Spektakel als ästhetische Kategorie: Theorien und Praktiken

Spektakel als ästhetische Kategorie: Theorien und Praktiken

Veranstalter
Dr. Elisabeth Fritz (Friedrich-Schiller-Universität Jena, Kunsthistorisches Seminar), Dr. Simon Frisch (Bauhaus-Universität Weimar, Dozentur für Film- und Medienwissenschaft), Dr. Rita Rieger (Karl-Franzens-Universität Graz, Zentrum für Kulturwissenschaften)
Veranstaltungsort
Friedrich-Schiller-Universität Jena / Bauhaus-Universität Weimar
Ort
Jena/Weimar
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.11.2015 - 21.11.2015
Deadline
15.03.2015
Website
Von
Elisabeth Fritz

Interdisziplinäre Tagung
"Spektakel als ästhetische Kategorie: Theorien und Praktiken"
Jena/Weimar, 19.-21. November 2015

Als Spektakel werden alltagssprachlich kulturelle Veranstaltungen bezeichnet, die sich an ein breites Publikum richten und durch Strategien der sinnlichen Überwältigung, des Erstaunens und der affektiven Berührung gekennzeichnet sind. Aufgrund der v.a. sinnlich-körperlichen Rezeptionserfahrung und der Betonung oberflächlicher Schaulust wird das Spektakel oft als Ausdrucksform der Unterhaltungs- und Populärkultur angesehen. Der Begriff dient somit auch als Differenzierungs- bzw. Abgrenzungskriterium der so genannten hohen von der niederen Kultur. Insbesondere in der kultur- und medienkritischen Tradition von Guy Debords „Gesellschaft des Spektakels“ (1967) wird der Begriff mit einer sinnentleerten, abstumpfenden und zerstreuenden Konsumkultur des Kapitalismus gleichgesetzt und somit in maximale Opposition zur bürgerlichen Tradition und ihren Konzeptionen von Kunst gesetzt, die auf Idealen wie Autonomie, Kontemplation, Distanz, Kritik, Reichtum an Bedeutung und Tiefe des Sinns beruhen. Der englische aber auch französische Begriff verdeutlicht hingegen die enge Verbindung von Spektakel und Theaterreflexion. Forderungen nach einer Theatralisierung der Künste seit den historischen Avantgarden weisen eine regelrechte Emphase für Strategien und Effekte des Spektakulären auf und gehen mit einem verstärkten Interesse an Performativität, Situationismus, Körperlichkeit und Affekt einher.
Im Rahmen der Tagung wird im Gegensatz zur normativen, moralischen oder kulturellen Bewertung eine neutralere, zunächst v.a. beschreibende Verwendung des Spektakelbegriffs vorgeschlagen. Von einer Analyse von Merkmalen und Typen ausgehend sollen ‚Spektakel‘ und ‚Spektakularität‘ als spezifische ästhetische Darstellungs- und Rezeptionsmodi erfasst sowie als analytische Kategorien für kunsttheoretische, kultur- und gesellschaftspolitische Fragestellungen im interdisziplinären Austausch produktiv gemacht werden.

Willkommen sind Beitragsvorschläge aus allen Disziplinen der Geistes-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften, zu sämtlichen Bereichen der Künste und Populärkultur (Bildende Kunst, Literatur, Theater, Musik, Tanz, Film, neue Medien, etc.), sowie aus der Kulturtheorie und Ästhetik im Allgemeinen. Diese können sich u.a. auf folgende Themenfelder beziehen:

- Fallstudien:
Welche historischen und zeitgenössischen kulturellen Formen werden gemeinhin als Spektakel bezeichnet oder könnten als solche untersucht werden (z.B. zirzensische Spiele, Triumphzüge, Passionsspiele, höfisches Zeremoniell, Reisen und Expeditionen, Präsentationen wissenschaftlicher Experimente, Weltausstellungen, Zirkus, Freak Show, Tierschau, 3D-Kino, Festivals, Fernsehshows, Katastrophenberichte, etc. )?

- Ästhetische Strategien und Wirkungen von Spektakularität:
Welche Techniken der Affektproduktion bzw. -darstellung sind typisch für Spektakel (z.B. sinnliche Überwältigung, Opulenz, Effekte der Präsenz, gezielte Moderation und Dramaturgie, Licht- und Toneffekte, Einsatz kostbarer Materialien, Überraschungseffekte, Tabubruch, etc.)? Welche spezifischen Rezeptionseffekte werden dadurch erzeugt (z.B. Freude, Bewunderung, körperliche Stimulation, Angst, Ekel, Ambiguität, Staunen, etc.)? Welche Rolle spielt dabei die bewusste Erfahrung von Medialisierungsprozessen (z.B. durch explizite Thematisierung der Medialität, Verfahren der Intermedialität, Synergien von Sprachsystemen und ästhetischen Reizen, Rückbindung an schriftliche Texte, etc.)?

- Begriffsfelder des Spektakels:
Inwiefern kann der Spektakelbegriff durch das Heranziehen aber auch Abgrenzen von verwandten Konzepten spezifiziert werden (z.B. Schaulust, Affekt, Zerstreuung, Schein, Schock, Pathos, Sinnlichkeit, Illusion, Immersion, Ereignis, etc.)? Von welchen Gattungsbezeichnungen ist er zu differenzieren (z.B. Komödie/Tragödie, Performance, Event, etc.)? Welche explizit anti-spektakulären Begriffe oder Gegenkonzepte spielen dabei eine Rolle (z.B. Einfachheit, Kontemplation, Versenkung, Bescheidenheit, Ernsthaftigkeit, Askese, Hermetik, Aufklärung, Realismus, Authentizität, Verfremdung, etc.)?

- Funktionen, Kontexte und Konjunkturen des Spektakelbegriffs:
Welche Funktion hat der Spektakelbegriff in gesellschaftlichen Diskursen? Wann und mit welchen Absichten tritt der Spektakelbegriff in theoretischen Ansätzen auf? Inwiefern wird er in verschiedenen historischen Kontexten und Kulturen (implizit oder explizit) definiert und bewertet (z.B. französischer Absolutismus, orientalische Großreiche, römische Antike, Freizeitkultur des 19. Jahrhunderts, Manifeste künstlerischer Avantgarden, Performancekunst der 1950er/1960er Jahre, etc.)? In welchen Diskursgemeinschaften erlebt das Spektakuläre Konjunkturen (z.B. Nationen, außereuropäische/nichtwestliche Kulturen, soziale Schichten und Milieus, Subkulturen, wissenschaftliche Disziplinen und Theorieschulen, etc.)?

- Theorien des Spektakels:
Welche philosophischen, wissenschaftstheoretischen oder ästhetischen Ansätze können zur Bestimmung des Spektakulären herangezogen werden (z.B. Zeit- und Raumerfahrung im Spektakel, Dialektik des Spektakulären, Phänomenologie des Spektakels, Anthropologie des Spektakels, Medientheorie des Spektakels, etc.)? Welche Konzepte von Erkenntnis und Wissen implizieren Spektakel (Epistemologie des Spektakels)?

- Künstlerische Reflexion, Rekursion und Referenz auf das Spektakuläre:
Welche Künstlerinnen und Künstler setzen sich explizit mit historischen Formen und Merkmalen des Spektakels auseinander (z.B.: Jeremy Deller, Danica Dakić, Peter Greenaway, William Kentridge, Jonathan Meese, Christoph Schlingensief, Quentin Tarantino, Bill Viola, Andy Warhol, Robert Wilson, etc.)?

- Nichtvisuelle Dimensionen des Spektakulären:
Inwiefern ist die Verwendung des Spektakelbegriffs zur Beschreibung von Phänomenen geeignet, die nicht (primär) auf das Sehen sondern auf andere Sinne ausgerichtet sind (z.B. Konzerte, Radiosendungen, Hörspiele, Ess- und Trinkkultur, Parfüm, Sport, etc.)?

Die Tagung findet vom 19. bis 21. November 2015 an den Universitäten Jena und Weimar statt. Zur Einreichung von Vorschlägen sind arrivierte WissenschaftlerInnen ebenso wie NachwuchswissenschaftlerInnen eingeladen. Bitte senden Sie Vorschläge in Form einer prägnanten und klaren Skizze Ihres Beitrags im Umfang von 2.000-3.000 Zeichen zusammen mit einem kurzen Lebenslauf (max. 1 Seite) bis zum 15. März 2015 an elisabeth.fritz@uni-jena.de, simon.frisch@uni-weimar.de und rita.rieger@uni-graz.at

Programm

Kontakt

Dr. Elisabeth Fritz
Kunsthistorisches Seminar, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Frommannsches Anwesen, Fürstengraben 18
D-07743 Jena

Tel.: +49/(0)3641 944 165
email: elisabeth.fritz@uni-jena.de