. Die Visualisierungspraktiken der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs

10. 45 Uhr Pause

11. 15 Uhr Rupert Gaderer (Bochum):
„Mein Recht muss mir doch werden!“ H. Bahrs Der Querulant 1914/1970

11. 45 Uhr Rainer Herrn (Berlin):
Der demonstrierte Wahnsinn – Die Klinik als Bühne

Kommentar: Eric J. Engstrom (Berlin) bis 12.45 Uhr

Mittagessen im Gebäude der Tagung

Sektion 2: inszenieren

Chair: Beate Binder/Sven Bergmann (beide Berlin)

13. 45 Uhr Gabriele Dietze (Berlin):
Vom ‘Expressionisten-Abend‘ zur Dada-Performance. Vom vorsätzlichen Wahnsinn in den Bühnenshows von Literatur-‚Revoluzzern‘ 1910-1920 in Berlin

14. 15 Uhr Eric Savoth (Berlin/Berkeley):
The Stage as Anthropological Experiment: Literary Texts and Scientific Knowledge in Erich Wulffen’s Criminology

14. 45 Uhr Julia B. Köhne (Wien):
Männliche Hysterie auf dem Schirm. Visuelle Narrationen und Theatralität in militärpsychiatrischen Filmen des Ersten Weltkriegs

15. 15 Uhr Pause

15. 45 Uhr Martina Wernli (Würzburg):
„Wer ist gescheiter, Ihr oder ich?" Wissensinszenierungen in Notaten Klinischer Vorstellungen um 1900

16. 15 Uhr Christian Sauer (Salzburg):
Re│Staging Hysteria & Paranoia. Performative Spiegelungen Charcots und Freuds in den Theaterinszenierungen von Salvador Dalí

Kommentar: Uffa Jensen (Berlin) bis 17. 15 Uhr

18. 00 Uhr Céline Kaiser (Bonn):
Stationen einer Ausstellung: Szenische Intervention seit dem 18. Jahrhundert
Ort: Medientheater, Georgenstraße 47, 10117 Berlin

19. 30
Uhr gemeinsames Abendessen

Samstag 8. Juni 2013

Sektion 3: visualisieren

Kunstposition: Helen Follert (Berlin): 'Kontorsionen'

Chair: Dorothea Dornhof (Berlin)

10. 00 Uhr Nicolas Pethes (Bochum/Budapest):
Logoskopie und Gedankenphotographie. Halluzination, Wissenschaft und Medientechnologie bei Hyppolite Baraduc, Friedrich Feerhow und Ludwig Staudenmaier

10. 30 Uhr Katrin Pilz (Brüssel):
ABNORMAL MOTION - the dis-functional displayed in early medical films

11. 00 Uhr Sophie Ledebur (Berlin):
Ein Blick in die Tiefe der Seele. Hypnose im frühen psychiatrischen Film

11. 30 Uhr Pause

12. 00 Uhr Mireille Berton (Lausanne):
Psychiatrie und Kino um 1900: der halluzinierte Zuschauer?

12. 30 Uhr Veronika Rall (Zürich):
Die kinematografische Selbstreflexion: Das Andere der Vernunft im Spielfilm um 1900

Kommentar: Margarete Vöhringer (Berlin) und Abschlussdiskussion bis 14. 00 Uhr

Kontakt

Sophie Ledebur

Institut für Geschichte der Medizin, Campus Charité Mitte, Ziegelstr. 10, D-10117 Berlin

sophie.ledebur@univie.ac.at


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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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