Wissenschaftspolitik, Forschungspraxis und Ressourcenmobilisierung unter dem NS-Herrschaftssystem

Wissenschaftspolitik, Forschungspraxis und Ressourcenmobilisierung unter dem NS-Herrschaftssystem

Veranstalter
Dr. Sören Flachowsky (Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt Universität, Berlin); Prof. Dr. Rüdiger Hachtmann (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam); Dr. Florian Schmaltz (MPI für Wissenschaftsgeschichte, Berlin)
Veranstaltungsort
Zentrum für Zeithistorische Forschung, Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.02.2015 - 06.02.2015
Deadline
30.09.2014
Website
Von
Hachtmann, Rüdiger

Die Tagung stellt die Mobilisierung von Ressourcen für die Wissenschaften im Nationalsozialismus thematisch in Zentrum. Es sollen neue empirische Forschungsergebnisse vorgestellt und die konzeptionellen Debatten über die Struktur der NS-Wissenschaftslandschaft und NS-Wissenschaftspolitik stimuliert und geschärft werden. Nicht zuletzt ist der Ressourcenbegriff zu präzisieren, zu differenzieren und zu typologisieren: Handelt es sich um materielle Güter (Kapital, Rohstoffe, Technologien), um immaterielle Güter (symbolisches Kapital, Wissen), um Arbeitskräfte, um den Auf- und Ausbau von Netzwerken und Kommunikationsstrukturen unterschiedlichster Couleur (soziale Kapital)?

Die Tagung richtet sich an Forscherinnen und Forscher unterschiedlicher Disziplinen und soll auch die noch kaum untersuchte Ressourcenmobilisierung in den vom NS-Regime besetzten Ländern Europas einbeziehen.

Die Geschichtschreibung über die Wissenschaften im Nationalsozialismus hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen erheblichen Aufschwung genommen. Große ‚weiße Flecken’ bleiben jedoch unübersehbar. Institutionengeschichtlich ist namentlich die Industrieforschung bisher kaum im Fokus gewesen. Zudem liegen insbesondere über viele Technische Hochschulen im damaligen „Großdeutschen Reich“ (d.h. unter Einschluss insbesondere Österreichs) bis heute nur relativ wenige Untersuchungen vor. Nicht zuletzt ist die Frage nach der – oft räuberischen – „Mobilisierung“ von „Ressourcen“ unterschiedlichster Natur in den angegliederten und besetzten Gebieten sowie in den abhängigen Staaten bisher erst ansatzweise beantwortet worden.

Zahlreiche Fragen bleiben offen:

- Welche Folgen hatte die Ressourcenmobilisierung des NS-Regimes für die Forschungspraxis? Diese Frage lässt sich nicht pauschal, sondern nur disziplin- und institutionsbezogen beantworten.

- Auf welche Weise lässt sich die Ressourcenmobilisierung des NS-Regimes periodisieren (Mobilisierungsschübe)? Korrespondieren die Zäsuren für die Geschichte der Wissenschaften im NS-Regime allgemein bzw. für einzelne Disziplinen mit den politischen und wirtschaftshistorischen Einschnitten?

- Welche „Ressourcen“ suchten das NS-Regime, aber auch die wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland (außeruniversitäre Einrichtungen wie auch Hochschulen) in den von der Hitler-Diktatur beherrschten Teilen Europas zu „mobilisieren“? Wie „effizient“ waren Ressourcenaneignung und -raub? Insbesondere diese räumliche Dimension der Ressourcenmobilisierung im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich markiert noch immer ein bedeutendes Desiderat der wissenschaftshistorischen Forschung. In den Fokus rückt damit der von Deutschland forcierte Ressourcentransfer in die und aus den annektierten Ländern und besetzten Gebieten (Transfer von: Technologien, Arbeitskräften, Rohstoffen, Nutzung ausländischer Forschungseinrichtungen usw.). Gab es analog zu den Konzeptionen einer nationalsozialistischen Großraumwirtschaft auch Konzepte einer von Deutschland dominierten „Großraumwissenschaft“?

- Termini wie „Ressourcenensemble“ und „Ressourcenmobilisierung“ suggerieren ein Nullsummenspiel. Dies war jedoch nicht der Fall. Die Dimensionen der (quantitativen wie qualitativen) Ressourcenerweiterung
– und ebenso der Ressourcenkontraktion – sind genauer in den Fokus zu nehmen. Inwiefern zerstörte das NS-Regime Ressourcen und mit welchen Krisenprozessen war der Verlust von Ressourcen verbunden (Vertreibung von Wis-senschaftler/innen; personelle und materielle Kriegsverluste)?

- Darüber hinaus ist danach zu fragen, inwieweit die Impulse der nationalsozialistischen Mobilisierungsdiktatur grundlegend für das deutsche Wirtschaftswunder nach 1945 waren. Erfindungen und Entdeckungen brauchen zumeist eine längere Inkubationszeit, um ökonomische und gesellschaftliche Wirkungen zu entfalten.

Die Veränderung des wissenschaftlichen Ressourcenensembles seit 1933 war wesentlich davon bestimmt, dass das NS-Regime auf Herrschaftsträgern basier-te, deren Zahl sich im Laufe der zwölf Jahre währenden NS-Diktatur vermehrte und deren Bedeutung sich je nach politischen und ökonomischen Konstellatio-nen dynamisch veränderte. Zudem standen sich diese Herrschaftsträger nicht isoliert und als abgeschlossene Subsysteme gegenüber, sie kommunizierten auf vielfältige Weise miteinander.

-Wie vernetzten sich die gesellschaftlichen Teilsysteme, Wissenschaft, Staat, Militär und Wirtschaft unter- und miteinander? Welche Scharniere wurden installiert, um Informationsbeschaffung, Kommunikation und Koordination zu erleichtern?

Die Ressourcen selbst sind bisher häufig nicht systematisch in den Blick genommen worden.

- In welchen Dimensionen wurden ab 1933 Ressourcen mobilisiert? Neben der finanziellen Entwicklung (Etats) zielt der Ressourcenbegriff, insbesondere im Krieg auch auf eine privilegierte Versorgung mit materiellen und personellen Ressourcen (Kontingentierung durch „Dringlichkeitsstufen“ und Uk-Stellungen) für einzelne Projekte oder ganze Institutionen. ‚Gute’ politische Beziehungen konnten der einzelnen wissenschaftlichen Institution zudem neue Forschungsfelder öffnen und damit einer disziplinären und institutionellen (räumlichen) Expansion den Boden bereiten.

Eine Verinselung der Wissenschaftsgeschichte auf das Dritte Reich verklärt manches zum NS-Spezifikum, was im deutschen Raum oft schon vor 1933 oder aber ähnlich auch in anderen Ländern zu beobachten war. Erst über eine Einbeziehung der Entwicklungen vor 1933 und ggf. auch nach 1945 lässt sich die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen systematisch beantworten. Neben diachronen sind auch synchrone Vergleiche erwünscht, etwa mit der der Ressourcenmobilisierung der Bündnismächte (Deutschland, Japan, Italien, Spanien etc.) und/oder mit derjenigen der Alliierten insbesondere im Zweiten Weltkrieg.

Interessenten sollen ein zweiseitiges Exposé (max. 4.000 Zeichen) bis zum 30. Sept. 2014 an eine der folgenden Adressen schicken:
<schmaltz@mpiwg-berlin.mpg.de>, <soeren.flachowsky@t-online.de>, <hachtmann@zzf-pdm.de>

Programm

Kontakt

Dr. Sören Flachowsky (Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt Universität, Berlin); Prof. Dr. Rüdiger Hachtmann (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam); Dr. Florian Schmaltz (MPI für Wissenschaftsgeschichte, Berlin); <schmaltz@mpiwg-berlin.mpg.de>, <soeren.flachowsky@t-online.de>, <hachtmann@zzf-pdm.de>


Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung