Raum anders denken. Die Begriffe der Raumtrias, des Residualen und der Heterotopie bei Henri Lefebvre

Raum anders denken. Die Begriffe der Raumtrias, des Residualen und der Heterotopie bei Henri Lefebvre

Veranstalter
Eine Kooperation des DFG-Graduiertenkollegs "Topologie der Technik" und der Forschungseinheit "Erfurter RaumZeit Forschung": Jenny Bauer (Darmstadt), Sebastian Dorsch (Erfurt), Robert Fischer (Erfurt), Susanne Rau (Erfurt)
Veranstaltungsort
Ort
Darmstadt
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.05.2015 -
Deadline
06.03.2015
Website
Von
Jenny Bauer und Robert Fischer

Henri Lefebvre gehörte zumindest im deutschsprachigen Umfeld lange zu den weniger bekannten Raumtheoretikern. Während sich dieser Umstand in den letzten Jahren allmählich geändert hat, besteht bei der Arbeit mit seinen Texten nach wie vor Diskussionsbedarf. Aus diesem Grund wurde im Juli 2014 an der Universität Erfurt unter Leitung von Robert Fischer und unter Mitarbeit von Jenny Bauer, Sebastian Dorsch und Susanne Rau ein erster Workshop zum interdisziplinären Austausch über Lefebvre veranstaltet. Das DFG-Graduiertenkolleg Topologie der Technik und die Erfurter RaumZeit-Forschung (ERZ) laden am 08. Mai 2015 zu einem weiteren Treffen ein, das in Form einer Lesegruppe an der TU Darmstadt stattfinden wird.

Bei der Lektüre der Schriften Henri Lefebvres fällt auf, dass bestimmte Begriffe und Konzepte wiederholt Verwendung finden, wobei sich deren Definition durchaus verschieben kann oder diese unter veränderten Schwerpunktsetzungen vorgenommen wird. Das Verständnis Lefebvrescher Kernkonzepte wird hierdurch nicht eben erleichtert. Während der Wunsch, diesen intendierten Brüchen nachzugehen, sich zu einem ganz eigenständigen Forschungsschwerpunkt verselbstständigen kann, steht auf der anderen Seite die Frage der „Operationalisierbarkeit“ im Kontext des eigenen Forschungsprojekts: Welche Möglichkeiten bieten Lefebvres Raumkonzept, sein Heterotopiebegriff oder sein Verständnis der modernen Massenkultur beispielsweise zur Analyse literarischer Texte, zur Darstellung historischer Räume oder zur Untersuchung gegenwärtiger Gesellschaften? Wie lassen sich fachspezifische Fragestellungen mit den zwar soziologisch geprägten, doch gleichwohl universalistischen Ansätzen Lefebvres in Zusammenhang bringen?
Vor dem Hintergrund dieser Fragen wollen wir im Frühjahrs-Workshop unserer neu gegründeten, interdisziplinären Lesegruppe einigen bei Lefebvre zentralen Begriffen und Konzepten besondere Aufmerksamkeit schenken. Als ReferentInnen sprechen Christian Schmid (ETH Zürich), Stephan Günzel (btk Berlin) und Bahar Sen (TU Darmstadt). Darüber hinaus sind die Teilnehmenden eingeladen, Kurzpräsentationen (10 Min) ihrer eigenen Projekte zu geben oder eine bestimmte Fragestellung zur Diskussion zu stellen. Projektpräsentationen können sich auf einen der im Folgenden genannten Schwerpunkte, aber auch auf andere Aspekte des Lefebvreschen Werkes beziehen.
Der Workshop soll einerseits jenen, die sich schon länger mit Lefebvre beschäftigen, die Möglichkeit geben, einzelne Aspekte vertieft zu diskutieren. Andererseits sollen auch „Neulinge“ die Möglichkeit haben, eigene Fragen zu entwickeln und einzubringen; sie sind daher ausdrücklich zur Teilnahme aufgefordert. Einen Einblick in die jeweilige Thematik geben Impulsvorträge der GastreferentInnen. Darüber hinaus werden wir das Treffen nutzen, um die genannten Begriffe im Kontext eigener Projekte und Lektüreerfahrungen zu diskutieren.

Als zentrale Denkfiguren Lefebvres werden die Raumtrias, das Residuale und die Heterotopie diskutiert. Alle drei Begriffe stehen eng in Verbindung mit Lefebvres Konzeption des Raums, der Macht und des Alltags und ermöglichen es, vernachlässigte Perspektiven in den Vordergrund zu stellen bzw. das Marginale/das Andere zu thematisieren. Während die Raumtrias ein bereits viel diskutiertes und zentrales Konzept Lefebvres darstellt, sind die Begrifflichkeiten der Heterotopie und des Residualen eher im Hintergrund zu verorten beziehungsweise werden in der Rezeption noch stiefmütterlich behandelt – auch weil sie teils von anderen GeisteswissenschaftlerInnen prominent besetzt wurden.
Die Auseinandersetzung mit Lefebvres Raumtrias soll Klarheit bezüglich der Differenzierung und der Anwendbarkeit der drei Begriffe räumliche Praxis/ wahrgenommener Raum (espace perçu), Repräsentationen des Raumes/ konzipierter Raum (espace conçu) und Räume der Repräsentation/ gelebter Raum (espace vécu) bringen. Was sind ihre unterschiedlichen Elemente? Welche Akteure, Ereignisse oder Phänomene sind ihnen zuzuordnen? Welche Rolle spielt die disziplinäre „Herkunft“ bei unterschiedlichen Interpretationsansätzen zur Raumtrias?
Ein besonderes Augenmerk soll während des Workshops auf den gelebten Raum (espace vécu) gelegt werden, der am unterschiedlichsten interpretiert wird und der das wohl größte analytische Potential besitzt. Dabei soll jedoch nicht aus dem Blick geraten, dass alle drei Elemente ineinander verwoben sind. In diesem Zusammenhang wäre zu diskutieren, welcher Bedeutung der Gleichzeitigkeit dieser Momente zukommt.
Mit dem Begriff des Residuums werden bei Lefebvre verschiedene Zusammenhänge verbunden. Es bezeichnet das an den Rand Gedrängte oder außen vor Gelassene eines hegemonialen Diskurses, von dem aus Widerstand ausgehen kann. In Metaphilosophie weist Lefebvre die Praxis als das Residuum erkenntnistheoretischer Ansätze aus. Vor diesem Hintergrund zielt seine eigene Arbeit darauf ab, durch die Fokussierung auf das Alltagsleben die klassische Philosophie zu „überwinden“, d.h. hinter sich zu lassen und zu erweitern. Das Residuale stellt somit einen Ausgangspunkt für Lefebvres Analysen des Alltäglichen dar; zugleich ist es eng verbunden mit seiner Auffassung von Kunst als einer widerständischen Praxis.
Der dritte Aspekt der Raumtrias repräsentiert auch das verbindende Element zu Heterotopie als Konzept der Räume der anderen und unterdrückten Beziehungen. Auch die Heterotopie konzipiert Lefebvre in einer Triade aus Isotopie – Heterotopie – Utopie. Während die Isotopie Orte des Gleichen repräsentiert und im Zentrum der Macht steht, versammelt die Heterotopie Orte anhand ihrer Verschiedenheit, wodurch diese in eine ferne Ordnung inkludiert und vom isotopen Raum exkludiert werden. Anders als Michel Foucault versteht Lefebvre das heterotope Element im Urbanen allerdings nicht als einen fixen Ort des Anderen, sondern als eine Punktualität, die durch die Verräumlichung des Anderen erst zum anderen Raum gemacht wird und somit flexibel und verschiebbar ist.

Weitere Informationen unter:
http://www.ifs.tu-darmstadt.de/index.php?id=gradkoll-tdt
https://www.uni-erfurt.de/philosophische-fakultaet/raumzeit-forschung/

Wer eine Kurzpräsentation vorstellen möchte, schickt bitte bis zum 06.03.2015 ein Abstract (1⁄2 DIN-A-4-Seite plus Kurzbiografie) an die angegebene Mailadresse. Dort werden auch Anmeldungen zur Teilnahme entgegengenommen.

Wir sind (zum Glück) eine wenig institutionalisierte Gruppe, weswegen wir (leider) keine Fahrtkosten übernehmen können. Bei der Organisation der Anfahrt sind wir aber natürlich gerne behilflich.

Programm

Kontakt

Robert Fischer

Erfurter RaumZeit-Forschung

raumzeitforschung @ uni-erfurt.de


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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung