Stadt - Macht - Korruption. Praktiken, Debatten und Wahrnehmungen städtischer Korruption im 19. und 20. Jahrhundert

Stadt - Macht - Korruption. Praktiken, Debatten und Wahrnehmungen städtischer Korruption im 19. und 20. Jahrhundert

Veranstalter
TU Darmstadt
Veranstaltungsort
Kurhaus Trifels
Ort
Annweiler am Trifels
Land
Deutschland
Vom - Bis
27.04.2016 - 29.04.2016
Website
Von
Perthen, Andrea; König, Ralf Martin

Letzten November hat in Rom ein mit Spannung erwarteter Prozess gegen die „Mafia Capitale“ begonnen. Die Grundlage bildet ein Notizbuch, das die systematische Bestechung von Lokalpolitikern und Verwaltungsbeamten dokumentiert. Die Bewohner der italienischen Hauptstadt mussten sich eingestehen, dass Rom im selben Maße vom organisierten Verbrechen durchdrungen ist wie der Süden des Landes. Mit auf der Liste der Korrumpierten steht der frühere Bürgermeister Gianni Alemanno.
Während sich das Thema Korruption seit einigen Jahren zunehmender Beliebtheit in der historischen Forschung erfreut, ist die kommunale Ebene bisher vergleichsweise selten in den Fokus gerückt. Die Tagung „Stadt – Macht – Korruption“ soll diese Lücke schließen und Korruption als lohnendes Forschungsfeld innerhalb der Stadtgeschichte etablieren.
Die städtetypische Nähe verschiedenster Behörden, Ämter und Unternehmen zueinander fördert die Anbahnung vertraulicher face-to-face-Beziehungen, die in moralisch fragwürdige Absprachen hinter verschlossenen Türen münden können. So findet man in Politik- und Verwaltungswissenschaften die Ansicht, dass die „Kleinteiligkeit und Übersichtlichkeit der Kommune“ und die relative Nachbarschaft von Wirtschaft und Verwaltung einen guten „,Nährboden‘ für dauerhafte Netzwerke“ (v. Arnim [u.a.] 2006) darstelle, aus denen Korruption hervorgehen könne. In städtischen Szenarien verdichtet sich somit die Präsenz von Korruption: Sie wirkt auf Einwohner greifbarer, weniger abstrakt als etwa große Staatsaffären, zumal sie zugleich betroffene Steuerzahler, belogene Wähler oder betrogene Anteilseigner sein können und die Handelnden häufig persönlich bekannt sind. Deshalb ist der Emotionalisierungsgrad der lokalen Öffentlichkeit besonders hoch. Gleichzeitig konnten entsprechende Oppositionen schneller mobilisiert werden.
Bauprogramme, Postenvergabe, Energieversorgung, Großinvestitionen, Sozialpolitik – die kommunale Aufgabenvielfalt steht der staatlichen in nichts nach. Sie lässt Begehrlichkeiten entstehen und gibt die Gelegenheit zur Korruption. Tatsächlich konnte Korruption, wie am Beispiel US-amerikanischer Städte des späten 19. Jahrhunderts ersichtlich, in einer Zeit dynamischen Städtewachstums auch als ‚Schmiermittel‘ fungieren, das Veränderungsprozesse oder die Integration neuer Einwohnergruppen erleichterte.
Die sprichwörtlich korruptive „Maschinenpolitik“ in Städten wie Chicago und New York steht denn auch beispielhaft für den zweifelhaften Ruf, in den einzelne Städte aufgrund solcher Praktiken kommen können. Dies gilt auch für die Gegenwart. Polemische Zuschreibungen wie ‚Kölner Klüngel‘ oder ‚Berliner Filz‘ sind nur zwei prominente Beispiele, die an den Namen einer Stadt im Hinblick auf die dortigen Verwaltungsstrukturen, Politikstile und Entscheidungsfindungen negative Assoziationen knüpfen sollen. Ähnliches gilt für die Stadt Marseille, die ihr Image als „ville noire“ schon früh in der französischen Populärkultur erhielt und dieses erst im Zuge der Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt relativieren konnte.
Die Tagung widmet sich im internationalen Vergleich mit Beispielen aus Europa, Nordamerika und Asien den zwei Hauptthemen Praktiken und Debatten. Es wird ausgelotet, welche strukturellen Voraussetzungen Städte für Korruption und Netzwerkbildung bieten und welche besonderen Merkmale städtische Seilschaften oder käufliche Verwaltungen auszeichnen, welche Normen ihnen zugrunde liegen. Zum anderen werden Skandale und Kontroversen über solche Vorgänge diskutiert, zudem Stadtimages und Versuche, den schlechten Leumund wieder abzuschütteln.

Anmeldungen zur Teilnahme an unserer Veranstaltung richten Sie bitte bis zum 31. März 2016 an die unten stehende E-Mail-Adresse.

Programm

Mittwoch, 27.04.2016

bis 14:00 Uhr: Ankunft, Check-In

14:00 Uhr: Jens Ivo Engels: Einführung

TEIL I: FRAUD AND NETWORKS

The Functioning of Local and National Networks

14:30 Uhr
Gemma Rubí i Casals: La corruption par le bas ou la corruption dans un niveau local. Les réseaux clientélaires et la politique locale en Espagne pendant la Restauration Bourbonnique (1875-1925)

15:00 Uhr
Sandra Dahlke: Gotteshäuser, Schuldentürme, Fabriken und die Eisenbahn: Interessenkonflikte und soziale Neuordnung im Moskauer Strafprozess gegen die Äbtissin Mitrofanija (1874)

15:30 Uhr Diskussion

16:00 Uhr Kaffeepause

Regulation and Circumventing Regulation through Urban Networks

16:30 Uhr
Daniel Kück: Das Treiben in den dunklen Ecken der Stadt - Polizei und Korruption in Bordellen, Spielclubs und Schänken während der Weimarer Republik

17:00 Uhr
Thomas Bohn: "Stadtluft macht frei...": Aufenthaltsgenehmigung und Wohnraumwarteliste als Schleusen für den "urban way of life" in der poststalinistischen Sowjetunion

17:30 Uhr Diskussion

19:00 Uhr Abendessen

21:00 Uhr Get-together
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Donnerstag, 28.04.2016

Local Networks and Their Norms. Case Studies from the Mediterranean Area

8:30 Uhr
Marco Bar: Le maire ‘intègre’ et les autres : La genèse des scandales de corruption urbaines à Marseilles (années 1880 – années 1910)

9:00 Uhr
Cesare Mattina: L'ordinaire des pratiques illégales et corrompues. Considérations autour d'une affaire marseillaise des années 1980

9:30 Uhr
Sergio Marotta/Italo Pardo: Economic Criminality and Moral Corruption Enmesh in Ischia

10:00 Uhr Diskussion

10:30 Uhr Kaffeepause

TEIL II: IMAGES AND DEBATES

11:00 Uhr
Frédéric Monier: Einführung

Debates on Urban Corruption between Centre and Periphery

11:30 Uhr
Jorge Luengo: Patronage as a Source of Corruption? Local Politics, Nepotism, and the Making of Civil Society in Restoration Spain

12:00 Uhr
Anna Rothfuss: Korruptionsdebatten in der Kommune: Der Kölner "Bakschischprozess" 1914

12:30 Uhr Diskussion

13:00 Uhr Mittagessen

Urban Corruption Scandals and Party Politics

14:30 Uhr
Ronald Kroeze: Large Differences in a Small Country? The Oss Case (1938/39)

15:00 Uhr
Bettina Tüffers: Der politische Umgang mit einem Verwaltungsskandal. Die Diskussion der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung über Korruptionsaffären der Stadtverwaltung 1987-1989

15:30 Uhr Diskussion

16:00 Uhr Kaffeepause

Master Narratives of Corrupt Cities and Immoral Times

16:30 Uhr
Alan Lessoff: The Gilded Age City in American Political Discourse and Lore

17:00 Uhr Diskussion

19:00 Uhr Abendessen

Freitag, 29.04.2016

Negative Images Explained by Socio-economic Decline and Cultural Conflict

09:00 Uhr
Peter Jones: Images of Corruption in British Cities: Glasgow, Liverpool, and Newcastle c. 1880-1980

09:30 Uhr
Mathieu Lapointe: "Montréal, ville ouverte": genèse de la réputation de corruption d'une métropole canadienne culturellement polarisée en contexte nord-américain, 1890-1960

10:00 Uhr Diskussion

10:30 Uhr Kaffeepause

Improving Images through Reinterpretation or Reform

11:00 Uhr
James Moore: Civic Reputations and the Management of Corruption in British Cities, c. 1880-1914

11:30 Uhr
Anja Senz: Hongkong: Vom "Hort der Korruption" zur "Hauptstadt der Korruptionsbekämpfung" - Imagewandel dank Eindämmung struktureller Korruption

12:00 Uhr Abschlussdiskussion

13:00 Uhr Mittagessen (optional)

Kontakt

Andrea Perthen; Ralf Martin König

TU Darmstadt, Institut für Geschichte
Dolivostraße 15, 64293 Darmstadt

korruptionsforschung@pg.tu-darmstadt.de


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Englisch, Französisch, Deutsch
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