Praktisches Wissen. Jahrestagung der DGGMNT und GWG

Praktisches Wissen. Jahrestagung der DGGMNT und GWG

Veranstalter
Vorstand und Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik (DGGMNT) und der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte (GWG)
Veranstaltungsort
Technischen Universität Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.09.2015 - 27.09.2015
Deadline
20.02.2015
Website
Von
Susan Splinter, Postfach 41 04 20 , Staatliche Museen Kassel

Vorstand und Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik (DGGMNT) und der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte (GWG) laden ein zu Vortrags- und Sektionsanmeldungen für die gemeinsame Jahrestagung der beiden Gesellschaften an der Technischen Universität Berlin (25.-27. September 2015) mit dem Rahmenthema

PRAKTISCHES WISSEN

Lange Zeit gehörte ‚praktisches Wissen’ kaum zu den Gegenstandsbereichen der Geschichte von Medizin, Naturwissenschaft und Technik. Häufig definierte sich Wissenschaftsgeschichte gerade in Abgrenzung zur Kategorie der „Praxis“. Mit den methodischen Neuausrichtungen der letzten beiden Jahrzehnte, insbesondere dem ‚visual’, dem ‚material’, dem ‚spatial’ und dem ‚practical turn’ sind solche Dichotomien in Frage gestellt worden; damit hat sich auch die Frage nach den Grenzen wissenschaftlichen Wissens immer wieder neu gestellt. So wurde deutlich, dass Praktikerwissen nicht nur körperliche Geschicklichkeit und spezifische Handlungsanweisungen umfasst, sondern auch andere formalisierte Wissensbestände, mit denen die Erfahrungen der Praxis verallgemeinert, in Regeln und Gesetze gefasst, systematisiert und möglicherweise begründet werden sollen. Wissensgenerierung fand auch abseits etablierter Institutionen der Wissenschaft in Werkstätten und auf Baustellen, in Sammlungen und Magazinen statt und auch innerhalb wissenschaftlicher Institutionen kam eine Vielfalt von Wissensformen zur Anwendung. Wurde dies für die frühe Neuzeit zunächst eher aus soziologischer Perspektive untersucht, beispielsweise in der Debatte um die „Zilsel-These“, so haben neuere Arbeiten stärker die hier verhandelten Wissensbestände selbst in den Blick genommen (Klein, Smith, Vogel, Roberts, Schaffer, Dear). Zudem wurde die Tauglichkeit der Kategorie des „Experten“ in diesem Umfeld reflektiert (E. Ash). Analysen der Geschlechterforschung schließlich haben eindringlich auf alltägliche Orte der Wissensgenerierung wie Haushalt oder Garten, Kinderkrippe oder Sterbebett hingewiesen. Damit ist auch die Kategorie des „Alltagswissens“ angesprochen, bei sich die Frage nach der Verschränkung mit dem Wissen akademischer Akteure stellt. Die derzeitige Diskussion um die „Bürgerwissenschaft“ (citizen science) thematisiert darüber hinaus die Rolle von Laien für die Forschung.
Ein breiter Bereich an unterschiedlichen Wissens- und Artikulationsformen tut sich hier auf, von dem Rezeptwissen, empirische Systeme, naturphilosophische Begründung oder schematisierte Darstellung nur wichtige Eckpunkte bezeichnen. Solche Versuche fanden und finden sich bei Ärzten ebenso wie bei technischen Experten aller Art, bei Mathematikern ebenso wie bei empirisch gesinnten Naturphilosophen/ -wissenschaftlern. Quelle und Ziel solcher Versuche waren etwa „Gesundheits-Handwerk“, Medizin und Chirurgie, Entwicklungspsychologie und Gerontologie, Pharmazie, Metallurgie, (Al-) Chemie, Kalendermacherei und Rechenkunst ebenso wie Hydraulik, Architektur, Schiffsbau, Navigation, Musik, Perspektive und Farbgebung, aber auch Züchtung, Landwirtschaft, viele Handwerkswerksbereiche oder auch Haushaltstechnik. All diese Bereiche hatten ihre Wissensbestände und zugehörige Formen, diese zu bewahren, zu lehren und weiterzuentwickeln. Nicht selten, und in höchst unterschiedlicher Intensität, kam dieses Wissen mit dem gelehrten Wissen der (Natur-) Philosophie/ Naturwissenschaften und Ärzte (und später der Technikwissenschaften) in Kontakt und es ergaben sich unterschiedliche Konstellationen der Fruchtbarmachung oder Verschmelzung, aber auch der Abgrenzung oder Parallelexistenz. In Europa wurden von der Frühen Neuzeit bis heute wiederholt Programme formuliert und – mit höchst unterschiedlichem Erfolg – Versuche unternommen, die Wissensbestände der Praktiker_innen und der Wissenschaften zu verbinden.
In der Tagung soll es zum einen darum gehen, das Wissen der Praktiker_¬innen in seiner Vielfalt aufzuzeigen. Zum anderen sollen die unterschiedlichen Verhältnisse ausgeleuchtet werden, die es zu dem Wissen der Gelehrten/ der Wissenschaften einnahm, vor allem auch die Bereiche benannt werden, in denen diese Unterscheidung ungenügend oder gar nicht greift, am prominentesten etwa der (Al-) Chemie. Wie sich solche Konstellation in nicht-europäischen Traditionen ausnahmen, wäre eine weitere und weitgehend unerschlossene Frage. Auch die Kategorie des Praktikerwissens als solche ist zu diskutieren: sollte man nicht statt der Akteure die Wissensform oder –orientierung in den Vordergrund zu stellen, also von ‚praktischem’ oder ‚praxisorientiertem’ Wissen sprechen? Wie nehmen sich diese Fragen vor dem Hintergrund der methodischen Konzepte aus, die neben Wissenschafts- und Technikgeschichte in der Soziologie, der Anthropologie oder der Ethnologie zur Beschreibung praktischen Wissens entwickelt worden sind?
Das Thema bietet und erfordert eine Vielfalt unterschiedlicher Perspektiven: Wie und von wem wurde solches Wissen generiert, festgehalten, gesammelt und vielleicht verallgemeinert? Wer waren die Adressaten, wer finanzierte die Vorhaben, welche Institutionen betrieben die Aktivitäten, mit welchen Interessen? In welchen Formen war das Wissen verfasst, wie wurde es gelehrt, wie und durch wen weiterentwickelt? In welcher Art und welchem Umfang wurde es wichtig für die Praxis, und wie verhielt es sich zum Wissen der Naturphilosophie an Universitäten und Akademien und dem später immer weiter ausdifferenzierten Feld der Natur- und Technikwissenschaften? Wie interagierten die Hierarchien, die zwischen dem Feld der Praxis und der etablierten Wissenschaft bestanden, mit anderen gesellschaftlichen Hierarchien wie etwa Geschlecht?
Heute wenden sich viele Historiker_innen einer Wissensgeschichte zu, die in ihren Ausprägungen enorm breit, aber auch diffus sein kann. Das vorgeschlagene Thema kann nicht zuletzt einen fokussierenden Beitrag zur aktuellen Diskussion zum Verhältnis und möglichen Abgrenzungen von Wissens- und Wissenschaftsgeschichte leisten.
Willkommen sind sowohl Vorschläge zu Einzelvorträgen als auch zu Sektionen. Diese sollten in der Regel in 30-Minuten-Einteilung angelegt sein, können aus drei oder vier Vorträgen bestehen (plus ggf. Moderation, bei drei Vorträgen gerne mit Kommentar) und sollten genügend Zeit für Diskussionen einplanen. Vorschläge für andere Sektionsformate werden mit Interesse geprüft. Auf der Tagung wird eine Postersektion mit eigens dafür freigehaltenem Präsentationszeitraum stattfinden, deshalb wird ausdrücklich zu Vorschlägen für Poster eingeladen.
Wie üblich können auch Vorträge, Sektionen und Poster vorgeschlagen werden, die sich nicht auf das Rahmenthema beziehen.
Vorschläge für Einzelvorträge und Poster sind mit Abstracts (max. 1 Seite) einzureichen, bei Sektionen sind die Abstracts der Einzelbeiträge und eine Zusammenfassung einzureichen. Die Beteiligung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist ausdrücklich erwünscht; bei gleicher Qualität werden Sektionen, die akademische Generationen überspannen, bevorzugt. Vorschläge sind bis zum 20. Februar 2015 zu richten an:
Dr. Susan Splinter
Schriftführerin der DGGMNT
NDB, Historische Kommission
b. d. Bayerischen Akademie d. Wissenschaften
Alfons-Goppel-Str. 11
80539 München
E-Mail: splinter@ndb.badw.de, Tel.: 089/23031-1148

Programm

Kontakt

Susan Splinter

NDB, Historische Kommission b. d. Bayerischen Akademie d. Wissenschaften
Alfons-Goppel-Str. 11 80539 München
089/23031-1148

splinter@ndb.badw.de


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