Jahrestagung des Johann Gottfried Herder‐Forschungsrates 2015: Migrationsmuster, transnationale Netzwerke und grenzüberschreitende Mobilität zwischen Ost‐ und Westeuropa in Geschichte und Gegenwart

Jahrestagung des Johann Gottfried Herder‐Forschungsrates 2015: Migrationsmuster, transnationale Netzwerke und grenzüberschreitende Mobilität zwischen Ost‐ und Westeuropa in Geschichte und Gegenwart

Veranstalter
Johann Gottfried Herder‐Forschungsrat, Fachkommission „Wirtschafts‐ und Sozialwissenschaften“; Projektgruppe „Transnationale Zeitgeschichte“, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig; Leibniz‐Institut für Länderkunde; Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien/Juniorprofessur "Migration und Integration der Russlanddeutschen" an der Universität Osnabrück
Veranstaltungsort
Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO), Reichsstraße 4, 04109 Leipzig
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.11.2015 - 20.11.2015
Website
Von
Müller, Uwe

Die wirtschaftliche Transformation in den Ländern Ostmittel‐, Ost‐ und Südosteuropas hat nach 1990 zu erheblichen Einschnitten in den persönlichen Lebensumständen der Einwohner_innen geführt. Eine Folge dieser Situation war eine bedeutende Abwanderung von Ost nach West. Seit dem EU‐Beitritt dieser Länder und spätestens seit ihrer Zugehörigkeit zum Schengen‐Raum stellen die Grenzen in Europa kein bedeutendes Hindernis mehr dar. Die Abwanderung hat dabei für einige Länder Dimensionen erreicht, die dort zu strukturellen Problemen für die demographische und wirtschaftliche Entwicklung führen. Inzwischen sind allerdings auch durchaus gegenläufige Prozesse der Rückwanderung festzustellen, die Brain (Re‐)Gain führen können. Insgesamt kann festgestellt werden, dass sich vor allem in jüngster Zeit die Muster und Effekte der Migration zwischen dem östlichen und westlichen Europa weiter ausdifferenziert haben.

Die Tagung will die Vielfältigkeit dieser Entwicklungen und ihre Wirkungen in Herkunfts‐ und Zielländern – auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen ‐ herausarbeiten und vergleichend gegenüberstellen. Im Mittelpunkt sollen dabei u.a. die folgenden Fragen stehen:
- Welche historischen Migrationsmuster und transnationalen Verflechtungen gibt es zwischen Ländern des östlichen und westlichen Europas? Welche Kontinuitäten bzw. gegenläufigen Muster sind in einer historischen Perspektive ggf. zu identifizieren?
- Wie wurde Zugehörigkeit in der Vergangenheit diskutiert und konstruiert? Was lässt sich daraus für die Integration der aktuell Zuwandernden ableiten?
- Wie wurde versucht, auf die Migrationen juristisch und administrativ einzuwirken und welche Folgen hatte dies? Wie stellt sich das Verhältnis von Grenzregimen und individuellen Erwartungshaltungen von Migrant_innen dar?
- Welchen quantitativen und qualitativen Veränderungen unterliegen die Migrationsströme zwischen Ländern des östlichen und westlichen Europas seit den frühen 1990er Jahren? Wie haben sich der EU‐Beitritt, der Beitritt zum Schengen‐Raum und die globale Wirtschaftskrise ausgewirkt?
- Welche Auswirkungen haben die Ab‐ und Rückwanderungen jeweils in den Herkunfts‐ und Zielländern? Inwiefern haben sich durch die Migrant_innen transnationale soziale Räume herausbilden können?

Im Rahmen der Jahrestagung wird eine interdisziplinäre Vernetzung zu der beschriebenen Thematik zwischen Historiker_innen, Geograph_innen, Ökonom_innen, Soziolog_innen, Kulturwissenschaftler_innen und Jurist_innen angestrebt. Dabei sollen dezidiert Bezüge zwischen den einzelnen fachlichen Perspektiven der Teilnehmer_innen und ihren empirischen Arbeiten und aktuellen theoretischen Konzepten hergestellt werden.

Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei. Bitte melden Sie sich bis zum 6.11.2015 per Email bei Dr. Uwe Müller (uwe.mueller@uni‐leipzig.de), GWZO Leipzig an.

Programm

Donnerstag, 19.11.2015

14h00‐14h30 Begrüßung
Reinhard Johler (Präsident des HFR)
Christian Lübke (Direktor GWZO Leipzig)

14h30‐15h30 KEYNOTE
Die „Flüchtlingsfrage“ in Deutschland nach 1945 und heute. Ein Vergleich
Mathias Beer (Donauschwäbisches Institut Tübingen)

16h00‐17h45 PANEL 1
Historische Migrationsmuster und transnationale Verflechtungen in Europa zwischen Ost und West
Moderation: Jörg Hackmann (Universität Szczecin)

Migrationsprozesse lassen sich nicht allein, mitunter nicht einmal vorrangig durch Push und Pull‐Faktoren erklären. Gerade die historische Migrationsforschung hat in den letzten Jahren auf die Bedeutung von transnationalen Netzwerken und den Einfluss politischer Steuerungsversuche hingewiesen. Das Panel kombiniert theoretische Überlegungen mit der Analyse von Fallbeispielen und fragt dabei nach der Stellung Ostmitteleuropas, insbesondere Polens, in einer europäischen Geschichte der Emigration und Remigration.

Michael G. Esch (GWZO Leipzig): Migrantische Transnationalität ohne Nationalstaaten? Überlegungen zum Wert eines normativen Konzepts für die Ostmitteleuropaforschung

Uwe Müller (GWZO Leipzig): „Leutenot“ und „slawische Hochflut“. Polnische Migranten und die Herausbildung einer deutschen (Im‐)Migrationspolitik (1880‐1914)

Yaman Kouli (Technische Universität Chemnitz): "Hin und fast nie wieder zurück" ‐ polnische Emigrationswellen im langen 20. Jahrhundert

18h00 Mitgliederversammlung des Herder‐Forschungsrates

9h00‐10h45 PANEL 2
Migration, Mobilität: Lebenswelt und Hoffnung der einen, Steuerungsproblem der anderen?
Moderation: Judith Miggelbrink (IfL Leipzig)

Das Panel will zwei Aspekte des Migrationsgeschehens zusammenbringen, die in wissenschaftlichen Untersuchungen oftmals getrennt verhandelt werden: Zum einen geht es darum zu fragen, wie durch Migration und durch Migrierende neue lebensweltliche Zusammenhänge entstehen, mit welchen (kontroversen) Sichtweisen und Einstellungen sie einhergehen, welche Konflikte aufbrechen und welche produktiven Verschiebungen an Zielorten von Migrationen entstehen können oder unterbleiben. Zum anderen gibt es eine lange Geschichte der Kontrolle und Reglementierung von Migration. Nicht nur die Gründe für die Reglementierung von Migration, auch die Akteure und Mechanismen sowie die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen bestimmte Formen der Migration als wünschenswert und andere als unerwünscht gelten unterliegen einem permanenten Wandel. Prognosen der Arbeitsmarktentwicklung und Annahmen bezüglich des demographischen Wandels in potenziellen Zielländern können zu einer völlig anderen Bewertung von Migration führen, als Situationen von Krise und Arbeitslosigkeit. In Migrationsgeschehen treffen Steuerungsansprüche und das Handeln von Migrationswilligen wie auch zu Migration und Flucht gezwungenen Menschen aufeinander. Zunehmend haben auch die Länder im mittleren und östlichen Europa ein Interesse an den Abgewanderten, die ihrer Ursprungsgesellschaft nicht vollständig verloren gehen sollen. Das Panel spannt einen Bogen zwischen den unterschiedlichen und konfligierenden Steuerungsinteressen, denen Migrierende unterliegen, und den komplexen Fragen ihrer (temporären) Integration.

Mathias Wagner (Universität Bielefeld): Die Uckermark ‐ eine bundesdeutsche Peripherie auf dem Weg zur europäischen Integration

Bettina Bruns und Helga Zichner (IfL Leipzig): Begehrte Migrant/innen? „Zugriffe“ auf Migrant/innen durch die Herkunfts‐ und Zielländer

11h15‐13h00 PANEL 3
Regime der Zugehörigkeit in Geschichte und Gegenwart
Moderation: Katja Naumann (GWZO Leipzig)

Die Allokation von Menschen zu Territorien und Nationen gehört zu den zentralen Funktionen von Migrationsregimen. Es handelt sich hierbei um Aushandlungs‐prozesse im Rahmen bestimmter Institutionen der Wanderungssteuerung (Ausreise‐ und Aufnahmeregime) und der Regulation von Aufenthalt (Präsenzregime). Dieses Panel wird ethnographische und historische Perspektiven auf solche Prozesse im Zusammenhang von Migrationen zwischen Ost‐ und Westeuropa während der Epoche des Kalten Krieges und in der Gegenwart entwickeln. Im Mittelpunkt stehen dabei einerseits Fragen nach dem Zusammenspiel staatlich zugewiesener und gelebter Zugehörigkeit. Zum anderen wird die (Re‐)Konstruktion von Nationen durch Zugehörigkeitsregime im Kontext des historischen ost‐westlichen Systemkonflikts thematisiert.

Gesine Wallem (Sciences PoParis/Centre Marc Bloch Berlin): Rechtliche Kategorisierung und ethnische Identifikation: Ein ethnographischer Blick auf russlanddeutsche Identitätsbildungen

Frank Wolff (Universität Osnabrück): Die Staatsbürgerschaft der DDR als Kampfmittel im Kalten Krieg

Jannis Panagiotidis (Universität Osnabrück): Das ethnisch kodierte Ost‐West Migrationsregime im Kalten Krieg

14h00‐15h45 PANEL 4
Temporäre und zirkuläre Migrationsmuster zwischen Ost‐ und Westeuropa seit 1989/90
Moderation: Robert Nadler (IfL Leipzig)

In diesem Panel werden empirische Beispiele zu Migrationsmustern zwischen Ost‐ und Westeuropa im Rahmen der post‐sozialistischen Transformation präsentiert. Sie dienen als Ausgangspunkt für eine Diskussion neuer konzeptionell‐theoretischer Zugänge zu Phänomenen temporärer und zirkulärer Migration.

Barbara Dietz (IZA Bonn/IOS Regensburg): Temporäre Arbeitsmigration aus Osteuropa: Die Bedeutung von Qualifikation und Migrationsagenturen

Birgit Glorius (Technische Universität Chemnitz): Bleiben, Rückkehr oder Weiterziehen? Mobilitätsentscheidungen ausländischer Studierender in Deutschland

Sarah Scholl‐Schneider (Universität Mainz) & Caroline Hornstein Tomić (Institute of Social Sciences Ivo Pilar Zagreb): Narrative der post‐1989‐Rückkehr ‐ Parallelen aus Kroatien und Tschechien

16h15 Sitzung der Fachkommission „Wirtschafts‐ und Sozialwissenschaften“

Kontakt

Dr. Uwe Müller
GWZO an der Universität Leipzig
Email: uwe.mueller@uni‐leipzig.de


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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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